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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
führt wurden. Oft hängt an den Hüften eines Turnierharnisches des
16. Jahrhunderts ein zierlicher italienischer Stadtdegen mit doppeltem
Eselshuf, oder es ist einem schweren Stechzeuge eine Helmbarte in
die steifen Hentzen gedrückt. Derlei Widersprüchen und Anachro-
nismen begegnen wir in Hülle und Fülle. Ganz unzweckmässig ist
es ferner, in verschwenderischer Weise kostbare Waffen, zu sogenannten
Trophäen gruppiert, hoch an die Wände zu nageln, da man mit
den prunklosesten Stücken genau dieselbe Wirkung erzielen kann.
Unten an die Wände gestellt, auf Tische oder Kästen gelegt, erfüllen
sie weit besser den beabsichtigten Zweck. Fahnen mit in Falten
herabhängenden Blättern aufzustellen, sollte vermieden werden. Sie
müssen, wie es schon in alten Zeiten geschah, mit horizontalen
Schäften an das Gewölbe gehängt werden, so dass die Blätter glatt
herabfallen. Turnierzeug ist immer von den Feldwaffen und womög-
lich räumlich zu trennen, ebenso die Jagd- und Zielwaffen, wie auch
orientalische Gegenstände, da diese einem besonderen Kulturgebiet
angehören.

Ein wichtiges Kapitel im Sammelwesen betrifft die Ergänzungen
von unvollständigen Stücken. In öffentlichen Sammlungen ist jede
Ergänzung dieser Art unstatthaft. Man kann, statt ein schadhaftes
Stück zu ergänzen, lieber ein gutes Bild, selbst eine Imitation vor
Augen stellen, auch den Gebrauch desselben bildlich darstellen; das
schadhafte Original muss aber bleiben, wie es ist, weil in den meisten
Fällen jede moderne Zuthat einer Schädigung desselben gleichkommt.
Bei Sammlern ist das Streben, etwas Vollständiges zu besitzen, freilich
zu gross, als dass nicht allenthalben solche Ergänzungen vorkämen,
die das Auge des Kenners doch nicht täuschen. Was kann man da
nicht alles sehen! Harnische werden mittels Papiermache oder Blech
vervollständigt, Stangen an Spiessen und Helmbarten neu gemacht,
Löcher in Fahnenblättern werden mit Stoff überklebt und roh mit
Farben überklext. In Schwert- und Degengriffe werden Eisenstücke
eingestossen, die aus der Entfernung als schöne Klingen erscheinen
sollen. Nicht selten wird aus zwei unvollständigen Stücken ein ganzes
gemacht, und der Eigentümer hat eine Herzensfreude über das ver-
meintlich gelungene Werk. Von solchem Vorgehen möchten wir
dringend abraten. Der Eigentümer denkt oft nicht daran, welchen
Schaden er eines besseren dekorativen Eindruckes wegen einer wert-
vollen, wenn auch unvollständigen Waffe zufügt. Da ist es ratsamer,
um wenige hundert Mark die ganz trefflich ausgeführten Abgüsse von
Zierwaffen des Stolbergschen Eisenwerks in Ilsenburg oder gute
galvanoplastische Kopien von Haas in Wien etc. zu kaufen, die für
eine Dekoration vollauf ihre Dienste thun.

Manche Schlossherren besitzen auf ihren Stammsitzen zahlreiche
Waffenstücke, die nicht bei Antiquaren und Trödlern zusammengekauft,
sondern seit Jahrhunderten von Generation auf Generation vererbt

IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
führt wurden. Oft hängt an den Hüften eines Turnierharnisches des
16. Jahrhunderts ein zierlicher italienischer Stadtdegen mit doppeltem
Eselshuf, oder es ist einem schweren Stechzeuge eine Helmbarte in
die steifen Hentzen gedrückt. Derlei Widersprüchen und Anachro-
nismen begegnen wir in Hülle und Fülle. Ganz unzweckmäſsig ist
es ferner, in verschwenderischer Weise kostbare Waffen, zu sogenannten
Trophäen gruppiert, hoch an die Wände zu nageln, da man mit
den prunklosesten Stücken genau dieselbe Wirkung erzielen kann.
Unten an die Wände gestellt, auf Tische oder Kästen gelegt, erfüllen
sie weit besser den beabsichtigten Zweck. Fahnen mit in Falten
herabhängenden Blättern aufzustellen, sollte vermieden werden. Sie
müssen, wie es schon in alten Zeiten geschah, mit horizontalen
Schäften an das Gewölbe gehängt werden, so daſs die Blätter glatt
herabfallen. Turnierzeug ist immer von den Feldwaffen und womög-
lich räumlich zu trennen, ebenso die Jagd- und Zielwaffen, wie auch
orientalische Gegenstände, da diese einem besonderen Kulturgebiet
angehören.

Ein wichtiges Kapitel im Sammelwesen betrifft die Ergänzungen
von unvollständigen Stücken. In öffentlichen Sammlungen ist jede
Ergänzung dieser Art unstatthaft. Man kann, statt ein schadhaftes
Stück zu ergänzen, lieber ein gutes Bild, selbst eine Imitation vor
Augen stellen, auch den Gebrauch desselben bildlich darstellen; das
schadhafte Original muſs aber bleiben, wie es ist, weil in den meisten
Fällen jede moderne Zuthat einer Schädigung desselben gleichkommt.
Bei Sammlern ist das Streben, etwas Vollständiges zu besitzen, freilich
zu groſs, als daſs nicht allenthalben solche Ergänzungen vorkämen,
die das Auge des Kenners doch nicht täuschen. Was kann man da
nicht alles sehen! Harnische werden mittels Papiermaché oder Blech
vervollständigt, Stangen an Spieſsen und Helmbarten neu gemacht,
Löcher in Fahnenblättern werden mit Stoff überklebt und roh mit
Farben überklext. In Schwert- und Degengriffe werden Eisenstücke
eingestoſsen, die aus der Entfernung als schöne Klingen erscheinen
sollen. Nicht selten wird aus zwei unvollständigen Stücken ein ganzes
gemacht, und der Eigentümer hat eine Herzensfreude über das ver-
meintlich gelungene Werk. Von solchem Vorgehen möchten wir
dringend abraten. Der Eigentümer denkt oft nicht daran, welchen
Schaden er eines besseren dekorativen Eindruckes wegen einer wert-
vollen, wenn auch unvollständigen Waffe zufügt. Da ist es ratsamer,
um wenige hundert Mark die ganz trefflich ausgeführten Abgüsse von
Zierwaffen des Stolbergschen Eisenwerks in Ilsenburg oder gute
galvanoplastische Kopien von Haas in Wien etc. zu kaufen, die für
eine Dekoration vollauf ihre Dienste thun.

Manche Schloſsherren besitzen auf ihren Stammsitzen zahlreiche
Waffenstücke, die nicht bei Antiquaren und Trödlern zusammengekauft,
sondern seit Jahrhunderten von Generation auf Generation vererbt

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[584/0602] IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen. führt wurden. Oft hängt an den Hüften eines Turnierharnisches des 16. Jahrhunderts ein zierlicher italienischer Stadtdegen mit doppeltem Eselshuf, oder es ist einem schweren Stechzeuge eine Helmbarte in die steifen Hentzen gedrückt. Derlei Widersprüchen und Anachro- nismen begegnen wir in Hülle und Fülle. Ganz unzweckmäſsig ist es ferner, in verschwenderischer Weise kostbare Waffen, zu sogenannten Trophäen gruppiert, hoch an die Wände zu nageln, da man mit den prunklosesten Stücken genau dieselbe Wirkung erzielen kann. Unten an die Wände gestellt, auf Tische oder Kästen gelegt, erfüllen sie weit besser den beabsichtigten Zweck. Fahnen mit in Falten herabhängenden Blättern aufzustellen, sollte vermieden werden. Sie müssen, wie es schon in alten Zeiten geschah, mit horizontalen Schäften an das Gewölbe gehängt werden, so daſs die Blätter glatt herabfallen. Turnierzeug ist immer von den Feldwaffen und womög- lich räumlich zu trennen, ebenso die Jagd- und Zielwaffen, wie auch orientalische Gegenstände, da diese einem besonderen Kulturgebiet angehören. Ein wichtiges Kapitel im Sammelwesen betrifft die Ergänzungen von unvollständigen Stücken. In öffentlichen Sammlungen ist jede Ergänzung dieser Art unstatthaft. Man kann, statt ein schadhaftes Stück zu ergänzen, lieber ein gutes Bild, selbst eine Imitation vor Augen stellen, auch den Gebrauch desselben bildlich darstellen; das schadhafte Original muſs aber bleiben, wie es ist, weil in den meisten Fällen jede moderne Zuthat einer Schädigung desselben gleichkommt. Bei Sammlern ist das Streben, etwas Vollständiges zu besitzen, freilich zu groſs, als daſs nicht allenthalben solche Ergänzungen vorkämen, die das Auge des Kenners doch nicht täuschen. Was kann man da nicht alles sehen! Harnische werden mittels Papiermaché oder Blech vervollständigt, Stangen an Spieſsen und Helmbarten neu gemacht, Löcher in Fahnenblättern werden mit Stoff überklebt und roh mit Farben überklext. In Schwert- und Degengriffe werden Eisenstücke eingestoſsen, die aus der Entfernung als schöne Klingen erscheinen sollen. Nicht selten wird aus zwei unvollständigen Stücken ein ganzes gemacht, und der Eigentümer hat eine Herzensfreude über das ver- meintlich gelungene Werk. Von solchem Vorgehen möchten wir dringend abraten. Der Eigentümer denkt oft nicht daran, welchen Schaden er eines besseren dekorativen Eindruckes wegen einer wert- vollen, wenn auch unvollständigen Waffe zufügt. Da ist es ratsamer, um wenige hundert Mark die ganz trefflich ausgeführten Abgüsse von Zierwaffen des Stolbergschen Eisenwerks in Ilsenburg oder gute galvanoplastische Kopien von Haas in Wien etc. zu kaufen, die für eine Dekoration vollauf ihre Dienste thun. Manche Schloſsherren besitzen auf ihren Stammsitzen zahlreiche Waffenstücke, die nicht bei Antiquaren und Trödlern zusammengekauft, sondern seit Jahrhunderten von Generation auf Generation vererbt

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/602>, abgerufen am 19.04.2024.