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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
mit allem Recht stets einen hohen Ruhm genossen. Besonders waren
es die indischen Klingen, welche in der Güte sowohl als auch in ihrer
Auszierung Staunen erregten. Wir finden solche in einer Ausstat-
tung, deren Fertigungsart uns geradezu unerklärlich ist. So die
indische Säbelklinge (Fig. 313), in deren rinnenartig der Länge nach
laufendem Spalt eine Reihe Perlen gefasst ist. Wie mussten diese
eingefügt sein, ohne dass auch nur eine verletzt wurde? Auch an
Handscharklingen aus Damaskus ist die Einfügung und Fassung von
Korallen oder Türkisen zu bewundern.

Die Formenvarianten orientalischer Säbel finden allgemeine An-
deutungen in den Figuren 314, 315, 316 und 317.

Die Scheiden der orientalischen Krummschwerter zeigen eine
von den europäischen wesentlich unterschiedene Form schon durch
die eigenartigen Beschläge. Bei ihnen tritt zuerst das Mundblech
auf, das Ortband reicht an der vorderen, der Schneidekante weit
hinauf zum Schutze vor dem Steigbügel. Die Ringbeschläge bestehen
aus 2 bis 3, oft aber auch 5 bis 6 schmalen Spangen. Bei Säbel-
scheiden für sehr gekrümmte Klingen ist die schmale Rückenfläche
zunächst der Mündung derart eingerichtet, dass diese sich beim Her-
ausziehen der Klinge federartig öffnet. Die Scheide selbst ist mit
den mannigfachsten Materialien überzogen, meist mit Chagrinleder,
aber auch mit Damaststoffen oder mit rauher oder abgeschliffener
Fischhaut u. dgl. Die praktisch ausgestattete orientalische Scheide
wurde schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht gar früher, in Europa
nachgeahmt, wir treffen sie nicht selten bei Schwertern im östlichen
Deutschland, zahlreich aber in Ungarn und den dort angrenzenden
Ländern.

In den arabisch-türkischen Ländern bildete sich, veranlasst durch
die Streitweise, seit dem 16. Jahrhundert eine Waffenform heraus,
welche, soweit hierher gehörig, in der Dimension und der Form der
Klinge zwischen dem Säbel und dem Dolchmesser in der Mitte
steht; es ist dies der Khandschar, gemeiniglich Handschar ge-
nannt. Der grosse Handschar hat eine zweifach gebogene, in eine
Spitze auslaufende Klinge. Die Schneide ist anfänglich leicht
konkav, gegen das Ende zu konvex gekrümmt. Der kleine
Handschar, gewöhnlich auch Yatagan genannt, stammt in dieser
Form aus Ostindien; seine Klinge ist messerartig spitz und leicht ge-
krümmt. Der Griff des Handschars ist eigentümlich. Ursprünglich
bestand er aus dem Ende eines Röhrenknochens, aus welcher Urform
sich später jener charakteristische zweilappige Knauf (pommeau a
oreilles) herausgebildet hat. Der Griff besitzt keine Parierstange.
Die meist sehr reich in Tausia gezierte und mit orientalischen In-
schriften, Koransprüchen u. dgl. ausgestattete Klinge steht mittelst einer
Zwinge mit dem Griffe in Verbindung. Die Scheide, gewöhnlich von
einem stark ovalen Querschnitte, hat einen Bezug von Leder, Stoffen,

A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
mit allem Recht stets einen hohen Ruhm genossen. Besonders waren
es die indischen Klingen, welche in der Güte sowohl als auch in ihrer
Auszierung Staunen erregten. Wir finden solche in einer Ausstat-
tung, deren Fertigungsart uns geradezu unerklärlich ist. So die
indische Säbelklinge (Fig. 313), in deren rinnenartig der Länge nach
laufendem Spalt eine Reihe Perlen gefaſst ist. Wie muſsten diese
eingefügt sein, ohne daſs auch nur eine verletzt wurde? Auch an
Handscharklingen aus Damaskus ist die Einfügung und Fassung von
Korallen oder Türkisen zu bewundern.

Die Formenvarianten orientalischer Säbel finden allgemeine An-
deutungen in den Figuren 314, 315, 316 und 317.

Die Scheiden der orientalischen Krummschwerter zeigen eine
von den europäischen wesentlich unterschiedene Form schon durch
die eigenartigen Beschläge. Bei ihnen tritt zuerst das Mundblech
auf, das Ortband reicht an der vorderen, der Schneidekante weit
hinauf zum Schutze vor dem Steigbügel. Die Ringbeschläge bestehen
aus 2 bis 3, oft aber auch 5 bis 6 schmalen Spangen. Bei Säbel-
scheiden für sehr gekrümmte Klingen ist die schmale Rückenfläche
zunächst der Mündung derart eingerichtet, daſs diese sich beim Her-
ausziehen der Klinge federartig öffnet. Die Scheide selbst ist mit
den mannigfachsten Materialien überzogen, meist mit Chagrinleder,
aber auch mit Damaststoffen oder mit rauher oder abgeschliffener
Fischhaut u. dgl. Die praktisch ausgestattete orientalische Scheide
wurde schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht gar früher, in Europa
nachgeahmt, wir treffen sie nicht selten bei Schwertern im östlichen
Deutschland, zahlreich aber in Ungarn und den dort angrenzenden
Ländern.

In den arabisch-türkischen Ländern bildete sich, veranlaſst durch
die Streitweise, seit dem 16. Jahrhundert eine Waffenform heraus,
welche, soweit hierher gehörig, in der Dimension und der Form der
Klinge zwischen dem Säbel und dem Dolchmesser in der Mitte
steht; es ist dies der Khandschar, gemeiniglich Handschar ge-
nannt. Der groſse Handschar hat eine zweifach gebogene, in eine
Spitze auslaufende Klinge. Die Schneide ist anfänglich leicht
konkav, gegen das Ende zu konvex gekrümmt. Der kleine
Handschar, gewöhnlich auch Yatagan genannt, stammt in dieser
Form aus Ostindien; seine Klinge ist messerartig spitz und leicht ge-
krümmt. Der Griff des Handschars ist eigentümlich. Ursprünglich
bestand er aus dem Ende eines Röhrenknochens, aus welcher Urform
sich später jener charakteristische zweilappige Knauf (pommeau à
oreilles) herausgebildet hat. Der Griff besitzt keine Parierstange.
Die meist sehr reich in Tausia gezierte und mit orientalischen In-
schriften, Koransprüchen u. dgl. ausgestattete Klinge steht mittelst einer
Zwinge mit dem Griffe in Verbindung. Die Scheide, gewöhnlich von
einem stark ovalen Querschnitte, hat einen Bezug von Leder, Stoffen,

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[279/0297] A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel. mit allem Recht stets einen hohen Ruhm genossen. Besonders waren es die indischen Klingen, welche in der Güte sowohl als auch in ihrer Auszierung Staunen erregten. Wir finden solche in einer Ausstat- tung, deren Fertigungsart uns geradezu unerklärlich ist. So die indische Säbelklinge (Fig. 313), in deren rinnenartig der Länge nach laufendem Spalt eine Reihe Perlen gefaſst ist. Wie muſsten diese eingefügt sein, ohne daſs auch nur eine verletzt wurde? Auch an Handscharklingen aus Damaskus ist die Einfügung und Fassung von Korallen oder Türkisen zu bewundern. Die Formenvarianten orientalischer Säbel finden allgemeine An- deutungen in den Figuren 314, 315, 316 und 317. Die Scheiden der orientalischen Krummschwerter zeigen eine von den europäischen wesentlich unterschiedene Form schon durch die eigenartigen Beschläge. Bei ihnen tritt zuerst das Mundblech auf, das Ortband reicht an der vorderen, der Schneidekante weit hinauf zum Schutze vor dem Steigbügel. Die Ringbeschläge bestehen aus 2 bis 3, oft aber auch 5 bis 6 schmalen Spangen. Bei Säbel- scheiden für sehr gekrümmte Klingen ist die schmale Rückenfläche zunächst der Mündung derart eingerichtet, daſs diese sich beim Her- ausziehen der Klinge federartig öffnet. Die Scheide selbst ist mit den mannigfachsten Materialien überzogen, meist mit Chagrinleder, aber auch mit Damaststoffen oder mit rauher oder abgeschliffener Fischhaut u. dgl. Die praktisch ausgestattete orientalische Scheide wurde schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht gar früher, in Europa nachgeahmt, wir treffen sie nicht selten bei Schwertern im östlichen Deutschland, zahlreich aber in Ungarn und den dort angrenzenden Ländern. In den arabisch-türkischen Ländern bildete sich, veranlaſst durch die Streitweise, seit dem 16. Jahrhundert eine Waffenform heraus, welche, soweit hierher gehörig, in der Dimension und der Form der Klinge zwischen dem Säbel und dem Dolchmesser in der Mitte steht; es ist dies der Khandschar, gemeiniglich Handschar ge- nannt. Der groſse Handschar hat eine zweifach gebogene, in eine Spitze auslaufende Klinge. Die Schneide ist anfänglich leicht konkav, gegen das Ende zu konvex gekrümmt. Der kleine Handschar, gewöhnlich auch Yatagan genannt, stammt in dieser Form aus Ostindien; seine Klinge ist messerartig spitz und leicht ge- krümmt. Der Griff des Handschars ist eigentümlich. Ursprünglich bestand er aus dem Ende eines Röhrenknochens, aus welcher Urform sich später jener charakteristische zweilappige Knauf (pommeau à oreilles) herausgebildet hat. Der Griff besitzt keine Parierstange. Die meist sehr reich in Tausia gezierte und mit orientalischen In- schriften, Koransprüchen u. dgl. ausgestattete Klinge steht mittelst einer Zwinge mit dem Griffe in Verbindung. Die Scheide, gewöhnlich von einem stark ovalen Querschnitte, hat einen Bezug von Leder, Stoffen,

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/297>, abgerufen am 25.04.2024.