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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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muthigen. Pest und Freiheit! Nie hat eine häßlichere
Mutter eine schönere Tochter gehabt. Was kann
der kommende Frühling nicht noch für Jammer über
die Welt bringen! Thränen werden nicht ausreichen,
man wird vor lauter Noth lachen müssen. Und das
Alles um des monarchischen Prinzips, und das alles
um eines Dutzends armseliger Menschen willen! Es
ist gar zu komisch.

-- Die Revüe, welche verflossenen Sonntag
auf dem Marsfelde über die Nationalgarde gehalten
wurde, gewährte einen unbeschreiblich schönen Anblick.
Hundert tausend Mann Soldaten, und wenigstens
eben so viel Zuschauer, alle auf einem Platze, den
man auf den angrenzenden Höhen so bequem über¬
sieht. Was mich besonders freute, war, daß hinter
manchem Bataillon, auch ein kleiner Trupp unifor¬
mirter Kinder zum Spase mit zog. Die Officiere
hatten, wie ich bemerkte, oft ihre Noth zu kom¬
mandiren, die Buben kamen ihnen immer zwischen
die Beine. Dann zogen auch die Blessirten vom
Juli an dem König vorüber, und darunter auch zwei
Weiber mit Flinten, die damals mitgefochten. Der
König wurde mit großem Jubel empfangen. Der
Kronprinz (Herzog von Orleans) dient als gemeiner
Kanonier bei der Nationalgarde und stand den ganzen
Tag bei seiner Kanone und legte die Hände an wie
die Uebrigen. Den fremden Gesandten, die alle bei

muthigen. Peſt und Freiheit! Nie hat eine häßlichere
Mutter eine ſchönere Tochter gehabt. Was kann
der kommende Frühling nicht noch für Jammer über
die Welt bringen! Thränen werden nicht ausreichen,
man wird vor lauter Noth lachen müſſen. Und das
Alles um des monarchiſchen Prinzips, und das alles
um eines Dutzends armſeliger Menſchen willen! Es
iſt gar zu komiſch.

— Die Revüe, welche verfloſſenen Sonntag
auf dem Marsfelde über die Nationalgarde gehalten
wurde, gewährte einen unbeſchreiblich ſchönen Anblick.
Hundert tauſend Mann Soldaten, und wenigſtens
eben ſo viel Zuſchauer, alle auf einem Platze, den
man auf den angrenzenden Höhen ſo bequem über¬
ſieht. Was mich beſonders freute, war, daß hinter
manchem Bataillon, auch ein kleiner Trupp unifor¬
mirter Kinder zum Spaſe mit zog. Die Officiere
hatten, wie ich bemerkte, oft ihre Noth zu kom¬
mandiren, die Buben kamen ihnen immer zwiſchen
die Beine. Dann zogen auch die Bleſſirten vom
Juli an dem König vorüber, und darunter auch zwei
Weiber mit Flinten, die damals mitgefochten. Der
König wurde mit großem Jubel empfangen. Der
Kronprinz (Herzog von Orleans) dient als gemeiner
Kanonier bei der Nationalgarde und ſtand den ganzen
Tag bei ſeiner Kanone und legte die Hände an wie
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[84/0098] muthigen. Peſt und Freiheit! Nie hat eine häßlichere Mutter eine ſchönere Tochter gehabt. Was kann der kommende Frühling nicht noch für Jammer über die Welt bringen! Thränen werden nicht ausreichen, man wird vor lauter Noth lachen müſſen. Und das Alles um des monarchiſchen Prinzips, und das alles um eines Dutzends armſeliger Menſchen willen! Es iſt gar zu komiſch. — Die Revüe, welche verfloſſenen Sonntag auf dem Marsfelde über die Nationalgarde gehalten wurde, gewährte einen unbeſchreiblich ſchönen Anblick. Hundert tauſend Mann Soldaten, und wenigſtens eben ſo viel Zuſchauer, alle auf einem Platze, den man auf den angrenzenden Höhen ſo bequem über¬ ſieht. Was mich beſonders freute, war, daß hinter manchem Bataillon, auch ein kleiner Trupp unifor¬ mirter Kinder zum Spaſe mit zog. Die Officiere hatten, wie ich bemerkte, oft ihre Noth zu kom¬ mandiren, die Buben kamen ihnen immer zwiſchen die Beine. Dann zogen auch die Bleſſirten vom Juli an dem König vorüber, und darunter auch zwei Weiber mit Flinten, die damals mitgefochten. Der König wurde mit großem Jubel empfangen. Der Kronprinz (Herzog von Orleans) dient als gemeiner Kanonier bei der Nationalgarde und ſtand den ganzen Tag bei ſeiner Kanone und legte die Hände an wie die Uebrigen. Den fremden Geſandten, die alle bei

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/98>, abgerufen am 28.03.2024.