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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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[Gleich. 35] § 7. Boyle-Charles-Avogadro'sches Gesetz.
Während die letztere Vernachlässigung Fehler des Resultates
bedingt, ist die erstere bloss eine nothwendige Folge der
atomistischen Anschauung, welche die Bedeutung der erhaltenen
Resultate charakterisirt und umsomehr erlaubt ist, je kleiner
die Dimensionen der Moleküle gegen die der sichtbaren Körper
gedacht werden. In der That sind vom Standpunkte der Atomistik
die Differentialgleichungen der Elasticitätslehre und Hydro-
dynamik nicht exact giltig, sondern dieselben sind blosse An-
näherungsformeln, welche um so genauer gelten, je grösser
die Dimensionen, innerhalb deren sich die betrachteten sicht-
baren Bewegungen abspielen, gegenüber den Dimensionen der
Moleküle sind. Ebenso ist das Vertheilungsgesetz der Ge-
schwindigkeiten unter den Molekülen nicht mathematisch exact
giltig, solange die Anzahl der Moleküle nicht mathematisch
unendlich gross gedacht wird. Der Nachtheil, dass man die
prätendirte exacte Giltigkeit der hydrodynamischen Differential-
gleichungen aufgibt, wird aber wieder durch den Vortheil
grösserer Anschaulichkeit aufgewogen.

§ 7. Das Boyle-Charles-Avogadro'sche Gesetz.
Ausdruck für die zugeführte Wärme
.

Wir wollen nun zur Auflösung der Gleichungen 27 schreiten.
Dieselben sind nur ein specieller Fall der Gleichungen 147,
welche wir in § 18 behandeln werden. Aus diesen Gleichungen
folgt, wie wir dort ausführlich beweisen werden, dass die
Functionen f und F von der Richtung der Geschwindigkeit
unabhängig sein müssen und nur von der Grösse derselben
abhängen. Wir könnten diesen Beweis in derselben Weise
hier schon im speciellen Falle führen. Lediglich um uns nicht
zu wiederholen, setzen wir hier ohne Beweis voraus, dass weder
die Gestalt des Gefässes, noch sonst ein specieller Umstand
die Zustandsvertheilung beeinflusst. Da alsdann alle Richtungen
im Raume gleichberechtigt sind, müssen die Functionen f und F
unabhängig von der Richtung, und können nur Functionen
der Grösse der betreffenden Geschwindigkeiten c und c1 sein.
Setzen wir [Formel 1] und [Formel 2] , so geht die letzte
der Gleichungen 27 über in
[Formel 3]

[Gleich. 35] § 7. Boyle-Charles-Avogadro’sches Gesetz.
Während die letztere Vernachlässigung Fehler des Resultates
bedingt, ist die erstere bloss eine nothwendige Folge der
atomistischen Anschauung, welche die Bedeutung der erhaltenen
Resultate charakterisirt und umsomehr erlaubt ist, je kleiner
die Dimensionen der Moleküle gegen die der sichtbaren Körper
gedacht werden. In der That sind vom Standpunkte der Atomistik
die Differentialgleichungen der Elasticitätslehre und Hydro-
dynamik nicht exact giltig, sondern dieselben sind blosse An-
näherungsformeln, welche um so genauer gelten, je grösser
die Dimensionen, innerhalb deren sich die betrachteten sicht-
baren Bewegungen abspielen, gegenüber den Dimensionen der
Moleküle sind. Ebenso ist das Vertheilungsgesetz der Ge-
schwindigkeiten unter den Molekülen nicht mathematisch exact
giltig, solange die Anzahl der Moleküle nicht mathematisch
unendlich gross gedacht wird. Der Nachtheil, dass man die
prätendirte exacte Giltigkeit der hydrodynamischen Differential-
gleichungen aufgibt, wird aber wieder durch den Vortheil
grösserer Anschaulichkeit aufgewogen.

§ 7. Das Boyle-Charles-Avogadro’sche Gesetz.
Ausdruck für die zugeführte Wärme
.

Wir wollen nun zur Auflösung der Gleichungen 27 schreiten.
Dieselben sind nur ein specieller Fall der Gleichungen 147,
welche wir in § 18 behandeln werden. Aus diesen Gleichungen
folgt, wie wir dort ausführlich beweisen werden, dass die
Functionen f und F von der Richtung der Geschwindigkeit
unabhängig sein müssen und nur von der Grösse derselben
abhängen. Wir könnten diesen Beweis in derselben Weise
hier schon im speciellen Falle führen. Lediglich um uns nicht
zu wiederholen, setzen wir hier ohne Beweis voraus, dass weder
die Gestalt des Gefässes, noch sonst ein specieller Umstand
die Zustandsvertheilung beeinflusst. Da alsdann alle Richtungen
im Raume gleichberechtigt sind, müssen die Functionen f und F
unabhängig von der Richtung, und können nur Functionen
der Grösse der betreffenden Geschwindigkeiten c und c1 sein.
Setzen wir [Formel 1] und [Formel 2] , so geht die letzte
der Gleichungen 27 über in
[Formel 3]

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[47/0061] [Gleich. 35] § 7. Boyle-Charles-Avogadro’sches Gesetz. Während die letztere Vernachlässigung Fehler des Resultates bedingt, ist die erstere bloss eine nothwendige Folge der atomistischen Anschauung, welche die Bedeutung der erhaltenen Resultate charakterisirt und umsomehr erlaubt ist, je kleiner die Dimensionen der Moleküle gegen die der sichtbaren Körper gedacht werden. In der That sind vom Standpunkte der Atomistik die Differentialgleichungen der Elasticitätslehre und Hydro- dynamik nicht exact giltig, sondern dieselben sind blosse An- näherungsformeln, welche um so genauer gelten, je grösser die Dimensionen, innerhalb deren sich die betrachteten sicht- baren Bewegungen abspielen, gegenüber den Dimensionen der Moleküle sind. Ebenso ist das Vertheilungsgesetz der Ge- schwindigkeiten unter den Molekülen nicht mathematisch exact giltig, solange die Anzahl der Moleküle nicht mathematisch unendlich gross gedacht wird. Der Nachtheil, dass man die prätendirte exacte Giltigkeit der hydrodynamischen Differential- gleichungen aufgibt, wird aber wieder durch den Vortheil grösserer Anschaulichkeit aufgewogen. § 7. Das Boyle-Charles-Avogadro’sche Gesetz. Ausdruck für die zugeführte Wärme. Wir wollen nun zur Auflösung der Gleichungen 27 schreiten. Dieselben sind nur ein specieller Fall der Gleichungen 147, welche wir in § 18 behandeln werden. Aus diesen Gleichungen folgt, wie wir dort ausführlich beweisen werden, dass die Functionen f und F von der Richtung der Geschwindigkeit unabhängig sein müssen und nur von der Grösse derselben abhängen. Wir könnten diesen Beweis in derselben Weise hier schon im speciellen Falle führen. Lediglich um uns nicht zu wiederholen, setzen wir hier ohne Beweis voraus, dass weder die Gestalt des Gefässes, noch sonst ein specieller Umstand die Zustandsvertheilung beeinflusst. Da alsdann alle Richtungen im Raume gleichberechtigt sind, müssen die Functionen f und F unabhängig von der Richtung, und können nur Functionen der Grösse der betreffenden Geschwindigkeiten c und c1 sein. Setzen wir [FORMEL] und [FORMEL], so geht die letzte der Gleichungen 27 über in [FORMEL]

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/61>, abgerufen am 28.03.2024.