Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundriß
geländer sitzt, ist aus Jonas Geschichte entlehnet,
aber ihr beyder Gedanken und Meinungen sind ein-
ander entgegengesetzet. Noah brauchet einen glei-
chen Beweggrund Gott zu begütigen, wie Mose,
als das Volk Jsrael ein Bild von Gott in Gestalt
eines Stiers verehret, und Gott deßwegen der gan-
zen Nation den Untergang gedrohet. Mose sagte:
Auf solche Art wirst du den Egyptern Gelegenheit
geben, daß sie sagen, du hättest sie aus böser Ab-
sicht herausgeführet, nehmlich sie in den Gebirgen
umzubringen, und gäntzlich auszurotten. Ferner
habe ich hier Abrahams Fürbitte für Sodom vor
Augen gehabt; welche sowohl durch die Gründe,
womit sie begleitet wird, als durch den vielmahl
wiederholten Ansatz nachdrücklich wird. Abra-
ham sagte: Jch will nicht hoffen, daß du Gute
und Böse mit einander umbringen werdest; es
muß doch zwischen beyden ein Unterschied gehal-
ten werden; und s. f. Hier müssen sonst die be-
sten Gründe zur Vertheidigung des Gerichtes, das
über die erste Welt ergangen ist, angebracht wer-
den. Die Lebensart der Söhne Noah, und ihre
Sitten müssen überhaupt so vorgestellt werden,
daß in ihrer Unschuld ein empfindlicher Beweisthum
enthalten sey, daß sie auf gewisse Weise verdienen,
in der Zeit erhalten zu werden, da alle übrigen
Menschen den Untergang sehen. Man kan das
Muster von ihrem Leben in Miltons Vorstel-
lung Adams und Even im Paradiese vor sich fin-
den, jedoch hat man dabey den dreyfachen Cha-
racter dieser drey Brüder wol in Acht zu neh-
men.

Zum

Grundriß
gelaͤnder ſitzt, iſt aus Jonas Geſchichte entlehnet,
aber ihr beyder Gedanken und Meinungen ſind ein-
ander entgegengeſetzet. Noah brauchet einen glei-
chen Beweggrund Gott zu beguͤtigen, wie Moſe,
als das Volk Jſrael ein Bild von Gott in Geſtalt
eines Stiers verehret, und Gott deßwegen der gan-
zen Nation den Untergang gedrohet. Moſe ſagte:
Auf ſolche Art wirſt du den Egyptern Gelegenheit
geben, daß ſie ſagen, du haͤtteſt ſie aus boͤſer Ab-
ſicht herausgefuͤhret, nehmlich ſie in den Gebirgen
umzubringen, und gaͤntzlich auszurotten. Ferner
habe ich hier Abrahams Fuͤrbitte fuͤr Sodom vor
Augen gehabt; welche ſowohl durch die Gruͤnde,
womit ſie begleitet wird, als durch den vielmahl
wiederholten Anſatz nachdruͤcklich wird. Abra-
ham ſagte: Jch will nicht hoffen, daß du Gute
und Boͤſe mit einander umbringen werdeſt; es
muß doch zwiſchen beyden ein Unterſchied gehal-
ten werden; und ſ. f. Hier muͤſſen ſonſt die be-
ſten Gruͤnde zur Vertheidigung des Gerichtes, das
uͤber die erſte Welt ergangen iſt, angebracht wer-
den. Die Lebensart der Soͤhne Noah, und ihre
Sitten muͤſſen uͤberhaupt ſo vorgeſtellt werden,
daß in ihrer Unſchuld ein empfindlicher Beweisthum
enthalten ſey, daß ſie auf gewiſſe Weiſe verdienen,
in der Zeit erhalten zu werden, da alle uͤbrigen
Menſchen den Untergang ſehen. Man kan das
Muſter von ihrem Leben in Miltons Vorſtel-
lung Adams und Even im Paradieſe vor ſich fin-
den, jedoch hat man dabey den dreyfachen Cha-
racter dieſer drey Bruͤder wol in Acht zu neh-
men.

Zum
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Grundriß</hi></fw><lb/>
gela&#x0364;nder &#x017F;itzt, i&#x017F;t aus Jonas Ge&#x017F;chichte entlehnet,<lb/>
aber ihr beyder Gedanken und Meinungen &#x017F;ind ein-<lb/>
ander entgegenge&#x017F;etzet. Noah brauchet einen glei-<lb/>
chen Beweggrund Gott zu begu&#x0364;tigen, wie Mo&#x017F;e,<lb/>
als das Volk J&#x017F;rael ein Bild von Gott in Ge&#x017F;talt<lb/>
eines Stiers verehret, und Gott deßwegen der gan-<lb/>
zen Nation den Untergang gedrohet. Mo&#x017F;e &#x017F;agte:<lb/>
Auf &#x017F;olche Art wir&#x017F;t du den Egyptern Gelegenheit<lb/>
geben, daß &#x017F;ie &#x017F;agen, du ha&#x0364;tte&#x017F;t &#x017F;ie aus bo&#x0364;&#x017F;er Ab-<lb/>
&#x017F;icht herausgefu&#x0364;hret, nehmlich &#x017F;ie in den Gebirgen<lb/>
umzubringen, und ga&#x0364;ntzlich auszurotten. Ferner<lb/>
habe ich hier Abrahams Fu&#x0364;rbitte fu&#x0364;r Sodom vor<lb/>
Augen gehabt; welche &#x017F;owohl durch die Gru&#x0364;nde,<lb/>
womit &#x017F;ie begleitet wird, als durch den vielmahl<lb/>
wiederholten An&#x017F;atz nachdru&#x0364;cklich wird. Abra-<lb/>
ham &#x017F;agte: Jch will nicht hoffen, daß du Gute<lb/>
und Bo&#x0364;&#x017F;e mit einander umbringen werde&#x017F;t; es<lb/>
muß doch zwi&#x017F;chen beyden ein Unter&#x017F;chied gehal-<lb/>
ten werden; und &#x017F;. f. Hier mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;on&#x017F;t die be-<lb/>
&#x017F;ten Gru&#x0364;nde zur Vertheidigung des Gerichtes, das<lb/>
u&#x0364;ber die er&#x017F;te Welt ergangen i&#x017F;t, angebracht wer-<lb/>
den. Die Lebensart der So&#x0364;hne Noah, und ihre<lb/>
Sitten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;berhaupt &#x017F;o vorge&#x017F;tellt werden,<lb/>
daß in ihrer Un&#x017F;chuld ein empfindlicher Beweisthum<lb/>
enthalten &#x017F;ey, daß &#x017F;ie auf gewi&#x017F;&#x017F;e Wei&#x017F;e verdienen,<lb/>
in der Zeit erhalten zu werden, da alle u&#x0364;brigen<lb/>
Men&#x017F;chen den Untergang &#x017F;ehen. Man kan das<lb/>
Mu&#x017F;ter von ihrem Leben in Miltons Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung Adams und Even im Paradie&#x017F;e vor &#x017F;ich fin-<lb/>
den, jedoch hat man dabey den dreyfachen Cha-<lb/>
racter die&#x017F;er drey Bru&#x0364;der wol in Acht zu neh-<lb/>
men.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[12/0014] Grundriß gelaͤnder ſitzt, iſt aus Jonas Geſchichte entlehnet, aber ihr beyder Gedanken und Meinungen ſind ein- ander entgegengeſetzet. Noah brauchet einen glei- chen Beweggrund Gott zu beguͤtigen, wie Moſe, als das Volk Jſrael ein Bild von Gott in Geſtalt eines Stiers verehret, und Gott deßwegen der gan- zen Nation den Untergang gedrohet. Moſe ſagte: Auf ſolche Art wirſt du den Egyptern Gelegenheit geben, daß ſie ſagen, du haͤtteſt ſie aus boͤſer Ab- ſicht herausgefuͤhret, nehmlich ſie in den Gebirgen umzubringen, und gaͤntzlich auszurotten. Ferner habe ich hier Abrahams Fuͤrbitte fuͤr Sodom vor Augen gehabt; welche ſowohl durch die Gruͤnde, womit ſie begleitet wird, als durch den vielmahl wiederholten Anſatz nachdruͤcklich wird. Abra- ham ſagte: Jch will nicht hoffen, daß du Gute und Boͤſe mit einander umbringen werdeſt; es muß doch zwiſchen beyden ein Unterſchied gehal- ten werden; und ſ. f. Hier muͤſſen ſonſt die be- ſten Gruͤnde zur Vertheidigung des Gerichtes, das uͤber die erſte Welt ergangen iſt, angebracht wer- den. Die Lebensart der Soͤhne Noah, und ihre Sitten muͤſſen uͤberhaupt ſo vorgeſtellt werden, daß in ihrer Unſchuld ein empfindlicher Beweisthum enthalten ſey, daß ſie auf gewiſſe Weiſe verdienen, in der Zeit erhalten zu werden, da alle uͤbrigen Menſchen den Untergang ſehen. Man kan das Muſter von ihrem Leben in Miltons Vorſtel- lung Adams und Even im Paradieſe vor ſich fin- den, jedoch hat man dabey den dreyfachen Cha- racter dieſer drey Bruͤder wol in Acht zu neh- men. Zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/14
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/14>, abgerufen am 29.03.2024.