Berlin, 12 Januar. Mit Recht wurde es dieser Tage in öffentlichen Blättern herausgehoben, daß selbst Regierungen wie die von Wallis oder die neue von Zürich es nicht wagen durften, in den materiellen Interessen Rückschritte zu thun, sondern vielmehr genöthigt waren, sich für Vervielfältigung
der Verbindungsmittel und der Absatzwege thätig zu zeigen. Die Lebendigkeit, womit hier seit einiger Zeit allen commerciellen Vibrationen der Puls gefühlt wird, spiegelt erfreulich das vielfache und mächtige Eingreifen unseres großen Vereins ins gesammte deutsche Leben und Weben. Auch die langgehemmte Eisenbahnfrage zeigt nach allen Seiten ihre riesigen Expansionskräfte, sowohl auf den transversalen Linien zwischen Leipzig und Frankfurt und über Magdeburg, Braunschweig und Hannover auf Preußisch-Minden – als über Stettin aus dem gewerbreichen Schlesien nach der Ostsee und von Berlin nach Hamburg. – Der unabsehbare Weltmarkt Hamburgs verspricht vor Allem einen wohlthätigen Balsam auf die schweren Wunden, die Rußlands Sperren den Ostprovinzen Preußens zu Wasser und zu Lande zugefügt haben und immer noch zufügen. Während die Belgisch-Kölnische Bahn zu den schönsten Hoffnungen berechtigt, kann leider (in der fabrikreichsten Gegend) die Rhein-Weser-Bahn weder leben noch sterben. Selbst in dem trübe bewegten Hannover wird jetzt von Eisenbahnen viel gesprochen, zwar noch nicht von jener (für überseeische Ausfuhr und Einfuhr wichtigsten) verticalen durch das ganze Königreich von Hamburg und Harburg und Bremen bis zur Werra, sondern von jener auf Preußisch-Minden. Hoffentlich ist es nicht eine bloße Demonstration, um von den traurigen Verfassungswirren abzulenken; hoffentlich wird es eine ersprießlichere, etwas grandiosere Demonstration als die große Messe von Lüneburg und als der Welthafen von Harburg! – Selbst die nächste Zukunft trägt wichtige Keime in sich. Der hannoverisch-braunschweigisch-oldenburgische Vertrag ist nicht mehr ferne von seinem Ablauf, der holländische Vertrag von der Erneuerung. – Die holländischen Unterhandlungen in Paris, die uns in Aussicht stellten, auch noch mit französischem Colonialzucker den Rhein herauf und auf der neuen projectirten Route von Zwoll und Enschede auf Münster, Paderborn und Kassel überschwemmt zu werden und die holdselige Erwartung begründeten, die seit Jahr und Tag agonisirenden französischen Zuckerfabriken auf Kosten der deutschen gerettet und dieselben die Rollen tauschen zu sehen – diese mit gewohnter sachkundiger Schlauheit geführten Unterhandlungen haben jüngst (zumal seit der Verwerfung des Budgets) bedeutende Hindernisse gefunden. Vielleicht hört man aus Paris noch früher etwas von einem Handel- und Schifffahrtsvertrage mit Preußen und mit dem großen Verein, als mit Holland! – Wir dürfen ja nie vergessen, wie das bloß durch deutsche Waffen wiederhergestellte und vergrößerte Holland über zwanzig Jahre mit dem „bis ans Meer und bis ins Meer“ der deutschen Gutmüthigkeit und Geduld gespottet, auch wohl großmüthigst einen durch Monate ganz unpraktikabeln Arm zum freien Welthandel angeboten hat! – Es lag etwas von dem alten vox populi, vox dei in der allgemeinen Freude über die Annäherung an Hamburg und im Contraste damit in der vielfachen Bestürzung über den sogenannten „bittern Zuckervertrag“ vom 21 Januar. – Wo würden wir jetzt seyn, wenn wir 1815 Ostfriesland behalten und Lauenburg erworben und letzteres nicht obendrein in eine undeutsche, oft feindselige, 1813 für Lübeck und Hamburg wahrlich nicht wohlthätige Hand gelegt hätten! – Mehrere Zeitungen gaben jüngst einen Artikel von unbekannter Hand (ein Kopf scheint nicht dabei gewesen zu seyn), der in Hauptmann Rummelpuffs Manier von einer Aufregung in Bremen spricht über die vermeintliche Unthätigkeit des Senats, während ihm Hamburg zuvorkommen sey. Da in diesen speciellsten und überall verschiedenen Localverhältnissen stets unser Grundsatz war, immer so viel möglich mit jedem einzeln und successiv zu unterhandeln, haben wir ihn natürlich auch hier festgehalten. Nächstens ein Mehreres über den hiesigen Aufenthalt des trefflichen Bremer Archivars Dr. Heinrich Smidt, aber doch heute schon einen höchst interessanten Beitrag zur deutschen Handelsstatistik in einem Memorandum, welches von Bremischer Seite schon vor drei Vierteljahren in Berlin und an den Vereinshöfen übergeben worden ist, gleichzeitig mit der Anwesenheit des Hamburger Senators Lutheroth.
„Memorandum. Die nächste Aufgabe des Zollvereins, wenn man die nationale Seite desselben ins Auge faßt – die Richtung, welche ihm den Namen des „deutschen“ erworben und gesichert, bestand in der Wegräumung hemmender Schranken des innern Verkehrs der theilnehmenden Staaten, in dem Schutze der einheimischen Industrie durch Festsetzung gemeinsamer Eingangsabgaben von Producten und Fabricaten des Auslandes, nach Maaßgabe des jedesmaligen Bedürfnisses eines solchen Schutzes; – somit in Herstellung einer Gemeinschaftlichkeit der Handels- und Gewerbsinteressen im Umfang eines von der Natur auf gleiches Bestreben und gegenseitige Unterstützung hingewiesenen, den Kern von Deutschland in sich begreifenden Gebiets.
„Dieses Ziel ist im Wesentlichen erreicht. Deutsche Bodencultur und Fabrikindustrie, neben den altbewährten Elementen ihres Wohlstandes auch neue Erwerbszweige sich aneignend, wie das Bedürfniß des Jahrhunderts sie fordert, haben staunenswerthe Fortschritte gemacht. Sie haben die Höhe erstiegen, wo die Gefahr eines ungehinderten Wetteifers fremder Betriebsamkeit in einem heilsamen Antrieb zum gleichen Schritthalten sich zu wandeln beginnt, wo an die Stelle der Schutz bringenden Eigenschaft die financielle Seite der Eingangsabgaben in den Vordergrund tritt. Mit dem wachsenden Begehr nach den Lebensbedürfnissen und Luxusartikeln, welche das fernere Ausland bietet, steht jetzt die Fülle und Mannichfaltigkeit des zum Austausch geeigneten Ueberflusses der Heimath in glücklichem Gleichgewichte. So ist also die Grundlage gewonnen, auf welcher auch der Handel zur wohlthätigen Nothwendigkeit wird, treu seiner eigentlichen Bestimmung, Geber und Nehmer gleichzeitig zu bereichern.
„Die Tendenz des Vereins muß sich daher erweitern; – er hat die Interessen seiner Gesammtheit als Eines großen Handelsgebietes auswärtigen Handelsstaaten gegenüber geltend zu machen. Er muß sich um so dringender dazu auffordern, als seit der kurzen Dauer seiner Existenz die Annäherungen der Völker durch den Welthandel in früher ungewohnten Progressionen fortgeschritten, und wer sich nicht den Reihen der Suchenden und Strebenden mit anschließt, Gefahr läuft, hintenaus zu bleiben, bald selbst nicht mehr vermißt und aufgesucht zu werden.
„Zu solcher Mitbewerbung in der Sphäre des activen Welthandels bedarf ein Continentalstaat aber mancher, dem Binnen- und Gränzverkehr oder auch dem großartigen Austausch auf den Centralpunkten der Waarenzüge eines weitgestreckten Landsgebiets fremder Hülfsmittel und Einrichtungen – vor Allem leichter Verbindungen mit dem Weltmeere durch schiffbare Flüsse, oder künstliche Communicationswege, welche sie zu ersetzen im Stande; geeigneter Seehäfen an den Mündungen und großer Handelsplätze in den Gegenden, wo See- und Flußschifffahrt sich scheiden; Märkte, auf denen Gegenstände der Ein- und Ausfuhr zusammen kommen – mit den dazu erforderlichen mannichfachen Instituten, aber auch mit einer
Bevölkerung, welche die intellectuellen und materiellen Elemente, solchem örtlichen Berufe zu genügen, hinreichend in sich vereinigt – Fähigkeiten, wie sie nur in größern Seestädten und auch hier nur allmählich sich erzeugen und vererben.
„Was hat und was bedarf in dieser Beziehung die Gesammtheit der Staaten des Zollvereins? Unmittelbar ans Meer reicht das Gebiet desselben nur im Norden und Nordosten vermittelst der preußischen Ostseeprovinzen. Einst die Versorger Scandinaviens, Polens und Rußlands, mehr noch als des deutschen Binnenlandes, sind die Häfen dieser ausgedehnten Küstenstrecke gewiß auch für die Zukunft eines neuen Aufschwungs fähig, wenn die Prohibitivmaaßregeln Schwedens und des russischen Reichs, der Sundzoll und die brittischen Korngesetze sich überlebt und Eisenbahnen nach dem Herzen von Deutschland das Flußgebiet der Oder ergänzt und erweitert haben werden. Allein die Ostsee ändert ihre Natur nicht mit, sie bleibt immer ein Binnenmeer, schwer zugänglich, vor Allem während der Wintermonate, während doch der Welthandel keinen Winterschlaf mehr duldet. Darum werden sich an diesen Küsten keine eigentlichen Weltmärkte gestalten können, wie sie im neuern Sinne des Worts auch niemals dort bestanden haben.
„Was die eigenen Häfen daher nur unvollständig gewähren, was wie auch immer wohlgelegene und reichbegabte Zwischenplätze wie Köln und Magdeburg vollends nicht ersetzen können, das wird außerhalb der Gränze des Vereins gesucht werden müssen – Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, selbst Havre und Triest, sie alle kommen hier mehr oder minder in Betracht; ja es möchte die Zeit nicht fern seyn, wo auch an den weitentlegenen Donaumündungen erwünschte Stapelplätze sich gestalten, um den Verkehr des Zollvereins mit der uns wieder nahe gerückten Levante zu vermitteln. Das Verhältniß, in welchem diese Seeplätze zum deutschen Binnenlande stehen, ist an und für sich von den gleichen Wechselbeziehungen mit dem sie umgebenden und beherrschenden Staatsgebiete durchaus verschieden; ihrer Wirksamkeit zum erstgenannten Zwecke genügt ein freier Ab- und Zugang durch das von den Staaten des Vereins sie trennende und übrigens dem gegenseitigen Austausche mit diesem immerhin verschlossene Territorium.
„Der allgemeinen Gleichheit des Berufs steht aber im concreten Falle weder gleiches Interesse, noch gleiche Befähigung zur Seite. Weite Landstrecken trennen Havre und Triest vom Zollvereinsgebiete, und wenn hier obendrein die Lage an einem Binnenmeere ähnliches Ungenügen bedingt, wie es bei den Ostseehäfen hervorgehoben worden, so tritt dort eine veraltete, schwer zu wandelnde Handelspolitik des Nachbarreiches hemmend in den Weg. So sehen sich die Vereinsstaaten naturgemäß auf den Nordwesten reducirt, auf die Stromgebiete des Rheins, der Weser und der Elbe.
„Die Bestrebungen Preußens und seiner Zollverbündeten sind bisher vorzugsweise dahin gerichtet gewesen, dem reichen und ausgedehnten Vereinsgebiete zu beiden Ufern des Rheins jenen unmittelbaren und ungehinderten Contact mit dem überseeischen Auslande zu verschaffen, welche eine dem deutschen Interesse fremde Politik an den Mündungen jenes Stroms bis dahin widernatürlich erschwerte. Manches war schon erreicht, Vieles vorbereitet, – Antwerpens und überhaupt des belgischen Reiches selbstständig gewordene, pflichtmäßige Concurrenz wirkte als Hebel, – so konnte mit und durch den Handelsvertrag vom 21 Januar d. J. der weitere Schritt geschehen, daß neben der Sicherstellung eines freien Durchzuges und somit einer directen Theilnahme der niederrheinischen Handelsstädte am Weltverkehr, zugleich vermittelst eingeräumter augenfälliger Concessionen, die geringschätzige Sprödigkeit der holländischen Seehäfen besiegt wurde, welche sie noch immer abgehalten, ihrem Berufe zur Dienstbarkeit, nicht bloß für die Interessen des eigenen Landes, sondern auch für die des deutschen Zollvereines, gebührend nachzuleben. Was jener Tractat zu Gunsten des beiderseitigen Verkehrs noch weiter stipulirt, wie segensreich er auch für die unmittelbar betheiligten Districte und Nahrungszweige erfunden werden mag, kommt für den eigentlichen Weltverkehr doch wenig oder gar nicht in Betracht.
„Hindernisse der erwähnten Art haben an den Mündungen der Elbe und Weser dem Vereine sich niemals entgegengestellt. Die deutschen Küstenstrecken an der Nordsee verknüpft mit ihm das gleiche politische Band, ihre materiellen Interessen gehen mit den seinen Hand in Hand. Ihre beiden Weltmärkte aber, Hamburg und Bremen, sind darin von den niederländischen noch insbesondere verschieden, daß, wenn die letztern selbstständigen, ein getrenntes Interesse verfolgenden Handelsstaaten angehören, die ersteren nur selbstständige Handelsstädte bilden, deren Handelsprovinz nur natürliche, keine politischen Gränzen kennt. Kann sich schon im Innern des Vereins das Bewußtseyn der Homogeneität seiner höheren Verkehrsinteressen mit denen der Hansestädte, des Umfangs und der Mannichfaltigkeit der gegenseitigen Berührungen, um der sie örtlich von einander scheidenden deutschen Zwischengebiete willen, begreiflicherweise nicht so allgemein und unwillkürlich aufdrängen, wie es bei unmittelbarer Gränznachbarschaft der Fall seyn würde, so hat dasselbe die Hansestädte dagegen längst und vollständig durchdrungen. Dem Lebensprincipe derselben gelten die gewerbreichen, absatzbedürftigen, zugänglichen Districte des deutschen Binnenlandes für eben so nah und eben so unentbehrlich, wie die umgebenden Nachbarstaaten. In ihren Functionen von ihnen verschieden, wirkten sie gemeinsam dem nämlichen Ziele zu. Wenn Hamburg und Bremen alle die materiellen und intellectuellen Elemente, welche sie befähigen, den deutschen Weltverkehr zu vermitteln – günstige Lage, Häfen, Schiffswerfte, Capitalien, Assecuranz- und Wechselinstitute, eine seegewohnte, unternehmende, handelskundige Bevölkerung, einen Schatz erworbener Erfahrungen und angeknüpfter Verbindungen mit den entlegensten Zonen der Erde – in gleich hohem, ja theilweise höherem Grade besitzen wie ihre Concurrenten an den Ausflüssen des Rheins, so leisten sie auch in ihren öffentlichen Handels- und Zolleinrichtungen, mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des gesammten Deutschlands, diesem in der That schon Alles, was es bei den Niederlanden erst durch schwierige Verträge erwerben, vielleicht durch Opfer erkaufen muß.
„Um diese Behauptung thatsächlich außer Zweifel zu stellen, mögen hier (so weit Bremen insbesondere dabei in Frage kommt), einige specielle, seiner Individualität entnommene Nachweisungen folgen.
„Nach dem daselbst geltenden Zollsystem wird von allen seewärts eingehenden Gütern 2/3 Procent vom Werth entrichtet, von deren Ertrag Bremen alle Schifffahrtsanstalten auf der Weser und an deren Mündungen zur Fahrbarerhaltung des Stroms, Seetonnen, Baken, Leuchtschiffe u. s. w., unterhält; was landwärts einkommt, sey es auf der Weser oder per Achse, völlig zollfrei. Von den Ausfuhren wird 1/3 Procent vom Werth erhoben. Die Werthbestimmungen richten sich nach der eidlichen Angabe des Versenders und Empfängers. Das durchgehende Gut trifft lediglich der nach Maaßgabe
der Weserschifffahrtsacte auf 48 Pfennige für 300 Pfund festgesetzte, für eine Menge Artikel aber nur zu Bruchtheilen dieses Satzes veranschlagte Transitzoll. Eigentliche Entrepotgüter sind ebenfalls frei. Die Fähigkeit zum Betrieb des Großhandels ist im Allgemeinen an den Erwerb des städtischen Bürgerrechts geknüpft, dessen Ertheilung indeß so wenig Schwierigkeiten findet, daß die Zahl der Ansiedler aus dem Innern von Deutschland jedes Jahr der städtischen Bevölkerung einen beträchtlichen Zuwachs bringt. In Gemäßheit von Reciprocitätsverträgen ist aber neuerdings auch Fremden gegen Zahlung einer jährlichen Patentsteuer die gleiche Befugniß eröffnet worden. Handelsreisende, Agenten auswärtiger Häuser u. s. w. betreiben ihr Geschäft daneben frei von aller Abgabe.
„Daß ein Besteuerungsmaaßstab, wie dieser, den Waarensendungen über Bremen kaum fühlbar werden, geschweige denn sie bedrücken kann; daß ferner die Modalitäten des Zolls und alle sonstigen commerciellen Einrichtungen darauf berechnet sind, den Verkehrsinteressen des deutschen Binnenlandes vor andern zu dienen, liegt am Tage. Fände irgendwo noch das Gegentheil statt, so würde Bremen sich beeilen, es abzuändern, und zwar allerdings auch im wohlverstandenen eigenen Interesse. Dieser letzte Umstand ändert aber nichts an dem, worauf es hier allein ankommt, an der Thatsache nämlich, daß in den Einrichtungen des Bremischen Staats kein der Entwicklung und freien Beweglichkeit deutschen Gewerbfleißes hinderliches Element zu gewahren, daß Bremens Flor mit dem des Vaterlandes unzweideutig verbunden ist.
„Von dem rückwirkenden Einfluß des Systems der deutschen Zollverbindung auf Bremens Gewerbsverhältnisse läßt sich nicht das Gleiche sagen. Was es an größeren Fabriken in seinen Mauern besaß, selbst solchen, deren Betrieb sich mit der Lage und Eigenthümlichkeit eines Seehandelsplatzes recht wohl verträgt, hat nach und nach der beschützten Concurrenz gleichartiger Institute des Binnenlandes erliegen müssen. Um so mehr wandten sich alle Kräfte den vorherrschenden Elementen, dem Welthandel und der Seeschifffahrt zu. Und hier brachte die Ausdehnung des Zollvereins, mit ihr das Hinwegfallen der Binnenzölle und eines großen Theils der Transitogebühren, die Verbesserung der Communicationen, die durch den Wetteifer und die freie Beweglichkeit im Innern erstarkte und zur überseeischen Ausfuhr befähigte Industrie, der Segen eines langen Friedens, reichen Ersatz für die Verluste, welche das preußische Gränzzoll- und Transitosystem bei seinem Beginnen den Interessen der Hansestädte zugefügt. Bei so erfreulichen Vorschritten im Großen und Ganzen konnten die Nachtheile jeder Schwankung in den Tarifsätzen, so wie des wechselnden Umfangs des zollvereinten Gebiets leicht verwunden werden. Der natürliche Beruf jener Städte, die Weltmärkte des Zollvereins zu bilden, trat immer deutlicher und für alle Theile wohlthätiger hervor; sie werden ihm auch fernerhin würdig entsprechen, so lange nur ihr Lebensprincip, in dieser Sphäre, in der des Welthandels, gleiche Gunst und gleiches Recht im Vereinsgebiete zu finden mit ihren Concurrenten an der Nordsee, unangetastet bleibt.
„In der Erfüllung eines und des nämlichen Berufs verfolgt jede dieser Städte ihren eigenthümlichen Weg. Bremens Lage inmitten der überwiegenden Emporien an den Mündungen der Elbe und des Rheins, an einer vergleichsweise kurzen und doch vernachlässigten Wasserstraße (der Weser), wenig berührt von dem Zuge des europäischen Gesellschaftsverkehrs, daher kein Ziel fremder Dampfschifffahrtsspeculationen, nur im beschränkten Maaße neben Hamburg und den Märkten der Niederlande ein Stapelplatz für die Zufuhren der Fremde und des Binnenlandes, wie für die Schiffe frachtsuchender Seefahrer – dieß Alles hat es genöthigt, in den Schöpfungen seiner Betriebsamkeit Ersatz zu suchen für die versagten Geschenke der Natur. Die rasche, weitverbreitete Beweglichkeit seiner Schiffer und Kaufleute, die Wechselwirkung zwischen Seehandel und Rhederei, zwischen den Handlungshäusern der Heimath und ihren Agenten oder Verbündeten an den überseeischen Plätzen, hat Bremen eine neue und selbstständige Anziehungskraft erworben. Seine Handelsmarine, seit den letzten zwölf Jahren von 87 Schiffen mit 8819 (Rocken) Last auf 150, in diesem Augenblick schon 188 Schiffe mit 19,951 Last vermehrt, wird an Zahl wie an Gehalt von keiner andern in den Hafenplätzen Deutschlands übertroffen; sie hat sich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika einen eigenen Namen verschafft, getrennt von der dort bräuchlichen, auf deutsche und holländische Fahrzeuge fast ohne Unterschied angewandten Benennung: dutch Vessels; sie wird, ungeachtet sie des Vorzugs im Zoll der nationalen Schiffe entbehrt, neuerdings selbst in den Häfen der Niederlande zur Frachtfahrt von und nach den ostindischen Colonien vor andern gesucht. Die europäische Fahrt, mit Ausnahme des seit 1830 neueröffneten Mittelmeeres (eines zu lockenden Feldes für nordische Schnellsegler) – bisher fast zum größten Theil den oldenburgischen und hannoverischen Schiffen der Unterweser überlassend, deren Zahl und Tüchtigkeit nicht minder auf überraschende Weise zugenommen – sucht Bremens Flagge vornehmlich die entlegenen Zonen. Der directen Fahrt allein zu gedenken, langten im verflossenen Jahr unter 216 eigenen Schiffen 132 von außereuropäischen Häfen hier an, und gingen von 238 eigenen Schiffen 147 wieder dahin ab. Wie jedes Jahr neue Belege gibt des Bestrebens der bremischen Rheder, noch ungesuchte Bahnen zu verfolgen, so brachte das verflossene unter Anderm die Heimkehr des ersten bremischen, überhaupt des ersten deutschen auf den Südsee-Wallfischfang ausgerüsteten Schiffs – ein Unternehmen, dessen günstiger Ausfall im gegenwärtigen schon mehrere gleichartige Versuche unter bremischer Flagge ins Leben gerufen hat.
„Es liegt aber in der Natur eines so ausgedehnten, mit dem Eigenhandel engverbundenen Rhedergeschäfts, daß es, wie dem heimischen Markte Zufuhren von allen Seiten, so den eigenen Schiffen stete Beschäftigung, und auf der Hin- und Rückfahrt alle Ladungen zuzuwenden bestrebt ist. Dieß gibt einen doppelten Sporn zur Thätigkeit, zum Ausschauen und Aufspüren; es erklärt das Eingehen auf gewagte oder wenig lohnende Handelsgeschäfte um des sichern Frachtgewinnes willen, so wie umgekehrt auf mäßige Frachten, wo die Handelsspeculation selbst Ersatz zu leisten verspricht. Den deutschen Producenten und Fabricanten sind Bremens Rheder treuverbündete und zuverlässige Rathgeber, beider Interesse geht vollkommen Hand in Hand. Selten, daß hier der Rheder bloßer Spediteur des Fabricanten ist; vielmehr, wo die Ladung nicht ganz für bremische Rechnung verschifft wird, findet doch ein gemischtes Geschäft statt: Leistung von Vorschüssen, Betheiligung bei der Speculation, Zahlungserleichterungen u. dergl. mehr. – Daher denn auch die auf die Kunde transatlantischen Begehrs gestützten Aufmunterungen oder Abmachungen, die Winke über Wechsel in dem Geschmack und Bedarf, die Klagen über Unvollkommenheiten oder Mißbräuche bei der Fabrication, welche von hier aus an die Sitze deutscher Industrie gelangen, von Jahr zu Jahr mehr Vertrauen und Beachtung sich erworben haben. Durch solches Zusammenwirken ist jetzt der für Deutschland wie für Bremen gleich erfreuliche Wendepunkt eingetreten, wo die Ausfuhr nicht mehr zurücksteht gegen die Einfuhr, wo das Versenden bremischer Schiffe in Ballast, früherhin so häufig, jetzt zur seltenen Ausnahme geworden ist.
(Beschluß folgt.)