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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 1. Die Schleuder.
gebildete Schale aus Leder besass, in welche der Stein oder das Blei
gelegt wurde. (Fig. 462.) Beim Gebrauche schwang der Schleuderer
die Schlinge zwei- bis dreimal rasch im Kreise herum und liess im
geeigneten Augenblicke das eine Ende der Schlinge aus der Hand
gleiten, wie wir aus der Figur ersehen. Beim Gebrauche der Stock-
schleuder musste sich im Schwunge das eine Ende von einem am
Ende des Stockes angebrachten Haken abheben, was nur durch be-
sondere Geschicklichkeit erzielt werden konnte Immerhin war die
Stockschleuder in der Hand eines geübten Mannes eine fürchterliche
Waffe. (Fig. 463.) Ihre unläugbaren Vorzüge wurden noch im
17. Jahrhundert erkannt, da sie häufig zum Schleudern von Hand-
granaten benutzt wurde. Ebenso wie Bogenschützen wurden "Schleuderer"
noch im 14. Jahrhundert bei allen Heeren geworben, die aus ihrer
Kunst ein Gewerbe machten, unansehnliches und wohl auch im Äusseren
[Abbildung] Fig. 463.

Gruppen von Bewaffneten, darunter einer mit
einer Armrust, der andere mit einer Stockschleuder. Miniatur aus
einem Manuskripte des Matheus Paris, 13. Jahrhundert, in der Biblio-
thek des Benet College in Cambridge. Nach Hewitt.

herabgekommenes, dabei sehr schlecht diszipliniertes Volk. Sie begleiteten
auch die Ritterschaft Kaiser Heinrichs VII. nach Italien. (Fig. 464.)

Im 15. Jahrhundert mehren sich die Berichte von einer Ver-
wendung der Schleuder durch eigene, für den Zweck bestimmte
Söldner. In dem zusammengerafften Heere, welches Johann von
Capistran nach Belgrad führte, war sie die vorzüglichste Fernwaffe.
In dem Rufe, die gewandtesten Schleuderer zu besitzen, standen die
spanischen Heere, die sich für diesen Zweck der Bewohner der
balearischen Inseln bedienten. Die Leistungsfähigkeit eines balearischen
oder kretischen Schleuderers war so gross, dass er auf 120 -- 160
Schritte mit Sicherheit seinen Mann traf. Einige Anzeichen deuten

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D. Die Fernwaffen. 1. Die Schleuder.
gebildete Schale aus Leder besaſs, in welche der Stein oder das Blei
gelegt wurde. (Fig. 462.) Beim Gebrauche schwang der Schleuderer
die Schlinge zwei- bis dreimal rasch im Kreise herum und lieſs im
geeigneten Augenblicke das eine Ende der Schlinge aus der Hand
gleiten, wie wir aus der Figur ersehen. Beim Gebrauche der Stock-
schleuder muſste sich im Schwunge das eine Ende von einem am
Ende des Stockes angebrachten Haken abheben, was nur durch be-
sondere Geschicklichkeit erzielt werden konnte Immerhin war die
Stockschleuder in der Hand eines geübten Mannes eine fürchterliche
Waffe. (Fig. 463.) Ihre unläugbaren Vorzüge wurden noch im
17. Jahrhundert erkannt, da sie häufig zum Schleudern von Hand-
granaten benutzt wurde. Ebenso wie Bogenschützen wurden „Schleuderer“
noch im 14. Jahrhundert bei allen Heeren geworben, die aus ihrer
Kunst ein Gewerbe machten, unansehnliches und wohl auch im Äuſseren
[Abbildung] Fig. 463.

Gruppen von Bewaffneten, darunter einer mit
einer Armrust, der andere mit einer Stockschleuder. Miniatur aus
einem Manuskripte des Matheus Paris, 13. Jahrhundert, in der Biblio-
thek des Benet College in Cambridge. Nach Hewitt.

herabgekommenes, dabei sehr schlecht diszipliniertes Volk. Sie begleiteten
auch die Ritterschaft Kaiser Heinrichs VII. nach Italien. (Fig. 464.)

Im 15. Jahrhundert mehren sich die Berichte von einer Ver-
wendung der Schleuder durch eigene, für den Zweck bestimmte
Söldner. In dem zusammengerafften Heere, welches Johann von
Capistran nach Belgrad führte, war sie die vorzüglichste Fernwaffe.
In dem Rufe, die gewandtesten Schleuderer zu besitzen, standen die
spanischen Heere, die sich für diesen Zweck der Bewohner der
balearischen Inseln bedienten. Die Leistungsfähigkeit eines balearischen
oder kretischen Schleuderers war so groſs, daſs er auf 120 — 160
Schritte mit Sicherheit seinen Mann traf. Einige Anzeichen deuten

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[387/0405] D. Die Fernwaffen. 1. Die Schleuder. gebildete Schale aus Leder besaſs, in welche der Stein oder das Blei gelegt wurde. (Fig. 462.) Beim Gebrauche schwang der Schleuderer die Schlinge zwei- bis dreimal rasch im Kreise herum und lieſs im geeigneten Augenblicke das eine Ende der Schlinge aus der Hand gleiten, wie wir aus der Figur ersehen. Beim Gebrauche der Stock- schleuder muſste sich im Schwunge das eine Ende von einem am Ende des Stockes angebrachten Haken abheben, was nur durch be- sondere Geschicklichkeit erzielt werden konnte Immerhin war die Stockschleuder in der Hand eines geübten Mannes eine fürchterliche Waffe. (Fig. 463.) Ihre unläugbaren Vorzüge wurden noch im 17. Jahrhundert erkannt, da sie häufig zum Schleudern von Hand- granaten benutzt wurde. Ebenso wie Bogenschützen wurden „Schleuderer“ noch im 14. Jahrhundert bei allen Heeren geworben, die aus ihrer Kunst ein Gewerbe machten, unansehnliches und wohl auch im Äuſseren [Abbildung Fig. 463. Gruppen von Bewaffneten, darunter einer mit einer Armrust, der andere mit einer Stockschleuder. Miniatur aus einem Manuskripte des Matheus Paris, 13. Jahrhundert, in der Biblio- thek des Benet College in Cambridge. Nach Hewitt.] herabgekommenes, dabei sehr schlecht diszipliniertes Volk. Sie begleiteten auch die Ritterschaft Kaiser Heinrichs VII. nach Italien. (Fig. 464.) Im 15. Jahrhundert mehren sich die Berichte von einer Ver- wendung der Schleuder durch eigene, für den Zweck bestimmte Söldner. In dem zusammengerafften Heere, welches Johann von Capistran nach Belgrad führte, war sie die vorzüglichste Fernwaffe. In dem Rufe, die gewandtesten Schleuderer zu besitzen, standen die spanischen Heere, die sich für diesen Zweck der Bewohner der balearischen Inseln bedienten. Die Leistungsfähigkeit eines balearischen oder kretischen Schleuderers war so groſs, daſs er auf 120 — 160 Schritte mit Sicherheit seinen Mann traf. Einige Anzeichen deuten 25*

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/405>, abgerufen am 28.03.2024.