Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

hier. Das Aufziehen des Vorhanges störte
mich jedesmal. Die Zuschauer gehörten alle
zu den niedern Bürgerklassen, die den Mittel¬
stand von dem Pöbel trennen. Meistens Wei¬
ber und Mädchen, sehr wenige Männer. Sie
trugen alle weiße Häubchen. Sie können sich
nichts lieblicheres denken. Alle Gallerien rund
umher, von oben bis unten und das ganze
Parterre, waren weiß. Ich wußte vor lauter
Wohlgefallen gar nicht, womit ich diesen
schönen Anblick vergleichen sollte. Bald er¬
schien es mir wie ein beschneiter Wald; bald
wie ein Bleichgarten, wo die Wäsche zum
Trocknen aufgehängt ist; bald wie eine Heerde
(aber gutmeinender) Gänse; bald wie eine
Lilienflur, auf welcher die wenigen vornehmen
und farbigen Hüte als Tulpen hervorstanden.
Jetzt war zu bewundern der Fleiß und die
Aufmerksamkeit dieser Zuschauerinnen den gan¬
zen Abend. Diese guten Mütter und Töchter

hier. Das Aufziehen des Vorhanges ſtoͤrte
mich jedesmal. Die Zuſchauer gehoͤrten alle
zu den niedern Buͤrgerklaſſen, die den Mittel¬
ſtand von dem Poͤbel trennen. Meiſtens Wei¬
ber und Maͤdchen, ſehr wenige Maͤnner. Sie
trugen alle weiße Haͤubchen. Sie koͤnnen ſich
nichts lieblicheres denken. Alle Gallerien rund
umher, von oben bis unten und das ganze
Parterre, waren weiß. Ich wußte vor lauter
Wohlgefallen gar nicht, womit ich dieſen
ſchoͤnen Anblick vergleichen ſollte. Bald er¬
ſchien es mir wie ein beſchneiter Wald; bald
wie ein Bleichgarten, wo die Waͤſche zum
Trocknen aufgehaͤngt iſt; bald wie eine Heerde
(aber gutmeinender) Gaͤnſe; bald wie eine
Lilienflur, auf welcher die wenigen vornehmen
und farbigen Huͤte als Tulpen hervorſtanden.
Jetzt war zu bewundern der Fleiß und die
Aufmerkſamkeit dieſer Zuſchauerinnen den gan¬
zen Abend. Dieſe guten Muͤtter und Toͤchter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0299" n="285"/>
hier. Das Aufziehen des Vorhanges &#x017F;to&#x0364;rte<lb/>
mich jedesmal. Die Zu&#x017F;chauer geho&#x0364;rten alle<lb/>
zu den niedern Bu&#x0364;rgerkla&#x017F;&#x017F;en, die den Mittel¬<lb/>
&#x017F;tand von dem Po&#x0364;bel trennen. Mei&#x017F;tens Wei¬<lb/>
ber und Ma&#x0364;dchen, &#x017F;ehr wenige Ma&#x0364;nner. Sie<lb/>
trugen alle weiße Ha&#x0364;ubchen. Sie ko&#x0364;nnen &#x017F;ich<lb/>
nichts lieblicheres denken. Alle Gallerien rund<lb/>
umher, von oben bis unten und das ganze<lb/>
Parterre, waren weiß. Ich wußte vor lauter<lb/>
Wohlgefallen gar nicht, womit ich die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Anblick vergleichen &#x017F;ollte. Bald er¬<lb/>
&#x017F;chien es mir wie ein be&#x017F;chneiter Wald; bald<lb/>
wie ein Bleichgarten, wo die Wa&#x0364;&#x017F;che zum<lb/>
Trocknen <choice><sic>anfgeha&#x0364;ngt</sic><corr>aufgeha&#x0364;ngt</corr></choice> i&#x017F;t; bald wie eine Heerde<lb/>
(aber gutmeinender) Ga&#x0364;n&#x017F;e; bald wie eine<lb/>
Lilienflur, auf welcher die wenigen vornehmen<lb/>
und farbigen Hu&#x0364;te als Tulpen hervor&#x017F;tanden.<lb/>
Jetzt war zu bewundern der Fleiß und die<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit die&#x017F;er Zu&#x017F;chauerinnen den gan¬<lb/>
zen Abend. Die&#x017F;e guten Mu&#x0364;tter und To&#x0364;chter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0299] hier. Das Aufziehen des Vorhanges ſtoͤrte mich jedesmal. Die Zuſchauer gehoͤrten alle zu den niedern Buͤrgerklaſſen, die den Mittel¬ ſtand von dem Poͤbel trennen. Meiſtens Wei¬ ber und Maͤdchen, ſehr wenige Maͤnner. Sie trugen alle weiße Haͤubchen. Sie koͤnnen ſich nichts lieblicheres denken. Alle Gallerien rund umher, von oben bis unten und das ganze Parterre, waren weiß. Ich wußte vor lauter Wohlgefallen gar nicht, womit ich dieſen ſchoͤnen Anblick vergleichen ſollte. Bald er¬ ſchien es mir wie ein beſchneiter Wald; bald wie ein Bleichgarten, wo die Waͤſche zum Trocknen aufgehaͤngt iſt; bald wie eine Heerde (aber gutmeinender) Gaͤnſe; bald wie eine Lilienflur, auf welcher die wenigen vornehmen und farbigen Huͤte als Tulpen hervorſtanden. Jetzt war zu bewundern der Fleiß und die Aufmerkſamkeit dieſer Zuſchauerinnen den gan¬ zen Abend. Dieſe guten Muͤtter und Toͤchter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/299
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/299>, abgerufen am 19.04.2024.