Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Wenn sich unsere Kaufleute, die viel dabei
verlieren, über Belgien ärgern, so lasse ich das hin¬
gehen. Aber die Andern sie betrachten das Alle
aus einem falschen Gesichtspunkte. Es ist wahr,
es fanden viel Pfaffen-Intriguen Statt; aber was
thut das? Die Belgier haben ihren König nicht
länger behalten wollen, sie haben ihn fortgejagt und
seine Leute geprügelt -- ist das nicht schön und ein
gutes Beispiel nachzuahmen? Ein König für Saphir,
das ist billig. Herr Wellington ist auch abgesetzt.
Wahrhaftig, mich dauern die armen Diplomaten;
es kömmt diesen Schwachköpfen gar zu viel auf ein¬
mal über den Hals; wie eine Sündfluth gießen die
Verlegenheiten auf sie herab. Die Aenderung des
englischen Ministeriums ist für uns auch gut. Lesen
Sie im heutigen Constitutionnel, wie der Belgische
Gesandte in London, Herr v. Weyer, nach seiner
Rückkehr öffentlich im Congresse von seiner Sendung
Rechenschaft abgelegt, und wie er vor allem Volke er¬
zählte
, was Wellington, Aberdeen, der Prinz von
Oranien und Andere mit ihm verhandelt. Das hat
mich sehr amüsirt. Diplomatische Geheimnisse öffent¬
lich in einer Ständeversammlung auszuplaudern und
das während die Verhandlungen noch im Gange sind,
das ist unerhört, das ist himmelschreiend -- werden
sie in Berlin, Wien und Frankfurt sagen.

— Wenn ſich unſere Kaufleute, die viel dabei
verlieren, über Belgien ärgern, ſo laſſe ich das hin¬
gehen. Aber die Andern ſie betrachten das Alle
aus einem falſchen Geſichtspunkte. Es iſt wahr,
es fanden viel Pfaffen-Intriguen Statt; aber was
thut das? Die Belgier haben ihren König nicht
länger behalten wollen, ſie haben ihn fortgejagt und
ſeine Leute geprügelt — iſt das nicht ſchön und ein
gutes Beiſpiel nachzuahmen? Ein König für Saphir,
das iſt billig. Herr Wellington iſt auch abgeſetzt.
Wahrhaftig, mich dauern die armen Diplomaten;
es kömmt dieſen Schwachköpfen gar zu viel auf ein¬
mal über den Hals; wie eine Sündfluth gießen die
Verlegenheiten auf ſie herab. Die Aenderung des
engliſchen Miniſteriums iſt für uns auch gut. Leſen
Sie im heutigen Conſtitutionnel, wie der Belgiſche
Geſandte in London, Herr v. Weyer, nach ſeiner
Rückkehr öffentlich im Congreſſe von ſeiner Sendung
Rechenſchaft abgelegt, und wie er vor allem Volke er¬
zählte
, was Wellington, Aberdeen, der Prinz von
Oranien und Andere mit ihm verhandelt. Das hat
mich ſehr amüſirt. Diplomatiſche Geheimniſſe öffent¬
lich in einer Ständeverſammlung auszuplaudern und
das während die Verhandlungen noch im Gange ſind,
das iſt unerhört, das iſt himmelſchreiend — werden
ſie in Berlin, Wien und Frankfurt ſagen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0122" n="108"/>
          <p>&#x2014; Wenn &#x017F;ich un&#x017F;ere Kaufleute, die viel dabei<lb/>
verlieren, über Belgien ärgern, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e ich das hin¬<lb/>
gehen. Aber die Andern &#x017F;ie betrachten das Alle<lb/>
aus einem fal&#x017F;chen Ge&#x017F;ichtspunkte. Es i&#x017F;t wahr,<lb/>
es fanden viel Pfaffen-Intriguen Statt; aber was<lb/>
thut das? Die Belgier haben ihren König nicht<lb/>
länger behalten wollen, &#x017F;ie haben ihn fortgejagt und<lb/>
&#x017F;eine Leute geprügelt &#x2014; i&#x017F;t das nicht &#x017F;chön und ein<lb/>
gutes Bei&#x017F;piel nachzuahmen? Ein König für Saphir,<lb/>
das i&#x017F;t billig. Herr Wellington i&#x017F;t auch abge&#x017F;etzt.<lb/>
Wahrhaftig, mich dauern die armen Diplomaten;<lb/>
es kömmt die&#x017F;en Schwachköpfen gar zu viel auf ein¬<lb/>
mal über den Hals; wie eine Sündfluth gießen die<lb/>
Verlegenheiten auf &#x017F;ie herab. Die Aenderung des<lb/>
engli&#x017F;chen Mini&#x017F;teriums i&#x017F;t für uns auch gut. Le&#x017F;en<lb/>
Sie im heutigen Con&#x017F;titutionnel, wie der Belgi&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;andte in London, Herr v. Weyer, nach &#x017F;einer<lb/>
Rückkehr öffentlich im Congre&#x017F;&#x017F;e von &#x017F;einer Sendung<lb/>
Rechen&#x017F;chaft abgelegt, und wie er vor allem Volke <choice><sic>er¬<lb/>
erzählte</sic><corr>er¬<lb/>
zählte</corr></choice>, was Wellington, Aberdeen, der Prinz von<lb/>
Oranien und Andere mit ihm verhandelt. Das hat<lb/>
mich &#x017F;ehr amü&#x017F;irt. Diplomati&#x017F;che Geheimni&#x017F;&#x017F;e öffent¬<lb/>
lich in einer Ständever&#x017F;ammlung auszuplaudern und<lb/>
das während die Verhandlungen noch im Gange &#x017F;ind,<lb/>
das i&#x017F;t unerhört, das i&#x017F;t himmel&#x017F;chreiend &#x2014; werden<lb/>
&#x017F;ie in Berlin, Wien und Frankfurt &#x017F;agen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0122] — Wenn ſich unſere Kaufleute, die viel dabei verlieren, über Belgien ärgern, ſo laſſe ich das hin¬ gehen. Aber die Andern ſie betrachten das Alle aus einem falſchen Geſichtspunkte. Es iſt wahr, es fanden viel Pfaffen-Intriguen Statt; aber was thut das? Die Belgier haben ihren König nicht länger behalten wollen, ſie haben ihn fortgejagt und ſeine Leute geprügelt — iſt das nicht ſchön und ein gutes Beiſpiel nachzuahmen? Ein König für Saphir, das iſt billig. Herr Wellington iſt auch abgeſetzt. Wahrhaftig, mich dauern die armen Diplomaten; es kömmt dieſen Schwachköpfen gar zu viel auf ein¬ mal über den Hals; wie eine Sündfluth gießen die Verlegenheiten auf ſie herab. Die Aenderung des engliſchen Miniſteriums iſt für uns auch gut. Leſen Sie im heutigen Conſtitutionnel, wie der Belgiſche Geſandte in London, Herr v. Weyer, nach ſeiner Rückkehr öffentlich im Congreſſe von ſeiner Sendung Rechenſchaft abgelegt, und wie er vor allem Volke er¬ zählte, was Wellington, Aberdeen, der Prinz von Oranien und Andere mit ihm verhandelt. Das hat mich ſehr amüſirt. Diplomatiſche Geheimniſſe öffent¬ lich in einer Ständeverſammlung auszuplaudern und das während die Verhandlungen noch im Gange ſind, das iſt unerhört, das iſt himmelſchreiend — werden ſie in Berlin, Wien und Frankfurt ſagen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/122
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/122>, abgerufen am 16.04.2024.