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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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E. Das Bajonett.

Mit der Einführung der Papierpatrone am Ende des 17. Jahr-
hunderts legt das Fussvolk das Bandelier ab und erhält statt dessen
die anfänglich an der rechten Seite, später am Rücken getragene
Patrontasche.*) Die Zündkrautflasche erhält sich aber noch länger,
bis die Einrichtung an der Patrone getroffen wird, wonach das Zünd-
pulver einen Teil ihrer Füllung bildet. Bei den Schützen, Jägern etc., der
sogenannten leichten Infanterie, welche mit gezogenen Gewehren,
Kammerbüchsen oder sogenannten Stutzen (gezogenen kurzen Gewehren)
ausgerüstet waren, war die Zündkrautflasche noch bis in die 2. Hälfte
unseres Jahrhunderts in Gebrauch.

Die Unbequemlichkeit für den Musketier, die an beiden Enden
angezündete Lunte stets zwischen den Fingern halten zu müssen, gab
schon im 17. Jahrhundert Veranlassung zur Einführung von soge-
nannten Luntenbergern. Sie werden aus Eisen- oder Messingblech
in Form eines Cylinders gemacht, welcher oben mit einem kegel-
förmigen oder flachen Deckel geschlossen wurde. Dieses Behältnis
war an seiner ganzen Oberfläche durchlöchert; es wurde an dem
Patrontaschenriemen an der Brust getragen. Im 18. Jahrhundert
führten es noch die Grenadiere als die letzten Infanteriesoldaten,
welche sich der Lunte bedienten. (Fig. 581.)

Ein dem Radschlossgewehre eigentümliches Gerät ist der Rad-
schlossspanner
(Fig. 582, 583, 584), eine Art Schlüssel, mittelst
welchem das Rad aufgezogen wurde. Der Spanner wird von den
Reitern um die Wende des 16. Jahrhunderts am sogenannten Flaschen-
hangsel, oder an einem Riemen am Gürtel getragen. (Fig. 585.)



E. Das Bajonett.

Man kann das Bajonett nicht schlechtweg zum Zubehör einer
Handfeuerwaffe rechnen, es ist eine Beigabe, durch welche das Ge-
wehr gewissermassen seine Bestimmung verändert und zur Stosswaffe
wird. Wir haben gesehen, dass man schon seit dem Anfange des
16. Jahrhunderts, ja in beschränkterer Ausdehnung schon seit dem
14. Jahrhhundert darauf Bedacht nimmt, die Waffe gleichzeitig für
Stoss und Hieb, bez. für den Schuss verwendbar zu machen. Man

*) Die allgemeine Einführung der Papierpatrone und der Patrontasche ist um
das Jahr 1670 zu setzen. In dem sehr interessanten Werke des Francesco Mazzioli
Precetti militari, Bologna 1673, erscheinen bereits die Pikeniere mit einer im Degen-
gurt steckenden Steinschlosspistole und mit einer kleinen Patrontasche ausgerüstet.
Der Verfasser schlägt auch für die Musketiere Patrontaschen mit 12 blechernen
Hülsen und in diesen Papierpatronen mit aufgebundener Kugel vor.
Boeheim, Waffenkunde. 32
E. Das Bajonett.

Mit der Einführung der Papierpatrone am Ende des 17. Jahr-
hunderts legt das Fuſsvolk das Bandelier ab und erhält statt dessen
die anfänglich an der rechten Seite, später am Rücken getragene
Patrontasche.*) Die Zündkrautflasche erhält sich aber noch länger,
bis die Einrichtung an der Patrone getroffen wird, wonach das Zünd-
pulver einen Teil ihrer Füllung bildet. Bei den Schützen, Jägern etc., der
sogenannten leichten Infanterie, welche mit gezogenen Gewehren,
Kammerbüchsen oder sogenannten Stutzen (gezogenen kurzen Gewehren)
ausgerüstet waren, war die Zündkrautflasche noch bis in die 2. Hälfte
unseres Jahrhunderts in Gebrauch.

Die Unbequemlichkeit für den Musketier, die an beiden Enden
angezündete Lunte stets zwischen den Fingern halten zu müssen, gab
schon im 17. Jahrhundert Veranlassung zur Einführung von soge-
nannten Luntenbergern. Sie werden aus Eisen- oder Messingblech
in Form eines Cylinders gemacht, welcher oben mit einem kegel-
förmigen oder flachen Deckel geschlossen wurde. Dieses Behältnis
war an seiner ganzen Oberfläche durchlöchert; es wurde an dem
Patrontaschenriemen an der Brust getragen. Im 18. Jahrhundert
führten es noch die Grenadiere als die letzten Infanteriesoldaten,
welche sich der Lunte bedienten. (Fig. 581.)

Ein dem Radschloſsgewehre eigentümliches Gerät ist der Rad-
schloſsspanner
(Fig. 582, 583, 584), eine Art Schlüssel, mittelst
welchem das Rad aufgezogen wurde. Der Spanner wird von den
Reitern um die Wende des 16. Jahrhunderts am sogenannten Flaschen-
hangsel, oder an einem Riemen am Gürtel getragen. (Fig. 585.)



E. Das Bajonett.

Man kann das Bajonett nicht schlechtweg zum Zubehör einer
Handfeuerwaffe rechnen, es ist eine Beigabe, durch welche das Ge-
wehr gewissermaſsen seine Bestimmung verändert und zur Stoſswaffe
wird. Wir haben gesehen, daſs man schon seit dem Anfange des
16. Jahrhunderts, ja in beschränkterer Ausdehnung schon seit dem
14. Jahrhhundert darauf Bedacht nimmt, die Waffe gleichzeitig für
Stoſs und Hieb, bez. für den Schuſs verwendbar zu machen. Man

*) Die allgemeine Einführung der Papierpatrone und der Patrontasche ist um
das Jahr 1670 zu setzen. In dem sehr interessanten Werke des Francesco Mazzioli
Precetti militari, Bologna 1673, erscheinen bereits die Pikeniere mit einer im Degen-
gurt steckenden Steinschloſspistole und mit einer kleinen Patrontasche ausgerüstet.
Der Verfasser schlägt auch für die Musketiere Patrontaschen mit 12 blechernen
Hülsen und in diesen Papierpatronen mit aufgebundener Kugel vor.
Boeheim, Waffenkunde. 32
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[497/0515] E. Das Bajonett. Mit der Einführung der Papierpatrone am Ende des 17. Jahr- hunderts legt das Fuſsvolk das Bandelier ab und erhält statt dessen die anfänglich an der rechten Seite, später am Rücken getragene Patrontasche. *) Die Zündkrautflasche erhält sich aber noch länger, bis die Einrichtung an der Patrone getroffen wird, wonach das Zünd- pulver einen Teil ihrer Füllung bildet. Bei den Schützen, Jägern etc., der sogenannten leichten Infanterie, welche mit gezogenen Gewehren, Kammerbüchsen oder sogenannten Stutzen (gezogenen kurzen Gewehren) ausgerüstet waren, war die Zündkrautflasche noch bis in die 2. Hälfte unseres Jahrhunderts in Gebrauch. Die Unbequemlichkeit für den Musketier, die an beiden Enden angezündete Lunte stets zwischen den Fingern halten zu müssen, gab schon im 17. Jahrhundert Veranlassung zur Einführung von soge- nannten Luntenbergern. Sie werden aus Eisen- oder Messingblech in Form eines Cylinders gemacht, welcher oben mit einem kegel- förmigen oder flachen Deckel geschlossen wurde. Dieses Behältnis war an seiner ganzen Oberfläche durchlöchert; es wurde an dem Patrontaschenriemen an der Brust getragen. Im 18. Jahrhundert führten es noch die Grenadiere als die letzten Infanteriesoldaten, welche sich der Lunte bedienten. (Fig. 581.) Ein dem Radschloſsgewehre eigentümliches Gerät ist der Rad- schloſsspanner (Fig. 582, 583, 584), eine Art Schlüssel, mittelst welchem das Rad aufgezogen wurde. Der Spanner wird von den Reitern um die Wende des 16. Jahrhunderts am sogenannten Flaschen- hangsel, oder an einem Riemen am Gürtel getragen. (Fig. 585.) E. Das Bajonett. Man kann das Bajonett nicht schlechtweg zum Zubehör einer Handfeuerwaffe rechnen, es ist eine Beigabe, durch welche das Ge- wehr gewissermaſsen seine Bestimmung verändert und zur Stoſswaffe wird. Wir haben gesehen, daſs man schon seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts, ja in beschränkterer Ausdehnung schon seit dem 14. Jahrhhundert darauf Bedacht nimmt, die Waffe gleichzeitig für Stoſs und Hieb, bez. für den Schuſs verwendbar zu machen. Man *) Die allgemeine Einführung der Papierpatrone und der Patrontasche ist um das Jahr 1670 zu setzen. In dem sehr interessanten Werke des Francesco Mazzioli Precetti militari, Bologna 1673, erscheinen bereits die Pikeniere mit einer im Degen- gurt steckenden Steinschloſspistole und mit einer kleinen Patrontasche ausgerüstet. Der Verfasser schlägt auch für die Musketiere Patrontaschen mit 12 blechernen Hülsen und in diesen Papierpatronen mit aufgebundener Kugel vor. Boeheim, Waffenkunde. 32

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/515>, abgerufen am 29.03.2024.