Ueber
Cauſalität
und
deren Verantwortung
von
M. von Buri,
Großherz. Oberſtaatsanwalt zu Darmſtadt.
Leipzig.
J. M. Gebhardt’s Verlag.
(Leopold Gebhardt.)
1873.
Jnhaltsverzeichniß.
Seite
I. Cauſalität 1
II. Verantwortlichkeit für die Cauſalität.
Vorſätzliches Handeln 13
Fahrläſſigkeit 27
III. Verhältniß des Willens zum Erfolge 31
Eventuelles und alternatives Wollen 33
Vorſatz und Abſicht 41
Gemeingefährliche Verbrechen. — Deutſches Straf-
geſetzbuch 42
IV. Zuſammentreffen der cauſalen Thätigkeit mehrerer Perſonen 66
V. Dolus generalis 76
VI. Jrrthum in Anſehung des Objects der verbrecheriſchen
Thätigkeit 82
VII. Strafloſigkeit der bewußten Cauſalität. — Deutſches Straf-
geſetzbuch 87
VIII. Cauſalität durch unterlaſſene Thätigkeit 96
IX. Theilnahme. — Neueſte Literatur 101
X. Begünſtigung. — Deutſches Strafgeſetzbuch 136
I. Cauſalität.
Unter Cauſalzuſammenhang wird man wohl den Proceß
der Entſtehung einer Erſcheinung begreifen dürfen. Will man
den Cauſalzuſammenhang einer concreten Erſcheinung ermit-
teln, ſo muß man in geordneter Reihenfolge ſämmtliche Kräfte
feſtſtellen, welche für die Entſtehung der Erſcheinung irgend
eine Wirkſamkeit geäußert haben. Die ganze Summe dieſer
Kräfte iſt dann als die Urſache der Erſcheinung anzuſehen.
Mit demſelben Rechre läßt ſich aber auch jede einzelne dieſer
Kräfte für ſich allein ſchon als die Urſache der Erſcheinung
betrachten, denn die Exiſtenz derſelben hängt ſo ſehr von jeder
Einzelnkraft ab, daß, wenn man aus dem Cauſalzuſammenhang
auch nur eine einzige Einzelnkraft ausſcheidet, die Erſcheinung
ſelbſt zuſammenfällt. Es verleiht daher jede Einzelnkraft der,
wenn man von ihr abſieht, todten Maſſe aller übrigen
Einzelnkräfte erſt die Lebenskraft, es macht jede Einzelnkraft
alle übrigen cauſal (m. Abh. Gerichtsſaal 1870 S. 1 flg.).
— Der menſchliche Wille kann nur inſofern als ein Beſtand-
theil des Cauſalzuſammenhangs angeſehen werden, als man
in ihm lediglich das agens erblickt, welches die Körperkräfte
in Bewegung geſetzt hat. Ob aber dieſer Wille ein bewußter
— vorſätzlicher oder fahrläſſiger — oder derjenige eines
unzurechnungsfähigen Menſchen iſt, erſcheint für den Cauſal-
zuſammenhang gleichgültig, denn es tritt in der Verkettung
von Thatſachen keine Aenderung ein, mag man auch an die
Stelle des bewußten Willens einen bewußtloſen ſetzen, oder
1
umgekehrt. Allerdings können dolus und culpa durch eine
in dieſen Willenszuſtänden unternommene Handlung in den
Cauſalzuſammenhang übertragen werden, allein die Exiſtenz
des Cauſalzuſammenhangs ſelbſt iſt hierdurch in keiner Weiſe
bedingt. Es hat der zurechnungsfähige Wille mit dem
Cauſalzuſammenhange weiter nichs zu ſchaffen, als daß von
ihm die Frage abhängt, ob ein Menſch für denſelben rechtlich
in Anſpruch genommen werden könne.
Dagegen behauptet nun von BarS. von Bar, Prof. d. R., die Lehre vom Cauſalzuſammenhange.
Leipzig, 1871. (S. 4), diejenigen
Rechtslehrer ſeien im Unrecht, welche ſich nicht an dem wahren
Satze begnügen ließen „was nicht Bedingung einer Erſcheinung
iſt, kann auch nicht Urſache der letzteren ſein,“ ſondern hieraus
den poſitiven Satz formulirten „Alles was Bedingung iſt,
muß als Urſache gelten.“ Man müſſe vielmehr ſcharf Be-
dingung von Urſache unterſcheiden. Als Beiſpiel wird hier
gegeben: ein Stein im Waſſer ſinkt auf den Grund, und
(S. 8. 9) auseinandergeſetzt, wer die Anziehungskraft verſchie-
dener Körper unterſuche, werde dieſe; wer die Wirkung der An-
ziehungskraft auf verſchiedene Entfernungen unterſuche, werde
den Umſtand, daß der Stein ſich in einer beſtimmten Entfernung
von der Erde befunden habe; wer das ſpecifiſche Gewicht des
Steins unterſuche, dieſes; wer endlich die Sache moraliſch oder
juriſtiſch unterſuche, den Menſchen als die Urſache betrachten.
Wenn die Naturgeſetze unterſucht würden, ſo ſei alles menſchliche
Thun Bedingung und nicht Urſache; wollten wir aber juriſtiſch
oder moraliſch urtheilen, ſo ſeien die Naturgeſetze Bedingungen
und nicht Urſachen des menſchlichen Handelns.
Gegen dieſe Ausführung iſt zunächſt zu bemerken, daß
man einen Cauſalzuſammenhang — alſo die Verkettung von
Thatſachen — nicht juriſtiſch oder moraliſch unterſuchen
kann. — Sodann aber wird die Verſchiedenheit zwiſchen
Bedingung und Urſache von der Methode, oder auch dem
Zweck, der Unterſuchung, mithin von einer ſubjectiven Ver-
fahrungsweiſe abhängig gemacht. Da es ſich aber hier ledig-
lich um objective Wirkſamkeit handelt, ſo mußte, dem zu
unterſuchenden Object entſprechend, nachgewieſen werden, daß
die Bedingung für die Erſcheinung gar nicht mitwirke, oder
daß doch ihre Wirkſamkeit eine von derjenigen der Urſache
abſolut verſchiedene ſei. — Handelt es ſich um die Erforſchung
der Entſtehung einer concreten Erſcheinung, ſo kommt es
weſentlich darauf an, in welcher Weiſe das Naturgeſetz ſeine
Wirkſamkeit geäußert hat. Und wenn es ſich da findet, daß
dieſe Wirkſamkeit durch menſchliche Thätigkeit veranlaßt worden
iſt, wie etwa die verwüſtende Kraft des aus dem durch-
ſtochenen Damme hervorbrechenden Waſſers, ſo kann nicht,
je nach der Methode der Unterſuchung, bald dem Waſſer die
Urſache zugeſchrieben, bald aber wieder das Waſſer nur als
Bedingung angeſehen und die Urſache in der menſchlichen
Thätigkeit gefunden werden — es wäre das lediglich ein
Spiel mit Worten. Es kann vielmehr, wenn es ſich heraus-
ſtellt, daß eine Erſcheinung ihre Entſtehung der gleichen
Wirkſamkeit verſchiedener Kräfte verdankt, keine einzige
Kraft im Vergleich zu der andern zur Bedingung degradirt,
ſie müſſen vielmehr alle als gleichberechtigt angeſehen werden.
— Uebrigens wird man doch wohl, wenn der Luftſchiffer ſich
von der Erde erhebt, zugleich auch die Luft als das ver-
urſachende Element und ebenſo, wenn ſich an einem heißen
Sommertag bei dem Marſchiren eine größere Müdigkeit einſtellt,
als an einem kühlen Herbſttage, dieſes plus der Müdigkeit
als durch die Hitze mit verurſacht bezeichnen können.
Dieſe Unterſcheidung zwiſchen Bedingung und Urſache
kommt denn auch bei den ferneren Deductionen v. B.
1*
in kenntlicher Weiſe nicht zur entſprechenden Verwerthung.
Als Princip dieſer Deductionen tritt vielmehr lediglich hervor:
Wer der Regel des Lebens gemäß handelt, haftet für den
durch ſeine Handlung herbeigeführten ſtrafrechtlichen Erfolg
nicht, ſelbſt wenn er ihn vorhergeſehen hat, denn es beſteht
hier kein Cauſalzuſammenhang. Wer aber der Regel des
Lebens zuwiderhandelt, der haftet für den verurſachten Erfolg,
inſofern der Cauſawerlauf ein regelmäßiger geblieben war,
ſollte er auch die hinzugetretenen regelmäßigen Zwiſchen-
urſachen nicht vorhergeſehen haben. War hingegen der
Cauſalverlauf ein regelwidriger, ſo müſſen, wenn Haftbarkeit
für den eingetretenen Erfolg begründet ſein ſoll, die hin-
zugetretenen unregelmäßigen Zwiſchenurſachen wenigſtens
einigermaßen vorhergeſehen geweſen ſein, da ſie andernfalls
den Cauſalzuſammenhang unterbrechen. — Es wird aber
1) was eine der Regel des Lebens entſprechende und
beziehungsweiſe eine derſelben widerſprechende Handlung iſt,
und welche Conſequenzen ſich aus dieſem Erforderniß der
aufgeſtellten Theorie ergeben, nicht auseinandergeſetzt. —
Namentlich wirft ſich hier die Frage auf, ob in Betreff der
Haftbarkeit der regelwidrigen Handlung für den Erfolg
nebenbei auch noch darauf reflectirt wird, daß ſie dolos oder
culpos begangen worden ſein müſſe. Bejahenden Falls würde
ein zu beſeitigender Pleonasmus vorliegen, denn die doloſe
und culpoſe Handlung widerſpricht ſtets der Regel des Lebens.
Hält man nun an den Begriffen von dolus und culpa feſt,
ſo hat v. B. nur geſagt: eine weder dolos noch culpos
unternommene — alſo der Regel des Lebens entſprechende —
Handlung zieht keine Haftbarkeit für den Erfolg nach ſich,
wohl aber eine doloſe und culpoſe Handlung. — Soll hin-
gegen lediglich mit der Regel des Lebens operirt werden, ſo
muß man von den Begriffen des dolus und der culpa durch-
aus abſtrahiren, weil der Begriff der Regelwidrigkeit, der im
Grunde genommen auch das lediglich unmoraliſche und civil-
rechtswidrige Handeln umfaßt, ein weiter gehender iſt, als
der ihrige. Darum kann aber dann auch nicht die Haft-
barkeit für den Erfolg von dolus und culpa, ſondern ſie
kann nur davon abhängen, ob die vorgenommene Handlung
der Regel des Lebens entſpricht oder nicht; und es muß im
letzteren Falle Haftbarkeit für den Erfolg eintreten, wenn
dolus und culpa auch nicht concurriren, beziehungsweiſe der
Erfolg nicht vorausſehbar geweſen war. Wenn daher v. B.
eine Erörterung über dolus und culpa ſowie die Vorausſicht
der unregelmäßigen Zwiſchenurſachen als für ſeine Theorie
geboten erachtet, ſo liegt hierin ein Abfall von derſelben.
2) Urſache (objectiv) und Verantwortlichkeit für die
Urſache (ſubjectiv) bedeutet für v. B. das Nämliche. Das
heißt nicht allein: wenn keine Urſache vorliegt, iſt auch keine
Verantwortlichkeit begründet, ſondern zugleich auch: wenn
keine Verantwortlichkeit beſteht, iſt auch keine Urſache vor-
handen. Darum mußten natürlich die Behauptungen auf-
geſtellt werden, a) durch das Eingreifen unvorhergeſehener
regelwidriger — alſo nicht zu verantwortender — Zwiſchen-
urſachen werde der Cauſalzuſammenhang unterbrochen. Es
liege daher (S. 21), wenn der regelmäßige Verlauf der
menſchlichen Thätigkeit durch ein ſpäter hinzugetretenes
unregelmäßiges Ereigniß abgeändert worden ſei, die Urſach-
lichkeit lediglich in dieſem, und im Falle des Eingreifens
mehrerer regelwidriger Ereigniſſe ſtets in dem letzten mit
Ausſchluß der vorausgegangenen. Schwer verſtändlich möchte
es aber ſein, warum, wenn der an und für ſich ſchon tödtlich
Verletzte durch das Hinzutreten eines nicht vorhergeſehenen
unregelmäßigen Ereigniſſes etwas früher ſtirbt; oder zwei auf
einander folgende außerordentliche Sturmfluthen, von welchen
jede für ſich einen Effect nicht erzielt haben würde, den Damm
durchbrochen haben, nicht auch in dem erſten Ereigniß eine
Urſachlichkeit (objectiv) zu finden ſein ſoll. — b) die der
Regel des Lebens entſprechende — alſo (angeblich ſ. u. VII)
ſtrafloſe — Handlung könne überhaupt keine Urſachlichkeit
für den durch ſie herbeigeführten Erfolg enthalten. Auch hier
iſt aber nicht einzuſehen, was das Erlaubtſein oder Unerlaubt-
ſein der Handlung — alſo lediglich ſubjective Beziehungen —
mit dem objectiven Ergebniß derſelben — dem Cauſal-
zuſammenhange — zu thun haben könnten. Wer in gerechter
Nothwehr ſeinen Gegner durch einen Schuß todt zu Boden
ſtreckt, begeht ſicher eine der Regel des Lebens entſprechende
Handlung; aber ſchwerlich wird behauptet werden können,
daß er den Tod des Andern nicht verurſacht habe. Freilich
v. B. verſichert (S. 124 N. 16), der rechtswidrige Angreifer
habe ſich die Verletzung ſelbſt verurſacht; mit richtigem
Jnſtincte ſage der Laie, er trage ſelbſt die Schuld daran.
Es liegt hier aber eine totale Verwechslung zwiſchen Urſache
und Schuld vor. Und wenn zwei Perſonen in dem verzeihlich
guten Glauben, es handle ſich für ſie um Nothwehr, ſich
gegenſeitig getödtet haben, ſo würde, da dann auf jeder Seite
der Regel des Lebens gemäß gehandelt worden wäre, eine
Urſache gar nicht exiſtiren. B. fragt, ob man den Arzt,
welcher durch eine fehlerloſe Operation den, von ihm als
wahrſcheinlich bevorſtehend vorausgeſehenen, Tod des Kranken
herbeigeführt habe, der Tödtung ſchuldig ſprechen wolle.
Sicherlich nicht; aber ebenſo gewiß erſcheint hier der Arzt
als Urheber (Urſacher) des Todes.
3) Eine Begründung für die Behauptung, daß die
unregelmäßigen Zwiſchenurſachen wenigſtens einigermaßen
vorhergeſehen werden müſſen, während dieſe Vorausſicht in
Betreff der regelmäßigen Zwiſchenurſachen nicht erforderlich
ſei, wird v. B. nicht gegeben. Jn Wirklichkeit kann der
Grund der Haftbarkeit für den Erfolg nur in der Thätigkeit
für den Erfolg und zugleich in dem Verhältniſſe der Subjec-
tivität zu der Thätigkeit und beziehungsweiſe zu dem Erfolge
gefunden werden. Beide aber, die Thätigkeit ſelbſt ſowohl
wie die Subjectivität des Handelnden, bleiben ganz die
nämlichen, es mag der Eintritt des Erfolgs durch regelmäßige
oder regelwidrige Zwiſchenurſachen, welche ſich an die Thätigkeit
angeſchloſſen haben, vermittelt worden ſein. Man verlegt
darum, wenn man die Geſtaltung der an die Thätigkeit ſich
anſchließenden Zwiſchenurſachen für maßgebend dafür erklärt, ob
der Handelnde für Vollendung zu haften habe oder nicht, den
Grund für dieſe Haftbarkeit außerhalb des Kreiſes, innerhalb
deſſen er allein enthalten iſt. Beſteht aber ſonach die frag-
liche Unterſcheidung nicht zu Recht, ſo muß man auch, im
Falle man an dem Erforderniß des Vorhergeſehenhabens der
unregelmäßigen Zwiſchenurſachen feſthalten will, das Nämliche
auch für die regelmäßigen Zwiſchenurſachen gelten laſſen,
und beziehungsweiſe man darf, wenn man ein ſolches Vorher-
ſehen für die regelmäßigen Zwiſchenurſachen nicht für erfor-
derlich erachtet, in Betreff der regelwidrigen Zwiſchenurſachen
nicht das Gegentheil decretiren. — Ueberdies hat ſich v. B.
nicht darüber ausgeſprochen, ob die zur Zeit der Handlung
bereits vorhandenen cauſalen unregelmäßigen Ereigniſſe
dem Handelnden bekannt geweſen ſein müſſen oder nicht; ob alſo
etwa derjenige für Vollendung haftet, welcher mit Anwendung
anſehnlicher Gewalt ein Bauwerk umzuſtürzen trachtet, im
Falle daſſelbe wegen heimlicher Mängel unerwartet ſchon bei
dem erſten Spatenſtich zuſammenſtürzt. Erſteren Falls würde
ein Widerſpruch mit der Behauptung entſtehen, daß jedesmal
das letzte regelwidrige Ereigniß die ſtrafbare Urſache enthalte;
letzteren Falls aber würde das Erforderniß, daß der Handelnde
die zukünftigen unregelmäßigen Ereigniſſe wenigſtens
einigermaßen vorhergeſehen haben müſſe, als inconſequent
erſcheinen. — Es liegen endlich aber auch bedenkliche Wider-
ſprüche in dieſer Richtung vor. Nachdem in § 3 mit bloßem
Accommodiren an die praktiſche Nothwendigkeit erörtert worden
iſt, daß die Zwiſchenurſachen — regelmäßige wie unregelmäßige
— nicht zur Urſache zugerechnet werden ſollen, wenn ſie ſich
nicht vorher im Bewußtſein des Handelnden wenigſtens
einigermaßen reflectirt hatten, wird daſelbſt weiter behauptet:
da weder Nothwendigkeit des Cauſalzuſammenhangs noch die
bloße Möglichkeit deſſelben entſcheidend ſein könne, ſo bleibe
nur übrig, eine gewiſſe Wahrſcheinlichkeit als Norm anzu-
nehmen, oder, was genauer ſei, zu ſagen: alle Folgen ſeien
auf den Handelnden als Urſache zu beziehen, welche in dem
regelmäßigen Verlauf der Dinge lägen. Dieſe rein objective
Schlußfolgerung ſteht jedoch in diametralem Gegenſatz zu
den Vorderſätzen, weil hiernach der Handelnde die regel-
mäßigen Zwiſchenurſachen nicht vorausgeſehen zu haben
braucht. Aber ſofort wird dann wieder in die Subjectivität
übergeſprungen. Denn wenn der Handelnde auf eine regel-
widrige Zwiſchenurſache gerechnet hat, ſo ſoll er auch für ſie
einſtehen. Müſſen aber unregelmäßige Zwiſchenurſachen zur
Urſache zugerechnet werden, wenn ſie nur mit einer gewiſſen
Wahrſcheinlichkeit vorausgeſehen worden ſind, ſo liegt hierin
der Beweis, daß der Cauſalzuſammenhang nicht durch ſeine
Regelmäßigkeit bedingt wird. v. B. behauptet darum k. H.
(S. 21), die in Ausſicht genommenen unregelmäßigen Zwiſchen-
urſachen ſeien in Wahrheit nicht als unregelmäßige anzu-
ſehen. Aber wie kann denn eine Erſcheinung, welche, wenn
ſie nicht vorausgeſehen wird, eine regelwidrige iſt, dieſe
objective Qualität abſtreifen und ſich zu einer regelmäßigen
geſtalten, im Falle auf ſie gerechnet worden war — alſo
lediglich in Folge eines rein ſubjectiven Hergangs? Ja es
kann ſogar der Thäter ſelbſt überzeugt ſein, daß die Erſchei-
nung, auf welche er rechnet, eine regelwidrige iſt. Sicher
wird man ihm auch in dieſem Falle die Erſcheinung zur
ſtrafbaren Urſache zurechnen, obgleich ſie dann weder objectiv
noch ſubjectiv regelmäßig iſt — inſofern nur dem Handelnden
ſeine Berechnung nicht ganz unwahrſcheinlich erſchienen war.
4) Man erfährt endlich aber nicht einmal von B., was unter
einer regelmäßigen und einer unregelmäßigen Zwiſchenurſache
zu verſtehen ſei. Mit „regelmäßig“ kann natürlich nicht das-
jenige bezeichnet werden, was der Handelnde für regelmäßig
hält, denn ſonſt wäre bei entgegengeſetzter Subjectivität das
Regelmäßige unregelmäßig und das Unregelmäßige regelmäßig.
Unter „regelmäßig“ im Sinne v B. wird vielmehr nur das zu
begreifen ſein, was allgemein für regelmäßig erachtet wird.
Aber dieſe allgemeine Anſchauung reievirt darum nicht, weil
in ſubjectiver Beziehung die Strafe nur durch das eigene
Wiſſen und Wollen bedingt ſein, und in objectiver Beziehung
ein wirklicher Cauſalzuſammenhang ungeachtet entgegengeſetzter
allgemeiner Anſicht zur Exiſtenz kommen kann. Oder man
verſteht unter „regelmäßig“ das wirkliche Verhalten der Er-
ſcheinungen zu einander. Dann jedoch wird es eine Unregel-
mäßigkeit überhaupt nicht geben, weil, wenn die Bedingungen
wirklich vorhanden ſind, das Reſultat ſtets als ein nothwendiges
erſcheint. — Auffallen muß es, daß, wenn die beabſichtigte
Tödtung durch das Ricochetiren der Kugel bewirkt wird, hierin
eine Regelmäßigkeit erblickt werden ſoll. Weder der Handelnde
kann hierin eine Regelmäßigkeit finden, denn er iſt ſich be-
wußt, daß es ihm ſchwerlich nochmals gelingen werde, in
gleicher Weiſe ein Ziel zu treffen, noch aus dem nämlichen
Grunde die Allgemeinheit. Nicht mehr und nicht weniger
regelmäßig erſcheint es, wenn Jemand, ſtatt durch die Kugel,
durch ein abgeſprungenes Stück des bei dem Abſchießen über-
laden geweſenen Gewehrlaufs getödtet wird, in welchem Falle
v. B. (S. 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher
Haftbarkeit für Vollendung beſtreitet.
Aus ſeinen Vorderſätzen zieht nun v. B. (S. 11) das
Reſultat: der Menſch müſſe als ſtrafbare Urſache einer Er-
ſcheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn dächten
als diejenige Bedingung, durch welche der ſonſt als regel-
mäßig gedachte Lauf (Verlauf S. 11 a. E.) der Erſcheinungen
ein anderer geworden ſei. Es wird jedoch dieſe Definition
nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. —
Offenbar iſt der Menſch nicht ſchon dann Urſache, wenn er
nur als Bedingung gedacht wird, ſondern erſt dann, wenn
ſich ſeine Handlung thatſächlich als wirkſam für den Erfolg
erwieſen hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, ſo kann von
einem gelieferten Beweis der Urſachlichkeit der Handlung keine
Rede ſein. Noch weniger iſt einzuſehen, warum durch die
Handlung gerade der regelmäßige Verlauf der bereits
vorhandenen Erſcheinungen abgeändert worden ſein müſſe.
Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs
der bereits vorhandenen Erſcheinungen kann in einem gegebenen
Falle vollſtändig ausgeſchloſſen ſein. Angenommen der
Reiſende ſtehe bei Nacht auf einem Scheidewege. Der eine
Weg führe nach A., ſeinem Reiſeziel, der andere in einen
Abgrund. Dann kann, während der Reiſende noch deliberirt,
wie er ſich aus der Verlegenheit helfen ſoll, Niemand auch
nur annähernd vorausſagen, ob derſelbe demnächſt den richtigen
oder den falſchen Weg einſchlagen werde. Bezeichnet nun
ein Anderer dem Reiſenden den falſchen Weg als den richtigen,
damit er in den Abgrund ſtürzen ſolle, ſo wird denn doch
wohl behauptet werden müſſen, daß derſelbe, obwohl ſich nicht
ſagen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Er-
ſcheinungen abgeändert, den hierdurch herbeigeführten Tod des
Reiſenden verurſacht hat. Es dürfte wohl auch der Arzt, welcher
den unregelmäßigen Verlauf der Krankheit zu einem regel-
mäßigen geſtaltet hat, als die Urſache der Rettung des Kranken
anzuſehen ſein. Und wer die regelmäßige Entwicklung des
Verlaufs gegebener Erſcheinungen vor den Eingriffen einer
unregelmäßigen Erſcheinung bewahrt hat, iſt nicht minder als
die Urſache anzuſehen, daß es bei der regelmäßigen Ent-
wicklung ſein Bewenden behielt. Handelt es ſich endlich um
ruhende Kräfte, etwa um die in der Schachtel aufbewahrten
Streichhölzer, ſo iſt derjenige, welcher ſie entzündet, Urſache
der Erſcheinung des Brennens, obgleich ſich hier wohl nicht
gerade ſagen läßt, er habe den regelmäßigen Verlauf von
Erſcheinungen abgeändert. — Es müßte auch nach der
Definition v. B. zur Feſtſtellung der Urſachlichkeit der Beweis
erbracht werden, daß ohne das Eingreifen der menſchlichen
Thätigkeit in bereits vorhandene Erſcheinungen der Verlauf
derſelben wirklich ein regelmäßiger geblieben ſein würde.
Nicht darum iſt aber Jemand Urſache der neuen Erſcheinung,
weil er es verſchuldet hätte, daß nicht der regelmäßige Verlauf
der früheren Erſcheinungen eingetreten iſt. Es iſt vielmehr
durchaus gleichgültig, welchen Verlauf die früheren Er-
ſcheinungen ohne die hinzugetretene menſchliche Thätigkeit
genommen haben würden — einen regelmäßigen oder unregel-
mäßigen.
Die Berufung v. B. endlich auf die römiſchen Quellen
(S. 119 flg.) trägt zur Rechtfertigung ſeiner Theorie nichts bei.
— Für den Satz, daß der aus einer der Regel des Lebens
entſprechenden Handlung hervorgegang ene Erfolg nicht ver-
antwortet zu werden brauche, wird auf den bonus pater
familias hingewieſen. Aber dieſer abſtracte Muſtermann darf
für das Strafrecht keine Berechtigung beanſpruchen, weil es
das Strafrecht lediglich mit dem Jndividuum zu thun hat.
Darum mag zwar das Civilrecht Jeden ohne Ausnahme
nach der diligentia eines b. p. f. beurtheilen, das Strafrecht
aber kann bei ſeiner Beurtheilung nicht außer Berückſichtigung
laſſen, ob nicht etwa gerade das in Rede ſtehende Jndividuum
eine größere oder geringere Jntelligenz beſitzt, als diejenige
eines Durchſchnittsmenſchen. Für dieſe Beurtheilung kann
der Schwerpunkt nicht in der Handlung gefunden werden,
wie dies von v. B. geſchieht, ſondern nur in der Wirkſamkeit
der Handlung — dem Erfolge — und dem Verhältniß des
Subjects zum Erfolge — alſo gerade in deſſen Voraus-
ſehbarkeit für das Subject. — Die Anſicht, daß zwiſchen
einer der Regel des Lebens entſprechenden Handlung und
dem durch ſie herbeigeführten Erfolge ein Cauſalzuſammenhang
nicht beſtehe, ſoll zwar eine directe Beſtätigung in den Quellen
nicht finden. Aber es trete doch wenigſtens in der Ent-
ſcheidung Ulpians l. 11 pr. D. ad legem Aquil., daß, wenn
Jemand ſich an einem belebten Orte raſiren laſſe, und nun
der von einem Dritten geſtoßene Barbier ihn beſchädige,
„ipsum de se queri debere“, das Princip hervor, daß die
Regelwidrigkeit des Sichraſirenlaſſens an einem ſolchen Orte
den Cauſalzuſammenhang zwiſchen dem unabſichtlichen Stoße
und der verurſachten Beſchädigung aufhebe. Jn Wirklichkeit
aber ſpricht dieſe Entſcheidung nicht entfernt für eine ſolche
Aufhebung des Cauſalzuſammenhangs und verneint vielmehr
lediglich nur den Anſpruch des Verletzten auf Schadenserſatz.
— Jn den Quellenſtellen, mit welchen v. B. zu beweiſen
ſucht, daß das Vorherſehen des Schadens einer der Regel
des Lebens entſprechenden Handlung noch keine Verantwort-
lichkeit begründe, mangelt es — wenn etwa der Aedil bei der
Freihaltung der Paſſage fremdes Eigenthum demolirt — an
einer injuria. — Daß endlich die culpa des Beſchädigten
ſelbſt — als eine regelwidrige Zwiſchenurſache — den
Cauſalzuſammenhang unterbreche (ſ. u. IV.), ergibt ſich weder
aus l. 205 D. de r. j.: quod quis ex sua culpa damnum
sentit non intelligitur damnum sentire, noch aus den
übrigen hierfür citirten Geſetzesſtellen. Es iſt hierin von
Cauſalzuſammenhang überhaupt keine Rede.
II. Verantwortlichkeit für die Canſalität.
Vorſätzliches Handeln.
Die eigne Anſicht geht, wie ſchon angedeutet (ſ. bereits
m. Abh. Goltd. A. 1866) dahin, daß die Frage nach dem
Cauſalzuſammenhang ſcharf zu trennen iſt von der Frage
nach den Bedingungen der Verantwortlichkeit für denſelben;
und daß, wie der Cauſalzuſammenhang lediglich bedingt iſt
durch das Jneinandergreifen von Thatſachen, ſo in Betreff
der Verantwortlichkeit für denſelben lediglich die Willens-
beſchaffenheit entſcheidet. — Man kann nun durch die Er-
wägung, daß die mitwirkende Urſache den ganzen Erfolg
verurſacht, zu der Annahme verleitet werden, daß es, um
für den Erfolg haftbar zu werden, hinreiche, wenn nur der
Erfolg und die eigene mitwirkſam geweſene, zur Herbeiführung
deſſelben unternommene, Handlung gewollt geweſen ſei, ein
Gewollthaben der übrigen mitwirkſam geweſenen Urſachen
aber hierzu nicht erforderlich erſcheine (Goltd. A. l. c.). Jn
der That iſt auch in Anſchung der Cauſalität ein beſonderes
Wollen der übrigen mitwirkenden Urſachen ganz einflußlos,
man mag die volle Cauſalität jeder Einzelnkraft — die
Einheit und Untheilbarkeit des Erfolgs — anerkennen, oder,
an der Theilbarkeit des Erfolgs feſthaltend, jeder Einzelnkraft
nur einen entſprechenden Theil des Erfolgs zumeſſen. Denn
im erſteren Falle liegt das Moment der Verurſachung bereits
voll und ganz in der eigenen mitwirkenden Thätigkeit, und
im letzteren Fall kann ſelbſtverſtändlich ein bloßes Wollen
der übrigen mitwirkenden Kräfte nicht den Zuwachs der
übrigen, durch die eigene Thätigkeit nicht bereits verurſachten,
Theile des Erfolgs herbeiführen. Dieſe übrigen Theile des
Erfolgs können hier vielmehr nur bei ſtattgefundener An-
ſtiftung (ſ. u. IX) auf die eigene Rechnung geſetzt werden,
während man, wenn der Naturcauſalismus zu der eigenen
Thätigkeit hinzutritt, in der Beurtheilung rathlos iſt. — Aber
in ſubjectiver Beziehung kann das Gewollthaben lediglich der
eigenen mitwirkſam geweſenen Handlung und des eingetretenen
Erfolgs nicht zur Zurechnung dieſes Erfolgs für genügend
erachtet werden.
Es verleiht erſt, wie oben ſchon erwähnt, die eigene
Wirkſamkeit allen übrigen, ihr vorausgegangenen oder nach-
folgenden, fremden — regelmäßigen wie unregelmäßigen —
Kräften, welche im Verein mit ihr den Erfolg herbeiführen,
die Cauſalität. Darum umfaßt die eigene Wirkſamkeit nicht
blos dasjenige, was unmittelbar durch die Handlung hervor-
gebracht worden iſt, ſondern ſie umfaßt zugleich auch die Wirk-
ſamkeit der übrigen fremden Kräfte als eigene und erſtreckt
ſich ſomit über das ganze Gebiet der Verurſachung von der
Handlung an bis zum Eintritt des Erfolgs. Aber es kann
zu einer ſtrafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht genügen, daß
der Erfolg nur objectiv durch die eigene Wirtſamkeit verurſacht
worden ſei. Es muß vielmehr dieſe bis zum Erfolg reichende,
über die fremden Kräfte ſich erſtreckende, eigene Wirkſamkeit
zugleich auch in ihrem vollen Umfange von dem eigenen
verbrecheriſchen Willen durchdrungen ſein, gerade ſo wie dies
auch der Fall iſt bei der unmittelbar zur Herbeiführung des
Erfolgs unternommenen Wirkſamkeit. Es muß alſo, wenn
der Erfolg zur Schuld ſoll zugerechnet werden können, nicht
allein ein Cauſalzuſammenhang ſondern auch ein Willens-
zuſammenhang zwiſchen der eigenen Handlung und dem ein-
getretenen Erfolge beſtehen. Hat ſich ein Theil der bis
zum Erfolge reichenden eigenen Wirkſamkeit ohne den Willen
(nicht blos gegen den Willen, Goltd. Archiv l. c.) des
Handelnden entwickelt, ſo tritt eine Unterbrechung — nicht
des Cauſalzuſammenhangs, der vielmehr ruhig beſtehen
bleibt — ſondern nur des Willenszuſammenhangs ein. Das
von dem Willen des Handelnden nicht erfüllte Stück des
Cauſalzuſammenhangs muß, wenn es ſich um deſſen verant-
wortliche Zurechnung handelt, ausgeſchieden werden, und es
fällt darum, da die Exiſtenz des Cauſalzuſammenhangs, und
ſomit des Erfolgs, von jedem einzelnen Theile deſſelben
bedingt iſt, dem Handelnden nicht Vollendung ſondern nur
Verſuch zur Laſt.
Einen Erfolg wollen kann man nur, wenn man ſich
bewußt iſt, daß man denſelben auch mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit durch ſeine Thätigkeit erreichen werde. Hatte
man dieſes Bewußtſein bei Vornahme ſeiner Handlung nicht,
ſo war auch der Erfolg, auf welchen man ſein Augenmerk
gerichtet hatte, nicht gewollt ſondern nur gewünſcht. Es kann
darum ein ſolcher Erfolg nicht zugerechnet werden, wenn er
auch durch Hinzutritt eines Zufalls objectiv durch die eigene
Thätigkeit verurſacht worden ſein ſollte. Das würde der
Fall ſein, wenn Jemand einen Andern veranlaßt hat, mit
der Eiſenbahn zu fahren, in der Hoffnung, daß derſelbe mit
dem Zuge verunglücken werde.
Das Bewußtſein, den gewollten Erfolg mit einiger
Wahrſcheinlichkeit durch ſeine Handlung herbeiführen zu
können — das Bewußtſein von der Tauglichkeit der
Handlung — erhält man aber nur dann, wenn man ſich
eine Vorſtellung darüber gemacht hat, in welcher Weiſe denn
der Verlauf der eigenen Handlung, ihre Verbindung mit
anderen mitwirkenden Kräften, ſich demnächſt geſtalten werde.
Es muß ſich mithin der demnächſtige Cauſalverlauf als
einigermaßen wahrſcheinlich vorher in dem Bewußtſein des
Handelnden reflectirt haben. Tritt dann der Cauſalzuſammen-
hang und ſomit der Erfolg entſprechend der Vorſtellung,
welche ſich der Handelnde von demſelben gemacht hatte, ein,
ſo hat weder nach der Willens- noch nach der Thatſeite eine
Unterbrechung ſtattgefunden, und es iſt darum Haftbarkeit
für den vollendeten Erfolg begründet.
Zugleich weiß aber auch derjenige, welcher eine Handlung
mit dem Bewußtſein ihrer wahrſcheinlichen Urſachlichkeit
vornimmt, daß der Cauſalzuſammenhang ſich möglicher Weiſe
auch anders zu dieſem Ziele geſtalten könne, als er ſich den-
ſelben vorſtellt, und daß, wenn er nur die vorliegenden
Verhältniſſe in ihrem ganzen Umfange prüfen wolle, er ſich
dieſen anderweiten Cauſalverlauf als mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit bevorſtehend möglicher Weiſe zum ſofortigen
Bewußtſein bringen könne. Wird mit dieſem — immanenten
— Bewußtſein eine ſolche nähere Prüfung unterlaſſen, und
kommt dann der gewollte Erfolg durch die eigene Thätigkeit
in Verbindung mit fremden, nicht beſonders vorhergeſehenen,
aber dem Handelnden vorausſehbar geweſenen, Kräften
zur Exiſtenz, ſo hat der Handelnde durch ſeine Thätigkeit
den Erfolg nicht allein objectiv in ſeinem ganzen Umfang
herbeigeführt, ſondern es fällt ihm auch zugleich in Anſehung
des Theils ſeiner von der Handlung bis zum Erfolge ſich
erſtreckenden Wirkſamkeit, — welcher — nicht zum Voraus
ausdrücklich von ſeinem Willen umfaßt war, eine Ver-
ſchuldung des Willens — jedenfalls eine culpa zur Laſt.
Darum hätte er wenigſtens in Concurrenz mit Verſuch der
Vollendung für culpoſe Vollendung einzuſtehen.
Man wird aber wohl behaupten können, daß Dasjenige,
was man ſofort wiſſen kann, wenn man will, bereits im
Bereiche des Wiſſens liegt, wenn auch gegenwärtig nicht
beſonders daran gedacht wird. Wenn ich, morgen mit der
Eiſenbahn auf längere Zeit zu verreiſen, beabſichtige, ſo
weiß ich jetzt ſchon — und will — daß ich mir zu dieſem
Behufe ein Billet kaufen und mich mit Wäſche und Kleidungs-
ſtücken verſehen muß, ſollte ich mir auch gegenwärtig noch
keine beſondere Vorſtellung hiervon machen. Ob man nicht
Kenntniß von einer Sache, die man überhaupt wiſſen kann,
beſitze, läßt ſich erſt behaupten, wenn man über die Sache
nachgedacht hat. Jſt dies noch nicht in ausreichendem Maße
geſchehen, ſo hat derjenige, welcher ſich einen Verlauf der
Cauſalität zu dem gewollten Erfolge als mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit bevorſtehend vorgeſtellt hat, nicht allein das
Bewußtſein der Möglichkeit eines anderweiten Cauſalverlaufs,
ſondern er iſt ſich zugleich auch bewußt, daß er von dieſem
anderweiten Cauſalverlauf möglicher Weiſe bereits Kenntniß
beſitze, die er ſich ſofort, wenn er nur wolle, zum ausdrück-
lichen Bewußtſein bringen konne. Unterläßt dies nun der
Handelnde, weil er kein beſonderes Jntereſſe daran hat, ſo
liegt hierin der Wille ausgeſprochen, daß ſich der Cauſal-
zuſammenhang eventuell dieſer Kenntniß gemäß zu dem beab-
ſichtigten Erfolge vollziehen möge, und er haftet darum für
dieſen anderweiten Cauſalverlauf als ſeinem Wiſſen und Willen
entſprechend. Wer ſeinen Gegner tief im Walde an einen
Baum feſtbindet, damit er in ſeiner hülfloſen Lage verhungern
ſolle, der haftet auch dann für vollendete Tödtung, wenn der
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Verlaſſene aus Mangel an Waſſer geſtorben iſt. Denn, wenn
er auch bei Vornahme ſeiner Handlung nicht beſonders an
dieſe Entwicklung des Cauſalzuſammenhangs dachte, ſo war
es ihm doch damals ſchon bekannt, daß auch eine ſolche Ent-
wicklung mit einiger Wahrſcheinlichkeit zu erwarten ſtehe, und
er auch hiermit einverſtanden ſei.
Tritt aber in die Kette des Cauſalzuſammenhangs ein
Ereigniß ein, welches der Handelnde auch bei einer näheren
Prüfung der Verhältniſſe nicht als mit einiger Wahrſchein-
lichkeit bevorſtehend vorausgeſehen haben würde, ſo kann nicht
behauptet werden, daß ſich der anderweite Cauſalverlauf mit
dem Wiſſen und Willen des Handelnden vollzogen habe.
Denn, wenn man auch ſagen kann, man wolle eventuell auch
die etwa weiter noch in der eigenen Handlung gelegenen,
noch nicht zum ausdrücklichen Bewußtſein gebrachten, Keime
zur Entwicklung des Erfolgs, ſo hat doch dieſes Wollen
ſeine natürlichen Grenzen in dem Bewußtſein, man könne
das nicht wollen, was man nicht mit einiger Wahrſchein-
lichkeit als bevorſtehend vorauszuſehen vermöge. Es muß
darum der Handelnde ſeinen Willen auf diejenige ander-
weite Entwicklung des Cauſalverlaufs beſchränken, welche er,
wenn er gewollt hätte, vorausgeſehen haben würde. War
Jemand in dem Augenblicke, als er im Begriffe ſtand, ein
Schiff zur Auswanderung nach Amerika zu beſteigen, an.
necandi verletzt worden, ſo daß er ſein Vorhaben aufgeben
mußte, und wird er dann nach ſeiner Wiederherſtellung in
Europa durch einen vom Dache heruntergefallenen Ziegel
erſchlagen, ſo liegt Haftbarkeit für vollendete Tödtung nicht
vor. Nicht darum, weil hier der Cauſalzuſammenhang eine
Unterbrechung erlitten hätte, ſondern weil der Willens-
zuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg unterbrochen
worden iſt. Denn hätte ſogar der Handelnde an einen
ſolchen eventuellen Ausgang ſeiner Handlung gedacht, ſo hätte
er doch dieſe Entwicklung des Cauſalzuſammenhangs wegen
ihrer Unwahrſcheinlichkeit nicht als mit einiger Wahrſcheinlich-
keit bevorſtehend wollen können. Der Tod ſeines Gegners
iſt zwar allerdings, wie er dies beabſichtigt hatte, durch ſeine
Handlung objectiv verurſacht worden, aber es iſt kein Wille
vorhanden, welcher ſich von der Vornahme der Handlung an
bis zum Eintritt des Erfolgs erſtreckt; es iſt vielmehr durch
den Eintritt des nicht vorausſehbar geweſenen Ereigniſſes
eine nicht zu beſeitigende Lücke in dem Willenszuſammenhang
entſtanden. Der in concreto eingetretene Erfolg war ſonach
nicht gewollt und konnte nicht gewollt geweſen ſein; es iſt
nur ein Erfolg von der nämlichen geſetzlichen Beſchaffenheit
eingetreten, wie er gewollt war, aber nicht der wirklich gewollte
Erfolg. Darum liegt auch nur Verſuch des beabſichtigt
geweſenen Erfolgs zur Beſtrafung vor.
Sollte es vorkommen, daß Jemand aus beſonderen
Gründen ein fremde Kraft, weil er dieſelbe vielleicht irrthümlich
für entgegenwirkend erachtet, für den Erfolg nicht verwenden
will, und vielleicht ſogar beſondere Veranſtaltungen gegen
den Hinzutritt dieſer Kraft zu der eigenen Wirkſamkeit
trifft, ſo würde, wenn dennoch ein ſolcher Hinzutritt ſtatt-
findet, Haftbarkeit für doloſe Vollendung nicht vorliegen, weil
auch hier ein Willenszuſammenhang zwiſchen der Handlung
und dem Erfolge nicht begründet wäre. Es würde hier neben
Verſuch höchſtens nur eine Fahrläſſigkeit (ſ. u.) entſtehen.
Das Nämliche kann aber auch eintreten, wenn es ſich um
eine fremde Kraft handelt, an deren wahrſcheinlichen Hin-
zutritt zu der eigenen Thätigkeit zur Zeit der Vornahme
dieſer Thätigkeit nicht beſonders gedacht wurde, obwohl die
Wahrſcheinlichkeit damals von dem Wiſſen des Handelnden
umfaßt war. Lagen hier in gleicher Weiſe Gründe in dem
2*
Wiſſen des Handelnden, welche, wenn die Wahrſcheinlichkeit
des Eintritts der Kraft ſelbſt zu gegenwärtigem Bewußtſein
gekommen wäre, den Handelnden zum Ausſchluß dieſer Kraft
von ſeinem Willen beſtimmt haben würden, ſo wäre doch die
hinzugetretene Kraft ſelbſt nicht gewollt geweſen. Ein
Willenszuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg liegt
darum in ſolchem Falle nicht vor.
Uebrigens brauchen die fremden mitwirkſam geweſenen
Kräfte nicht ihrem Urſprunge, ihrer näheren Beſchaffenheit
nach, von dem Willen umfaßt geweſen zu ſein, denn auf die
Form dieſer Krafte kommt es nicht an, ſondern nur auf
deren Wirkſamkeit. Weiß daher Jemand aus ſeiner Er-
fahrung, daß ſich aus einer beſtimmten Thätigkeit durch
den Hinzutritt einer fremden Kraft ein beſtimmter Erfolg
ergibt, ſo kann er dieſen Erfolg wollen, ſollte ihm auch die
fremde Kraft ſelbſt, die Art und Weiſe der Entwicklung des
Cauſalzuſammenhangs, ganz unbekannt ſein. Wird dann
durch ſeine Thätigkeit in Verbindung mit der fremden hinzu-
getretenen Wirkſamkeit der Erfolg herbeigeführt, ſo haftet er
für denſelben, inſofern der Cauſalverlauf ein erfahrungs-
mäßiger geblieben iſt — der Cauſalverlauf ſich in concreto
ſo geſtaltet hat, daß der Handelnde darauf rechnen könnte,
er werde ſich bei etwaiger nochmaliger Vornahme ſeiner
Thätigkeit in gleicher Weiſe wiederholen. — Damit iſt jedoch
nicht geſagt, daß, wie v. B. behauptet, der Handelnde ſtets
für die regelmäßige Entwicklung ſeiner Thätigkeit einſtehen
müſſe. Es erſcheint zwar ohne beſondere Anhaltspunkte nicht
glaubhaft, daß Jemand Das nicht gewußt haben ſollte, was
Alle wiſſen; und es wird darum im Allgemeinen auf die
Verſicherung, man habe die ſtattgefundene regelmäßige —
einigermaßen wahrſcheinliche — Entwicklung des Cauſal-
zuſammenhangs nicht vorausgeſehen oder vorausſehen können,
ein beſonderes Gewicht nicht zu legen ſein. Ergibt ſich
aber, daß wirklich der Handelnde keine Vorſtellung davon
hatte, welcher denn der regelmäßige Verlauf ſeiner Thatigkeit
ſein, lehrt denſelben auch nicht wenigſtens ſeine Erfahrung,
daß aus ſeiner Thätigkeit der Erfolg hervorgehen werde, hatte
er mit Beſtimmtheit eine regelmäßig — aber nicht nothwendig
— hinzutretende fremde Kraft von ſeinen Willen ausgeſchloſſen,
oder hatte er irrthümlich den regelmäßigen Verlauf ſeiner
Thätigkeit für ſo unregelmäßig gehalten, daß er ihn gar
nicht wollen könne, ſo war auch der, nach allgemeiner An
ſchauung in regelmäßiger Weiſe entſtandene, Erfolg von ihm
nicht gewollt und braucht darum auch von ihm nicht verant
wortet zu werden. — Mit der Behauptung, daß der regel-
mäßige Verlauf der eigenen Thätigkeit zu dem beabſichtigten
Erfolge unbedingt verantwortet werden müſſe, legt man das
Criterium, ob der Erfolg zu verantworten ſei oder nicht, in
die Objectivität und erklärt den Willen als hierfür gleich-
gültig. Damit ſagt man aber, daß man, um für den Erfolg
haftbar zu werden, nur ihn und die eigene Thätigkeit gewollt
zu haben brauche; woraus ſich weiter ergeben würde, daſ
Haftbarkeit auch dann vorliegt, wenn der Erfolg unter Mit-
wirkung der unberechenbarſten Ereigniſſe eingetreten iſt.
Denn es verurſacht, wie oben ausgeführt, ſchon die eigene
Thätigkeit objectiv allein für ſich den ganzen Erfolg, und es
erſcheint darum für den Handelnden gleichgültig, ob der
Cauſalzuſammenhang durch den Anſchluß regelmaßiger oder
unregelmäßiger Ereigniſſe zur Exiſtenz gekommen iſt.
Es würde zugleich in der Behauptung, daß man auch
ohne darauf gerichteten Willen für den objectiv regelmäßigen
Verlauf ſeiner Thätigkeit einzuſtehen habe, die Behauptung des
Gegentheils gelegen ſein, daß man nämlich den unregelmäßigen
Verlauf ſeiner Thätigkeit nicht zu verantworten brauche, ſelbſt
wenn der Wille auf eine ſolche Unregelmäßigkeit gerichtet
geweſen ſei. — Freilich je unregelmäßiger für die allgemeine
Anſchauung der Eintritt des Erfolgs iſt, je weniger Gründe
für die Erreichbarkeit deſſelben ſprechen, deſto weniger wird
angenommen werden können, daß der Wille des Handelnden
auf Herbeiführung deſſelben gerichtet geweſen ſei. Und wenn
der Eintritt des Erfolgs ſo unwahrſcheinlich iſt, daß man
denſelben nach allgemeiner Ueberzeugung gar nicht wollen
kann, ſo kann durchgängig auch nicht angenommen werden,
daß ihn der Handelnde gewollt gehabt habe. Sollte ſelbſt
ein Geſtändniß des Handelnden vorliegen, ſo kann hierauf
kein Gewicht gelegt werden, weil das bloße Geſtändniß als
reiner Ausfluß der Subjectivität nicht im Stande iſt, dem
Willen die ihm fehlende, zu ſeinem Erkennen erforderliche,
äußere Geſtalt zu verleihen (m. Abh. über Verſuch Gerichts-
ſaal 1867 H. 1, S. 62). An und für ſich aber kann man
auch das Unwahrſcheinliche, ja das anſcheinend Unmögliche,
erreichen wollen, inſofern man es irrthümlicher Weiſe für
erreichbar gehalten hatte. Es liegt dann ein wirklicher
Willenszuſammenhang zwiſchen der Handlung und dem etwa
dennoch unter Mitwirkung der eigenen Thätigkeit einge-
tretenen Erfolge vor, welcher Haftbarkeit für dieſen Erfolg
nach ſich ziehen muß — vorausgeſetzt nur, daß der dem
Handelnden unterlaufene Jrrthum äußerlich erkennbar iſt.
Unter dieſer Vorausſetzung muß der Handelnde für den
Erfolg haften, wenn er aus total verfehlten Gründen auf
den Hinzutritt einer Naturkraft zu ſeiner Thätigkeit gerechnet
hatte, auf welche nach allgemeinem menſchlichem Ermeſſen ſo
wenig zu rechnen war, daß der ſpätere wirkliche Eintritt
derſelben nur als eine Zufälligkeit aufgefaßt werden kann. —
Hierher dürfte auch das v. B. S. 5 Anmerk. ohne Angabe
von Gründen perhorrescirte Beiſpiel vom Todtbeten zu
rechnen ſein. Freilich zur Verhängung wirklicher Strafe
wird es hier kaum jemals kommen können — aber nur
darum, weil es hier wohl ſtets an dem Nachweiſe des
Willens- und Cauſalzuſammenhangs fehlen wird. Nimmt
man jedoch den Cauſalzuſammenhang und weiter als erwieſen
an, der Handelnde ſei aus beſonderen Gründen überzeugt
geweſen, die Perſon, auf die er es abgeſehen habe, glaube
an die Wirkſamkeit des Mittels und könne darum möglicher
Weiſe in Folge des in ihr erregten Schreckens ſterben, ſo
wird, im Falle des in dieſer Weiſe wirklich eingetretenen
Erfolgs, die Haftbarkeit nicht bezweifelt werden dürfen.
Denn es bedarf hierzu nichts mehr als Urſachlichkeit und
Willenszuſammenhang, was beides alsdann gegeben ſein
würde. Unterſtellt man etwa, es habe in einem abergläubiſchen
Diſtrict ſchon mehrmals ein ſolches Todtbeten, verbunden
vielleicht mit einem jedesmaligen Durchbohren des Herzens
einer Wachspuppe, oder mit anderen derartigen Hantierungen,
ſtattgefunden, und es ſei jedesmal die Perſon, auf welche
es abgeſehen war, wirklich in auffallender Weiſe geſtorben,
ſo braucht hier gar nicht einmal der Schrecken als der Ver-
mittler zwiſchen der Handlung und dem Erfolge beſonders
in Ausſicht genommen geweſen zu ſein, weil ſich der
Handelnde auf ſeine, wenn auch nicht zutreffende, Erfahrung
berufen kann.
Geht man davon aus, daß der Handelnde ſchon dann
für Vollendung haftbar werde, wenn er nur ſeine mitwirkſam
geweſene Handlung und den Erfolg gewollt gehabt habe, ſo
iſt er auch ſchon dann verantwortlich, wenn er die von ihm
beabſichtigte Thätigkeit auch nur zum Theil ausgeführt hatte,
hieran aber ſich eine, ſei es auch ſelbſt ganz unerwartete,
fremde Wirkſamkeit anſchloß und im Vereine mit dem bereits
Geſchehenen den beabſichtigten Erfolg herbeiführte. Das würde
der Fall ſein, wenn der Reiſende in eine Höhle geſchleppt
worden war, um in derſelben ermordet zu werden, er aber,
noch ehe dies ausgeführt werden konnte, durch einen herunter-
fallenden Stein erſchlagen wurde. Zu einem anderen Re-
ſultate gelangt man jedoch hier, wenn man annimmt, daß
ein Willenszuſammenhaug zwiſchen Handlung und Erfolg
beſtehen müſſe. Erhebt Jemand die Piſtole, um ſie ſodann
auf ſeinen Gegner abzudrücken, die Piſtole geht jedoch ſchon
bei der Erhebung des Arms von ſelbſt los, ſo entſpricht,
unerachtet der objectiven Regelmäßigkeit des Cauſalverlaufs,
die Bewegung des Arms dem Willen nur zum Theile ihrer
Wirkſamkeit, während ſie im Uebrigen von dem Willen nicht
umfaßt war und darum Haftbarkeit für Vollendung nicht
begründen konnte. Wußte der Handelnde aber, daß man
ſich bei der ſchlechten Beſchaffenheit der Piſtole eines frei-
willigen Losgehens derſelben verſchen könne, ſo wird er für
Vollendung einſtehen müſſen. Wollte Jemand mit zwei
Schlägen auf den Kopf den Gegner tödten, oder die Ver-
giftung mit zwei Doſen bewerkſtelligen, er erreicht aber ſeinen
Zweck ſchon mit dem erſten Schlage, der erſten Doſis, ſo
wird er die Verantwortlichkeit für Vollendung nicht von ſich
ablehnen können, weil, wenn er auch momentan nicht daran
dachte, er doch wußte, daß bei der verſchiedenen Körper-
beſchaffenheit der Menſchen, der Unberechenbarkeit der
Wirkungen des Gifts, er möglicher Weiſe ſchon mit ſeiner
erſten Handlung zur Vollendung kommen könne. Die Er-
wägung aber, daß der Handelnde, wenn er noch eine weitere
Handlung vor der Vollendung auszuführen gedachte, bis
dahin einen feſten Willen noch nicht gehabt habel, kann
darum hier für die Entſcheidung nicht releviren, weil ſie
nicht überall zutreffen wird, und im Falle ſie zutreffen ſollte,
nicht einmal eine Strafe für Verſuch am Platze wäre. Noch
weniger wird die Haftbarkeit für Vollendung beſeitigt, wenn
nach bereits abgebrochener menſchlicher Thätigkeit der Erfolg
ſpäter, als er erwartet wurde, zum Eintritt gelangt, inſofern
nur nicht dieſe Verzögerung durch eine von dem Willen
überhaupt nicht umfaßte Wirkſamkeit, die in den Cauſalverlauf
eingriff, verurſacht wurde.
Es würde auch, wenn zur Haftbarkeit für den Erfolg
nur das Gewollthaben der eigenen Handlung und des Erfolgs
erforderlich wäre, der freiwillige Rücktritt von dem Verſuche
durchaus einflußlos ſein, im Falle ſpäter eine fremde, von
dem Willen nicht umfaßt geweſene, Kraft durch ihren Hin-
zutritt zu dem bereits Geſchehenen den Erfolg herbeigeführt
hätte. Wenn daher der Handelnde, um den von ihm ver-
urſachten Brand zu löſchen, aus Verwechslung Petroleum
ſtatt Waſſer in das Feuer gießt, oder durch ungeſchickte
Rettungsverſuche gerade erſt den Tod des von ihm Verletzten
herbeiführt, ſo müßte er für Vollendung haften. Geht man
aber von der Nothwendigkeit eines Willenszuſammenhangs
zwiſchen Handlung und Erfolg aus, ſo brauchen ſelbſt-
verſtändlich nach dem Rücktritt von dem verbrecheriſchen
Vorhaben eingetretene, von Anfang an nicht vorausſehbar
geweſene, Ereigniſſe, durch welche gegen Erwarten der Erfolg
herbeigeführt wurde, nicht verantwortet zu werden. Ent-
wickelt ſich jedoch der Erfolg in der Weiſe, wie ſie von
Anfang an in dem Bewußtſein gelegen hatte, ſo muß für
Vollendung gehaftet werden, ſollte ſelbſt der Handelnde, als
er ſeinen Verſuch aufgab, der feſten Ueberzeugung geweſen
ſein, daß jetzt, etwa in Folge der von ihm getroffenen
Gegenmaßregeln, die Möglichkeit der Vollendung beſeitigt ſei.
Denn die Wirkſamkeit, deren er ſich bereits in vollſtändigem
Willenszuſammenhang mit dem Erfolge zur Herbeiführung
deſſelben entäußert hatte, und die eben darum als ſpätere in
der urſprünglich vorausgeſehenen Weiſe mitwirkende Urſache
Haftbarkeit für den ganzen Erfolg nach ſich ziehen muß,
konnte durch bloße in der Mitte liegende, jetzt auf unrichtiger
Anſchauung der Verhältniſſe beruhende, Willensänderung
nicht wieder beſeitigt werden. Etwa mit der Willensänderung
verbundene Gegenmaßregeln aber erſcheinen lediglich als ein
mißlungener Verſuch, das bereits mit vollem Willen Geſchehene
ſeiner möglichen demnächſtigen Wirkſamkeit zu entkleiden, der
höchſtens zu einer Minderung der Strafe für Vollendung
führen kann.
Es würde endlich unter dieſer Vorausſetzung auf die
Beſchaffenheit der bereits vor der Entäußerung der eigenen
Wirkſamkeit vorhandenen Kräfte, zu welchen jene hinzutritt,
nichts ankommen. Es würde alſo Haftbarkeit für Vollendung
etwa auch dann begründet ſein, wenn, bevor der Eintritt des
Erfolgs auch nur entfernt von dem Handelnden erwartet
werden konnte, ein Bauwerk ſchon bei dem erſten Spatenſtich
umſtürzt. Objectiv regelmäßig war zwar dieſer Einſturz,
denn unter den vorliegenden Verhältniſſen — bei den heim-
lichen Mängeln des Bauwerks — mußte daſſelbe ſchon durch
die gegen es geäußerte geringfügige Gewalt zum Einſturz
gebracht werden. Aber dieſe ſchlechte Beſchaffenheit des
Bauwerks hatte ſich in keiner Weiſe in dem Wiſſen und
Willen des Handelnden reflectirt, und ſie braucht darum
auch von demſelben als mitwirkende Urſache nicht reſpectirt
zu werden. Hat jedoch der Handelnde den ſchlecht aus Erde
errichteten, von den Fluthen hart bedrängten Damm früher,
als er ſich dies vorgeſtellt hatte, durchbrochen, ſo wird er für
Vollendung haften, weil, wenn er auch an die Möglichkeit
einer bereits vorhandenen Beſchädigung nicht beſonders dachte,
er doch hierauf gefaßt ſein mußte. Ebenſo, im Falle ſich der
Anzuſtiftende früher entſchloß, als er dies annahm. —
Uebrigens genügt es auch hier zur Haftbarkeit für Vollendung,
wenn ſich der Handelnde nur den Effect der vorausgegangenen
mitwirkſam geweſenen Kräfte zum Bewußtſein gebracht hatte.
Hat er durch die offene Thüre das Haus betreten, ſo braucht
er nicht zu wiſſen, daß ſie abſichtlich von dem untreuen
Diener für ihn offen gelaſſen worden war. Auch nicht, daß
ein Anderer die Waffen ſeines wehrloſen Opfers vorher
beſeitigt hatte.
Jahrläſſigkeit.
Die Beſchaffenheit des Cauſalzuſammenhangs iſt ganz
die nämliche, es mag demſelben ein doloſer oder ein fahr-
läſſiger Wille zu Grunde liegen. Namentlich macht auch die
fahrläſſige Wirkſamkeit erſt alle übrigen mitwirkenden Kräfte
cauſal, und es erſtreckt ſich mithin auch bei ihr die eigene
Wirkſamkeit von der Handlung an bis zum Erfolge. So
wenig daher die ſtrafrechtliche Verantwortlichkeit des dolos
Handelnden von der Beſchaffenheit des Cauſalzuſammenhangs
abhängig gemacht werden kann und vielmehr von der Ver-
ſchuldung ſeines Willens abhängt, ſo wenig kann dies bezüglich
des Fahrläſſigen geſchehen. — Glaubt man annehmen zu
dürfen, daß ſchon das Gewollthaben der Handlung und des
Erfolgs genüge, um denſelben zur doloſen Vollendung zu-
rechnen zu können, inſofern nur der Verlauf des Cauſal-
zuſammenhangs ein regelmäßiger geweſen ſei, ſo würde auch
der Fahrläſſige ſchon dann für den Erfolg verantwortlich
ſein, wenn er nur mit dem Bewußtſein der Möglichkeit des-
ſelben ſeine Handlung gewollt hätte, und der Cauſalverlauf
ein regelmäßiger geblieben wäre. Das ſpätere Eingreifen
eines dem Handelnden nicht vorausſehbar geweſenen, wenn
nur regelmäßigen, Ereigniſſes in den Cauſalzuſammenhang
würde unbeachtlich ſein. Und glaubt man, daß es zur
Zurechnung doloſer Vollendung erforderlich erſcheine, daß
ſich der Handelnde die Zwiſchenurſachen zum ausdrücklichen
Bewußtſein gebracht gehabt haben müſſe, ſo muß man das
gleiche Erforderniß auch bezüglich der Fahrläſſigkeit aufſtellen.
Das geſchieht aber allgemein nicht.
Auch die Willensbeſchaffenheit bei der culpa iſt die
nämliche wie bei dem dolus; nur iſt der Wille des Fahr-
läſſigen nicht auf den ſtrafbaren Erfolg, ſondern auf ein
anderes Ziel gerichtet. Zugleich weiß aber auch er, daß ſich
möglicher Weiſe der Cauſalverlauf anders geſtalten könne,
als er ſich denſelben vorſtellt, daß er namentlich auch zu
einem das Strafrecht intereſſirenden Erfolg hinführen, und
es ihm vielleicht bei näherer Prüfung der Verhältniſſe gelingen
könne, ſich dieſen anderweiten Cauſalverlauf wenigſtens als
einen möglichen zum ausdrücklichen Bewußtſein zu bringen,
demgemäß aber den ſtrafrechtlichen Erfolg zu vermeiden.
Unterläßt er dieſe nähere Prüfung der Verhältniſſe, ſo geſchieht
dies mit dem Willen, ſich die nöthige Aufklärung nicht ver-
ſchaffen zu wollen, und es fällt ihm darum durch dieſes
Wollen des Nichtwollens eine Verſchuldung des Willens zur
Laſt, welche ſich nicht allein auf ſeine Handlung, ſondern auch
auf deren geſammte Wirkſamkeit bis zum Erfolge hin erſtreckt.
Aber nur dann kann der Erfolg einem verſchuldeten Willen
entſprungen ſein, wenn der Handelnde auch wirklich bei
einer näheren Prüfung der Verhältniſſe ſich den geſammten
Cauſalverlauf bis zum Erfolge hin als mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit bevorſtehend klar gemacht haben würde. Muß
angenommen werden, daß auch bei einer näheren Prüfung
der Verhältniſſe dem Handelnden die eine oder die andere der
ſpäter hinzugetretenen Zwiſchenurſachen unbekannt geblieben
ſein würde, ſo wäre der Cauſalverlauf nicht bis zum Erfolge
hin von einem verſchuldeten Willen durchdrungen und könnte
darum auch nicht zugerechnet werden. Die Unterlaſſung
der näheren Prüfung der Verhältniſſe wäre bedeutungslos,
da ſie doch nichts geholfen haben würde.
Das Bewußtſein, daß man durch die Unterlaſſung
der erforderlichen Prüfung der Verhältniſſe einen vermeid-
baren ſtrafrechtlichen Erfolg herbeiführen könne, bildet das
Schuldmoment bei der Fahrläſſigkeit. Es iſt dieſes Bewußt-
ſein mit der Vornahme jeglicher Handlung nothwendig ver-
bunden, ſo lange man nicht das andere Bewußtſein hat, ſich
nach allen ſeinen Kräften überzeugt zu haben, daß ein ſtraf-
rechtlicher Erfolg der Handlung mit einiger Wahrſcheinlichkeit
nicht zu erwarten ſei. Ein Jrrthum in dieſer Richtung wird
kaum vorkommen können, da, ſo lange auch nur noch ein
Zweifel vorliegt, ein ſolches, das Schuldmoment ausſchließende,
Bewußtſein nicht aufkommen kann. Jſt aber einmal der
Handelnde zu dem Bewußtſein der Ungefährlichkeit ſeiner
Handlung gekommen, ſo braucht er dann auch den dennoch
durch dieſe Handlung etwa verurſachten Erfolg als einen
fahrläſſigen nicht zu vertreten, ſollte ſelbſt dieſe Ueberzeugung
auf einem unentſchuldbaren Jrrthum beruhen. Denn ein Wille
kann nicht verſchuldet ſein, wenn ein Bewußtſein dieſes Ver-
ſchuldetſeins in dem Handelnden nicht exiſtirt. Zur Be-
gründung einer Strafbarkeit für Fahrläſſigkeit genügt es
darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältniſſen
eine größere Aufmerkſamkeit auf ſeine Handlung von dem
Handelnden hätte verlangen können, ſondern es iſt hierzu
erforderlich, daß ſich der Handelnde ſelbſt bewußt iſt, er
handle fahrläſſig, habe alſo nicht das Nöthige gethan, um
ſich über die mögliche Cauſalität ſeiner Handlung aufzuklären.
Läßt man ſich an dem Gedanken genügen, die Haftbarkeit für
Fahrläſſigkeit ſei begründet, wenn Jemand die geſetzliche
Vorſchrift, auf ſeine Handlung zu achten, damit ſie nicht
Schaden ſtifte, nicht ausreichend erfüllt habe, ſo beſtraft man
im Grunde genommen lediglich die Cauſalität der Handlung.
Denn der Handelnde fühlt ſich, wenn er, ſei es auch
irrthümlich, zu der feſten Ueberzeugung von der Ungefähr-
lichkeit ſeiner Handlung gelangt iſt, zu einer weiteren Prüfung
der Verhältniſſe nicht mehr aufgefordert. Praktiſch freilich
wird die richterliche Ueberzeugung, es habe Jemand nicht die
ihm mögliche Sorgfalt auf ſeine Handlung verwendet, zugleich
zu dem Schluſſe hindrängen, es habe derſelbe auch nicht die
Ueberzeugung von der Ungefährlichkeit ſeiner Handlung
gehabt.
Jſt aber nach dieſen Ausführungen die Cauſalität die
nämliche, es mag ihr ein doloſer oder ein fahrläſſiger Wille
zu Grunde liegen, und iſt das Schuldmoment in Betreff der
nicht beſonders von dem Willen umfaßt geweſenen Zwiſchen-
urſachen bei dem doloſen ſowohl wie bei dem fahrläſſigen Willen
darin begründet, daß man dieſelben bei gehöriger Aufmerkſam-
keit — wirklich, nicht blos möglicher Weiſe — als mit einiger
Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend vorhergeſehen haben würde,
ſo wird ſich auch behaupten laſſen, daß der doloſe Wille
gerade ſo weit für die Zwiſchenurſachen verhaftet ſei, als
dies der Fall ſein würde, wenn an ſeiner Stelle
ein fahrläſſiger Wille ſtände. Muß für Fahrläſſigkeit
gehaftet werden, wenn das in der Richtung nach einem
Menſchen, etwa um denſelben zu erſchrecken, abgedrückte, wie
bewußt, geladene Gewehr zerſpringt und ein abgeſprengtes
Stück deſſelben tödtet, ſo hat auch derjenige, welcher in
gleicher Weiſe die von ihm gewollte Tödtung verurſachte,
das vollendete Verbrechen zu verantworten, beziehungsweiſe
die Nichtverantwortlichkeit iſt in beiden Fällen die nämliche.
Es ſcheint faſt, als wenn v. B. hiermit übereinſtimme,
indem er einmal S. 63 im Falle der ricochetirenden Kugel
(ſ. oben) bemerkt, es müſſe für doloſe Vollendung gehaftet
werden, wenn nicht das Ricochetiren in einer Weiſe erfolge,
daß ſelbſt die Zurechnung zur culpa ausgeſchloſſen erſcheine,
falls der Schießende überhaupt nicht habe treffen wollen.
III. Verhältniß des Willens zum Erfolge.
Man wird nach dieſen Ausführungen v. B. zuſtimmen
können, wenn er in §. 5 behauptet, ſei der Erfolg als noth-
wendiges oder, was im Leben für gleichbedeutend gehalten
werde, höchſt wahrſcheinliches, unvermeidbares, Ergebniß des
Handelns vorausgeſehen worden, ſo müſſe derſelbe als gewollt
betrachtet werden. Ebenſo iſt es richtig, daß ein für höchſt
unwahrſcheinlich gehaltener Erfolg überhaupt nicht gewollt
werden kann, und daß die Zurechnung eines weder für noth-
wendig (höchſt wahrſcheinlich) noch höchſt unwahrſcheinlich
erachteten Erfolgs davon abhängt, ob derſelbe von dem
Handelnden gewollt war oder nicht, in welch letzterem Falle
dann Haftbarkeit für Fahrläſſigkeit vorliegen würde. — Zu
beſtreiten aber dürfte die Behauptung v. B. ſein, daß der-
jenige, welcher ſich gleichgültig gegenüber einem weder noth-
wendigen noch im höchſten Grade ihm wahrſcheinlichen Er-
gebniß ſeiner Handlung verhalte, höchſtens nur für culpa
einzuſtehen habe, weil die Gleichgültigkeit gegen einen Erfolg
nichts ſei, als die Verneinung eines Strebens nach dem
Erfolge. — Sieht Jemand einen ſtrafrechtlichen Erfolg als
das wahrſcheinliche Ergebniß ſeiner Handlung voraus —
und nur in dieſem Falle kann ja überhaupt von einem doloſen
Wollen die Rede ſein — ſo weiß er ganz von ſelbſt, daß die
von ihm mit dieſem Bewußtſein unternommene Handlung
— mithin er ſelbſt (objectiv) — nach dieſem Erfolge hinſtrebt.
Jſt es ihm gleichgültig, ob der Erfolg eintritt oder nicht, ſo
liegt darum hierin die Erklärung der Uebereinſtimmung ſeines
Willens mit dem eventuellen Eintritt des Erfolgs. Er will
den Erfolg, für den Fall er zur Exiſtenz kommen ſollte.
Es beſtreitet zwar v. B. (S. 36. 37), daß hierin ein dolus
gefunden werden könne, denn auch der Fahrläſſige erkläre
ſich damit einverſtanden, daß, wenn des Geſchick es ſo
füge, ein Unglück aus ſeiner Thätigkeit entſpringen möge.
Mit Unrecht, denn culpa kann nur vorliegen, wenn der
Erfolg beſtimmt von dem Willen abgelehnt geweſen war.
Dann aber iſt auch durch dieſe Ablehnung ein eventuelles
Einverſtändniß, der Gedanke, es möge der Erfolg eintreten,
vollſtändig ausgeſchloſſen. Der Handelnde weiß nur, daß er
einen etwaigen Erfolg, als ſeinem verſchuldeten Willen ent-
ſprungen, verantworten muß. Es würde auch nach dieſer
Anſicht v. B. ſelbſt Derjenige, welcher ſich mit Zuverläſſigkeit
dem Glauben an die Unſchädlichkeit ſeiner Handlung hingeben
konnte, für den dennoch eingetretenen Erfolg verhaftet ſein.
Denn er weiß auch hier, daß immerhin die Möglichkeit des
Eintritts des Erfolgs nicht mit abſoluter Sicherheit aus-
geſchloſſen iſt, und würde darum ſeine Zuſtimmung ertheilt
haben, derſelbe möge eintreten. — Uebrigens iſt wohl über-
haupt für eine Gleichgültigkeit im Strafrecht kein Platz.
Wer einen Erfolg als das mit einiger Wahrſcheinlichkeit
bevorſtehende Ergebniß ſeiner Handlung vorausſieht, iſt ſich
bewußt, daß er im Falle ſeines Eintritts wegen culpa werde
beſtraft werden, oder daß er denn doch, wie der Gärtner
welchem fremde Blumen zur Aufbewahrung anvertraut
worden ſind, die Rechte Dritter verletze. Er fühlt darum
unwillkürlich das Bedürfniß, ſolche Einrichtungen zu treffen,
daß ſeine Handlung nicht zu dem Erfolge hinführe, oder
ſich doch wenigſtens der Hoffnung hinzugeben, daß der Erfolg
werde vermieden werden. Thut er dies, ſo hat er damit
ſeinen Willen zu erkennen gegeben, daß der Erfolg nicht
eintreten ſolle. Thut er es nicht, drängt er dieſes ganz von
ſelbſt hervortretende Nichtwollen gewaltſam zurück, ſo liegt
darin der Beweis, daß er ein das Jntereſſe, nicht beſtraft zu
werden, beziehungsweiſe nicht als Schuldner des Verletzten
zu erſcheinen, überwiegendes anderes Jntereſſe — und ſei es
auch nur die bloße Luſt an dem Verbrechen oder die Trägheit,
ſich zu einem anderen Entſchluſſe aufzuraffen — an dem
Erfolge beſitzt, mithin denſelben beſtimmt gewollt hat. —
Wäre Gleichgültigkeit gegenüber einem nur als wahrſcheinlich
vorausgeſehenen Erfolg geſtattet, ſo müßte das Nämliche auch
gegenüber einem als nothwendig bevorſtehend erkannten
Erfolge ſtatthaft ſein. Denn auch hier iſt die Haftbarkeit
für den Erfolg nicht durch ein beſonderes, auf deſſen Herbei-
führung gerichtetes, Wollen bedingt. Der Grund für die
Haftbarkeit liegt darum hier vielmehr lediglich darin, daß der
Handelnde nicht in der Lage iſt, die Cauſalität ſeiner
Handlung von ſich ablehnen zu können, was, wenn der
Erfolg nur als wahrſcheinlich bevorſtehend erkannt wurde,
allerdings möglich iſt. Aber es muß dann auch beſonders
von dieſer Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. — Auch
Köſtlin, Syſtem S. 183 rechnet die Gleichgültigkeit gegen den
Eintritt eines möglichen Erfolgs zum Dolus.
Eventuelles und alternatives Wollen.
Sieht der Handelnde zwei Erfolge als mit einigem, ſei
es auch verſchiedenem, Grade von Wahrſcheinlichkeit bevor-
3
ſtehend voraus, ſo haftet er — abgeſehen von Fahrläſſigkeit,
die ihm cumulativ bezüglich eines jeden dieſer Erfolge zur
Laſt fallen kann — gerade ſo weit, als ſein Wille reicht.
Er kann beide Erfolge wollen, oder beide nichtwollen, oder
einen beſtimmten Erfolg mit Ausſchluß des andern wollen;
er kann aber auch alternativ den einen oder den andern
Erfolg wollen, dergeſtalt daß nur einer, unbeſtimmt welcher,
eintreten ſolle. Und zwar iſt dieſes letztere Wollen nach
zwei Richtungen möglich, indem der Handelnde entweder zwar
zunächſt die Herbeiführung des einen Erfolgs beabſichtigt,
eventuell aber, für den Fall dieſer Erfolg nicht herbeigeführt
werden ſollte, den Eintritt des anderen haben will; oder
aber es dem Handelnden einerlei iſt, welcher der beiden
Erfolge eintritt, wenn nur wirklich der eine oder der andere
— alternativ im engeren Sinne — zur Exiſtenz kommt.
Dieſes alternative Wollen im engeren Sinne wird nur
dann vorkommen können, wenn die beiden möglichen Erfolge
der Vorſtellung des Handelnden nach von der nämlichen
ſtrafrechtlichen Bedeutung ſind. Jm Falle der ſtrafrechtlichen
Verſchiedenheit der mehreren möglichen Erfolge wird jedoch
ſtets nur von einem eventuell-alternativen Wollen die Rede
ſein können. Denn der Handelnde wird, da ihm ſeine ver-
brecheriſche Handlung nicht Selbſtzweck ſondern nur Mittel
zum Zweck iſt, ſicherlich den geringeren ſtrafrechtlichen Erfolg
vorziehen, wenn er ihm gerade ſo gut zum Ziele verhilft,
wie der ſchwerere. Der entfliehende Wilddieb weiß, daß er
ſich ſchon dann in Sicherheit bringen werde, wenn er nur
den Hund des ihn verfolgenden Förſters erſchieße. Jſt er
zugleich überzeugt, daß der Schuß, ſtatt des Hundes, mit
einiger Wahrſcheinlichkeit den Förſter tödten werde, ſo kann
er ſich, wie oben ausgeführt, dieſem letzteren Erfolge gegenüber
nicht gleichgültig verhalten. Er ſieht ſich vielmehr zu der
Entſchließung genöthigt, ob er, für den Fall er den Hund
verfehlen ſollte, den Förſter tödten wolle oder nicht. Steht
ihm nun ſeine Sicherheit nicht ſo hoch, daß ſie ihm ein
Menſchenleben werth iſt, ſo wird er die Tödtung des Förſters
beſtimmt von ſeinem Willen ausſchließen, andernfalls aber
dieſelbe mit ſeinem Willen umfaſſen. Dieſes eventuelle
Wollen kann auch eintreten, wenn es ſich darum handelt, ob
derſelbe Zweck auf eine erlaubte oder unerlaubte Weiſe werde
erreicht werden. Man braucht nur zu unterſtellen, der Hund,
mit welchem der Förſter dem Wilddiebe nachſpürt, gehöre
letzterem, und man hat hierfür ein geeignetes Beiſpiel.
Wenn nun hiernach auch eine Verſchiedenheit in der
Form des eventuellen und alternativen Wollens beſteht, ſo
iſt doch die ſtrafrechtliche Conſtruction in beiden Fällen die
nämliche. Dies zeigt ſich namentlich bei der beſtrittenen
Frage, wie es ſich hier mit dem Verſuche verhalte. — Bei
dem alternativen wie bei dem eventuellen Wollen ſoll nach
der Abſicht des Handelnden nur der eine der beiden Erfolge
mit Ausſchluß des andern eintreten. Daraus ergibt ſich, wie
geſagt, daß der Wille des Handelnden — abgeſehen von
Fahrläſſigkeit — auch nur in ſeiner Richtung nach einem
Erfolge ſtrafrechtlich in Betracht gezogen werden kann. Aber
es ergibt ſich nicht daraus, daß die Schuld des Handelnden
nur nach demjenigen Erfolge bemeſſen werden könne, welcher
wirklich zur Exiſtenz gelangt iſt. Es iſt eine ungenaue Aus-
drucksweiſe, wenn geſagt wird, der Handelnde wolle lediglich
denjenigen Erfolg, welcher demnächſt eintreten werde; und man
wäre bei dieſer Anſicht rathlos, nach welchem Erfolge die
Schuld des Handelnden beurtheilt werden müſſe, im Falle beide
Erfolge nicht erreicht werden, oder beide eintreten. Es iſt
vielmehr der Wille des Handelnden zur Zeit der Vornahme
ſeiner Handlung auf jeden der mehreren Erfolge gerichtet,
3*
und es fällt ihm darum zu dieſer Zeit auch nach jedem
Erfolge hin ein Verſuch zur Laſt. Einer kann jedoch nur
ſtrafbar ſein, weil der Handelnde erwartet, daß von den
beiden Erfolgen der Eintritt des einen — unbeſtimmt welcher
es ſein werde — durch den Verlauf der Cauſalität werde
verhindert werden. Dieſer eine zu beſtrafende Verſuch kann
aber ſelbſtverſtändlich nur der ſchwerere ſein. Gelangt nun
dieſer ſchwerere Verſuch demnächſt nicht zur Vollendung, und
tritt vielmehr der geringere Erfolg ein, ſo muß, inſofern die
Strafe der Vollendung ſchwerer iſt wie diejenige für den
Verſuch, die Schuld des Handelnden nach dem wirklich ein-
getretenen Erfolge bemeſſen werden, denn er kann nicht
behaupten, daß er denſelben nicht gewollt gehabt habe. —
Bei dem alternativen Wollen, wenn die beiden möglichen
Erfolge wirklich gleichwerthig ſind, erſcheint dieſer Geſichts-
punkt allerdings einflußlos. Hat der Schuß ſowohl den A.
wie den B. verfehlt, ſo kann nur wegen eines Verſuchs
beſtraft werden, und es iſt gleichgültig, ob man denſelben
als gegen den A. oder den B. gerichtet betrachtet. Sind
ſowohl A. als B. getroffen worden, ſo kann nur wegen
einer vorſätzlichen Tödtung beſtraft werden, und es iſt auch
hier wieder gleichgültig, ob die Tödtung des A. oder die des
B. nur zur Fahrläſſigkeit zugerechnet wird. Und wenn nur
eine der beiden Perſonen getödtet worden iſt, ſo muß der
Verſuch der Tödtung der anderen ſtraflos bleiben. Sofort
tritt jedoch dieſer Geſichtspunkt hervor, wenn die beiden
Erfolge ſtrafrechtlich ungleichwerthig, und nur aus rechtlichem
Jrrthum dem Handelnden als gleichwerthig erſchienen waren.
Dann kann der Verſuch ſtets nur, als auf den ſchwereren
Erfolg gerichtet, erachtet werden; und iſt der Verſuch als ein
ſchwereres Verbrechen zu betrachten als die erreichte
Vollendung, ſo trifft den Handelnden die Strafe des Verſuchs
in Concurrenz mit derjenigen für culpa. — Noch mehr tritt
natürlich dieſer Geſichtspunkt bei dem eventuellen Wollen
hervor. Wer primo loco den Hund und secundo loco den
Förſter treffen will, der gibt dem Gewehre eine ſolche Richtung,
daß er die Tödtung des Förſters mit einiger Wahrſchein-
lichkeit vorausſieht. Es iſt alſo von vornherein ſein Wille
ſowohl wie ſeine Handlung auf die Tödtung des Förſters
gerichtet. Dieſe Thatſache kann durch den ferneren Verlauf
der Cauſalität nicht wieder beſeitigt werden. D. h. der
Handelnde kann nicht verlangen, daß, indem er den einen zu
erreichenden Erfolg vor den andern ſtellt, ſein Wille erſt dann
als auf den andern (ſchwereren) Erfolg gerichtet angeſehen
werden ſolle, wenn der erſte Erfolg nicht eintritt, beziehungs-
weiſe derſelbe erſt von dem Zeitpunkt des Verfehlens des
erſten Erfolgs an datirt werde. Und wenn zunächſt der
geringere Erfolg erreicht wurde, dann aber zugleich auch der
ſchwerere, ſo kann der Handelnde nicht behaupten, daß ſein
Wille von dem Eintritt des geringeren Erfolgs an in Betreff
des ſchwereren Erfolgs in Wegfall gekommen ſei. Hierfür
gibt es keine juriſtiſche Conſtruction; namentlich kann auch
nicht von einem freiwilligen Rücktritt vom Verſuche die Rede
ſein. — Werden hiernach Hund und Förſter getödtet, ſo
kommt allein die Tödtung des Förſters in Betracht; werden
beide gefehlt, ſo handelt es ſich lediglich um verſuchte Tödtung
des Förſters. Ebenſo wenn allein der Hund getödtet worden
iſt. Dieſe Tödtung könnte nur als eine fahrläſſige auf-
gerechnet werden. — Handelt es ſich endlich darum, ob das
Ziel in ſtrafloſer Weiſe oder durch einen ſtrafbaren Erfolg
erreicht werden ſoll, ſo tritt, wenn der ſtrafbare Erfolg nicht
zur Exiſtenz gekommen iſt, doch die Verſuchsſtrafe ein.
Es dürfte ſich hieraus ergeben haben, daß, wenn mehrere
Erfolge in Frage ſtehen, welche von dem Willen eventuell,
oder auch alternativ, umfaßt waren, ſtets der ſchwerere
Erfolg als gewollt anzuſehen iſt, der geringere aber, wenn
er auch gewollt war, doch nur zur Fahrläſſigkeit zugerechnet
werden kann. Jſt es daher, wie in dem Beiſpiel von Hund
und Jäger, unter allen Umſtänden von vornherein entſchieden,
welcher Erfolg der ſchwerere iſt, ſo liegt im Effecte ein von
vornherein ganz beſtimmtes Wollen des ſchwereren Erfolgs
vor, mit Ausſchluß des geringeren Erfolgs von dem Willen.
Kann es ſich jedoch erſt durch den Verlauf der Cauſalität
herausſtellen, welcher Erfolg der ſchwerere iſt, indem die
Vollendung des einen Erfolgs ſchwerer erſcheint als der
Verſuch des andern, ſo iſt der Wille von vornherein nur
inſofern beſtimmt, als der Handelnde weiß, es werde ihm
demnächſt der ſchwerere Ausgang ſeiner Handlung zugemeſſen
werden; inſofern aber unbeſtimmt, als er nicht weiß, welcher
der ſchwerere Erfolg ſein werde. Da dieſe Unbeſtimmtheit
jedoch ſtets in eine Beſtimmtheit auslaufen muß, ſo erſcheint
überhaupt die Geſtalt des alternativen und eventuellen
Wollens als rechtlich bedeutungslos.
Jſt es richtig; daß der Handelnde genöthigt iſt, jedem
ſtrafrechtlichen Erfolge ſeiner Handlung gegenüber, den er
als mit einiger Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend vorausſieht,
mit ſich in’s Reine zu kommen, ob er denſelben mit ſeinem
Willen umfaſſen, oder ihn von ſeinen Willen ausſchließen will,
ſo kann es ſich unmöglich anders verhalten, wenn mehrere
ſolche Erfolge cumulativ in Ausſicht ſtehen. Darum dürfte
die gewöhnliche Vorſtellung, daß, wenn Jemand von mehreren
möglichen Erfolgen ſeiner Handlung den geringeren beſtimmt
wolle, ſich aber gegen den Eintritt des ſtrafbareren gleichgültig
verhalte, ihm bezüglich dieſes letzteren Erfolgs eventueller
Dolus zur Laſt falle, als unhaltbar erſcheinen. Bei dieſer
Anſchauung wird die Gleichgültigkeit nicht als dolus, ſondern
als culpa aufgefaßt und mithin ein Zuſammenwerfen dieſer
beiden Schuldſtufen in dem d. eventualis bewerkſtelligt. Das
führt aber dahin, daß man zu leicht geneigt ſein wird, dem
Handelnden den ſchwereren Erfolg ſelbſt dann zum d. e. zu-
zurechnen, wenn er nur mit hohem Grade von Wahrſchein-
lichkeit (objectiv) bevorſtand, ſollte ſelbſt, wenn auch aus
eigener Verſchuldung, dieſes Bevorſtehen ſich in ſeinem Be-
wußtſein in keiner Weiſe reflectirt gehabt haben. Denn auch
hier liegt culpa vor, während es an jeder Vorausſetzung
für dolus gebricht. — Freilich mit je größerer Wahrſcheinlich-
keit der Handelnde auf den Eintritt des ſchwereren Erfolgs
rechnen mußte, deſto mehr wird man ſich zu der Annahme
hingedrängt fühlen, daß er denſelben auch gewollt habe.
Aber man kann doch auch leicht zu großer Ungerechtigkeit
veranlaßt werden, wenn man ſich eben hierbei das allgemeine
Princip nicht klar vor Augen hält, daß jeder Erfolg nur
dann eventuell gewollt ſein kann, wenn er wirklich, als
mit einiger Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend, vorausgeſehen —
und in dieſem Falle nicht beſonders von dem Willen ab-
gelehnt — wurde, und daß im Falle eines eventuellen
Wollens auch die oben für ein ſolches Wollen angegebenen
Grundſätze zur Anwendung gebracht werden müſſen. Nament-
lich wird darum von einer cumulativen Haftbarkeit für die
doloſe Vollendung beider Erfolge, ſowie von Haftbarkeit für
doloſe Vollendung in Concurrenz mit derjenigen für Verſuch
nur dann die Rede ſein können, wenn wirklich beide Erfolge
cumulativ gewollt geweſen waren. Sollte ein beſonderes
Jntereſſe für das Wollen des ſchwereren Erfolgs nicht
erſichtlich ſein, ſo wird daſſelbe nicht leicht angenommen
werden können.
Das eventuelle Wollen erkennt v. B. (S. 37. 38) nur
in der Geſtalt des alternativen an. Er behauptet, der Beweis
eines eventuellen Wollens laſſe ſich gar nicht erbringen.
Aber man muß ja auch im Falle des Eintritts des ſchwereren
Erfolgs beweiſen, daß es nicht lediglich auf den geringeren
abgeſehen geweſen ſei. — Es iſt auch, wenn die Gleichgültig-
keit nicht als culpa betrachtet wird, nicht richtig, daß
man mit dem d. c. dahin komme, die culpoſe Begehung
ſolcher Verbrechen zu beſtrafen, bei welchen der Geſetzgeber
Dolus verlange. — Ebenſo iſt die Einwendung unbegründet,
daß die für den geringeren Erfolg getroffenen Vorbereitungen
nicht zugleich auch für den ſchwereren Erfolg getroffen würden,
weil letzterer von größeren Vorausſetzungen abhänge. Denn
der Handelnde kann ſehr wohl überzeugt ſein, daß ſeine für
den geringeren Erfolg getroffenen Vorbereitungen zugleich
vollſtändig, wie in dem oben angeführten Beiſpiel, auch zur
Herbeiführung des ſchwereren ausreichen. — Ganz unnöthige
Schwierigkeiten ſucht v. B. in der Beurtheilung des Falls,
wenn derjenige, welcher ſich eine fremde Sache rechtswidrig
zueignen will, thatſächlich nicht weiß, ob der Eigenthümer
dieſelbe verloren, oder ſie abſichtlich nur einſtweilen aus der
Hand gelegt habe, er ſich alſo nur eines Funddiebſtahls oder
eines wirklichen Diebſtahls ſchuldig machen werde. Hier liegt
allerdings ein eventueller Dolus nicht vor. Aber nur darum
nicht, weil der Handelnde weiß, daß ihn ſeine, aus der lediglich
auf Funddiebſtahl gerichteten Abſicht entſpringende, Handlung
ſicher zum Ziele führen werde, und er darum — anders wie in
obigem Beiſpiel der Wilddieb — gar keine Veranlaſſung hat,
ſeine Abſicht eventuell auf den ſchwereren Erfolg zu richten.
So verhält es ſich auch in Betreff der Bigamie, wenn der
Handelnde zweifelhaft iſt, ob die erſte Ehe aufgelöſt ſei oder
nicht. Es kann darum die Bigamie nur zur Fahrläſſigkeit
zugerechnet werden, inſofern der Handelnde nicht wirklich
wußte, daß die erſte Ehe noch beſtehe, als er die zweite
abſchloß. — Endlich kann nach den früheren Ausführungen
die Behauptung v. B. nicht als zutreffend anerkannt werden,
daß bei dem alternativen Wollen der wirklich erreichte Erfolg
auch der wirklich gewollte ſei (S. 40), weshalb derjenige,
welcher alternativ einen Fremden oder einen Verwandten
tödten wolle, die Qualification nur dann zu verantworten
habe, wenn der Verwandte wirklich getroffen worden ſei.
Es würde dieſe Anſicht dahin führen, daß, wenn der Hund
getroffen wurde, die eventuell auf Tödtung des Förſters
gerichtete Abſicht nicht in Anſchlag gebracht werden dürfte.
Und es würde weiter bei dieſer Anſicht angenommen werden
müſſen, daß im Falle der Verwandte getroffen wurde, die
der Qualification entſprechende Schuld nicht von Anfang an
mit der Handlung verbunden geweſen und vielmehr erſt
ſpäter aus dem eingetretenen Ereigniß erwachſen wäre —
was unmöglich iſt.
Vorſatz und Abſicht.
Der Satz, daß das mit einiger Wahrſcheinlichkeit vor-
hergeſehene Ergebniß der Handlung als gewollt zuzurechnen
ſei, inſofern es nicht ausdrücklich von dem Willen abgelehnt
geweſen war, wird auch durch den Streit über die Bezeichnung
des Dolus als Vorſatz und beziehungsweiſe Abſicht nicht
beeinträchtigt. Denn die Verſchiedenheit der den Willen
bedingenden Motive, welche dieſer Unterſcheidung zu Grunde
liegt, muß für den Willen ſelbſt in ſeiner Richtung auf einen
beſtimmten Erfolg bedeutungslos erſcheinen. Man hat es
daher hier, was auch v. B. (S. 41. 42) annimmt, lediglich
mit einer verſchiedenen Form des Willens zu thun, die man
ohne geſetzliche Vorſchrift nicht beſonders hervorzuheben
braucht. Aber auch das Geſetz ſelbſt könnte ohne Nachtheil
da, wo es ſich der Ausdrücke Vorſatz und Abſicht bedient,
dieſelben jedesmal durch den Ausdruck „mit Willen“ unter
Beifügung des etwa für nöthig erachteten ſpeciellen Motivs
erſetzen. — Als unrichtig muß es ſonach bezeichnet werden,
daß v. Wiek (über Abſicht und Vorſatz) dieſe Unterſcheidung
von verſchiedenen materiellen Folgen begleitet ſein läßt.
Wenn nämlich das ſittliche Volksbewußtſein — das, was
v. B. die Regel des Lebens nennt — die Vornahme einer
an ſich erlaubten, auf einen erlaubten Erfolg gerichteten, oder
ſogar gebotenen Handlung ſelbſt auf die Gefahr hin geſtatte,
daß durch dieſelbe ein vorhergeſehener ſtrafrechtlicher Erfolg
herbeigeführt werde, ſo ſei die vorſätzliche Handlung ſtraflos,
die abſichtlich auf Herbeiführung des Erfolgs gerichtete
Handlung hingegen dennoch ſtrafbar. Aber wenn es ſich
unter dieſer Vorausſetzung um einen nur mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit als bevorſtehend erkannten Erfolg handelt, ſo
darf derſelbe weder vorſätzlich noch abſichtlich herbeigeführt,
er muß vielmehr nach Möglichkeit, zu vermeiden, geſucht
werden. Und wenn es ſich um einen als nothwendig bevor-
ſtehend erkannten ſtrafrechtlichen Erfolg handelt, ſo iſt es
ganz gleichgültig, ob die Handlung vorſätzlich oder ab-
ſichtlich unternommen wird.
Gemeingefährliche Verbrechen.
Es müſſen aber auch für die ſ. g. gemeingefährlichen
Verbrechen die nämlichen Geſichtspunkte maßgebend ſein.
Auch hier wird man zu unterſcheiden haben, ob die einge-
tretenen Erfolge mit einiger Wahrſcheinlichkeit vorausgeſehen
waren, beziehungsweiſe ſie bei einiger Aufmerkſamkeit hätten
vorausgeſehen werden können; und ob ſie der Thäter gewollt
hatte — ob inſonderheit der Wille auf Tödtung, Körper-
verletzung, Eigenthumsbeſchädigung gerichtet war, oder nicht.
Und auch hier muß der Satz gelten, daß dieſe Erfolge nur
ſo weit zum Dolus zuzurechnen ſind, als ſie wirklich gewollt
waren, die den Willen überſteigende Anzahl der Erfolge,
oder der größere Umfang des Erfolgs, aber nur eine Fahr-
läſſigkeit involviren können. Vergiftet Jemand den Brunnen
eines einſam gelegenen Gehöftes, damit die wenigen Bewohner
deſſelben ſich den Tod daraus trinken ſollen, ein zufällig
vorüberkommendes Regiment Soldaten genießt aber von dem
Waſſer; oder verurſacht Jemand eine Ueberſchwemmung in der
Vorausſetzung, daß nur eine beſtimmt abgegrenzte Fläche
durch die Fluthen werde verheert werden, aber das Waſſer
verbreitet ſich auch über anſtoßendes, ſchlecht geſchütztes,
Gelände, oder es wird durch daſſelbe gegen Erwarten ein
Menſch getödtet, ſo wird bezüglich dieſes weiteren Umfangs
der zum Eintritt gelangten Erfolge nur Haftbarkeit für
Fahrläſſigkeit begründet ſein; vielleicht aber ſogar auch nur
casus vorliegen. Die eigenthümliche Schwierigkeit bei den
gemeingefährlichen Verbrechen liegt in concreto nur in der
Feſtſtellung der Anzahl oder des Umfangs der gewollten
beziehungsweiſe vorausſchbar geweſenen Erfolge, durch welche
Feſtſtellung natürlich die Größe der Strafe für Vollendung,
Verſuch und Fahrläſſſgkeit bedingt erſcheint.
Könnte man der von Hälſchner, Goltdammers Archiv
B. XVIII, S. 665 flg. ausgeſprochenen Anſicht zuſtimmen,
ſo würde allerdings, jedenfalls in Anſehung der gemein-
gefährlichen Eigenthumsbeſchädigungen, dieſe Schwierigkeit
beſeitigt erſcheinen. — Hälſchner meint, wenn der eine und
ſelbige beabſichtigte Erfolg ſich in einem größeren Umfange
verwirklicht habe, als von dem Thäter beabſichtigt geweſen
ſei, — wenn zwei Häuſer abgebrannt ſeien, obwohl nur eines
habe zerſtört werden ſollen — ſo könne von einer Concurrenz
— zwiſchen doloſer und fahrläſſiger Brandſtiftung — nicht
die Rede ſein. Denn das Recht des Thäters, ſich nur ſo
viel als beabſichtigt zurechnen zu laſſen, als wirklich in ſeiner
Abſicht gelegen geweſen ſei, finde ſeine nothwendige Grenze
darin, daß er bei Vollführung eines qualitativ beſtimmten
Verbrechens ſeine Abſicht in Betreff des quantitativen
Umfangs des Erfolgs nicht weiter zu begrenzen, befugt ſei,
als er handelnd den Umfang des Erfolgs zu begrenzen
vermocht, und wirklich begrenzt habe. Wer es nicht vermocht,
oder es nicht gethan, obwohl er es vermocht habe, müſſe ſich
den ganzen Erfolg des beabſichtigten Verbrechens als beab-
ſichtigt zurechnen laſſen und könne nicht irgend ein Stück
des Erfolgs als über ſeine Abſicht hinausreichend und nur
fahrläſſig verurſacht bezeichnen. Der Dieb, welcher Geld
ſtehle, und, weil er nicht näher zuſehe, mehr ergreife,
als er denke und wolle, habe die ganze Summe geſtohlen.
Ganz ebenſo verhalte es ſich, wenn Jemand in die durch
Zufall oder Fahrläſſigkeit beginnende Verurſachung eines
Erfolgs, indem er dieſen möglichen Erfolg billige und in
ſeine Abſicht aufnehme, handelnd und den Eintritt des Erfolgs
fördernd eingreife. Jn fahrläſſiger Weiſe entzünde Jemand
die Fenſtergardine, und erſt jetzt, in Anſchauung des Ge-
ſchehenen, faſſe er die Abſicht, den Brand des ganzen Hauſes
zu verurſachen, greife handelnd und die Verbreitung des
Feuers fördernd ein und bewirke die Zerſtörung des Hauſes.
Es liege dann lediglich eine doloſe vollendete Brandſtiftung
vor, ein Concurrenzfall ſei aber nicht gegeben.
Es fällt bei dieſer Deduction zunächſt in die Augen,
daß die Behauptung, der Thäter müſſe für den ganzen
quantitativen Umfang des von ihm begangenen Verbrechens
als abſichtlich herbeigeführt haften, eben nur eine Behauptung
iſt, aber keine Begründung enthält. Sicher iſt es nicht
denkbar, das Nämliche mit vorſätzlichem und zugleich mit
fahrläſſigem Willen zu wollen. Aber wenn das Gewollte
ſich in einem weiteren, nicht gewollten, Umfang verwirklicht,
ſo iſt es nicht mehr das Nämliche. Es liegen vielmehr in
dieſem Falle zwei Objecte für den Willen und ſomit auch
zwei verſchiedene Willensbeſtimmungen vor — eine vor-
ſätzliche, welche ſo weit reicht, als das Geſchehene wirklich
gewollt war, und eine fahrläſſige, welche das über dieſes
Gewollte hinausreichende Mehr umfaßt. Hat dieſes Mehr
freilich keine ſelbſtſtändige rechtliche Bedeutung, ſo kann es
auch nicht als Concurrenzfall zum Gegenſtand einer beſonderen
Beſtrafung werden. Das iſt der Fall, wenn noch ein zweites
Gebäude abbrennt, obwohl nur eins hatte zerſtört werden
ſollen. Jmmerhin aber beibt die mehrfache in der Handlung
enthaltene Willensbeſtimmung — die vorſätzliche und die
culpoſe — beſtehen. Und ſie würde ſofort zur rechtlichen
Geltung kommen, wenn das Geſetz, was ja nicht unmöglich
wäre, ſeine Beſtrafung der Brandſtiftung nach der Größe
des angerichteten Schadens abgeſtuft hätte. Nach dem Heſſi-
ſchen Strafgeſetzbuch bildete der Betrag des Diebſtahls von
15 Gulden die Grenze zwiſchen dem kleinen und einfachen
Diebſtahl, welcher letztere mit anderen, ſchwereren, Strafen
bedroht war, als der erſtere. Sollte nun Derjenige, welcher
aus Jrrthum über 15 Gulden wegnimmt, während er unter
15 Gulden ſtehlen wollte, mit den ſchwereren Strafen des
einfachen Diebſtahls beſtraft werden? Jn dem Beiſpiele
Hälſchners erſcheint der Dolus des Diebes ausdrücklich auch
auf das Mehr gerichtet. Entwendet aber ein ſonſt treues
Dienſtmädchen, deſſen Aeltern auf 10 Gulden gepfändet ſind,
um denſelben aus dringendſter Noth zu helfen, eine Geldrolle,
in welcher es gerade 10 Gulden in Sechskreuzerſtücken ver-
muthet, bei näherem Nachſehen finde es aber, daß es ſich
einer Goldrolle bemächtigt habe, ſo wird daſſelbe, wenn es
namentlich auch das Mehr wieder zurückgeſtellt hat, einen
Diebſtahl über 10 Gulden nicht begangen haben. — Jnſonder-
heit würde die Anſicht Hälſchners dahin führen, daß, wenn
eine leichte Körperverletzung beabſichtigt, eine ſchwere aber
gegen den Willen zugefügt worden war, dieſe ſchwere Ver-
letzung als eine vorſätzliche aufgerechnet werden müßte, wie
das freilich nach der Auffaſſung des deutſchen Strafgeſetzbuchs
der Fall iſt (m. Abh. über das Strafen-Syſtem Gerichtsſaal
1871 S. 94 flg.). Die Fahrläſſigkeit, oder auch der bloße
Zufall, hätte hier das beabſichtigte Vergehen in ein Verbrechen
verwandelt, obgleich doch fahrläſſige ſtrafbare Handlungen in
dem Strafgeſetzbuch nicht als Verbrechen aufgeführt werden,
und der Unterſchied zwiſchen Vergehen und Verbrechen in
der Subjectivität des Thäters begründet ſein ſollte. —
Hälſchner ſagt, zwei gleiche Erfolge könnten einen Concur-
renzfall bilden, es könne neben der vorſätzlichen durch einen
Schlag zugefügten leichten Körperverletzung als mit ihr
concurrirend die bei der Verübung der That zugleich aus
Unvorſichtigkeit zugefügte ſchwere — natürlich aber auch
leichte — Verwundung geſtraft werden. Es werden alſo
hier zwei Willensbeſtimmungen als vorhanden anerkannt.
Angenommen daher, es ſei aus der vereinigten Wirkung der
fahrläſſig leichten und vorſätzlich leichten Körperverletzung
eine nicht vorausgeſehene, aber vorausſehbar geweſene, ſchwere
Beſchädigung der Geſundheit entſtanden, ſo würde dieſer
ſchwere Erfolg aus doloſen und culpoſen Momenten beſtehen,
und er würde darum ganz weder als culpos noch als dolos
herbeigeführt aufgerechnet werden können, vielmehr zum Zweck
der Strafausmeſſung in ſeine einzelnen Theile zerlegt werden
müſſen. Aber es ſoll doch, wenn eine leichte Körperverletzung
beabſichtigt war, und fahrläſſiger Weiſe eine ſchwere Körper-
verletzung angerichtet worden iſt, das hierin enthaltene Mehr,
weil nur eine Willensbeſtimmung vorliege, als beabſichtigt
aufgerechnet werden. Daraus würde ſich ergeben, daß, wenn
zwei gleiche, von zwei verſchiedenen Willensbeſtimmungen
getragene, Erfolge in eine gemeinſame Spitze, ſei es auch
gegen alles Erwarten, auslaufen, die eine der beiden Willens-
beſtimmungen als von Anfang an nicht vorhanden betrachtet
werden müßte.
Jſt es aber nicht gerechtfertigt, das nicht beabſichtigte,
durch Fahrläſſigkeit verurſachte, Mehr eines beabſichtigten
qualitativ beſtimmten Verbrechens als beabſichtigt aufzu-
rechnen, ſo natürlich noch weit weniger, wenn dieſes Mehr
lediglich durch Zufall herbeigeführt worden iſt. Aber auch
in dieſer Richtung führt obige Anſicht Hälſchners zu der
entgegengeſetzten Conſequenz, ſo daß der Handelnde einſtehen
muß, ſollten auch die größeren Folgen ſeiner beabſichtigten
Thätigkeit nur durch die Einmiſchung der unberechenbarſten
Ereigniſſe verurſacht worden ſein. — Ebenſo würde dann
aber auch derjenige, welcher culpoſer Weiſe handelt, nicht
allein ſo weit ſeine culpa reicht, ſondern auch noch für das
Mehr verantwortlich ſein, auch wenn er die Verurſachung
deſſelben in keiner Weiſe hatte vorausſehen können.
Brennt gegen Erwarten ein zweites Haus ab, ſo ſteht
übrigens nichts im Wege, der größeren in der Handlung
enthaltenen Verſchuldung — inſofern nicht lediglich casus
vorliegen ſollte — durch eine Straferhöhung innerhalb des
für doloſe Brandſtiftung vorgeſehenen Strafrahmens gerecht
zu werden. — Hatte der Thäter durch die Brandlegung an
einem Hauſe zwei Häuſer abbrennen wollen, es brennt aber
nur eins ab, ſo wird das beabſichtigte Mehr zwar nicht
einer beſonderen Verſuchsſtrafe unterzogen werden können,
aber doch in gleicher Weiſe durch Erhöhung der Strafe
innerhalb des ordentlichen Strafrahmens in Betracht gezogen
werden müſſen. Hälſchner hat ſich über dieſe Combination
des von ihm vorgeführten Falles nicht ausgeſprochen. Da er
jedoch, wenn das zweite Haus abbrennt, dieſes Ereigniß zum
dolus aufrechnet, ohne alle Berückſichtigung, ob auch bezüglich
dieſes Mehr eine Verſchuldung begründet iſt — alſo lediglich
die Objectivität entſcheiden läßt — ſo wird er, wenn das
zweite Haus gegen Erwarten nicht abbrennt, ebenfalls die
Objectivität als maßgebend betrachten und das beabſichtigt
geweſene Mehr unberückſichtigt laſſen müſſen.
Der Fall, daß culpoſer (oder zufälliger) Weiſe noch ein
zweites Haus zerſtört wird, unterſcheidet ſich von demjenigen,
wenn culpoſer Weiſe die Fenſtergardine angezündet und
dann erſt durch eine abſichtlich hinzugefügte weitere Thätigkeit
die Zerſtörung über das ganze Haus verbreitet wird, weſentlich
dadurch, daß dort das über den dolus hinausreichende Mehr
nicht beabſichtigt war, hier aber das über die culpa hinaus-
reichende Mehr dem Willen entſpricht. Darum muß auch
dieſes Mehr, inſofern es eine ſelbſtſtändige ſtrafrechtliche
Bedeutung hat, als dolos verurſacht aufgerechnet werden.
Und hat ebenſo auch das durch culpa verurſachte Weniger
eine ſelbſtſtändige Bedeutung, ſo liegt ein wirklicher Concur-
renzfall vor. Das tritt zu Tage, wenn etwa der Behälter
fahrläſſig erbrochen und dann der Jnhalt geſtohlen worden
iſt. Man hat hier nicht qualificirten Diebſtahl, ſondern
(fahrläſſige) Eigenthumsbeſchädigung in Concurrenz mit ge-
wöhnlichem Diebſtahl. Ebenſo würde derjenige, welcher eine
Statue in zwei Stücke durch Fahrläſſigkeit geſchlagen hat,
nicht wegen vorſätzlicher Zerſtörung des unverſehrten Bild-
werks beſtraft werden können, wenn er hintendrein die —
an und für ſich noch werthvollen — Theile vorſätzlich noch
weiter zertrümmert und hierdurch den fahrläſſig angerichteten
Schaden vergrößert. — Nur in ihrem ferneren Verlaufe
können die durch culpa hervorgerufenen Kräfte dadurch ſich
zu vorſätzlichen qualificiren, daß ſie von den nachfolgenden
doloſen Kräften zur Erreichung des jetzt beabſichtigten Ziels
verwendet werden. Was aber einmal dolos oder culpos
wirklich geſchehen iſt, kann hintendrein nicht mehr in ſein
Gegentheil verwandelt werden. Die Fenſtergardine iſt und
bleibt fahrläſſig angezündet, wenn ſodann auch der Brand
abſichtlich befördert wird, und das abſichtlich Verurſachte kann
daher als ſolches auch nur mit Ausſchluß des fahrläſſigen
Anzündens der Fenſtergardine, beziehungsweiſe des hierin
enthaltenen Theils des objectiven Thatbeſtandes, beſtraft
werden. Da es jedoch auch in dieſer Geſtalt noch den vollen
Thatbeſtand einer abſichtlichen Brandſtiftung umfaßt, ſo liegt
auch noch dieſes Verbrechen in ſeiner Vollendung vor. Das
fahrläſſige Anzünden der Fenſtergardine hat zwar, indem es
durch die nachfolgende Handlung in Cauſalzuſammenhang
mit der abſichtlichen Brandſtiftung geſetzt wurde, ſeine ſelbſt-
ſtändige Bedeutung, aber nicht ſeinen Urſprung aus der
Fahrläſſigkeit verloren, weshalb dieſer Theil des Ganzen auch
nicht ſo hoch in der Strafe in Anſatz gebracht werden kann,
als wenn er aus Vorſatz hervorgegangen wäre.
Wird man ſich hiernach aber auch bei den gemeingefähr-
lichen Verbrechen der Unterſuchung nicht entſchlagen dürfen,
ob, und in wie weit, die eingetretenen Erfolge gewollt waren,
oder nicht, ſo tritt doch gerade hier beſonders der Geſichts-
punkt hervor, daß das als nothwendiges Ergebniß der
Handlung Vorausgeſehene von dem Willen nicht abgelehnt
werden kann. Wer einem Eiſenbahnzuge, um das Material
zu zerſtören, Hinderniſſe bereitet, damit er von dem Damm
herunterſtürze, der hat nicht die geringſte Wahrſcheinlichkeit
für ſich, daß nicht zugleich auch die auf dem Zuge befindlichen
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Perſonen getödtet werden. Dieſes Ergebniß muß darum von
ihm als ein nothwendiges anerkannt werden, und kommt es
daher nur darauf an, welche Vorſtellung er ſich von der
Anzahl der in dem Zuge befindlichen Perſonen gemacht hatte.
Wußte er, daß der Zug ein Militärzug ſei, ſo wird ihm
nicht zu viel geſchehen, wenn die Zahl der von ihm aus-
erſehenen Opfer auf 50 angenommen wird. Hielt er aber den
Zug für einen Güterzug, in welchem ſich nur das Dienſt-
perſonal befinde, ſo mußte er wiſſen, daß die Zahl dieſer
Perſonen wenigſtens 3 betrage. Ebenſo muß, wenn in einem
volkreichen Orte an frequenter Straße ein Brunnen vergiftet
wurde, unter Zugrundelegung der dem Thäter bekannten
Verhältniſſe die Zahl der durch die Handlung bedrohten
Perſonen gefunden werden durch Vergleichung der Anzahl
der Paſſanten, welche an dem Brunnen zu trinken pflegen,
mit der Wirkſamkeit des angewendeten Mittels; und Daſſelbe
hat zu geſchehen, wenn etwa eine Orſini’ſche Bombe unter
einen Menſchenhaufen geworfen worden iſt. Die auf dieſe
Weiſe gefundenen Zahlen aber bedingen, wie oft der Thäter
für Vollendung, Verſuch oder Fahrläſſigkeit zu beſtrafen iſt.
Beſonders exact iſt der Natur der Sache nach dies Verfahren
allerdings nicht; man wird ſich auf die Feſtſtellung geringerer
Zahlen, von welchen mit Beſtimmtheit angenommen werden
kann, daß ſie in dem Bewußtſein des Thäters ihre Begründung
gefunden haben, beſchränken, von größeren Zahlen aber abſehen
müſſen, inſofern ſie dieſe Sicherheit nicht bieten. — Praktiſch
wird jedoch dieſer Mißſtand nicht beſonders fühlbar werden,
weil die nachweisbare Anzahl der durch die gemeingefährliche
Handlung von dem Thäter mit Vorſatz, oder culpoſer Weiſe,
bedrohten Menſchen, beziehungsweiſe der Umfang der beab-
ſichtigten Eigenthumsbeſchädigung gewöhnlich ſo groß ſein
wird, daß ſich durch die zu erkennende Strafe die überhaupt
zuläſſige Strafe für Vollendung, Verſuch und Fahrläſſigkeit
erſchöpft. — Ob Jemand 100 Menſchen getödtet hat, oder
nur 50, muß für die Beſtrafung einerlei ſein. Es iſt das
eine nothwendige Conſequenz des Princips der Straf-
zumeſſung.
Die Verbrechen ſtehen nach der Größe der durch ſie
verletzten Rechte in einem beſtimmten Verhältniſſe zu einander.
Hiernach müſſen ſich auch die Strafgrößen richten; ſie müſſen
den nämlichen Abſtand von einander haben, wie die Ver-
brechen unter ſich. Wenn nun auch die Kraft des Menſchen
zur Begehung von Verbrechen eine unendliche iſt, ſo iſt
doch die Möglichkeit der Beſtrafung eine endliche — beſchränkt
durch die Endlichkeit der menſchlichen Güter, welche durch die
Beſtrafung getroffen werden können. Sollte Jemand auch
zweimal den Tod verdient haben, ſo kann er ſeinen Kopf
doch nur einmal verlieren, und nur einmal auf Lebenszeit
eingeſperrt werden, wenn er auch zwei mit dieſer Strafart
bedrohte Verbrechen begangen hat. Wenn nun für eine
unberechenbar große Anzahl todeswürdiger oder mit lebens-
länglicher Freiheitsſtrafe bedrohter Verbrechen doch nur ein-
mal die Todesſtrafe oder lebenslängliche Freiheitsſtrafe zum
Vollzuge gebracht werden kann, ſo darf für eine noch ſo
große Anzahl von Verbrechen der nächſt niederen Gattung
nicht gleichfalls auf dieſe Strafen erkannt werden. Man
würde andernfalls ausſprechen, daß die in der größtmöglichſten
Anzahl der ſchwerſten Verbrechen gelegene Verſchuldung nicht
ſchwerer ſei, als die Verſchuldung, welche die größtmöglichſte
Anzahl von Verbrechen der geringeren Kategorie enthalte,
und hiermit geradezu den Unterſchied in der Gattung zwiſchen
den ſchwerſten und leichteren Verbrechen aufheben. Man
ſieht ſich darum genöthigt, die für die größtmöglichſte Anzahl
von Verbrechen der nächſt geringeren Gattung nach den
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todeswürdigen und mit lebenslänglicher Freiheitsſtrafe be-
drohten das geringere Maximum der zeitlichen Freiheitsſtrafe
zu beſtimmen, welches — es mögen dieſe Verbrechen nur
unter einander oder mit Verbrechen noch geringerer Kategorie
concurriren — von der Strafe nicht überſchritten werden
ſoll. Das nämliche Verhältniß würde dann aber natürlich
ſtets zwiſchen der größtmöglichſten Anzahl der Verbrechen
eines höheren und des nächſt niederen Grades bis zu den
geringſten ſtrafbaren Verbrechen herunter feſtzuſtellen ſein.
Die Folge muß ſein, daß, wenn das für eine Mehrheit von
Straffällen überhaupt zuläſſige Maximum der Strafe durch
eine geringere Anzahl von Verbrechen bereits erſchöpft iſt,
die weiteren Verbrechen nicht mehr geſtraft werden können. —
Von der Geſetzgebung iſt dieſer Geſichtspunkt nur dahin
berückſichtigt worden, daß ſie, nicht bei jedem einzelnen
Verbrechen, ſondern nur im Allgemeinen, das überhaupt
zuläſſige Maß der einzelnen Freiheitsſtrafen feſtſetzt, welches
im Falle der Concurrenz nicht ſolle überſchritten werden
können. Nach dem deutſchen Strafgeſetzbuch ſteht hiernach
z. B. die größtmöglichſte Anzahl von Pfandveräußerungen
(§. 289) der größtmöglichſten Anzahl einfacher Diebſtähle
(§. 242) durchaus gleich (§. 74 Al. 3).
Das deutſche Strafgeſetzbuch beſtimmt in §. 73,
daß, wenn durch eine Handlung mehrere Strafgeſetze verletzt
worden ſeien, nur dasjenige Geſetz, welches die ſchwerſte
Strafe androhe, zur Anwendung komme; und in §. 74,
daß, wenn durch mehrere ſelbſtſtändige Handlungen mehrere
Verbrechen oder Vergehen, oder das nämliche Verbrechen oder
Vergehen mehrmals, begangen worden, auf eine Geſammt-
ſtrafe zu erkennen ſei, welche in einer Erhöhung der ver-
wirkten ſchwerſten Strafe beſtehe. Wenn es nun auch von
dem Geſetz in §. 73 nicht beſtimmt vorgeſchrieben wird, ſo
wird es doch wohl ſchwerlich einem Richter einfallen, die
Mehrheit der durch eine Handlung angerichteten Rechts-
verletzungen bei der Strafzumeſſung unberückſichtigt zu laſſen;
er wird vielmehr auch hier die Strafe für die ſchwerſte
Rechtsverletzung angemeſſen erhöhen. Es beſteht daher
zwiſchen §. 73 und 74 nur die Verſchiedenheit, daß ſich die
Straferhöhung nach §. 73 nur innerhalb der Grenzen des
gewöhnlichen Strafrahmens bewegen, die Straferhöhung des
§. 74 aber das Maximum des gewöhnlichen Strafrahmens
nach Al. 3 überſchreiten darf. Es iſt jedoch ſchon an und für
ſich klar, daß ſich §. 73 hierdurch nicht zu ſeinem Vortheil
auszeichnet, weil die Anzahl der concurrirenden — vielleicht
ſämmtlich beabſichtigten — Verbrechen ſo groß ſein kann,
daß der ordentliche Strafrahmen zu deren Unterbringung
nicht ausreicht. Jn der That gibt es auch in Wirklichkeit
eine ideale Concurrenz nicht. Wo immer eine Handlung
zwei Willensrichtungen aufzeigt, und zwei Rechtsverletzungen
vorliegen, iſt eine reale Concurrenz begründet, ſollte auch die
Handlung ſelbſt ihrem materiellen Jnhalt nach ſich nur als
eine erweiſen. Wo aber eine Handlung nicht zugleich mehrere
Willensrichtungen aufzeigt, kann überhaupt von einer Concur-
renz nicht die Rede ſein (Hälſchner l. c. John flg. V. m. Abh.
aus dem Strafrecht 1862, S. 112). — Daß man in Verkennung
des richtigen Geſichtspunkts eine ideale Concurrenz inſtituirt
und hierbei das Weſen der Strafbarkeit in der einen und
ſelben Handlung findet, führt denn auch dahin, daß, wenn
einmal dieſe Handlung in der Richtung auch nur von einer
der von ihr verurſachten Rechtsverletzungen zum Gegenſtand
eines Unterſuchungsverfahrens geworden war, hiermit zugleich
ihre Beziehungen zu ſämmtlichen anderen Rechtsverletzungen
zur Erledigung kommen, ſollte auch, bevor die übrigen, klar
erwieſenen, bekannt wurden, eine Freiſprechung ſtattgefunden
gehabt haben, beziehungsweiſe die bereits abgeurtheilte Rechts-
verletzung mit der leichteſten Strafe bedroht geweſen ſein. —
Ganz richtig dürfte aber auch §. 79 des Strafgeſetzbuches nicht
ſein, welcher in Betreff der realen Concurrenz vorſchreibt, daß
die hierfür in §. 74 getroffenen Beſtimmungen ſo lange in
Anwendung gebracht werden ſollen, als nicht eine bereits
erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt. Denn,
da der Grund, auf welchem die Vorſchrift des §. 74 baſirt,
ein materieller iſt (ſ. u.), welcher durch eine Strafverbüßung,
Verjährung, Straferlaß nicht beſeitigt wird, ſo muß derſelbe
hierdurch auch unbehelligt bleiben, und es können daher die
vor der Verurtheilung noch weiter begangenen erſt nach-
träglich zur Verantwortung gezogenen Rechtsverletzungen
keine andere Strafe erleiden, als ihnen auch ohne die in der
Mitte liegende Strafverbüßung u. ſ. w. zuerkannt worden
ſein würde. — Zu der realen Concurrenz wird aber ferner-
hin auch das ſ. g. fortgeſetzte Verbrechen zu rechnen
ſein. Daß auch dieſe Erſcheinungsform des Verbrechens zu den
rechtlichen Unmöglichkeiten gehört, und nur zur Ausgleichung
der ſeitherigen unrichtigen Beſtimmungen über Concurrenz
erſonnen worden iſt, iſt bereits in m. cit. Abh. nachzuweiſen
verſucht worden. Es wurde hierbei namentlich darauf hin-
gewieſen, daß bei ſucceſſiv verurſachten Rechtsverletzungen der
ſubjective und objective Gehalt der nachfolgenden Rechtsver-
letzung ſich ſo ſehr vermindern — freilich unter entſprechenden
Verhältniſſen aber auch erhöhen — könne, daß auch die
geringſte Strafe der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung für ſie
als zu hoch erſcheine; und daß, wenn demgemäß die Geſetz-
gebung die Befugniß ertheile, bei der Beſtrafung der nach-
folgenden Rechtsverletzungen unter das geſetzliche Minimum
der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung, nöthigenfalls bis zum
Nullpunkt, herunter zu gehen, man ſeine Zuflucht nicht länger
zu der Form des fortgeſetzten Verbrechens zu nehmen brauche.
Obgleich nun jetzt dieſe Befugniß von dem deutſchen Straf-
geſetzbuch geſtattet worden iſt, ſo wird doch, neuerdings wieder
von Stemann Gerichtsſaal 1872 S. 23 flg. behauptet, daß
dennoch das fortgeſetzte Verbrechen noch fernerhin ſeine
Exiſtenz beibehalten habe. Erfüllt aber jeder Act des fort-
geſetzten Verbrechens den geſetzlichen vollen ſubjectiven und
objectiven Thatbeſtand des betreffenden Verbrechens, wie kann
da der Thäter berechtigt ſein, ſich aus mehreren ſolcher ſelbſt-
ſtändiger Thatbeſtände einen einzigen zu componiren, und ſo-
mit die einzelnen Acte ihrer geſetzlichen Selbſtſtändigkeit zu
entkleiden? Hierzu wäre eine beſondere geſetzliche Ermäch-
tigung erforderlich, welche von dem deutſchen Strafgeſetzbuche
nirgends ertheilt worden iſt, und die namentlich aus §. 74
des Strafgeſetzbuches nicht demonſtrirt werden kann. Denn,
wenn auch hier von „mehreren ſelbſtſtändigen Handlungen“
die Rede iſt, ſo iſt doch damit nicht geſagt, daß mehrere
nach dem Geſetz wirklich ſelbſtſtändige Handlungen irgend-
wie zu unſelbſtſtändigen qualificirt werden könnten. Es ent-
fällt dieſes Argument (Schwarze, Commentar S. 274) für
die Fortexiſtenz des fortgeſetzten Verbrechens um ſo mehr,
als es nach dem Strafgeſetzbuche wirklich Mehrheiten
von Handlungen gibt, welche, obwohl jede, an und für ſich
betrachtet, eine ſelbſtſtändige Rechtsverletzung enthält, doch
nicht concurriren, weil ſie als unſelbſtſtändige aufgefaßt
werden. Das Anzünden eines Hauſes an verſchiedenen
Stellen würde hierher gehören. Aber wenn auch dem Geſetze
ein ſolches Zuſammenfaſſen an und für ſich ſelbſtſtändiger
Handlungen unter einen gemeinſchaftlichen Geſichtspunkt —
als fortgeſetztes Verbrechen — zuſteht, ſo doch nicht dem
Thäter.
Es dürfte ſich aus dieſen Ausführungen ergeben haben,
daß mehrere Rechtsverletzungen ſtets nur reell concurriren
können, und daß in der Conſtruction der allgemeinen ſtraf-
rechtlichen Principien kein Hinderniß beſteht, auch die Haftbarkeit
für die durch eine gemeingefährliche Handlung verurſachten
mehreren Rechtsverletzungen — wie ſonſt überall — aus
dem Verhältniß der Subjectivität zu dieſen Rechtsverletzungen
abzuleiten. — Gerade vielleicht in der Erwägung, daß die
mehreren durch eine gemeingefährliche Handlung angerichteten
Rechtsverletzungen nur ideell concurrirten — beziehungsweiſe
die durch eine ſolche Handlung verurſachte Eigenthums-
beſchädigung von ſo außerordentlichem Umfang ſein könne,
daß zur Beſtrafung dieſer Rechtsverletzungen der ordentliche
Strafrahmen nicht ausreiche, iſt man dahin gelangt, bei
Beurtheilung der gemeingefährlichen Verbrechen von den
allgemeinen rechtlichen Grundſätzen abzugehen und aus dieſen
Verbrechen ganz beſonders geartete Verbrechen zu geſtalten.
Man ſieht hierbei, obwohl die gemeingefährlichen Verbrechen
eminent materieller Natur ſind, von dem Verhältniß des
Willens zu dem Erfolge ganz ab, legt, indem man
einen polizeilichen Geſichtspunkt zu einem criminellen ſtempelt,
das Hauptgewicht in die Gemeingefährlichkeit der Handlung,
erklärt alſo die beſondere Beſchaffenheit des gebrauchten
Mittels für das Weſen des Verbrechens und betrachtet den
Erfolg, ſei er Tödtung, Körperverletzung oder Eigenthums-
beſchädigung, nur als ein Moment für die Strafausmeſſung,
wodurch man denn zur Fixirung maßlos ausgedehnter Straf-
rahmen genöthigt wird, um alle möglichen Erfolge in denſelben
unterbringen zu können.
Das deutſche Strafgeſetzbuch hat ſogar bei dem
Verbrechen der Brandſtiftung von einer beſonderen Her-
vorhebung der Gemeingefahr ganz abſtrahirt. Es ſoll viel-
mehr ſchon derjenige, welcher eine der in §. 306 bezeichneten
Sachen angezündet hat, ohne Weiteres ſo angeſehen werden,
als habe er eine Gemeingefahr erregt. Beſondere Unter-
ſcheidungen ſind in dieſem Paragraphen nirgends enthalten.
Es müſſen daher diejenigen, welche ein mitten in einer Felſen-
oder Waſſerwüſte einſam gelegenes, nur von ihnen ſelbſt
bewohntes und ihnen ſelbſt gehöriges — nicht einmal gegen
Feuersgefahr verſichertes — Haus oder Schiff vorſätzlich in
Brand geſetzt haben, mit Zuchthaus von 1 — 15 Jahren
beſtraft werden. Nach einem verbrecheriſchen Thatbeſtand
wird man aber hier vergeblich ſuchen. — Mit der nämlichen
Strafe wird derjenige belegt, welcher ein zu gottesdienſtlichen
Verſammlungen beſtimmtes Gebäude anzündet. Angenommen
aber, auch dieſes Gebäude habe eine Lage gehabt, nach welcher
das Feuer ſich unmöglich weiter verbreiten konnte, ſo würde,
wenn das Gebäude ein fremdes war, lediglich eine Sach-
beſchädigung vorliegen, und es läßt ſich dann nicht einſehen,
warum, wenn die Zerſtörung eines ſolchen Gebäudes mittels
Anwendung von Werkzeugen nach §. 305 des Strafgeſetz-
buches im Maximum nur mit 5 Jahren Gefängniß beſtraft
werden kann, gerade die Anwendung von Feuer eine ſo
außerordentlich höhere Strafe, bei welcher nicht einmal
Milderungsgründe nachgelaſſen ſind, nach ſich ziehen ſoll. —
Ebenſowenig iſt unter der gleichen Vorausſetzung dieſe Strafe
gerechtfertigt, im Falle die angezündete Räumlichkeit zwar
zum zeitlichen Aufenthalte von Menſchen diente, zur Zeit
der Brandſtiftung aber Menſchen ſich in Wirklichkeit nicht in
derſelben befanden.
Jn §. 307 wird ſogar Zuchthausſtrafe von 10—15
Jahren alternativ mit lebenslänglichem Zuchthaus für die
ſub 1, 2 und 3 angeführten Fälle der Brandſtiftung
angedroht. Es mag nun davon abgeſehen werden, daß
die alternative Androhung von zeitlicher und lebensläng-
licher Freiheitsſtrafe gerade ſo ungeeignet erſcheinen muß,
als wenn man eine relative Strafe neben die Todesſtrafe
ſtellen wollte. Aber muß dieſe Strafbeſtimmung denn
nicht für eine maßloſe erachtet werden, wenn zwei Ehe-
leute ſich verabredet haben, ihr einſam gelegenes Haus an-
zuzünden, und durch die Brandlegung der Tod der Frau
— aus eigener Unvorſichtigkeit — herbeigeführt wird,
von welcher der Ehemann aus guten Gründen annahm,
daß ſie das Haus bereits verlaſſen habe, oder dasſelbe
noch werde verlaſſen können, als er es in Brand ſetzte?
Der Schütze, welcher in größter Frevelhaftigkeit einem Andern
die Pfeife aus dem Munde zu ſchießen gedachte, denſelben
aber durch ſeinen Schuß tödtete, wird wegen fahrläſſiger
Tödtung nur mit Gefängniß bis zu 3 Jahren geſtraft,
und die in Anſehung der Tödtung ſelbſt ganz ſchuldloſe
Tödtung durch Feuer ſoll ſogar mit lebenslänglicher Freiheits-
ſtrafe belegt werden können! Nicht einmal derjenige kann
eine ſolche Strafe erhalten, welcher vorſätzlich im Affect eine
noch ſo große Anzahl von Menſchen getödtet hat, inſofern
nur nicht ſeine Handlung zu den von dem Strafgeſetzbuche
als gemeingefährlich bezeichneten gehörte. Die von dem
Strafgeſetzbuche beigefügte Beſchränkung, daß ſich der getödtete
Menſch zur Zeit der That in einer der in Brand geſetzten
Räumlichkeiten befunden haben müſſe, iſt irrationell. Denn
da die Tödtung nicht im Zuſammenhang mit einer hierauf
gerichteten Verſchuldung des Willens zu ſtehen braucht, die
Strafe für Tödtung vielmehr lediglich durch das objective
Ergebniß der Handlung bedingt ſein ſoll, ſo müßte ſie auch
überall eintreten, wo nur überhaupt Cauſalzuſammenhang
zwiſchen der Brandſtiftung und Tödtung beſteht — auch
dann, wenn bei dem Löſchen des Feuers eine Perſon das
Leben verloren hat. — Die nämliche Strafe ſoll ausgeſprochen
werden, wenn die Brandſtiftung in der Abſicht begangen wurde,
unter Begünſtigung derſelben Mord oder Raub auszuführen.
Auch hier wirft ſich wieder die Frage auf, warum denn gerade
nur durch die Anwendung von Feuer dieſe abſonderliche Be-
ſtimmung bedingt ſein, warum namentlich dieſelbe Beſtimmung
nicht Platz greifen ſoll, wenn mit der nämlichen Abſicht eine
Ueberſchwemmung oder überhaupt eine andere gemeingefährliche
Handlung unternommen worden iſt. Eine auf Ausführung
von Raub oder Mord ſelbſt gerichtete Handlung iſt für die
Anwendbarkeit der betreffenden Beſtimmung nicht erforderlich,
und es erſcheint darum die Brandſtiftung zugleich lediglich
als eine Vorbereitung für dieſe Verbrechen. Will man aber
bereits die Vorbereitung zu Raub und Mord beſtrafen, ſo treffe
man hierfür bei dieſen Verbrechen ſelbſt die geeignete Vor-
ſorge. — Die Beſeitigung von Löſchgeräthſchaften endlich
dürfte als bloßer Erſchwerungsgrund genügend in Betracht
gezogen werden können.
Nach §. 308 ſoll das vorſätzliche Anzünden von Vor-
räthen u. ſ. w. mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren beſtraft
werden, inſofern dieſe Gegenſtände fremdes Eigenthum ſind,
oder ſie, inſofern ſie dem Brandſtifter gehören, das Feuer
den in §§. 306, 308 genannten Gegenſtänden mittheilen
können. Sind aber die Vorräthe u. ſ. w. fremdes Eigen-
thum, und kommt es hierbei nicht darauf an, ob ſie das
Feuer weiter verbreiten können oder nicht, ſo liegt lediglich
eine Sachbeſchädigung vor. Es ſind in den §§. 304, 305
des Strafgeſetzbuches Sachen aufgeführt, welche werthvoller
ſein können als die Gegenſtände des §. 308. Und wenn
das Beſpritzen ſämmtlicher Gemälde der Dresdener Gallerie
mit ätzender Säure, oder auch das Zerſtören derſelben durch
Feuer, nur mit Gefängniß bis zu 3 Jahren beſtraft wird,
ſo läßt ſich nicht einſehen, warum die Beſchädigung der
Gegenſtände des §. 308 durch Feuer ohne Ausnahme mit
ſo exorbitanten Strafen belegt werden ſoll. — Die Möglich-
keit der Weiterverbreitung des Feuers von dieſen auf andere
der bezeichneten Gegenſtände, wie etwa auf das eigne einſam
gelegene Haus, bedingt aber auch nicht überall eine Gemein-
gefahr. — Ueberdies iſt es auffallend, daß bei der vorſätzlichen
Brandſtiftung nach §. 308 der Tödtung eines Menſchen
keine beſondere Erwähnung geſchieht. Es müſſen daher hier
die gewöhnlichen Regeln zur Anwendung kommen, und es
erſcheint darum um ſo ungerechtfertigter, daß derjenige,
welcher fahrläſſiger Weiſe einen Brand der in §§. 306,
308 bezeichneten Art verurſacht, für eine hierdurch veranlaßte
Tödtung ſelbſt dann beſtraft werden ſoll, wenn ihm in
Anſehung der Tödtung ſelbſt eine Fahrläſſigkeit nicht zur
Laſt fällt.
Hätte aber auch, wie dies jedenfalls richtiger geweſen
wäre, das Strafgeſetzbuch die von ihm für die Brandſtiftung
vorgeſehenen beſonderen Strafen nur für den Fall einer
wirklich mit derſelben verbundenen Gemeingefahr vorge-
ſchrieben, ſo würde immerhin die Behandlung dieſes Ver-
brechens nicht für zutreffend erachtet werden können. Es
würde dann das Anzünden eines fremden Hauſes ohne
Erregung von Gemeingefahr nach §. 305 des Strafgeſetz-
buches im Maximum nur bis zu 5 Jahren Gefängniß zu
beſtrafen ſein. Hätte aber der Thäter das Bewußtſein gehabt,
daß möglicher Weiſe das Feuer ſich weiter verbreiten könne,
ſo würde, wenn ſchon er dieſes Ereigniß von ſeinem Willen
ausgeſchloſſen, und auch wirklich das Feuer ſich auf das an-
gezündete Haus beſchränkt hatte, das Maximum der Strafe
15 Jahre Zuchthaus betragen. Dieſe Differenz in der Straf-
androhung würde hiernach lediglich darauf baſirt ſein, daß
der Thäter ſich der Gemeingefährlichkeit ſeiner Handlung
bewußt, und vielleicht auch Unruhe und Beſorgniß verbreitet
worden war. Daß jedoch durch dieſe Thatſache eine ſo
außerordentliche Strafſchärfung nicht gerechtfertigt werden
kann, ergibt ſich aus dem Strafgeſetzbuche ſelbſt. Denn
derjenige, welcher mit dem Bewußtſein, daß er ſeine gefährliche
Krankheit über einen großen Diſtrict verbreiten könne, die
Abſperrungs- und Aufſichtsmaßregeln der zuſtändigen Behörde
verletzt, hat gleichfalls eine gemeingefährliche Handlung unter-
nommen, er hat vielleicht Unruhe und Beſorgniß in weit
intenſiverem Grade verbreitet, als dies durch eine Brand-
ſtiftung geſchieht, die Krankheit hat vielleicht wirklich Andere
erfaßt, und er erhält dennoch nach §. 327 im Maximum nur
3 Jahre Gefängniß (ſ. auch §. 369, 7). Es iſt ſogar im
Allgemeinen die bloße Erregung von Gemeingefahr überhaupt
nicht ſtrafbar. Wer eine Pulverfabrik nachläſſig betreibt, wer
durch den Betrieb ſeines Steinbruchs Felsmaſſen derart
lockert, daß ſie demnächſt eine Mehrheit von Häuſern zer-
ſchmettern können, erregt gleichfalls in hohem Grade eine,
durch polizeiliches Einſchreiten nicht immer zu beſeitigende,
Gemeingefahr und wird doch ſtets erſt dann beſtraft, wenn
wirklich ein Erfolg ſeiner Handlung eingetreten iſt. Warum
nun da gerade bei Brandſtiftung und Ueberſchwemmung die
Erregung der Gemeingefahr mit einer ſo außerordentlichen
Erhöhung der an ſich verdienten Strafe bedroht wird, iſt
nicht einzuſehen.
Die Verurſachung einer Ueberſchwemmung iſt
an und für ſich — inſofern ſie nicht den Charakter der
Sachbeſchädigung annimmt, ſie ſich alſo auf die Zerſtörung
der eigenen Dämme und Fluren beſchränkt — nicht ſtrafbar.
Jſt aber die Ueberſchwemmung mit gemeiner — mit einiger
Wahrſcheinlichkeit als bevorſtehend vorausgeſehener — Gefahr
für Menſchenleben oder für das Eigenthum Anderer verbunden
geweſen, ſo wird ſie nach §§. 312, 313 des Strafgeſetzbuches
mit Zuchthaus von 3—15 Jahren, und, wenn ein Menſch das
Leben durch ſie verloren hat, mit Zuchthaus von 10—15
Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus, beziehungsweiſe
mit Zuchthaus von 1—15 Jahren beſtraft, ſollte ſie ſelbſt
weder der Abſicht des Thäters noch ihrem wirklichen Effect
nach ſtrafbar ſein. Daß die bloße Erregung von Gemein-
gefahr nicht mit ſo maßloſen Strafen bedroht werden darf,
iſt ſchon angeführt worden, und es ergibt ſich auch leicht,
daß die Strafen der §§. 312, 313 weniger für die Handlung
ſelbſt, als gerade mit Rückſicht auf die Unterbringung der
möglichen Reſultate derſelben vorgeſchrieben worden ſind.
Daß, wenn die Handlung mit Gefahr für Menſchenleben
und, was ſtets hiermit vereinigt ſein wird, zugleich mit
Gefahr für Eigenthum verbunden war, eine Concurrenz
zwiſchen §. 312 und 313 begründet ſei, wird wohl nicht
angenommen werden können; ſowie auch eine ſolche Concur-
renz nicht gegeben ſein dürfte, wenn die Handlung lediglich
mit Gefahr für die Geſundheit von Menſchen verbunden
war. Ebenſo wird es keinem Zweifel unterliegen, daß §. 312
auch dann Anwendung zu finden hat, wenn die Handlung die
Tödtung von Menſchen (und die Beſchädigung von Eigenthum)
geradezu bezweckte — weil die hier für die Tödtung vorgeſchrie-
bene Strafe ſogar höher iſt, als ſie erkannt werden dürfte,
wenn man von dieſem Paragraphen abſehen wollte. Darum
lautet §. 312: wer eine Ueberſchwemmung verurſacht mit dem
Bewußtſein, daß ſie mit einiger Wahrſcheinlichkeit Menſchen-
leben, menſchliche Geſundheit und Eigenthum gefährden werde,
der wird, ſeine Abſicht mag hierauf gerichtet geweſen ſein
oder nicht, es mögen die Erſcheinungen in größerem oder
geringerem Umfang, als ſie erwartet wurden, ſämmtlich oder
nur einzeln, eingetreten, oder auch alle ausgeblieben ſein,
mit Zuchthaus von 3—15 Jahren — beziehungsweiſe wenn
es ſich um eine herbeigeführte Tödtung handelt, mit Zuchthaus
von 10—15 Jahren, oder auch mit lebenslänglichem Zuchthaus
beſtraft. Da hat man denn allerdings Alles hübſch beiſammen,
und es iſt nur Schade, daß man die überlegte Tödtung
eines Menſchen durch Ueberſchwemmung, weil ſie eben als
Mord mit einer noch höheren Strafe bedroht iſt, nicht eben-
falls unter dieſen Strafrahmen unterbringen kann. Wie es
ſich hierbei mit der nothwendigen Beſchränkung des Ermeſſens
des Richters verhält, dem für den geringſten ſtrafbaren Effect
die höchſten Strafen zu Gebote geſtellt ſind, iſt freilich eine
andere Frage.
Billigenswerther hingegen erſcheinen die Beſtimmungen
in §§. 317, 318 zum Schutze der Telegraphenanſtalten. Die
mit Gefängniß von 1 Monat bis zu 3 Jahren bedrohten
Handlungen haben die Störung des telegraphiſchen Verkehrs,
die ohne gleichzeitige auf Sachbeſchädigung, Körperverletzung
und Tödtung gerichtete Abſicht ſtattfinden kann, zum ſelbſt-
ſtändigen Angriffsobject, und es entſpricht hier die angedrohte
Strafe der Verſchuldung. — Jmmerhin macht Schwarze mit
Recht in ſeinem Commentare darauf aufmerkſam, daß auch
die Störung des telegraphiſchen Verkehrs, inſofern etwa
Hülfe zur Löſchung eines ausgebrochenen Brandes herbei-
gerufen werden ſollte, gemeingefährlich ſein könne. Darum
ſtimmt es nicht mit den vorausgegangenen Paragraphen, daß
dieſer Geſichtspunkt außer Berückſichtigung gelaſſen und die
Beurtheilung der etwa noch weiter durch eine ſolche Störung
herbeigeführten Erfolge für Leben, Geſundheit und Eigen-
thum den allgemeinen Regeln anheimgegeben worden iſt. —
Auch der Verſuch hätte übrigens hier mit Strafe bedroht
werden ſollen.
Der §. 321 ſieht bei der Androhung ſeiner hohen
Strafen für das objective Ergebniß der vorſätzlichen Zer-
ſtörung von Waſſerleitungen u. ſ. w. von der Gemein-
gefährlichkeit der Handlung ab und hätte darum umſomehr
dieſe Strafen durch das Vorhandenſein von dolus oder culpa
bedingt ſein laſſen ſollen. Jedenfalls iſt es ungeeignet, daß
derjenige, welcher mit dem Bewußtſein ihrer Gefährlichkeit
ſeine Handlung, deren Erfolg er aber nicht will, vornimmt,
im Falle des Ausbleibens des Erfolgs wegen Vergehens mit
Gefängniß, im Falle ſeines Eintritts aber wegen Verbrechens
mit Zuchthaus zu beſtrafen iſt. Denn das Vergehen wird
hier lediglich durch ein objectives Ereigniß ohne alle weitere
Verſchuldung der Subjectivität in ein Verbrechen umgewandelt.
— Der Verſuch wird auch hier nicht beſonders als ſtrafbar
erklärt. Er kann alſo nur als Verſuch einer Sachbeſchädigung
in Betracht gezogen und muß, wenn die in §. 321 bezeich-
neten Gegenſtände dem Thäter gehören, ganz ſtraflos gelaſſen
werden.
Aehnliche Einwendungen, wie die ſeither erörterten,
laſſen ſich auch gegen die §§. 315, 316, 322 flg. vorbringen.
Geht man von der unter allen Umſtänden unrichtigen
Anſicht ab, daß der Handelnde, wenn er ſich nur im All-
gemeinen der Gemeingefährlichkeit ſeiner Handlung bewußt
geweſen ſei, für jedes objective Ergebniß derſelben zu haften
habe, ſo ſoll der Richter in den betreffenden geſetzlichen Be-
ſtimmungen die Erleichterung finden, daß er nicht zu unterſuchen
habe, ob die als mit einiger Wahrſcheinlichkeit vorausgeſehenen
Erfolge der gemeingefährlichen Handlung gewollt waren oder
nicht, und ob ſie auch in ihrem vollen Umfange dem Willen
des Handelnden entſprechen. Jn erſterer Richtung aber kann
die in Wirklichkeit gebotene Unterſuchung keine beſondere
Schwierigkeit bereiten. Und wenn auch in letzterer Beziehung
der Richter von der Beweisführung formell entbunden wird,
ſo kann er ſich doch ſelbſt hiervon nicht entbinden, weil er
bei Ausmeſſung der Strafe ſeine Poſition innerhalb des ihm
eingeräumten weitſchichtigen Strafrahmens nehmen, hierfür
aber mit Nothwendigkeit die Frage, inwieweit die eingetretenen
Erfolge von dem doloſen oder fahrläſſigen Willen des
Handelnden umfaßt ſeien, maßgebend ſein muß. — Jedenfalls
aber haben die beſonderen von dem Strafgeſetzbuche auf-
geſtellten Vorſchriften nur gerade Geltung für die beſonders
von ihm bezeichneten gemeingefährlichen Handlungen. Die
übrigen gemeingefährlichen Verbrechen müſſen daher nach den
allgemein gültigen ſtrafrechtlichen Principien beurtheilt werden.
Darum läßt ſich noch weniger einſehen, weshalb denn gerade
für erſtere beſonders eigenthümliche Beſtimmungen haben
aufgeſtellt werden müſſen. Wer eine Orſini’ſche Bombe
unter 20 Menſchen wirft, begeht gerade ſo gut eine gemein-
gefährliche Handlung, als wenn er ein Dorf von 20 Häuſern
anzündet. Das Object ſeines Angriffs iſt in dem einen Fall
gerade ſo ſehr und beziehungsweiſe gerade ſo wenig beſtimmt,
wie in dem andern. Wer eine Pulverfabrik nachläſſig betreibt,
wer einer größeren Anzahl von Menſchen ſtatt des richtigen
Wegs den Weg nach dem Abgrund zeigt, oder ſie durch
falſche Signale dahin lockt, handelt gerade ſo gemeingefährlich,
als wenn er einen Weg abgräbt, oder durch falſche Signale
ein Schiff zum Stranden bringt. — Es ſind die gemein-
gefährlichen Verbrechen im Grunde genommen gar nicht
einmal auf Angriffe auf Leben, Geſundheit und Eigenthum
beſchränkt, es kann vielmehr hierher auch jede Störung
des Gemeinfriedens, Hochverrath, Erregung von Aufruhr
u. ſ. w., vielleicht ſogar Verläumdung durch die Preſſe,
gerechnet werden.
Wenn bei der Tödtung und Körperverletzung für
dolus ſowohl wie für culpa ein beſonderes Maximum vor-
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geſchrieben wird, welches, die Concurrenz mag noch ſo zahl-
reich ſein, unter keinen Umſtänden mit der Strafe über-
ſchritten werden darf, und nebenbei die Vornahme jeder
gemeingefährlichen Handlung für das Leben und für die
Geſundheit unter Strafe geſtellt wird, um hier die auch ohne
Erfolg gebliebene Fahrläſſigkeit beſtrafen zu können; wenn
ferner bei der Sachbeſchädigung die befriedeten Gegen-
ſtände, etwa mit Erhöhung des Maximums auf 5 Jahre
Gefängniß, unter einen Paragraphen zuſammengefaßt werden,
zugleich für concurrirende Sachbeſchädigungen und Sach-
beſchädigungen von außerordentlichem Umfang ein weiteres,
überhaupt nicht zu überſchreitendes, Maximum vorgeſehen,
und die Fahrläſſigkeit bei der Vornahme gemeingefährlicher
Handlungen — ſie mag einen Erfolg verurſacht haben oder
nicht — mit Strafe bedroht wird, ſo dürften auch die von
dem Strafgeſetzbuche beſonders hervorgehobenen für Leben,
Geſundheit und Eigenthum gemeingefährlichen Verbrechen
und Vergehen eine ausreichende Beurtheilung nach allgemeinen
ſtrafrechtlichen Grundſätzen zulaſſen.
IV. Zuſammentreffen der cauſalen Thätigkeit
mehrerer Perſonen.
Es iſt bereits erörtert worden, daß die auch nur
mitwirkende Urſache den ganzen Erfolg herbeiführt, daß aber,
um für denſelben haftbar zu werden, der Willenszuſammen-
hang des Thäters nicht unterbrochen worden ſein darf, der-
ſelbe alſo die ſeiner Thätigkeit vorangegangenen, gleichzeitigen
und nachfolgenden fremden Wirkſamkeiten als mit einiger
Wahrſcheinlichkeit bereits vorhanden oder bevorſtehend ein-
geſehen haben muß, oder doch ohne Fahrläſſigkeit eingeſehen
haben würde. Ob dieſe fremden Urſachen von einer menſch-
lichen Handlung oder von bewußtlos wirkenden Kräften her-
rühren, iſt gleichgültig. Es kann für die ſubjective Ver-
ſchuldung des Thäters nicht releviren, ob auch ein Anderer
eine Verſchuldung auf ſich geladen, dolos fahrläſſig oder ohne
alle Verſchuldung gehandelt hat. Ob die eine oder die andere
Willensform bei einem Dritten vorliege, intereſſirt ihn nur
inſofern, als ihm die Bekanntſchaft mit deſſen Subjectivität
darüber Aufſchluß zu ertheilen vermag, ob er ſich einer Mit-
wirkſamkeit von demſelben verſehen könne. Sollte er auch
irrthümlich die fremden Wirkſamkeiten bewußtlos wirkenden
Kräften zugeſchrieben haben, während ihnen menſchliche
Willkür zu Grunde lag, und umgekehrt, ſo thut das nichts
zur Sache. — Haftet aber hiernach Jeder von Mehreren
für den durch das Zuſammentreffen der Thätigkeit Aller
hervorgebrachten Erfolg ſchon dann, wenn er die Thätigkeit
der Andern lediglich vorausgeſehen hat, ſo verliert hierdurch
das Complott, in welchem durch das gegenſeitige Bewußtſein
das Vorausſehen der mitwirkenden Kräfte nur potenzirt ent-
halten iſt, ſeine rechtliche Bedeutung (m. Abh. 1862. Gerichts-
ſaal l. c.).
Zu abweichenden Reſultaten kommt von Bar S. 22 flg.
Er unterſcheidet, ob für denjenigen, welcher eine regelwidrige
Handlung vorgenommen habe, die ſpätere Handlung als eine
nicht zu erwartende, alſo regelwidrige, anzuſehen ſei, oder
nicht.
Jm erſteren Falle liege die Urſache lediglich in der
letzten Handlung. Hätten aber beide Perſonen gleichzeitig
5*
regelwidrig gehandelt, ſo ſei für jede die (ſtrafbare) Urſache
des Erfolgs begründet. — Der Zeitpunkt, zu welchem
gehandelt wurde, muß jedoch jedenfalls als gleichgültig
erſcheinen, und es könnte vielmehr nur darauf ankommen, ob
ſich die Wirkſamkeit der regelwidriger Handlung — ſie ſei
die frühere, ſpätere oder eine gleichzeitige — früher oder
ſpäter oder gleichzeitig zur Geltung gebracht hat, als die-
jenige der andern regelwidrigen Handlung. Dann aber
würde, wenn die Wirkſamkeiten ſolcher regelwidriger Hand-
lungen, bevor die eine oder die andere das bedrohte Object
erreichen konnte, ſich vereinigt haben und nunmehr erſt zum
Ziele gelangen, wegen Gleichzeitigkeit der Wirkſamkeiten ſtets
in jeder Handlung, die Urſache des Erfolgs liegen. Und
dies müßte ſogar auch in dem Falle, wenn die eine Wirk-
ſamkeit bereits das bedrohte Object getroffen hat, als ſich die
andere hinzugeſellte, bezüglich Deſſen angenommen werden,
was nach der ſtattgefundenen Vereinigung der beiden Wirk-
ſamkeiten noch gemeinſam — gleichzeitig — von denſelben
herbeigeführt wurde. Haben hiernach zwei Perſonen unab-
hängig von einander, die eine von der Land-, die andere
von der Waſſerſeite her, den Damm durchbrochen, ſo würden
ſie beide für die durch ihre vereinigte, gleichzeitige, Wirk-
ſamkeit herbeigeführte Vollendung haftbar ſein. Ebenſo
wenn, ohne von einander etwas zu wiſſen, A dem C 500
für die Vornahme eines Verbrechens bietet, ſodann B,
während C noch deliberirt, demſelben die gleiche Offerte
macht, und nunmehr durch das Gebot von 1000 der Ent-
ſchluß herbeigeführt wird. Damit wäre man denn aber zu der,
von v. Bar ſelbſt beſtrittenen, Anſicht gelangt, daß ſchon das
Gewollthaben der eigenen Mitwirkſamkeit und des Erfolgs
die Haftbarkeit für Vollendung nach ſich zieht, ſollten ſelbſt
die andern zu der eigenen hinzugetretenen Mitwirkſamkeiten
ganz unberechenbar geweſen ſein. — Die Gleichzeitigkeit des
Handelns iſt es nicht, welche, wenn A und B beliebig regel-
widrig auf einem Billard Bälle ſtoßen und nun die Bälle,
zuſammentreffend, Schaden anrichten, die Haftbarkeit hierfür
für Jeden nach ſich zieht, ſondern der Umſtand, daß Beide
auf dieſes Ereigniß gefaßt ſein mußten. — Es ſieht ſich
v. B. nur darum zu der Behauptung genöthigt, daß die
gleichzeitige, nicht zu erwarten geweſene, Mitwirkſamkeit, die
Haftbarkeit der anderen Mitwirkſamkeit für Vollendung nicht
beſeitige, weil ihm, wie erwähnt, Urſache und Verantwortlich-
keit für die Urſache das Nämliche bedeutet, und ſomit andern-
falls eine Urſache überhaupt nicht vorliegen würde. — Richtig
hingegen iſt zwar die Anſicht v. B., es könne nichts darauf
ankommen, ob die frühere Mitwirkſamkeit auch ohne den Hin-
zutritt der nachfolgenden Wirkſamkeit den Erfolg herbeigeführt
haben würde, und es entfalle darum die Verantwortlichkeit
der früheren Mitwirkſamkeit, wenn durch die zweite Wunde
der tödtliche Ausgang der erſten auch nur beſchleunigt worden
ſei — aber inconſequent, weil hier in Betreff der Herbei-
führung des Todes eine Gleichzeitigkeit der früheren und
ſpäteren Mitwirkſamkeit vorliegt. Uebrigens iſt doch darauf
zu achten, daß die zweite Wirkſamkeit, wenn durch ſie die Haft-
barkeit der anderen beſeitigt werden ſoll, eine meßbare ſein
muß. Läßt ein Zweiter in die aus dem zerſtörten Damme
hervorbrechenden Fluthen den Jnhalt eines Waſſertrogs aus-
laufen, ſo kann, wenn ſchon die Waſſermaſſe hierdurch ver-
größert wird, doch von einer Mitwirkſamkeit keine Rede ſein.
Unrichtig dürfte auch nach dieſer Richtung die Anſicht
Schütze’s Lehrbuch S. 381 N. 9 ſein, daß die Verantwort-
lichkeit für volle Cauſalität davon abhänge, ob in der eigenen
Wirkſamkeit die überwiegende Urſache des Erfolgs gelegen
ſei. Denn, wenn man auch davon abſehen könnte, daß die
Mitwirkſamkeit den ganzen Erfolg verurſache, ſo darf man ſich
denn doch in Betreff der Haftbarkeit für Vollendung nicht
damit begnügen, daß der Thäter den Erfolg nur zum
größeren Theile verurſacht zu haben brauche.
War hingegen die ſpätere Thätigkeit einer anderen
Perſon für den zuerſt Handelnden keine unerwartete,
ſo unterſcheidet v. B. 1) den Fall, wo der ſpäter Thätige
nicht weiß, daß durch ſeine Thätigkeit in Verbindung mit
der früheren Thätigkeit des zuerſt Handelnden ein beſtimmter
Erfolg als der regelmäßige ſich ergeben werde; und 2) den
Fall, in welchem der ſpäter Thätige dies weiß. — Zu 1)
müſſe wieder unterſchieden werden, ob das Nichtwiſſen des
zuletzt Handelnden unverſchuldet ſei, oder als ein regelwidriges
erſcheine. Jm erſten Fall ſei der zuerſt Thätige, im zweiten
der zuletzt Thätige (ſtrafbare) Urſache. — Zu 2 aber ſeien
beide (ſtrafbare) Urſache. — Es liegt aber hierin zunächſt
ein Widerſpruch mit der eigenen Theorie, denn die voraus-
geſehene, an ſich unregelmäßige, Zwiſchenurſache ſoll ja in
Wirklichkeit nicht unregelmäßig ſein. Sodann aber hätte es
jedenfalls einer beſonderen Begründung bedurft, inwiefern
denn, wenn die ſpäter hinzugetretene Wirkſamkeit eine er-
wartete war, das Wiſſen oder das — verſchuldete oder
unverſchuldete — Nichtwiſſen des zuletzt Handelnden von
irgend welchem Einfluß auf den Cauſalzuſammenhang und
beziehungsweiſe die Verantwortlichkeit des zuerſt Handelnden
für denſelben ſein könne. — Die gewählten Beiſpiele ſind
auch hier wieder zur Klarſtellung des Sachverhalts ungeeignet.
Gewiß liegt vollendeter Mord für A vor, wenn B die ihm
vorgeſetzte Speiſe ohne Kenntniß von der ſtattgefundenen
Vergiftung genoſſen hat, während, wenn B dieſe Kenntniß
beſeſſen hätte, für A höchſtens ein Verſuch hätte zur Exiſtenz
kommen können. Allein der Grund hiervon iſt lediglich
darin enthalten, daß an einem Einwilligenden überhaupt ein
vollendetes Verbrechen nicht begangen werden kann. Es
haftet auch A freilich nicht, wenn B trotz der aufgeſtellten
Warnungszeichen aus Unvorſichtigkeit in den geöffneten
Brunnen fällt. Aber nicht darum nicht, weil B unvorſichtig
geweſen iſt, ſondern weil er dieſe Unvorſichtigkeit nicht hatte
vorausſehen können. Daß, wenn dies der Fall war, A für
Vollendung einſtehen muß, gibt v. B. ſogar ſofort ſelbſt zu.
Einer beſonderen Erörterung wird v. B. der Fall unter-
zogen, daß die von A ausgegangene, durch die hinzugetretene
Thätigkeit des B zum Erfolge hingeführte, Wirkſamkeit eine
fahrläſſige geweſen iſt. Meiner Anſicht nach kommt es
auch hier wieder lediglich darauf an, ob A den Hinzutritt
der fremden Wirkſamkeit als wahrſcheinlich bevorſtehend
vorausgeſehen hat, oder doch bei einiger Aufmerkſamkeit vor-
ausgeſehen haben würde. Und es relevirt alsdann auch hier
nicht, ob dieſe fremde Wirkſamkeit diejenige einer Naturkraft
oder des B geweſen iſt — noch viel weniger, ob B unver-
ſchuldet, fahrläſſig oder dolos gehandelt hat. Anderer Anſicht
iſt v. B. Wenn zwei Kutſcher an einer Straßenecke einander
entgegenjagen, ſo ſollen ſie beide wegen der Gleichzeitigkeit
ihrer Thätigkeit Urſache der entſtandenen Beſchädigung ſein
— inſofern ſie von einander nichts gewußt haben. Wiſſe
jedoch der ſpäter Thätige, daß der Andere regelwidrig
gehandelt habe, und handle er ſelbſt nun nicht ſo (fahrläſſig
oder dolos), daß der Erfolg vermieden werde, ſo entfalle die
Urſachlichkeit des Andern, und er allein ſei Urſache. —
Würde aber die vorausgegangene culpa durch eine nach-
folgende Verſchuldung wieder beſeitigt, ſo müßte das Näm-
liche bezüglich eines vorausgegangenen Dolus und einer
nachfolgenden Verſchuldung der Fall ſein. Denn der Cauſal-
zuſammenhang iſt derſelbe, es mag ihm Dolus oder Culpa
zu Grunde liegen, und beide — Dolus wie Culpa — ſtellen
eine Verſchuldung des Willens dar. Von der v. B. behaup-
teten Culpacompenſation kann im Strafrecht keine Rede ſein;
es muß hier vielmehr der Satz gelten, daß, wie die eigene
Haftbarkeit durch fremde Verſchuldung nicht begründet, ſo
auch die einmal begründete eigene Verſchuldung durch fremde
Verſchuldung nicht wieder beſeitigt werden kann. — Darum
iſt es auch nichts weniger wie zweifellos, daß, wenn A fahr-
läſſig brennbare Stoffe an einem gefährlichen Orte gelagert
hatte, und B, der dies weiß, mit einem Lichte ſich dahin
begibt, fällt und einen Brand herbeiführt, B alleiniger Urheber
des Unglücksfalls ſei. Es wird vielmehr auch A verhaftet ſein,
wenn er das ſpätere Ereigniß als mit einiger Wahrſchein-
lichkeit bevorſtehend vorausſah oder doch hätte vorausſehen
können. Das muß umſomehr zum Bewüßtſein kommen, wenn
angenommen wird, B habe von dem Vorhandenſein der
brennbaren Stoffe nichts gewußt, dieſes Vorhandenſein aber
bei einiger Aufmerkſamkeit einſehen können. Auch in dieſem
Falle würde er culpos gehandelt haben. So aber, wie v. B.
dieſes Beiſpiel hinſtellt „B, der dies weiß“, könnte man zu
der Annahme verleitet werden, dem B falle Dolus zur Laſt,
deſſen Vorausſehbarkeit dem A hier nicht möglich geweſen
wäre. — Hiernach kann auch die v. B. beigefügte Bemerkung
„ſonſt ſtünde es ja auch in der Macht eines Andern, einen
unvorſichtig Handelnden, aber einen verbrecheriſchen Erfolg
nicht Wollenden, gegen ſeinen Willen willkürlich zum Ver-
brecher zu machen — z. B. Jemand tödte dolo mit der von
einem Andern liegen gelaſſenen Waffe einen Dritten —“
keine Beachtung verdienen. Denn hat, was Vorausſetzung
iſt, A mit einiger Wahrſcheinlichkeit vorausgeſehen oder
vorausſehen können, es werde ſich an ſeine Thätigkeit eine
doloſe Thätigkeit des B anſchließen, ſo liegt der Grund
dafür, daß ihm das Ergebniß der beiden Handlungen als
ein fahrläſſig herbeigeführtes zuzurechnen iſt, ſowohl in ſeiner
eigenen Cauſalität, als aber auch in ſeiner eigenen
Willensverſchuldung. Die nämliche Erſcheinung zeigt ſich,
wenn auch der zweite Thäter nur fahrläſſig gehandelt hatte.
Hier gibt ſogar v. B. ſelbſt zu, daß, wenn A die Pferde
ſchen gemacht habe, ſeine Haftbarkeit dadurch nicht beſeitigt
werde, daß B unvorſichtig aus dem Wagen herausgeſprungen
und hierdurch um das Leben gekommen ſei. Ob das Scheu-
machen der Pferde dolos oder culpos ſtattgefunden hatte,
kann, wie erwähnt, nur dafür releviren, ob der Erfolg zum
Dolus oder nur zur Culpa zuzurechnen iſt.
Nach dieſen Ausführungen kann auch die Caſuiſtik v. B.
S. 53 flg. nicht zutreffend ſein. — Es iſt durchaus kein
Unterſchied begründet, je nachdem Erwachſene oder Kinder
mit dem fahrläſſiger Weiſe liegen gelaſſenen Gewehr ein Unglück
angerichtet haben, inſofern in dem einen wie in dem anderen
Fall das ſpätere Ereigniß vorausſehbar geweſen war. Und
lag dieſe Vorausſehbarkeit nicht vor, ſo iſt in beiden Fällen
gleichmäßig von Strafbarkeit nicht die Rede. Freilich v. B.
ſagt hier (S. 56), für die hinzutretende Thätigkeit unzu-
rechnungsfähiger Perſonen müſſe, wenn ſie nicht eine durch-
aus ungewöhnliche ſei, gehaftet werden, während die freie
Handlung eines Zurechnungsfähigen, ſelbſt eine nur culpoſe,
nicht in der Mitte liegen dürfe. Aber es tritt mit dieſer
objectiven Unterſcheidung plötzlich ohne alle Motivirung ein
Geſichtspunkt hervor, welcher mit der anderen Behauptung,
daß die vorausgeſehene oder vorausſehbar geweſene Zwiſchen-
urſache keine regelwidrige ſei, im Widerſpruch ſteht. — Der
Ulan G. hatte ſich im Wirthshauſe berühmt, er könne auf
einen Zug ein Quart Brandwein austrinken. Der Angeklagte
hatte ihm darauf geſagt, wenn er das thue, ſo wolle er den
Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor-
geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er
ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits-
beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An-
geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin
zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem
G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er
ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit
Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus
nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig-
keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun
v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft
werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene
Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals
brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe
ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den
hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung
erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der
Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich
haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem
ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher
geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen
genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit
das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt
aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen
Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine
Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar
geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei-
führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen
Handlung und Erfolg beſtand.
Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß
auch durch eine ſchuldvolle Unterlaſſung, rechtzeitig ärztliche
Hülfe in Anſpruch zu nehmen, der Cauſalzuſammenhang
unterbrochen werden könne. Es dürfte aber nicht einzuſehen
ſein, wie, wenn die Verletzung ihren natürlichen Verlauf
nimmt, ſchädliche poſitive Einflüſſe ſich alſo zu der Verletzung
nicht hinzugeſellen, der endliche Ausgang derſelben anderen
Kräften zugeſchrieben werden ſoll, als welcher ſich der Thäter
ſelbſt ſchuldvoll bedient hatte. Noch weniger dürfte es er-
klärlich ſein, daß die nämliche Unterlaſſung den Cauſalzu-
ſammenhang unterbrechen oder ganz unangetaſtet laſſen ſoll,
je nachdem ihr eine Verſchuldung des Verletzten zu Grunde
liegt oder nicht. Liegt daher weiter nichts vor als die
Weigerung des Verletzten, ſich einer Amputation zu unter-
ziehen, ſo wird hierdurch, die Amputation mag gefährlich ſein
oder nicht, die Haftbarkeit des Thäters für Vollendung nicht
beſeitigt. Jſt freilich die Verletzung durch ein zweckwidriges
poſitives Verhalten des Verletzten dergeſtalt verſchlimmert
worden, daß daſſelbe als mitwirkende Urſache anzuſehen iſt,
ſo wird hierdurch der Cauſalzuſammenhang zwar auch nicht
unterbrochen, aber es würde ſich dann die Frage aufwerfen,
ob der Thäter hierauf hatte gefaßt ſein müſſen oder nicht,
und ihn im letzteren Fall die Strafe der Vollendung nicht
treffen. War aber der Verletzte ein armer Mann, der mit
der Requirirung eines Arztes nicht ſo ſchnell bei der Hand
und, um ſein tägliches Brod zu verdienen, genöthigt iſt, ſeine
gewöhnliche Lebensweiſe fortzuſetzen, ſeine Profeſſion zu be-
treiben, zum Holzſammeln in den Wald zu gehen und hierbei
zu ſeiner Stärkung Brandwein zu trinken u. ſ. w., ſo wird
der mit dieſen Verhältniſſen bekannte Thäter auch hierfür
einzuſtehen haben, ſollten auch dieſe Handlungen von dem
Verletzten mit dem Bewußtſein ihrer Schädlichkeit unter-
nommen worden ſein. — Die Behauptung, der Thäter habe
kein Recht darauf, daß der Verletzte Dieſes oder Jenes zur
Abwendung des größeren Schadens thue, führe, meint v. B.,
dahin, daß wenn A brennbare Stoffe an einer Stelle deponirt
habe, an welcher ſonſt B, Feuer anzumachen, berechtigt ſei,
B ſogar abſichtlich das Feuer unter die brennbaren Sachen
werfen dürfe — denn A könne ihn ja nicht verpflichten,
etwas nicht zu thun, wozu er ſonſt berechtigt geweſen wäre.
Aber wenn auch B durch die ihm von A zugefügte Verletzung
nicht genöthigt werden kann, Maßregeln zu ſeiner Rettung
zu ergreifen, ſo geht doch hieraus noch lange nicht hervor,
daß ihn die vorausgegangene Handlung zur Vornahme einer
für ihn ſelbſt ſtrafbaren Handlung berechtige.
V. Dolus generalis.
Es iſt bereits in m. Abh. Goltdammers Archiv 1866
S. 726 flg. darauf hingewieſen worden, daß der ſ. g. d. g.
keine beſonderen Eigenheiten beſitze, die Handlung vielmehr,
welche der Thäter in der Ueberzeugung, den Erfolg bereits
herbeigeführt zu haben, noch vornehme, lediglich als eine
Zwiſchenurſache erſcheine, inſofern gerade erſt durch ihre
Mitwirkſamkeit der beabſichtigt geweſene Erfolg herbeigeführt
werde. Geht man nun, wie dort geſchehen, davon aus, daß
zur Zurechnung der Vollendung nur das Gewollthaben der
eigenen mitwirkenden Handlung und des Erfolgs, ſowie weiter
nur erforderlich ſei, daß die Zwiſchenurſachen nicht gegen
den Willen des Handelnden mitwirken, ſo iſt es lediglich eine
Conſequenz und ſteht nicht in der Luft, wie v. B. (S. 71,
N. 9) meint, daß der Thäter auch ſeine zweite Handlung als
eine doloſe zu verantworten hat. Jſt man aber der Anſicht,
daß ſich auch die Zwiſchenurſachen als mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit bevorſtehend in dem Bewußtſein des Thäters
reflectirt haben müſſen, wenn er für Vollendung haften ſoll,
ſo wird hier von einer ſolchen Verantwortlichkeit kaum die
Rede ſein können. Denn es müßte in dieſem Falle der
Thäter ſich bei der Vornahme der erſten Handlung
vorgeſtellt gehabt haben, nicht allein, daß er möglicher Weiſe
noch eine zweite Handlung unternehmen, ſondern zugleich
auch, daß dieſe zweite Handlung eine mitwirkende ſein, ſie
alſo aus der irrigen Ueberzeugung des bereits ſtattgefundenen
Eintritts des Erfolgs entſpringen werde. Es wird ſich darum
der d. g. vorwiegend in eine Concurrenz von dolus und
culpa auflöſen, oder auch, wenn aus triftigen Gründen
der Erfolg bei Vornahme der zweiten Handlung als bereits
eingetreten erachtet worden war, lediglich einen Verſuch
repräſentiren. War freilich der Thäter hierüber zweifelhaft,
ſo wird er nicht leicht mit der Entſchuldigung gehört werden
dürfen, daß er bei Vornahme der zweiten Handlung nicht
mit Feſthaltung ſeiner urſprünglichen, auf Herbeiführung des
Erfolgs gerichteten, Abſicht ſondern nur aus luxuria thätig
geweſen ſei. — Daß der d. g. in der Regel eine Concurrenz
von dolus und culpa repräſentire, iſt auch (S. 66 flg.) die
Anſicht v. B. Er meint jedoch, wenn die zweite Thätigkeit
als die regelmäßige Folge der erſten erſcheine, oder, ſie der
Handelnde bereits vor Beginn oder der Vollendung ſeiner
erſten Thätigkeit zu unternehmen, beabſichtigt gehabt habe, ſo
werde ſie von dem der erſten Thätigkeit zu Grunde liegenden
Dolus durchdrungen. Damit wird dann aber geradezu das
Gegentheil der Concurrenz zur Regel gemacht. Denn, wenn
auch allerdings ein Dritter den von ihm gefundenen Leichnam
nicht ſofort verſcharren wird, ſo iſt es doch ſicher regelmäßig,
daß der Thäter den Menſchen, welchen er getödtet zu haben
glaubt, als Leichnam betrachtet und zum Zweck der Ver-
heimlichung ſeines Verbrechens alsbald Handlungen mit
demſelben vornimmt, welche, den Tod eines Lebenden herbei-
zuführen, geeignet ſind. Und ebenſo ſagt ſich auch der Thäter
ſchon von vornherein, daß er ſolche Handlungen demnächſt
mit dem Leichnam vornehmen werde. — Von einem dolus
eventualis, welchen v. B. unter den von ihm hervorgehobenen
Vorausſetzungen annimmt, könnte eben nur dann geredet
werden, wenn der Handelnde bei Vornahme der erſten Hand-
lung ausdrücklich davon ausgegangen war, ſeine demnächſtige
Ueberzeugung, den Erfolg bereits herbeigeführt zu haben,
werde möglicher Weiſe eine irrige ſein. Von Demjenigen,
welcher ſeinem Gegner auf einige Schritte Entfernung
eine Kugel durch das Herz zu ſchießen gedenkt, wird dies
ohne unzuläſſige Vermuthung nicht angenommen werden
dürfen.
Eine ganz beſondere Anwendung findet der d. g. in
den v. B. (S. 72, 73 Anm.) referirten Beiſpielen Bekkers,
indem derſelbe hier nicht auf den nämlichen Erfolg beſchränkt
erſcheint, er vielmehr ſeine Wirkungen über mehrere Erfolge
ausdehnen ſoll. — Wenn Jemand mit dem Entſchluſſe, einen
eigenen Haufen Heu einzufahren und einen daneben ſitzenden
fremden Haufen Heu zu ſtehlen, zuerſt in der Meinung, daß
er ſich das fremde Heu aneigene, das eigene einfährt, dann
aber in der Meinung, das eigene aufzuladen, das fremde
Heu nach Hauſe bringt, ſo ſoll vermöge des d. g. das fremde
Heu als (dolos) entwendet zu betrachten ſein. Dieſe Ent-
ſcheidung wird v. B. mit dem Bemerken gebilligt, es ſei die-
ſelbe darin begründet, daß das Wegfahren des eigenen Heues
als eine auf die Wegnahme des fremden Heues folgende
Thätigkeit zum Voraus berechnet geweſen ſei, beide Thätig-
keiten alſo der Berechnung des Thäters nach im Cau-
ſalzuſammenhang aufgefaßt werden müßten. Wird aber heute
ein Haufen Heu geſtohlen und morgen ein anderer; wird
heute ein Menſch getödtet und morgen, oder auch gleich
darauf, ein zweiter; hat der Brandſtifter zur Abwendung
des gegen ihn vorliegenden Verdachts einen Meineid ge-
ſchworen, ſo kann, wenn der Thäter aus dem nämlichen
Motive von vornherein zur Herbeiführung der mehreren
Erfolge entſchloſſen, oder er durch die Begehung des einen
Verbrechens zur Begehung des zweiten beſtimmt worden war,
zwar hier ein ſubjectives Verhältniß zwiſchen den mehreren
Erfolgen entſtehen, unmöglich aber ein objectives begründet
werden. — Daß der Thäter die beiden Heuhaufen mit einem
d. g. umfaſſen ſollte, iſt undenkbar, weil es ihm hinreichend
bekannt iſt, daß er ſeinen eigenen Heuhaufen nicht ſtehlen
kann. Aus dem Jrrthum aber, daß man das fremde Heu
heimfahre, und dem nachfolgenden Jrrthum, daß man das
eigene Heu auflade, kann gleichfalls kein Dolus in Betreff
der einen oder der anderen Handlung erwachſen. Und es
ergibt ſich auch ſofort der Fehler der Conſtruction, welche
den lediglich vorliegenden Verſuch am untauglichen Object
ſich aus der zweiten, ganz ſtrafloſen, Handlung zur Vollen-
dung ergänzen läßt, wenn man unterſtellt, der Thäter habe
zuerſt den fremden Heuhaufen eingefahren in der Meinung,
es ſei der eigene, dann aber ſeinen Jrrthum erkannt und
den zweiten Heuhaufen gleichfalls als ſeinen eigenen nach
Hauſe gebracht. Ein d. g. ließe ſich hier wohl nur ſo
denken, daß durch den zum Voraus gefaßten Entſchluß beide
Heuhaufen zu einer fremden objectiven Einheit erwachſen
ſeien. Aber es würde dieſe Anſicht abgeſehen davon, daß
der bloße Wille unmöglich ſtatuiren kann, zwei ſei eins, und
eine eigene Sache ſei eine fremde, dahin führen, daß, wenn
zunächſt mit richtigem Bewußtſein der eigene Heuhaufen
weggenommen, ſodann jedoch der fremde ſitzen gelaſſen worden
war, ein verſuchter Diebſtahl an dem Thäter zu beſtrafen
wäre. — Wußte jedoch der Thäter, als er ſich entſchloß,
beide Heuhaufen wegzunehmen, nicht, welcher der fremde, und
welcher der eigene ſei, oder unterſtellte er auch nur die
Möglichkeit eines desfallſigen Jrrthums, ſo ergreift er den
erſten Heuhaufen mit dem Bewußtſein, daß er ſich einer
fremden Sache bemächtigen könne. Dieſen, mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit vorausgeſehenen, Erfolg will er nicht etwa ver-
meiden, ſondern ihn umgekehrt herbeiführen. Er befindet
ſich darum hierbei in eventuellem auf Diebſtahl gerichtetem
Dolus und haftet aus dieſem Grunde für Vollendung, im
Falle der erſte Heuhaufen wirklich der fremde war. Und
zwar iſt dieſe Haftbarkeit lediglich in der erſten Handlung
ſelbſt begründet. Ob ſpäterhin auch der zweite Heuhaufen
weggenommen oder ſitzen gelaſſen wurde, relevirt hierfür in
keiner Weiſe. Nur dann könnte etwas hierauf ankommen,
wenn überhaupt nicht feſtgeſtellt zu werden vermöchte, welcher
der eigene und welcher der fremde Heuhaufen wirklich iſt,
denn dann wäre es doch ſicher, daß wenigſtens einer der
beiden weggenommenen Heuhaufen, gleichviel welcher, der
fremde war. Man hat es jedoch hier lediglich mit einer
Beweisfrage zu thun.
Jn dem zweiten Beiſpiel hat der Arzt zwei Kranke im
Spital. Was dem C helfen kann, würde den Tod des P
herbeiführen. Letzteren will der Arzt tödten und verſchreibt
zu dieſem Behufe beiden Kranken ſehr ähnliche Medicinen.
Durch ein Verſehen werden die beiden Medicinen verwechſelt.
P ſtirbt. Eine Beſonderheit liegt hier in keiner Weiſe vor,
denn das dem Krankenwärter, wie man unterſtellen muß,
unterlaufene Verſehen muß von dem Arzte als eine in Be-
rechnung gezogene Zwiſchenurſache verantwortet werden.
Jedenfalls aber iſt es bedeutungslos, daß der. Arzt zwei
Recepte verſchrieben, und C die für P beſtimmte Arznei
erhalten hat. — Jn dem dritten Beiſpiel endlich will X den
C und den P vergiften. Für beide verſchreibt er Gifte, und
wieder wird dem C gereicht, was für P beſtimmt war, und
umgekehrt. Beide ſterben. Bekker meint — und v. B. billigt
dies — die Gegner des d. g. müßten auch hier zwei vollendete
Giftmorde läugnen und ſich mit Concurrenz von zwei ver-
ſuchten und zwei culpoſen Tödtungen begnügen. Es dürfte
aber auch hier wieder eine Beſonderheit nicht vorliegen.
Denn angenommen, X wolle lediglich den P vergiften und
bringe demſelben Arſenik ſtatt eines andern Gifts bei, welches
er zu verwenden glaubt, ſo wird, in Anbetracht daß es nicht
auf die Jdentität des Mittels ankommen kann, wenn das
wirklich in Gebrauch genommene Mittel gerade von der beab-
ſichtigt geweſenen Wirkſamkeit iſt, auf den unterlaufenen
Jrrthum kein Gewicht gelegt werden können. Nur die
Wirkſamkeit der Handlung macht ſtrafbar. Wollte man aber
durch einen ſolchen Jrrthum die Haftbarkeit des Thäters
für Vollendung beſeitigt werden laſſen, ſo würde dieſes
Reſultat jedenfalls dadurch nicht vermieden werden, daß die
Verwechslung des Mittels auch noch einer zweiten Perſon
gegenüber ſtattfindet.
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VI. Jrrthum in Anſehung des Objects der
verbrecheriſchen Thätigkeit.
Habe im Falle der Aberration ſtatt des A der B
ſein Leben verloren, ſo erſcheine es zwar, meint v. B.
(S. 71 flg.), dem Willen des Handelnden gemäß, daß dem
Begriffe nach ein Menſch getödtet worden ſei, aber das
Jndividuum B habe der Handelnde nicht tödten wollen.
Darum hafte derſelbe hier auch nicht für doloſe Vollendung.
Sei hingegen nur eine Verwechslung der Perſonen vor-
gekommen, ſo habe der Handelnde im Augenblick der That
das getroffene Jndividuum wirklich treffen wollen, und es
falle ihm darum doloſe Vollendung zur Laſt. Jn Wirklich-
keit iſt aber auch im Falle der Verwechslung das Object nicht
getroffen worden, welches ſich der Handelnde innerlich als
Gegenſtand ſeiner Handlung auserſehen hatte. Das ergibt ſich
ſofort, wenn man unterſtellt, der Handelnde ſchieße auf einen
lebloſen Gegenſtand, den er für einen Menſchen halte; oder
er wolle Nüſſe vom Baume herunterwerfen, werfe aber in
einen Eichbaum, den er für einen Nußbaum anſehe. A hat
den C nicht treffen wollen, er hat auch mit bewußtem Willen
nicht die vor ihm hergehende Geſtalt treffen wollen. Jndem
er ſich die Geſtalt des B als den Gegenſtand ſeiner Handlung
individualiſirte, verneinte er vielmehr zugleich mit Beſtimmt-
heit, daß dieſer Gegenſtand die Geſtalt irgend eines anderen
Menſchen ſein ſolle. Man geht bei der Verwechslung davon
aus, A ſei durch die Geſtalt des C getäuſcht worden, wodurch
allerdings die Behauptung, C habe auch getroffen werden
ſollen, einigen Schein erhält. Daß C von den leiblichen
Augen des A geſehen wurde, iſt aber für die Beurtheilung
der Schuld deſſelben gleichgültig. Es würde dieſe Beurtheilung
die nämliche ſein müſſen, wenn A in das dunkle Zimmer
ſeines abweſenden Gegners hineingeſchoſſen und eine andere
in demſelben zufällig anweſende Perſon getroffen hätte. —
Zwiſchen Aberration und Verwechslung kann darum eine
weſentliche Verſchiedenheit nicht anerkannt werden.
Will man hiernach im Falle der Verwechslung doloſe
Vollendung annehmen, ſo muß man ſich hierfür mit der
Conſtruction begnügen, daß Cauſalzuſammenhang zwiſchen
der vorgenommenen Handlung und dem Erfolge beſteht, und
daß der Willenszuſammenhang nicht unterbrochen worden
war — da es bei der Gleichwerthigkeit der Objecte als
unbeachtlich erſcheint, daß nicht gerade das gewollte Object
getroffen wurde. Es iſt bei dieſer Conſtruction die Berufung
auf die Gleichwerthigkeit der Objecte nicht unſtatthaft. Das
Geſetz individualiſirt nicht den Gegenſtand der Tödtung, des
Raubs, der Nothzucht, Eigenthumsbeſchädigung u. ſ. w. und
kann darum auch dem Thäter eine ſolche, durch die Motive
beſtimmte, Jndividualiſirung mit der Wirkung der Straf-
befreiung für Vollendung, wenn nicht gerade das gewollte
individualiſirte Object getroffen wird, nicht geſtatten. Bei
dem Diebſtahl hingegen dürfte ſich die Beurtheilung anders
geſtalten, da hier das Geſetz ausdrücklich auf das Motiv —
die Sache rechtswidrig zu gewinnen — Bezug nimmt. Will
hiernach Jemand einen ſilbernen Becher lediglich darum ſich
aneignen, weil ſich derſelbe längere Zeit hindurch in ſeiner
Familie vererbt hatte, er bemächtigt ſich aber aus Verwechs-
lung eines anderen Bechers, ſo wird er ſich nur eines ver-
ſuchten Diebſtahls ſchuldig gemacht haben. Läge das Weſen
des Diebſtahls lediglich in der rechtswidrigen Wegnahme
fremden Eigenthums, ſo würde die ſtattgefundene Verwechs-
lung nicht releviren.
Der nämlichen Conſtruction unterliegt auch die Aberration.
6*
Auch hier ſchießt A in ſeinen Gedanken auf B, in Wirklichkeit
aber auf C. Wäre es ihm gleichgültig geweſen, ob er B
oder C treffe, ſo würde er zweifellos für doloſe Vollendung
haften. Daß ihm dies nicht gleichgültig war, konnte ihn
nach dem Geſetze, welches, wie geſagt, auf ſeine Motive keinen
Werth legt, nicht berechtigen, die ihm wahrſcheinliche
Tödtung des rechtlich gleichwerthigen Objects von
ſeinem Willen auszuſchließen. Darum ſind, da nur
eine Perſon getroffen werden ſollte, B und C alternativ von
ſeinem Willen umfaßt geweſen, und es müſſen daher auch die
oben angegebenen Regeln über das alternative Wollen hier
durchaus Anwendung finden. Namentlich kann ſonach neben
doloſer Vollendung hier von einem concurrirenden Verſuche
nicht die Rede ſein, und die v. B. (S. 84) in dieſer Richtung
geſuchte Schwierigkeit beſteht in Wirklichkeit nicht. — Eine
ſolche Alternativität kann aber, was ſeither überſehen wurde,
nur dann angenommen werden, wenn nicht allein B, ſondern
auch der wirklich getroffene C in einem ſolchen Verhältniß
zu A ſtand, daß der Cauſalzuſammenhang und Willenszu-
ſammenhang ſich gerade ſo decken, wie dies überhaupt erfor-
derlich iſt, wenn der eingetretene Erfolg als gewollt zu-
gerechnet werden ſoll. Wenn A ſein Gewehr nach B abſchoß
in der Meinung, daß er keinerlei Wahrſcheinlichkeit für ſich
habe, denſelben zu treffen, ſo kann ihm unmöglich der Wille
imputirt werden, daß er den B habe tödten wollen. Daſſelbe
muß auch in Anſehung des wirklich getroffenen C gelten,
wenn A, als er den Schuß auf B abfeuerte, den C gar
nicht ſehen konnte — es würde hier nicht einmal culpa vor-
liegen — oder C von B in einer ſolchen Entfernung ſtand,
daß A, ſei es ſelbſt culpos, nicht annahm, er werde ihn
möglicher Weiſe treffen. War aber in der angegebenen
Weiſe der getroffene C wirklich von dem Willen des A umfaßt
geweſen, ſo hat dieſer auch nicht einen Menſchen getroffen,
der in Ermangelung einer Vergegenſtändlichung für ihn
lediglich als ein Begriff anzuſehen wäre, ſondern er hat einen
für ihn verkörpert geweſenen Menſchen getroffen. Darum
würde er auch hier, wenn denn nicht für doloſe Vollendung,
ſo doch neben Verſuch für culpa einzuſtehen haben.
Man ſcheint der Anſicht zu ſein, daß, wenn A einſehe,
es ſpreche die gleiche Wahrſcheinlichkeiit dafür, daß er gerade
ſo gut den B wie den C treffen könne, ihm die ſtattgefundene
Tödtung des C ſtatt des B zur doloſen Vollendung zuzu-
rechnen ſei. Von B. wird hier ein dolus alternativus an-
genommen „weil A eben ſo gut den C als den B treffen
mußte und gleichwohl nichts that, was die Wahr-
ſcheinlichkeit, den B und nicht den C zu treffen, erhöhte.“
Mit dem „mußte“ aber hat v. B. einen ungehörigen Geſichts-
punkt in die Beurtheilung hereingezogen, denn es handelt ſich
nicht um eine vorausgeſehene Nothwendigkeit des Treffens
von C. Ebenſo ergibt ſich aus der Unterlaſſung der Sorgfalt
in der Vermeidung eines als mit einiger Wahrſcheinlichkeit
bevorſtehend erkannten — aber nicht gewollten — Erfolgs
kein Dolus, ſondern nur eine Fahrläſſigkeit. Jn Wirklichkeit
beruht die erwähnte Anſicht nicht auf der gleichen Wahr-
ſcheinlichkeit, ſondern geradezu auf der geſetzlichen Gleich-
werthigkeit der Objecte. Der Jäger, welcher an zwei verſchie-
denen, neben einander im Dickicht gelegenen, Stellen Geräuſch
hört und weiß, das eine rühre von einem Rehbock, das
andere von einem Treiber her, aber nicht welches, und nun
nach der Stelle des einen Geräuſches, oder auch in der
Richtung der beiden Geräuſche, ſchießt, ſo daß er gerade ſo
gut den Treiber wie das Thier treffen kann, hat unerachtet
dieſer gleichen Wahrſcheinlichkeit, wenn er den Treiber trifft,
nur für culpa einzuſtehen. Denn er hoffte auf die immerhin
vorhandene Möglichkeit, die ihn das Thier und nicht den
Treiber tödten laſſen werde. Die Anſicht v. B. würde hier
auf den d. event. in ſeiner unhaltbaren Geſtalt zurückführen.
Eine Verſchiedenheit zwiſchen Aberration und Ver-
wechslung will v. B. (S. 76) darin begründet finden, daß
es im erſteren Falle gar nicht gewiß ſei, ob B ohne das
Dazwiſchentreten des C auch wirklich getroffen worden ſein
würde. Aber auch für die Verwechslung bleibt ſelbſtver-
ſtändlich die Erwägung übrig, daß, wenn ſtatt des C der B
des Wegs gekommen wäre, derſelbe vielleicht dem Schuſſe
ausgewichen ſein würde. — Zur Widerlegung des weiteren
Beiſpiels v. B., daß, im Falle auf das Treffen der Scheibe
B eine Belohnung von fünf Gulden und auf das Treffen
der Scheibe C die gleiche Belohnung geſetzt ſei, A die Be-
lohnung nicht in Anſpruch nehmen könne, wenn er auf die
Scheibe B gezielt aber die Scheibe C getroffen habe, wohl
aber, wenn er auf die getroffene Scheibe C gezielt habe, in
der Meinung, ſie ſei die Scheibe B — wird wohl die Be-
merkung genügen, daß, wenn dem A je fünf Gulden für
das Erſchießen von B und C verſprochen worden ſind, er
ſowohl im Falle der Aberration wie in dem der Verwechslung
ſeine Belohnung beanſpruchen kann. Von dem Erweiſen
einer beſonderen Geſchicklichkeit iſt eben bei dem Todtſchießen
keine Rede.
Zu einer intereſſanten Combination endlich gelangt man,
wenn man die Verwechslung und die Aberration in einem
Beiſpiel zuſammenfaßt. A will von B und C, welche ſo
nahe neben einanderſtehen, daß nach ſeiner Ueberzeugung
ſein Schuß jeden von Beiden mit einiger Wahrſcheinlichkeit
treffen kann, den C tödten. Jn der Meinung, B ſei C,
richtet er ſeinen Schuß auf B, trifft aber durch Aberration
wirklich den C. Nach der v. B. vertretenen Theorie müßte
angenommen werden, A habe den vor ihm ſtehenden Menſchen
— den B — treffen wollen, nicht aber den C, auf den er
doch ſeine Abſicht gerichtet hatte. Obgleich er ſonach diejenige
Perſon, um welche es ihm galt, getödtet hat, ſo könnte er
doch nur wegen verſuchter Tödtung des B in Concurrenz
mit culpoſer Tödtung des C beſtraft werden. Richtig fällt
ihm doloſe Vollendung ohne Concurrenz mit Verſuch zur
Laſt. Hätte er das Treffen des C, den er irrig für B hielt,
nicht einmal als mit einiger Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend
erachtet, ſo würde er, wenn demungeachtet der auf B, in der
Meinung derſelbe ſei C, gerichtete Schuß den von ihm zu
tödten beabſichtigten C getödtet hat, doch für dieſe Vollendung
— abgeſehen von etwaiger culpa — nicht haftbar ſein,
ſondern nur für Verſuch. Die Haftbarkeit für Verſuch aber
würde ſich darauf gründen, daß er den B für das geſuchte
Object gehalten hat, und ihm das Treffen deſſelben möglich
erſchienen war.
VII. Strafloſigkeit der bewutzten Cauſalität.
Ob und unter welchen Vorausſetzungen Jemand Vor-
beugungsmaßregeln zur Sicherung ſeines Eigenthums —
durch Anbringung eines Selbſtſchuſſes etwa — treffen dürfe,
hängt nach v. B. (S. 85 flg.) lediglich von der Regel des
Lebens ab. Erſchienen hiernach ſolche gefährliche Veran-
ſtaltungen ſtatthaft, ſo ſei der Dieb, beziehungsweiſe der
Unvorſichtige, welcher in Folge eigener Thätigkeit hierdurch
beſchädigt werde, es ſelbſt, der ſich dieſe Verletzung zuziehe.
Andernfalls werde hingegen der Cauſalzuſammenhang nicht
unterbrochen, und es trete Haftbarkeit für den Eigenthümer
ein. — Hier aber wirft ſich denn doch die Frage auf, ob
einem poſitiven Geſetze gegenüber, welches den allgemeinen
Grundſatz, daß der gewollte oder verſchuldete ſtrafrechtliche
Erfolg verantwortet werden muß, adoptirt hat, eine ſolche
Berufung auf die Regel des Lebens ſtatthaft iſt. Und es
dürfte dieſe Frage um ſo ſicherer zu verneinen ſein, als ihre
Bejahung zugleich eine Beſeitigung des Geſetzes, im Falle
daſſelbe der Regel des Lebens widerſprechen ſollte, involviren,
beziehungsweiſe das Geſetz überhaupt als überflüſſig erſcheinen
laſſen würde. Hat einmal das Geſetz den erwähnten Grund-
ſatz angenommen, ſo müſſen in demſelben die Ausnahmen
beſtimmt angegeben ſein, dergeſtalt daß weitere Ausnahmen
unter Berufung auf die Regel des Lebens nicht geſchaffen
werden dürfen. Die einzigen Ausnahmen, welche das
deutſche Strafgeſetzbuch — inſoweit es nicht außerdem
noch in dem ſpeciellen Theil auf andere Geſichtspunkte durch
die den Definitionen beigefügten Worte „rechtswidrig, wider-
rechtlich u. ſ. w.“ hinweiſt — zuläßt, ſind in den §§. 52,
53, 54 enthalten. Hierbei kommt es dann aber überall nicht
darauf an, ob ſich der Erfolg mit oder ohne eigene Thätigkeit
des Beſchädigten vollzogen hat. — Jnnerhalb ſeiner
Definitionen jedoch ſtützt ſich das Strafgeſetzbuch ſelbſt, wie
das auch gar nicht anders ſein kann, auf die Regel des Lebens.
Es ſtimmen zunächſt die §§. 52 und 53, zwiſchen welchen
nur die einzige, unmotivirte, Verſchiedenheit beſteht, daß nicht
auch in §. 52 das Unverſchuldetſein der zwingenden Lage
als Erforderniß der Strafloſigkeit aufgeſtellt wird, darin
überein, daß 1) ihre Definitionen ſich nur aus der Regel
des Lebens erklären laſſen. Was eine unwiderſtehliche Gewalt,
nicht abwendbare gegenwärtige Gefahr, ein nicht zu beſeitigen-
der Nothſtand iſt, dafür wird der geeignete Maßſtab, unter
Berückſichtigung der Jndividualität, nur in der Feſtſtellung
gefunden werden können, wie andere ſtandhafte Menſchen
unter gleichen Verhältniſſen gehandelt haben würden. — Daß
ferner 2) wenn auch bei Gefährdung des Lebens jede zur
Abwendung der Gefahr erforderliche Handlung ſtraflos vor-
genommen werden darf, es hingegen bei Gefährdung des
Leibes eine, freilich nicht beſtimmt ausgeſprochene, geſetzliche
Vorausſetzung iſt (ſ. Motive), daß eine gewiſſe Gleichmäßigkeit
zwiſchen dem drohenden Uebel und demjenigen, welches einem
unſchuldigen Dritten zugefügt werden ſoll, beſtehen muß. Un-
richtig aber erſcheint es, daß das Geſetz bei der Gefahr für den
Leib eine ſehr erhebliche ſolche Gefahr im Auge habe, eine
geringere Gefahr mithin überhaupt nicht zu einem Eingriff in
fremde Rechtskreiſe — etwa zur Zerſtörung einer fremden Sache
von unbedeutendem Werthe — berechtigen könne. Auch hier
muß die Regel des Lebens von entſcheidendem Einfluß ſein
Daß endlich 3) der Eingriff in fremde Rechtskreiſe ſtraflos
nur geſtattet iſt, wenn Gefahr für Leib oder Leben bevor-
ſteht. Läßt man aber einmal zu, daß im Falle der Colliſion
von Rechten, das geringere Recht ſtraflos verletzt werden
dürfe, ſo iſt nicht einzuſehen, warum dieſer Satz, etwa im
Falle der Colliſion des Rechts auf Ehre mit Vermögens-
rechten, oder von Vermögensrechten unter ſich, keine An-
wendung finden ſoll. Will man etwa Denjenigen für ſtrafbar
finden, welcher, um eine Million zu retten, einen fremden
Gartenzaun eingerannt hat? Auch hier aber könnte über
das Maß einer ſolchen Berechtigung nur die Regel des
Lebens entſcheiden.
Eine principielle Verſchiedenheit beſteht ſodann auch
nicht zwiſchen §§. 52, 54 und §. 53. Man ſagt zwar 1) die
Ausübung der durch §§. 52, 54 eingeräumten Befugniſſe
ſei nur aus Gründen der Billigkeit geſtattet, während die
Ausübung der Nothwehr als ein wirkliches Recht betrachtet
werden müſſe. Allein wenn das Geſetz eine derartige Be-
fugniß einräumt, ſo möchte denn doch hierin die Zuerkennung
eines Rechts um ſo mehr gefunden werden müſſen, als,
wenn der in Gemäßheit der §§. 52, 54 Angegriffene ſich der
Ausübung derſelben widerſetzt, ſie der Angreifer mit Gewalt
realiſiren darf. — Auf der anderen Seite beruht das Noth-
wehrrecht gleichfalls nur in der Zuſtändigkeit, ſich gegen
Eingriffe in ſeine Rechtskreiſe ſchützen zu dürfen. Daß dem
rechtswidrigen Angreifer keine Gegenwehr gegen die zu dieſem
Behufe getroffenen Schutzmaßregeln zuſteht, kommt lediglich
daher, daß in dieſer Gegenwehr nur ein Feſthalten an dem
urſprünglichen, nicht zum Schutze eines Rechts beſtimmten —
daher ſtrafbaren — Angriff zu finden iſt. Jn dem nämlichen
Augenblick aber, in welchem der erſte Angreifer ſeinen
urſprünglichen Zweck aufgibt und ſich nunmehr lediglich auf
den Schutz ſeiner Rechte gegen den von ihm Angegriffenen
beſchränken will, erwächſt ihm ſelbſt das Recht der Nothwehr,
ſollte auch ſein Gegner ſich noch fernerhin in dem verzeih-
lichen Glauben befinden, es handle ſich auch jetzt noch lediglich
um die Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs. Der erſte
Angreifer würde ſich hier möglicher Weiſe in einem ver-
ſchuldeten Nothſtand befinden, d. h. die von ihm zur Abwehr
angerichtete vorſätzliche Verletzung müßte ihm, im Falle er
dieſen Verlauf in Ausſicht genommen hatte, zum Dolus,
im Falle er aber auf denſelben wenigſtens hätte gefaßt
geweſen ſein müſſen, zur culpa zugerechnet werden. — Die
Aufſtellung der erwähnten Unterſcheidung beruht wohl darin,
daß man 2) davon auszugehen ſcheint, Nothwehr finde nicht
einem lediglich objectiv ungerechten Angriff, ſondern nur
gegenüber einem zugleich ſubjectiv ſchuldhaften, ſtrafbaren,
Angriff ſtatt. (Schütze Lehrbuch §. 35 N. 4. Oppenhoff zu
§. 53 N. 10, §. 113 N. 18. 19. d. Strafgeſetzbuchs, Schwarze
Commentar S. 231. Richtig dagegen S. 316. 317, ferner
S. 322. Eine ganz beſondere Gefahr ſetzt die Nothwehr
überhaupt nicht voraus und darum auch nicht einem Beamten
gegenüber). Jn der That aber wurzelt das Nothwehrrecht
nicht in einer Verſchuldung des Angreifers, ſondern in dem
Recht der Vertheidigung, welches ſeinen Regulator nur in
der objectiven Geſtalt des Angriffs, ſeiner Mächtigkeit und
Richtung, finden kann. — Warum auch der Angriff eines
Unzurechnungsfähigen unter §. 52 oder 54 ſubſumirt werden,
der Angegriffene hier ſich alſo nur dann mit einer an und
für ſich ſtrafbaren Handlung ſtraflos ſchützen können ſoll,
wenn es ihm an Leib oder Leben geht, und er daher hier
der Zerſtörung werthvollen Eigenthums ruhig zuzuſehen habe,
dürfte nicht erklärlich ſein. — Derjenige, welcher in der
irrthümlichen Unterſtellung, es drohe ihm ein Angriff, ſelbſt
zur Abwehr einen Angriff macht, kann für die hierbei ange-
richtete vorſätzliche Verletzung höchſtens nur wegen culpa
beſtraft werden. Denn, wenn er auch in Folge ſeines
Jrrthums einen Menſchen vorſätzlich getödtet hat, ſo hat er
dies doch nicht mit rechtswidrigem Vorſatz gethan (m.
Abh. Archiv für praktiſche RW. B. VIII 1860. v. B. l. c.
S. 84 N. 22). Wäre daher zur Ausübung der Nothwehr
ein ſubjectiv rechtswidriger Angriff erforderlich, ſo würde ſie
dem mit der bona fides des Angreifers bekannten Ange-
griffenen nicht zuſtehen. — 3) Auch die Unterſcheidung, daß
nur im Falle der Nothwehr, nicht aber im Falle einer
Nothlage, jeder Dritte dem Gefährdeten ſtraflos zur Hülfe
kommen dürfe, iſt nicht durchaus richtig. Dem Richter
wird es nicht einfallen, Diejenigen zu beſtrafen, welche in
eine fremde Hofraithe eingebrochen ſind, um leichter zu dem
für das Löſchen des Feuers erforderlichen Waſſer zu gelangen.
— Ebenſo unhaltbar iſt 4) die Unterſcheidung, daß von
einem Exceß lediglich bei der Nothwehr geredet werden könne.
Prätext und Exceß der Nothwehr liegen vor, wenn zur Zeit
der Vornahme der für die Abwehr beſtimmten, an ſich ſtraf-
baren, Handlung ein Zuſtand der Noth überhaupt nicht und
beziehungsweiſe nicht mehr beſtand, und es entſcheiden
darum ganz die gewöhnlichen Grundſätze darüber, ob und
inwiefern die hier angerichtete Verletzung ſtrafbar iſt. (Archiv
für prakt. RW. l. c.). Dieſe allgemeinen Grundſätze müſſen
aber natürlich auch auf die §§. 52 und 54 Anwendung
finden. Freilich die Begünſtigung, welche §. 53 dahin trifft,
daß die Ueberſchreitung der Nothwehr aus Beſtürzung, Furcht
oder Schrecken ſtraflos ſein ſolle, kann im Falle der §§. 52, 54
nicht beanſprucht werden. Aber es iſt auch dieſe Begünſtigung
eine rein willkürliche. Denn war der Zuſtand der Be-
ſtürzung u. ſ. w. in ſo hohem Grade vorhanden, daß er die
Zurechnungsfähigkeit ausſchloß, ſo verſteht ſich die Straf-
loſigkeit von ſelbſt — wenn nicht, ſo liegt kein Grund dafür
vor, warum unter dieſem Deckmantel eine, vielleicht recht
grobe, Fahrläſſigkeit ihrer Strafe entzogen werden ſoll. Es
beruht dieſe Begünſtigung auch wohl wieder auf dem Ge-
danken, daß Nothwehr einen ſubjectiv verſchuldeten Angreifer
vorausſetze; und ſie verliert jeden Schein von Berechtigung,
wenn man einen unzurechnungsfähigen Menſchen als An-
greifer ſupponirt, oder gar annimmt, es habe in Wirklichkeit
ein Zuſtand der Nothwehr gar nicht beſtanden, derſelbe ſei
vielmehr nur irrthümlich unterſtellt geweſen. — Endlich kann
man zwar 5) allerdings von Demjenigen, welcher ſich in
einer Nothlage befindet, im Allgemeinen verlangen, er möge
das ihm drohende Uebel lieber ertragen, als daß er ſich vor
demſelben auf Unkoſten Unſchuldiger zu bewahren ſuche,
während man in gleicher Weiſe eine ſolche Zumuthung an
den rechtswidrig Angegriffenen nicht richten wird. Das
Unrecht muß dem Rechte weichen. Aber es darf dieſer
Kampf um’s Recht (Jhering) nicht bis zu ſeinen äußerſten
Conſequenzen durchgeführt werden, es gibt vielmehr auch hier
gewiſſe Grenzen, welche nach der Regel des Lebens nicht
überſchritten werden ſollen. Sind andere Mittel zur Abwehr
nicht vorhanden, ſo würde nach der ſtrengen Folge des
erwähnten Satzes der mit den geſtohlenen zerriſſenen Hoſen
entfliehende Dieb, der Schuljunge, welcher im Begriffe ſteht,
die entwendete Birne anzubeißen, mit kaltem Blute- getödtet
werden dürfen, ſollten dieſelben auch keine Ahnung von
dieſem Ausgang ihrer rechtswidrigen Handlung gehabt haben.
Es ′ergibt ſich ſogar wirklich dieſe Conſequenz aus den
§§. 52—54 des Strafgeſetzbuchs, und es iſt unverſtändlich, wenn
Oppenhoff §. 53 N. 19 behauptet, es komme zwar für die
Nothwehr nicht darauf an, ob das gefährdete Recht von
Bedeutung erſcheine. Aber der Richter der Thatfrage konne,
wenn das bedrohte Recht weit geringer ſei, als das im Wege
der Nothwehr verletzte, ſchon allein wegen dieſes Mißverhält-
niſſes verneinen, daß die Nothwehr geboten geweſen ſei.
Gemäß der Regel des Lebens beſteht hiernach nur eine
relative Verſchiedenheit in dem Maße Deſſen, was ſowohl der
in einer Nothlage Befindliche als der durch rechtswidrigen
Angriff Gefährdete zu ihrem Schutze unternehmen dürfen,
und nur ſie ſollte in dem einzelnen Falle dem Richter zum
Anhaltspunkt dafür dienen, wo die Grenze zwiſchen dem
Erlaubten und dem Unerlaubten herzieht. Darum gipfelt
das Princip des Nothſtandes und der Nothwehr in dem für
beide gemeinſamen Satze: daß unter den von dem Geſetze
aufgeſtellten näheren Vorausſetzungen — gegenwärtige Ge-
fahr u. ſ. w. — eine an und für ſich ſtrafbare Handlung
ſtraflos iſt, inſoweit ſie zum Schutze eigenen Rechts erforderlich
war, bezüglich deſſen von dem Thäter nach der Regel des
Lebens nicht verlangt werden konnte, es ungeſchützt zu laſſen
Die v. B angeregte Frage aber beurtheilt ſich nach
dieſen Ausführungen unter Zugrundelegung des Strafgeſetz
buchs dahin: Man darf zwar in fremde Rechtskreiſe nur bei
gegenwärtiger Gefahr für die eigenen Rechte eingreifen.
Nichts aber ſteht entgegen, daß man ſich einſtweilen für die
demnächſtige Beſeitigung einer erwarteten Gefahr vorbereite.
Es iſt auch nirgends vorgeſchrieben, daß der Gefährdete bei
gegenwartig gewordener Gefahr perſonlich anweſend ſein und
ſeine eigenen Korperkrafte zur Gegenwehr in Anwendung
bringen müßte. Trifft er daher ſolche Vorbeugungsmaßregeln,
welche ihre Wirkſamkeit erſt in dem Augenblicke äußern, zu
welchem er ſelbſt abwehrend in die Rechtskreiſe des Andern
hätte eingreifen, und welche keine größere Rechtsverletzung
anrichten, als welche er ſelbſt dem Angreifenden hatte zufügen
dürfen, ſo kann er hierfür nicht ſtrafbar ſein. Wußte er
jedoch, oder würde er bei einiger Aufmerkſamkeit vorhergeſehen
haben, daß ſeine Vorbeugungsmaßregeln ſich früher ihrer
Wirkſamkeit entaußern, oder weiter in dieſer Wirkſamkeit
gehen würden, als er ſelbſt, dies zu thun, berechtigt ſein
werde, ſo fällt ihm dolus oder culpa zur Laſt. — Wären
im Falle ſeiner perſonlichen Anweſenheit geringere Mittel
zur Abwendung der Gefahr ausreichend geweſen, ſo fragt es
ſich, ob ihm dieſelbe nach der Regel des Lebens hätte zu-
gemuthet werden können oder nicht. Ein von der Hofraithe
entfernt liegendes, häufig nachtlicher Weile geplündertes, Feld
kann nicht in jeder Nacht von dem Eigenthümer bewacht
werden, und es ſteht ihm daher in Ermangelung anderer
Mittel frei, daſſelbe mit Selbſtſchüſſen und Fußangeln zu
umgeben ſelbſt auf die Gefahr hin, daß der Dieb hierdurch
getödtet werde. — Hierbei bringt ſich aber ein zweiter
Geſichtspunkt moderirend zur Geltung. Sieht nämlich der
Veranſtalter ſolcher Vorbeugungsmaßregeln ein, oder hätte er
es vorherſehen können, daß unſchuldige Dritte durch dieſelben
verletzt werden würden, ſo darf er dieſelben ſtraflos nur
treffen, wenn es ſich für ihn nach den §§. 52, 54 des
Strafgeſetzbuches um Leib oder Leben handelt, und er zugleich
ohne Fahrläſſigkeit überzeugt iſt, daß ſie ihre Wirkſamkeit erſt
bei gegenwärtiger Gefahr äußern werden. Bei der Erwägung,
ob Dritte würden verletzt werden können, braucht er aber, ohne
beſondere Anhaltspunkte dafür zu haben, eine unvorſichtige
Handlungsweiſe derſelben ſelbſtverſtändlich nicht vorauszuſetzen.
Dem nämlichen Geſichtspunkt unterliegt auch die Frage,
inwieweit man überhaupt für Leben oder Geſundheit Anderer
gefährliche Veranſtaltungen auf ſeinem Eigenthum treffen,
ob man etwa hinter der Mauer einen Graben oder eine
Senkgrube anlegen dürfe. Es müſſen ſolche Veranſtaltungen,
wenn die Berufung auf die §§. 52—54 des Strafgeſetzbuches
unzuläſſig erſcheinen ſollte, unterbleiben, inſofern man nicht
überzeugt iſt, ſolche Gegenmaßregeln getroffen zu haben,
daß ein Schade nicht verurſacht werde. Die dem Geſetz
widerſprechende Regel des Lebens iſt auch hier unbeachtlich.
Wohl aber ſollte ſie auch hier wieder maßgebend dafür
ſein, unter welchen Verhältniſſen man durch die Ausübung
eigener Rechte diejenigen Anderer gefährden, ob man etwa
Feuer auf ſeinem Herde anzünden dürfe mit dem Bewußt-
ſein, daß ein hinüberfliegender Funke das Dach des Nachbarn
in Brand ſetzen könne.
Jm Falle der Colliſion von Geſetzen, wenn alſo etwa
der Beamte eine Amtshandlung ausführt, die ein ſtrafrecht-
liches Ergebniß nach ſich ziehen kann, iſt ſelbſtverſtändlich von
einer Haftbarkeit für Dolus keine Rede.
VIII. Cauſalität durch unterlaſſene Thätigkeit.
Führt die Thätigkeit des Handelnden zu einem dem-
ſelben nicht vorausſehbar geweſenen ſtrafrechtlichen Erfolge,
ſo liegt nur eine eigene, in Ermangelung eines in derſelben
enthaltenen verſchuldeten Willens ſelbſtverſtändlich ſtrafloſe,
Cauſalität vor. Die Frage iſt hier nun die, ob, im Falle
der Handelnde erſt nach ſtattgefundener Beendigung ſeiner
ſtrafloſen Thätigkeit das Bevorſtehen eines ſtrafrechtlichen
Erfolgs derſelben erkennt, noch nachträglich für ihn eine
Haftbarkeit für dieſen Erfolg begründet werden kann. —
Man pflegt dieſe Frage unter dem Geſichtspunkt einer geſetz-
lichen Verbindlichkeit des Handelnden zur Abwendung des
ſtrafrechtlichen Erfolgs ſeiner ſelbſt unverſchuldeten Cauſalität
zu betrachten. Krug, Glaſer und Merkel meinen, daß
darum mit Vornahme der erſten ſtrafloſen Handlung ein
d. eventualis — man wolle für den etwaigen Erfolg der-
ſelben einſtehen, wenn man ihn demnächſt nicht abwenden
werde — verbunden ſei. Die unterlaſſene Abwendung hätte
ſonach zur Folge, daß hierdurch die Cauſalität der erſten
Handlung von Anfang an ſtrafbar würde. Aber es iſt die
anfängliche, von einem verſchuldeten Willen nicht ausge-
gangene, Handlung eine definitiv ſtrafloſe und kann ſich
eben darum rückwärts nicht mehr in eine ſtrafbare um-
wandeln laſſen (m. Abh. Gerichtsſaal 1869 H. 3). — Schütze
Lehrbuch S. 90 N. 6 — ähnlich Schwarze Commentar
S. 49 flg. — findet hingegen den Grund für die Haftbarkeit
darin, daß durch die pflichtwidrige Unthätigkeit der ver-
brecheriſche Wille documentirt werde. Dieſer Wille würde
jedoch ohne alle Verbindung lediglich neben der durch die
erſte Handlung begründeten, ſchuldloſen, Cauſalität ſtehen,
während er jedenfalls, um ſie zu einer rechtlich zu verant-
wortenden geſtalten zu können, deren innere Seite bilden
müßte. Es fehlt alſo an dem Nachweiſe der Uebertragbarkeit
des nachträglich entſtandenen, auf den Erfolg gerichteten,
Willens in die urſprüngliche Cauſalität. Man könnte hier
zwar etwa ſagen, der Handelnde reflectire bei Vornahme der
ſtrafloſen Handlung auf einen demnächſtigen Entſchluß,
entweder den ſpäter etwa als bevorſtehend von ihm erkannt
werdenden Erfolg derſelben abzuwenden, oder ihn ſich voll-
ziehen zu laſſen, und es entſtehe hierdurch ein Zuſammenhang
des gegenwärtigen Willens mit dem künftigen, welcher es
ermögliche, daß, wenn demnächſt der Wille gefaßt werde, den
jetzt als bevorſtehend erkannten Erfolg nicht abzuwenden,
dieſer ſtrafbare Wille an die Stelle des urſprünglichen ſtraf-
loſen Willens in die Cauſalität eintrete und ſie daher von
da ab ſtrafbar mache. (Gerichtsſaal l. c.) Dieſe Conſtruction
dürfte aber nur eine Fiction ſein und würde namentlich dahin
führen, daß der Erfolg ſelbſt dann als ein doloſer oder
culpoſer zugerechnet werden müßte, wenn er auch ſpäterhin
in Wirklichkeit gar nicht abwendbar geweſen wäre. — Die
Anſicht v. B. endlich (S. 99, 109) geht davon aus, daß,
wenn Jemand eine zwar ſchuldloſe, aber doch der Regel des
Lebens widerſprechende, Handlung vorgenommen und nach
Vornahme derſelben auf das jetzt als bevorſtehend erkannte,
zu der eigenen Cauſalität hinzutretende und ſie zum Erfolge
hinleitende, Ereigniß gerechnet habe, die Cauſalität der eigenen
Thätigkeit, ſich erweiternd, auch über dieſes Ereigniß ſich
erſtrecke und ſomit Haftbarkeit für den Erfolg begründe.
Wie jedoch durch den bloßen Willen die allerdings auf das
ſpätere Ereigniß ſich erſtreckende eigene Cauſalität mit ver-
brecheriſcher Schuld erfüllt werden könne, wird nicht dar-
gelegt. Hat Jemand (S. 110) eine von ihm in ſchuldloſer
7
Weiſe geöffnete und offen ſtehen gelaſſene Kellerluke ſpäterhin
nicht geſchloſſen, weil ihm nunmehr zum Bewußtſein kam,
daß ein zerſtreuter Nachbar hineinfallen könne, und er dieſen
Erfolg haben wollte, ſo muß er auch ſicherlich für denſelben
haften. Es gehört jedoch zur Begründung dieſer Haftbarkeit,
wie bereits zu Schütze bemerkt, unbedingt, daß der ſpäter
entſtandene dolus zu einem Beſtandtheil des Cauſalzuſammen-
hangs werde. Dies aber kann nur durch eine aus dem
ſpäter entſtandenen dolus entſpringende Mitwirkſamkeit
geſchehen, welche, als in der Unterlaſſung der Schließung
der Kellerluke enthalten, von v. B. eben nicht demonſtrirt
worden iſt. — Ueberdies würde nach dieſer Anſicht, wenn
die erſte Handlung eine der Regel des Lebens entſprechende
war, deren Erfolg nicht abgewendet zu werden brauchen.
Der Knecht alſo, der mit ordnungsmäßig geſchloſſener Laterne
in der Scheuer durch den Stoß eines Andern ſtürzt und
hierdurch das Stroh anzündet, dürfte der Entwickelung des
Brandes ruhig mit zuſehen, ſollte er dieſelbe auch mit einem
Fußtritte verhindern können.
Die Beſeitigung einer dem Erfolge entgegenwirkenden
causa erſcheint als eine Mitwirkſamkeit für denſelben. Wer
den Gendarmen, der im Begriffe ſteht, den Erfolg zu ver-
hindern, feſthält, muß daher für den Erfolg beſtraft werden.
Er iſt auch ſchon dann wegen Mitwirkſamkeit ſtrafbar, wenn
er den mit der projectirten That noch unbekannten, aber
in der Nähe befindlichen, Gendarmen durch falſche Vor-
ſpiegelungen entfernt, inſofern ſich annehmen läßt, derſelbe
würde andernfalls auf die That aufmerkſam geworden ſein
und ſie verhindert haben. Denn er hat es dann verurſacht,
daß der Entſchluß und beziehungsweiſe die demſelben ent-
ſprechende abwendende Thätigkeit unterblieb. Erkennt nun
der Handelnde das Bevorſtehen eines abwendbaren ſtraf-
rechtlichen Erfolgs ſeiner ſtrafloſen — oder auch fahrläſſigen
— Cauſalität und ergeht ſomit die Aufforderung zur Ab-
wendung deſſelben an ihn, er läßt aber den entſprechenden
Willen, der zu einer adäquaten Thätigkeit führen würde,
nicht in ſich aufkommen, ſo hat er, worauf bereits Gerichts-
ſaal l. c. hingewieſen wurde, eine dem Erfolge entgegen-
wirkende causa unterdrückt. Darum muß ihm wegen ſeiner
Mitwirkſamkeit der Erfolg zugerechnet werden. Und zwar
als doloſer, wenn anzunehmen iſt, der jetzt als mit einiger
Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend erkannte Erfolg würde bei
zweckmäßiger Thätigkeit wirklich abgewendet worden ſein, und
die Unterlaſſung ſtattgefunden hat, damit gerade die urſprüng-
liche Cauſalität den drohenden Verlauf nehmen ſolle; als
fahrläſſiger hingegen, wenn unter der gleichen Vorausſetzung
ſchuldvoll das wahrſcheinliche Bevorſtehen des Erfolgs nicht
erkannt, der Nichteintritt des als wahrſcheinlich bevorſtehend
erkannten Erfolgs unterſtellt, oder culpos bei der unter-
nommenen Abwendung zu Werke gegangen wurde. Einen
Verſuch würde die Unterlaſſung repräſentiren, wenn der
Erfolg für abwendbar gehalten worden war, dieſe Abwend-
barkeit aber in Wirklichkeit als unmöglich oder zweifelhaft
erſcheinen mußte. Beihülfe endlich würde wegen der Unter-
ordnung des Willens gegeben ſein, im Falle der Unterlaſſende
gehandelt haben würde, wenn ein Anderer, für welchen gleich-
falls die Verpflichtung zur Abwendung vorlag, hätte abwenden
wollen; oder wenn die Unterlaſſung lediglich ſtattgefunden
hatte, damit ein Handelnder zu ſeinem Ziele gelange (ſ. u. IX).
Der Gendarm, welcher in dieſem Sinne die Abwendung des
Erfolgs unterläßt, würde hiernach als Gehülfe in Betracht
zu ziehen ſein. — Vorausſetzung für eine durch Unterlaſſung
begründete Haftbarkeit für den Erfolg iſt jedoch ſtets eine
vorausgegangene eigene Cauſalität. Liegt eine ſolche Cauſalität
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nicht vor, ſo bleibt zwar immerhin die Urſachlichkeit der Unter-
laſſung beſtehen, aber ſie hat dann nur eine ethiſche Bedeutung.
Andernfalls müßte ausnahmslos jede unterlaſſene Abwendung
eines ſtrafrechtlichen Erfolgs für denſelben haftbar machen.
Die vorausgegangene Cauſalität verleiht alſo der Urſachlichkeit
der Unterlaſſung ihren ſtrafrechtlichen Charakter.
Unterbleibt die Abwendung lediglich darum, damit der
abwendbare Erfolg eintreten ſolle — Gleichgültigkeit gegen
den Eintritt des Erfolgs bedeutet das Nämliche —, ſo wird
die ausnahmsloſe Strafbarkeit nicht zu beanſtanden ſein.
Jm Uebrigen aber wird, in Ermangelung anderer geſetzlicher
Beſtimmungen, die Regel des Lebens für das Maß Des-
jenigen, was zur Abwendung zu geſchehen hat, entſcheidend
ſein müſſen. Wäre die Abwendung mit Lebensgefahr, mit
unverhältnißmäßigen Koſten u. ſ. w. verknüpft, oder liegen
ſonſtige triftige Entſchuldigungsgründe für die Unterlaſſung
vor, ſo daß der Erfolg an und für ſich als perhorrescirt zu
betrachten iſt, ſo würde dieſelbe ſtraflos erſcheinen können.
Man hat es eben nicht mit einer von vornherein ſtrafbaren
Handlung zu thun, deren Erfolg zur Sicherung der Straf-
loſigkeit unter allen Umſtänden abgewendet werden muß.
— Der Kutſcher, welcher einen unvorſichtigen Paſſanten
überfährt, muß denſelben nicht, worauf v. B. hinweiſt, auf
ſeine Koſten curiren laſſen, er braucht denſelben vielleicht
nicht einmal in ſeinem beſetzten Wagen mit ſich zu nehmen,
und wird ſchon genug gethan haben, wenn er dem Bürger-
meiſter des nächſten Orts Anzeige von dem Vorfall macht.
Da die urſprüngliche Cauſalität ſtraflos iſt, ſo kann
durch die Unterlaſſung ſelbſtverſtändlich eine Haftbarkeit auch
nur für denjenigen Theil derſelben entſtehen, welcher über-
haupt noch von dem Unterlaſſenden hätte abgewendet werden
können. Mit Recht behauptet darum v. B., es ſei nicht
möglich, daß man durch Unterlaſſung der Berichtigung eines
bona fide geſchworenen unrichtigen Eides des Meineides,
durch die Unterlaſſung der Zurückgabe einer gutgläubig in
Beſitz genommenen fremden Sache, die man ſpäter als ſolche
erkannt hat, des Diebſtrahls ſchuldig werden könne. Es iſt
auch unrichtig, wenn Glaſer meint, ein Beamter, welcher aus
Jrrthum eine unwahre Thatſache in einem Protokolle beur-
kundet habe, daſſelbe aber nach erkanntem Jrrthum ſeinen
Weg gehen laſſe, ſei ſo anzuſehen, als habe er abſichtlich die
falſche Thatſache in das Protokoll aufgenommen. Aber
unrichtig iſt doch auch die Behauptung v. B. (S. 110), ſei
einmal Jemand durch eine ſchuldloſe Handlung wirklich
verletzt worden, ſo erwachſe keine Haftbarkeit für den ſpäter
eingetretenen Tod des Beſchädigten, wenn er auch, damit er
ſterben ſolle, hülflos liegen gelaſſen werde. Denn die Cau-
ſalität der urſprünglichen, ſchuldloſen, Handlung erſtreckt ſich
bis zum Tode, und es muß darum dieſer Erfolg abgewendet
werden. Jn ähnlicher Weiſe kann man für die Folgen eines
gutgläubigen Eides haftbar werden, inſofern man etwa nach
erkanntem Jrrthum den Verurtheilten ſeine Strafe verbüßen
läßt; oder für die Folgen einer unwahren Mittheilung, im
Falle man die ſchuldige Aufklärung auch dann unterläßt,
wenn der Bezüchtigte für die angebliche verläumderiſche Nachrede
gezüchtigt werden ſoll.
IX. Theilnahme.
Das deutſche Strafgeſetzbuch ſagt in §. 47, ſei eine
ſtrafbare That von Mehreren gemeinſchaftlich ausgeführt
worden, ſo ſei Jeder als Thäter zu beſtrafen; in §. 48 wird
als Anſtifter derjenige erklärt, welcher einen Andern vor-
ſätzlich zu der von demſelben begangenen ſtrafbaren Handlung
beſtimmt habe; und §. 49 bezeichnet die Beihülfe als ein
wiſſentliches Hülfeleiſten. Aber man erfährt nicht, was unter
einer gemeinſchaftlichen Ausführung, einem Beſtimmen und
einem Hülfeleiſten verſtanden werden ſoll, und es ſind darum
dieſe Definitionen unbrauchbar. Ueber das Alles erhält man
aber auch aus den nach dem Strafgeſetzbuch erſchienenen
neueſten Bearbeitungen der Lehre von der Theilnahme:
Schütze Lehrbuch, Schwarze Commentar, Oppenhoff Straf-
geſetzbuch und Geyer in v. Holtzendorff Handbuch keine
genügende Auskunft.
Die Lehre von der Cauſalität iſt für die Theilnahme
von der entſchiedenſten Bedeutung. — Man nimmt
gegenwärtig wohl durchgängig an, daß, wenn ſich ein Erfolg
aus mehreren Wirkſamkeiten ergeben hat, unter dieſen Wirk-
ſamkeiten Haupt- und Nebenurſachen, weſentliche und außer-
weſentliche, urheberiſche und beihelfende, je nach dem Maße
und Umfang derſelben, nicht unterſchieden werden können,
ſie vielmehr in ihrer objectiven Bedeutſamkeit für den Erfolg
ſich gleichſtehen. Nur der Haupthandlung ſcheint ein
beſonderes objectives Gewicht beigelegt werden zu wollen.
Und zwar verſtehen, inſofern überhaupt ein Begriff dieſer
Handlung gegeben wird, Einige unter derſelben diejenige
Handlung, welcher von dem Handelnden die Beſtimmung
beigelegt worden ſei, die Ueberführung des Verſuchs zur
Vollendung ohne weiteres Hinzutreten verbrecheriſcher Thätig-
keit zu bewerkſtelligen; während Andere als Haupthandlung
nur diejenige anerkennen, welche dieſen Effect wirklich in
concreto gehabt hatte. Jm erſteren Fall müßte man an-
nehmen, daß durch den bloßen Willen der einen oder der
anderen von mehreren objectiv gleichwerthigen Wirkſamkeiten
ein beſonderer objectiver Charakter beigelegt werden könne,
und es würde dann ein Verbrechen mehrere Haupthandlungen
enthalten können. Es würden deren drei ſein, wenn das Feuer
in der Erwartung, es werde ſich ohne weiteres Zuthun entwickeln,
angelegt, dann aber zur Herbeiführung der nöthigen Zugluft
das Scheuerthor geöffnet, und endlich, um noch ſicherer zu gehen,
auch noch in den Brandſtoff hineingeblaſen worden war, bis
die Flamme hervorſchlug. — Jm zweiten Falle würde aller-
dings der Erfolg nur eine Haupthandlung umfaſſen und die-
ſelbe von allen übrigen, den Erfolg conſtituirenden, Handlungen
unterſchieden ſein. Aber nur formell. Hat A den Brand-
ſtoff angelegt in der Erwartung, daß das Feuer ohne weiteres
Zuthun ſich entwickeln werde, dann B, unabhängig von A,
die Thüre geöffnet, um den Brandſtoff anzufachen, und kommt
jetzt erſt das Feuer zum Ausbruch, ſo würde nicht A ſondern
allein B die Haupthandlung ausgeführt haben. Gewiß aber
wird man nicht behaupten wollen, A habe zur Herbeiführung
des Erfolgs weniger beigetragen als B. Ebenſo wird, im
Falle der Verſuch durch einen Unzurechnungsfähigen oder
Naturcauſalismus zur Vollendung geführt worden war, hierin
keine bedeutungsvollere Wirkſamkeit erkannt werden können,
als in der vorausgegangenen verbrecheriſchen Thätigkeit, —
Hätte die Haupthandlung wirklich einen objectiv von der
Nebenhandlung verſchiedenen Charakter, ſo würde, wenn ſie
von dem Thäter als ſolche nicht erkannt worden war, ein
unlösbarer Widerſtreit zwiſchen Wille und Wirkſamkeit ent-
ſtehen. Als Nebenhandlung würde ſie wegen ihrer charak-
teriſtiſchen Verſchiedenheit von derſelben nicht zugerechnet
werden können; aber auch nicht als Haupthandlung, weil ſie
der Thäter als ſolche nicht gewollt hatte. Bei den fort-
dauernden Verbrechen endlich müßten alle Handlungen, durch
welche der einmal herbeigeführte Zuſtand, wie etwa die
Unfreiheit des rechtswidrig Eingeſperrten, forterhalten wird,
als Nebenhandlungen bezeichnet werden. — Eine dritte
Lesart in Betreff der Haupthandlung geht dahin: es werde
durch dieſelbe der Begriff des Verbrechens vollſtändig dar-
geſtellt. Für das Verbrechen der Tödtung z. B. ſei nur die
Ausführung der tödtenden Handlung erforderlich. Darum
erſcheine nicht das Feſthalten des Getödteten ſondern allein
der demſelben beigebrachte Dolchſtich als die Haupthandlung.
Man überſieht aber hierbei, daß es ſich nicht um die Dar-
ſtellung des abſtracten Verbrechensbegriffs ſondern nur um
die Herbeiführung des concreten Erfolgs handeln kann, für
welchen das Feſthalten des Getödteten von nicht geringerer
objectiver Bedeutung erſcheint, wie der Dolchſtich. Und
wenn der Tod erſt durch den Hinzutritt verbrecheriſcher
Kräfte herbeigeführt wurde, ſo würde die entſprechende
Handlung, wie das Oeffnen des Scheuerthors in obigem
Beiſpiel, nur als eine Nebenhandlung in Betracht gezogen
werden können. — Nach meiner Anſicht hat die Haupt-
handlung eine lediglich ſubjective Bedeutung. D. h. wenn
ein Ganzes aus mehreren objectiv gleichwerthigen Stücken
zuſammen geſetzt werden ſoll, ſo thut Derjenige, welcher das
letzte Stück hinzufügt, objectiv nicht mehr und nicht weniger,
als was bereits vor ihm geſchehen iſt. Wohl aber hat er
den entſcheidenden Willen, welcher wegen ſeiner Unabhängigkeit
von der objectiven Bedeutſamkeit der Handlung ſelbſt dann
nicht zum Wegfall kommt, wenn auch gegen Erwarten das
beabſichtigte Ganze durch die Hinzufügung des vermeintlich
letzten Stücks nicht zur Exiſtenz gelangen ſollte. Jm Ver-
gleich zu der vorausgegangenen Handlung erſcheint ſogar
jede nachfolgende Handlung als Haupthandlung, ſollte ſie
ſelbſt auch auf eine nachfolgende reflectiren.
Hat man ſich nun auch, wie erwähnt, mit der früheren
Theorie nach der Richtung auseinandergeſetzt, daß ſämmtliche
Mitwirkſamkeiten für objectiv gleichwerthig zu halten ſind,
ſo iſt doch das andere Moment derſelben: daß nämlich die
mehreren Wirkſamkeiten als Theile des Ganzen nur neben-
einander ſtehen und ohne ſubjective Verbindung ein Ganzes
nicht darſtellen, noch keiner genügenden Prüfung unterzogen
worden. Man kommt aber, je nachdem man an dieſer
Anſicht feſthält, oder ſich zu der andern Anſicht bekehrt, daß
der Erfolg untheilbar ſei und darum jede Mitwirkſamkeit
den ganzen Erfolg an und für ſich ſchon (objectiv) verurſache,
zu den verſchiedenſten Conſequenzen in der Lehre von der
Theilnahme.
Die letztere Anſicht muß ich für die richtige halten. Hat
hiernach der Handelnde mit einiger Wahrſcheinlichkeit
vorausgeſehen, daß ſich ſeine Thätigkeit zur mitwirkenden
Urſache für den Erfolg geſtalten werde, ſo muß er denſelben,
wenn er nicht beſonders von ſeinem Willen abgelehnt geweſen
war, im Falle ſeines Eintritts als einen gewollten ver-
antworten. Bleibt der gewollte Erfolg aus, ſo liegt in der
eigenen Mitwirkſamkeit ein Verſuch deſſelben. Zur Culpa
wird der eingetretene Erfolg zugerechnet, wenn der Handelnde
ſchuldvoll nicht eingeſehen hatte, daß ſich ſeine Thätigkeit als
mitwirkend für denſelben erweiſen werde. Mitthäter ſind
alle diejenigen, welche für den gewollten Erfolg irgend welche
phyſiſche oder intellectuelle Mitwirkſamkeit geäußert haben.
Eine beſondere ſubjective Verbindung braucht unter denſelben
nicht beſtanden zu haben, und die etwa ſtattgefundene gemein-
ſchaftliche Ausführung hat an und für ſich keine rechtliche
Bedeutung. Sollen von den Mitthätern die Gehülfen als
Mitthäter im weiteren Sinne ausgeſchieden werden, ſo kann
das charakteriſtiſche Moment hierfür nicht in der Objectivität,
ſondern es kann lediglich in der Verſchiedenheit ihres Willens
von demjenigen der Mitthäter im engeren Sinne enthalten
ſein (ſ. u.). Als Geſammtergebniß für die Theilnahme
aber erſcheint nach dieſer Theorie, daß, wie überhaupt, ſo
auch bei ihr, durch die Handlung und beziehungsweiſe deren
Wirkſamkeit nur die Cauſalität begründet wird, daß aber die
Verantwortlichkeit für die Cauſalität allein durch den Willen
und beziehungsweiſe deſſen verſchiedene Beſchaffenheit bedingt
ſein kann.
Geht man hingegen davon aus, daß jeder einzelnen der
gleichwerthigen Mitwirkſamkeiten an und für ſich nur ein
Theil des Erfolgs zukomme, ſo hat, wenn der Erfolg durch
die Wirkſamkeit von A und B herbeigeführt worden iſt, jeder
nur den halben Erfolg verurſacht. Darum kann aber auch
keiner von Beiden für Vollendung beſtraft werden, denn ſelbſt
die Minimalſtrafe für Vollendung ſetzt die Verurſachung des
ganzen Erfolgs voraus. Es fragt ſich darum, in welcher
Weiſe der Thatantheil des B auf Rechnung des A, und
derjenige des A auf Rechnung des B geſetzt werden könne. —
Ob die verſchiedenen Wirkſamkeiten ſich gleichzeitig oder nach
einander für den durch ſie herbeigeführten Erfolg geäußert
haben, muß hierfür als irrelevant erſcheinen; ebenſo die Zeit,
der Ort, die Reihenfolge ihres Auftretens. Es läßt ſich
überhaupt kein Moment aus der Art und Weiſe des objec-
tiven Erſcheinens hervorheben, welches zur Folge haben
könnte, daß jede einzelne Wirkſamkeit nicht lediglich nur einen
Theil des Erfolgs, ſondern den ganzen Erfolg verurſacht
habe. Die gemeinſchaftliche Ausführung nach ihrer objectiven
Bedeutung iſt darum für die Vereinigung der mehreren
Thatantheile ganz einflußlos. — Aber auch aus der vorher
ſtattgefundenen Verabredung und beziehungsweiſe der hier-
durch erwachſenen gegenſeitig bewußten Gemeinſamkeit der
Abſicht — Complott — kann ein ſolches, die an ſich ſelbſt-
ſtändigen Thatantheile vereinigendes, Moment nicht abſtrahirt
werden. Denn die bloße Verabredung enthält nur ein, für
das Strafrecht einflußloſes, Vertragselement. Und wenn A
zufällig weiß, wie B handeln werde, und B weiß wie A
handeln werde, beide aber keine Kenntniß davon haben, daß
dieſes Wiſſen ein gegenſeitig bewußtes iſt, ſo tritt, im Falle
dann beide thätig werden, der Erfolg ganz in der nämlichen
Weiſe ein, als wenn vorher eine Verabredung ſtattgefunden
hätte. — Will man ſich aber mit der Thatſache begnügen,
daß A die Thätigkeit des B, und dieſer diejenige des A
vorausgeſehen habe, ſo kommt man hiermit, da die bloße
Vorausſicht den Thatantheil des Andern ſelbſtverſtändlich
nicht verurſacht, auf die andere Anſicht, nach welcher jede
Mitwirkſamkeit das Ganze verurſacht, und die Vorausſicht
der andern Mitwirkſamkeiten nicht für die Verurſachung des
Ganzen ſondern nur für die Zurechnung des verurſachten
Ganzen zur Schuld von Bedeutung erſcheint.
Als Mittel zur Vereinigung der verſchiedenen ſelbſt-
ſtändigen Thatantheile kann hiernach nur die Anſtiftung
betrachtet werden. Aber ſelbſt ſie nur unter der Voraus-
ſetzung, daß man in ihr ein wirkliches Beſtimmen des An-
geſtifteten erblickt, nicht aber, wenn man ſie, was das Richtige
iſt (ſ. u.), lediglich als eine Mitwirkſamkeit für den Erfolg
anſieht. Erſtern Falls erklärt es ſich allerdings, daß, wenn
A den B, zu ſeinem Thatantheil angeſtiftet hatte, er nicht
allein ſeinen eigenen Thatantheil ſondern auch denjenigen
des B, als gleichfalls von ihm verurſacht — mithin das
Ganze — verantworten muß. — Die intellectuelle Beihülfe
hingegen kann als ein vereinigendes Moment nicht angeſehen
werden, weil ſie jedenfalls nicht als eine volle ſondern nur
als eine Mitwirkſamkeit erſcheint. Hat ſonach A nur den
bereits vorhandenen Entſchluß des B beſtärkt, ſo iſt dieſem
intellectuellen Einfluß auch nur ein Theil des Thatantheils
des B als von ihm verurſacht zuzumeſſen, ſo daß A neben
ſeinem eigenen Thatantheil lediglich einen Theil des That-
antheils des B — alſo nicht das Ganze — zu verantworten
hätte. Selbſt angenommen aber, in Folge ſeiner intellectuellen
Beihülfe falle der Thatantheil des B in vollem Umfange
auf A, ſo könnte, wenn dieſer Begriff in ſeiner (objectiven)
Verſchiedenheit von demjenigen der Anſtiftung nicht ganz
aufgehoben werden ſoll (ſ. u.), die lediglich beihelfende
Thätigkeit des A für ihn doch auch nur eine Zurechnung
des Thatantheils des B zur bloßen Beihülfe aufkommen
laſſen, ſo daß er alſo Urheber in Anſehung ſeines eigenen
und Gehülfe in Anſehung des Thatantheils des B wäre.
Das würde wiederum kein volles Ganzes geben.
Wie kommt denn nun der Thatantheil des A auf die
Rechnung des B? Natürlich nicht durch Anſtiftung; denn
als A den B auſtiftete, hatte er bereits einen feſten Entſchluß,
konnte ſelbſt alſo nicht mehr beſtimmt werden. Eine gegen-
ſeitige Anſtiftung iſt nicht möglich (m. Abh. Archiv für
praktiſche RW. B. VI 1859). Man ſagt hier, indem B dem
A ſeine Zuſage ertheile, mache er ſich einer intellectuellen
Rückeinwirkung auf denſelben ſchuldig, und es falle ſomit
die Schuld des A ſowie der aus derſelben entſpringende
Thatantheil des A auf ihn. Allein dieſe Rückeinwirkung
könnte doch höchſtens eine intellectuelle Beihülfe darſtellen.
Und es kann auch A einer ſolchen Rückeinwirkung ſogar
ganz unzugänglich geweſen ſein. Er kann etwa von vorn-
herein mit ſolcher Beſtimmtheit auf die Zuſage gerechnet
haben, daß die wirkliche Ertheilung derſelben einen beſtärken-
den Einfluß auf ihn nicht mehr zu äußern vermochte. — Von
Mitthäterſchaft könnte überhaupt keine Rede ſein. Denn
wenn nur Einer von Mehreren durch Anſtiftung aller Uebrigen
deren Thatantheile in ſich vereinigen, ſein eigener Thatantheil
aber den Uebrigen nicht zugerechnet werden kann, ſo haben
dieſe auch nur ihre einzelnen Thatantheile, nicht aber das
Ganze verurſacht. Sie haben ſogar das Ganze nicht einmal
gewollt, weil zum Wollen deſſelben das Verurſachenwollen
aller Thatantheile erforderlich ſein würde, ſie aber ſelbſt-
verſtändlich wußten, daß ihnen der Thatantheil des Anſtifters
unerreichbar ſei. Sie wußten auch, daß, weil ſie bereits
angeſtiftet worden waren, ſie nicht einmal ihre eigenen That-
antheile gegenſeitig durch Anſtiftung verurſachen könnten,
denn eine doppelte Anſtiftung iſt ein Ding der Unmöglichkeit.
Daher würden ſie ſämmtlich nur als Gehülfen des Einen in
Betracht zu ziehen, und ſomit der Unterſchied zwiſchen
Urheberſchaft und Beihülfe darin zu finden ſein, daß der
Urheber den ganzen Erfolg wolle und verurſache, der Gehülfe
aber nur ſeinen Thatantheil.
Tritt nun aber, was bei jedem Erfolge mehr oder
weniger der Fall ſein wird, als zweiter Theilnehmer zu A
der Naturcauſalismus hinzu, ſo muß auch ihm die Hälfte
des Erfolgs, als von ihm verurſacht, aufgerechnet werden,
und man iſt dann ganz rathlos, wie dieſer Thatantheil dem-
jenigen des A zuwachſen könnte. Freilich hier hört man
ſagen, A habe den Naturcauſalismus vorausgeſehen und
müſſe darum für denſelben einſtehen. Daß A den That-
antheil des Naturcauſalismus durch das bloße Vorausſehen
nicht verurſacht hat, beachtet man nicht. Und wendet man
ein, daß dann auch A durch die bloße Vorausſicht der Mit-
wirkung des B für deſſen Thatantheil verantwortlich werde,
und eine Anſtiftung des B hierzu nicht erforderlich ſei, ſo
wird erwiedert, die menſchlichen Thatantheile könne man
nur durch Mitſchuld auf ſeine Rechnung übernehmen. Um
den Beweis hierfür kümmert man ſich aber nicht.
Beſteht der Erfolg wirklich aus verſchiedenen, an und
für ſich ſelbſtſtändigen, Theilen, ſo kann ein Verſuch in der
eigenen Wirkſamkeit allein noch nicht enthalten ſein. Es
würde vielmehr hierzu noch weiter erforderlich erſcheinen,
daß A den B zu ſeinem Thatantheil angeſtiftet und dieſer,
da es einen Verſuch der Anſtiftung nicht geben ſoll, ſich
auch wirklich einer Wirkſamkeit entäußert hätte. Andernfalls
wäre das Verurſachenwollen des A nur auf den eigenen
Thatantheil und nicht auf das Ganze gerichtet geweſen. —
Von einer culpoſen Herbeiführung des Erfolgs aber würde
überhaupt keine Rede ſein können, ſondern nur von culpa
in Anſehung des eigenen Thatantheils. Denn eine culpoſe
Anſtiftung wird für unmöglich gehalten.
Es ſagt nun Schütze von vornherein — ohne desfallſige
Beweisführung — (§. 44), der Einzelne von mehreren Mit-
wirkenden hafte nur für ſeinen Thatantheil. Die That-
antheile der Uebrigen träfen ihn nur dann, wenn er ſich
einer verbrecheriſchen intellectuellen Einwirkung auf dieſelben
ſchuldig gemacht habe, wenn Mitſchuld zwiſchen ihm und den
Uebrigen beſtehe. Was unter „Mitſchuld“ zu verſtehen ſei,
ob etwa lediglich Anſtiftung und intellectuelle Beihülfe, oder
noch etwas mehr, wird nicht erläutert, und es bleibt darum
dieſer der Theorie zu Grunde gelegte Begriff unklar. Es
kann aber Schuld nur eine ſtrafbare Wirkſamkeit, Mitſchuld
nur eine ſtrafbare Mitwirkſamkeit, letztere mithin in Anſehung
des Thatantheils eines Andern nur Anſtiftung oder intellec-
tuelle Beihülfe bedeuten. — Als Thäter war von Sch. in
ſeiner nothwendigen Theilnahme derjenige bezeichnet worden,
welcher die den Verbrechensbegriff begründende Handlung
vorgenommen habe. Jm Lehrbuch wird nunmehr dieſer
Begriff dahin mutirt, daß der Thäter die Ausführungs-
handlung unternehme. Aber was unter einer Ausführungs-
handlung im Gegenſatz zu einer Unterſtützungshandlung, die
dem Gehülfen zufallen ſoll, zu verſtehen ſei, ob man es hier
mit einem ſubjectiven oder objectiven Begriff zu thun habe,
ob ein Erfolg nur eine (Haupthandlung) oder mehrere ſolcher
Ausführungshandlungen aufzeigen könne — über das Alles
erfährt man nichts. Und es iſt jedenfalls kein ſonderlicher
Troſt für die Praxis, wenn ſich Sch. hier damit beruhigt (§. 47
N. 4), ſie werde ſich ſchon in dem einzelnen Falle zu helfen
wiſſen. Meiner Anſicht nach iſt jede mitwirkſame Handlung
eine den Erfolg ausführende Handlung — alſo eine Aus-
führungshandlung. — Von dem Gehülfen meint Sch. S. 158,
es falle demſelben ein minder großer, der Selbſtbegehung
(des Thäters) nicht gleichkommender Urſachantheil zur Laſt.
Aber man weiß nicht, was unter Selbſtbegehung verſtanden
werden ſoll, und wird mit dieſer Unterſcheidung auf das alte
Criterium von Haupt- und Nebenurſachen zurückgeworfen.
Darum erklärt es ſich auch nicht, warum Sch. die Eintheilung
der Beihülfe in weſentliche und außerweſentliche verwirft. —
Mitthäter iſt derjenige, welcher als Thäter mit einem
andern Thäter in gemeinſamem Bewußtſein und Willen die
Ausführungshandlung unternommen hat. Wenn Mehrere
die Ausführungshandlung unternommen haben, ſo fällt an
und für ſich dem Einzelnen nur ein Theil dieſer Handlung
zu. Das gemeinſame Bewußtſein und Wollen ſoll alſo —
wie das möglich iſt, wird nicht erklärt — die Vereinigung
der einzelnen Thatantheile der Ausführungshandlung auf
jeden Einzelnen bewerkſtelligen. Warum aber in der Definition
geſagt wird „als Thäter“, iſt unverſtändlich, wenn nicht
hiermit auf ein weiteres, ſubjectives, Erforderniß hingewieſen
werden ſoll. Denn wer die Ausführungshandlung unter-
nimmt oder mitunternimmt, muß ja ſchon ganz von ſelbſt
Thäter ſein. — Wenn in bewußter Gemeinſamkeit der
Abſicht, nach zum Voraus feſtgeſtelltem Plane und zur
gemeinſchaftlichen Theilung der Beute, A den zu ermordenden
Reiſenden feſthält und B denſelben todt ſticht, ſo kann A,
wenn er nicht zugleich Anſtifter war, nicht Mitthäter ſein,
denn er hat ſich nicht an der Ausführungshandlung
betheiligt. — Aber ſelbſt durch die Vornahme der Aus-
führungshandlung allein wird man nicht zum Thäter, wenn
man nicht auch zugleich die Gehülfen angeſtiftet hat. Denn
auch den Gehülfen fällt eine Mitwirkſamkeit für das Ver-
brechen zur Laſt (S. 156), und es würden ſonach andernfalls
deren Thatantheile von der Verantwortlichkeit des Thäters
ausgeſchieden werden müſſen, ſo daß demſelben auch nicht
das Ganze zur Laſt geſetzt werden könnte.
Jn dem während des Druckes dieſer Schrift erſchienenen
Goltd. Archiv 1873 H. 2 wird S. 155 flg. die Ausführungs-
handlung von Schütze folgendermaßen charakteriſirt: wenn
das Stadium des Verſuchs bereits beſchritten ſei — ein
Anfang der Ausführung bereits vorliege — ſo falle jeder
von dem alleinſtehenden Thäter unternommene Thatact
in die Ausführung des Delicts, in welchem der Begriff der
ſtrafbaren Handlung als einer ſolchen ſich verwirkliche,
nämlich dem Beginne, dem Fortgange, dem concreten Ab-
ſchluſſe nach. Stehe nun nach begonnener Ausführung eine
Betheiligung Mehrerer an den einzelnen Thatacten in Frage,
ſo ſei Jeder — im Unterſchied von den Gehülfen — Mit-
thäter, deſſen Thätigkeit eine ſolche geweſen, welche einen
der von dem Delictsbegriff umfaßten Thatacte ganz oder
theilweiſe (im Vereine mit gleichartigen anderen), zu
verwirklichen, geeignet erſcheine, folglich als eine Aus-
führungshandlung auch dann gelten würde, wenn
der Mitthäter Alleinthäter wäre. — Zur Begründung
dieſer Anſicht aber hätte vor allen Dingen dargelegt werden
müſſen, was denn unter einem Anfang der Ausführung der
That, was unter einem von dem Delictsbegriff umfaßten
Thatact, zu verſtehen ſei, und warum der Thäter abſolut mit
ſeinen geiſtigen und zugleich mit ſeinen eigenen körper-
lichen Kräften für die That ſich wirkſam erwieſen haben
müſſe, eine bloße geiſtige Mitwirkſamkeit für den Thäter-
begriff aber nicht ausreiche. Namentlich in letzterer Beziehung
hätte der Beweis umſoweniger unterbleiben ſollen, als in
m. cit. Abh. Gerichtsſaal 1870 gegen Sch. „nothwendige
Theilnahme“ eingehend erörtert worden iſt, daß der Thäter-
begriff eine eigene körperliche Mitwirkung nicht vorausſetze,
daß inſonderheit eine relevante Verſchiedenheit zwiſchen dem
Anſtifter eines Zurechnungsfähigen und demjenigen eines
Unzurechnungsfähigen nicht beſtehe, daher auch der Anſtifter
eines Zurechnungsfähigen gerade ſo gut ein Thäter ſei, als
wenn er etwa einen Hund auf einen Menſchen gehetzt habe
(ſ. auch Binding Critik des Entwurfs des Nordd. Straf-
geſetzbuchs).
Aber auch die Reſultate der von Sch. l. c. aufgeſtellten
Anſicht können unmöglich richtig ſein. Es entſcheidet nach
derſelben darüber, ob Mitthäterſchaft oder Beihülfe anzu-
nehmen ſei, die objective Beſchaffenheit der Handlung. Aus-
drücklich wird in dieſer Richtung ſogar noch hinzugefügt,
man müſſe vernünftiger Weiſe aus dem Thatacte auf die
Willensbeſtimmung ſchließen, nicht umgekehrt. Alle Hand-
lungen alſo, welche nach ihrer objectiven Beſchaffenheit als
Ausführungshandlungen eines alleinſtehenden Thäters anzu-
ſehen ſein würden, begründen, wenn es ſich um ein Zuſammen-
wirken Mehrerer handelt, Mitthäterſchaft. — Das Anlehnen
der Leiter, um in diebiſcher Abſicht durch ein Fenſter ein-
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zuſteigen, ſei noch keine Ausführungshandlung — warum
nicht, wird nicht angegeben, was doch hätte geſchehen müſſen,
da unter Umſtänden die Annahme eines Verſuchs hier nicht
zu bezweifeln ſein dürfte. Erſt das Beſteigen der Leiter
enthalte den Anfang der Ausführung des Diebſtahls. Das
Beſteigen der Leiter involvirt hiernach eine den alleinſtehenden
Thäter kennzeichnende Ausführungshandlung. Es muß mithin
Derjenige Mitthäter ſein, welcher gleichfalls die Leiter hinter
dem Thäter beſteigt, um ihn zu halten, damit er nicht falle
(oder auch ſich ſelbſt als Leiter benutzen läßt), ſollte es ſich
auch lediglich um den Diebſtahl eines Documentes handeln,
welches für ihn keinen Werth beſitzt. — Aber es iſt weiter
auch nicht erſichtlich, inwiefern in dem Beſteigen der Leiter
ein von dem Delictsbegriff umfaßter Thatact zu finden ſein
ſoll. Der Diebſtahl ſetzt in abstracto lediglich die Wegnahme
der Sache als Thatact voraus, der natürlich in dem Be-
ſteigen der Leiter nicht erblickt werden kann. Und wenn
man auch die Qualification als Thatact des Delicts betrachten
wollte, ſo würde immerhin in dem Beſteigen der Leiter noch
kein Einſteigen enthalten ſein, ſondern nur eine Vorbereitung
für daſſelbe, darum aber keine Ausführungshandlung. Es
iſt überhaupt der Verſuch in ſeinem ganzen Umfange weiter
nichts als eine Vorbereitung für die Vollendung. Will man
aber beſonderen Nachdruck darauf legen, daß doch das Be-
ſteigen der Leiter geeignet ſei, einen Thatact des Delicts-
begriffs — das Einſteigen und die Wegnahme der Sache —
zu verwirklichen, ſo iſt ein ſolches Geeignetſein auch bereits
in dem Herbeitragen und dem Anlehnen der Leiter enthalten.
— Auch das Aufſchließen des Geldſchrankes durch den
eingeſtiegenen Thäter würde als Ausführungshandlung eines
alleinſtehenden Thäters anzuſehen ſein, denn die bereits
begonnene Ausführung des Verbrechens wird hierdurch der
Vollendung näher gebracht. Darum würde aber auch das
Aufſchließen des Schrankes durch einen, an und für ſich bei
der Wegnahme der Sache durch den eingeſtiegenen Thäter
ganz unintereſſirten, Dritten ſtets nur Mitthäterſchaft, niemals
Beihülfe, begründen können.
Schwarze verſichert gleichfalls ohne Begründung (S. 169,
170), die von Mehreren zur Herbeiführung des Erfolgs aus-
gegangenen Wirkſamkeiten ſeien nur nebeneinanderſtehend, wenn
ihnen nicht eine bewußte Gemeinſamkeit der Abſicht zu Grunde
liege. Beſtehe aber unter den mehreren Mitwirkenden eine
ſolche bewußte Gemeinſamkeit der Abſicht, ſo erwachſe hieraus
eine Genoſſenſchaft, und es würden hierdurch die einzelnen
Thätigkeitsacte zu einem Ganzen verbunden. Schwarze wird
geſtatten müſſen, dieſe, von ihm ſelbſt nicht erläuterte, Ge-
noſſenſchaft als einen nicht verſtändlichen Begriff zu bezeichnen.
Die Exiſtenzberechtigung des Complotts, in welcher Form
die bewußte Gemeinſamkeit der Abſicht zum Ausdruck komme,
ſollte wohl nicht länger behauptet werden. — Hervorzuheben
iſt jedoch, daß Sch. ausdrücklich darauf hinweiſt, auf das
Maß der Thätigkeit komme es nicht an, ſondern allein auf
die Richtung der Abſicht. Darum liege der Unterſchied der
Urheberſchaft von der Beihülfe nicht in der Verſchiedenheit
von Haupt- und Nebenurſache. Auch der Gehülfe wolle die
That, und die That ſei für ihn und den Urheber eine
gemeinſchaftlich ausgeführte. Der Gehülfe wolle aber die
That nur als die That des Thäters, er wolle nur Hülfe zu
der fremden That leiſten. Was jedoch die That des Thäters,
die fremde That, bedeuten ſoll, erfährt man nicht. Wenn
der Gehülfe den Erfolg will und für denſelben gerade ſo
viel thut, wie der Thäter, ſo ſollte man doch wohl meinen,
daß die That nicht allein diejenige des Thäters, ſondern auch
diejenige des Gehülfen ſei. — Verſtändlich iſt es jedenfalls
8*
wieder nicht, daß die ſogenannte Haupthandlung diejenige
ſein ſoll, welche das Geſetz als die mit Strafe bedrohte
bezeichne. Meines Erachtens werden auch die der Haupt-
handlung vorausgegangenen Handlungen mit Strafe bedroht.
Das Oeffnen des Scheuerthors, damit der von einem Andern
angelegte Brandſtoff ſich entwickeln ſolle, kann eine Haupt-
handlung ſein. Aber im Geſetz ſteht ſicher nichts davon,
daß man durch Oeffnen eines Scheuerthors einen Brand
ſtiften könne. — Die nämlichen Einwendungen ſind gegen
die Definition der Mitthäterſchaft zu machen, welche ohne
jede nähere Erklärung dahin geht, der Mitthäter wolle die
That als die ſeinige — nicht alſo als eine fremde.
Oppenhoff erläutert zu §. 47 des Strafgeſetzbuchs:
im Falle Mehrere (Thäter — Mitthäter) eine Strafthat
gemeinſchaftlich ausführten, ſo ſei jeder Einzelne als Thäter
der ganzen That zu behandeln (N. 8). Eine ſolche gemein-
ſchaftliche Ausführung ſoll aber dann vorliegen (N. 9), wenn
mehrere Thäter die zum Thatbeſtande gehörenden äußeren
Handlungen (N. 7) mit dem erforderlichen Dolus bewirkt
haben, und der Wille eines Jeden hierbei dahin gerichtet
geweſen ſei, durch das (gegenſeitig bewußte?) Zuſammen-
wirken Aller die Strafthat zu vollbringen. — Die Mit-
thäterſchaft unterſcheide ſich von der Beihülfe (N. 21) da-
durch, daß jene weſentlich! die Vornahme ſolcher Handlungen
erheiſche, welche zum Thatbeſtand der betreffenden Strafthat
ſelbſt gehörten, während dies für die Beihülfe nicht erfor-
derlich! ſei, für welche vielmehr eine andere Art der Thätigkeit
genügen! könne! Der Dolus des Mitthäters ſei auf die
Selbſtbegehung der That gerichtet, der Gehülfe hingegen
befördere nicht ſeine eigene, ſondern eine fremde Abſicht. —
Man hat es hier lediglich mit unverſtändlichen Schlag-
wörtern zu thun, von welchen kein einziges einer näheren
Erläuterung gewürdigt worden iſt. Natürlich erfährt man
auch nicht, wie der bloße Wille eines Jeden, die fremden
Thatantheile zu dem ſeinigen zu übernehmen, dieſe That-
antheile verurſachen könne. Wohl aber ſprtcht es O. aus,
daß ſämmtliche Thatbeſtandsmomente von dem Willen
der Mitthäter umfaßt geweſen ſein müſſen, da ſonſt der
Einzelne nicht für das Ganze haftet. Ueber die Wirkſamkeit
des Gehülfen, die zum Thatbeſtand nicht gehört, braucht ſich
jedoch der gemeinſame Wille der Mitthäter nicht zu erſtrecken.
Nun ſoll aber auch der Gehülfe in dieſer Qualität, inſofern
er den Dolus der Selbſtbegehung nicht habe, eine zum
Thatbeſtand gehörige Handlung ausführen können. Das
ſtimmt jedoch nicht mit den Vorderſätzen. Denn wenn ein
Theil des Thatbeſtandes auf den Gehülfen fällt, der in die
Gemeinſamkeit der Abſicht der Mitthäter nicht eingeſchloſſen
iſt, ſo würde hierdurch den Mitthätern ein Theil des That-
beſtandes entzogen, und es hätte Niemand für das Ganze
einzuſtehen. Darum müßte man von der gemeinſamen Abſicht,
mittels Zuſammenwirkens Aller die Strafthat zu vollbringen,
nicht allein die Mitthäter, ſondern auch die Gehülfen — trotz
der hervorgehobenen Verſchiedenheit ihrer Abſicht, umfaßt
werden laſſen, und es gäbe dann keine Gehülfen, weil ihre
Abſicht dann auf Selbſtausführung gerichtet ſein würde.
Geyer hat ſchon in Goltdammers Archiv B. XIII
(ſ. auch Gerichtsſaal 1866 S. 49) ausgeſprochen, daß das
Beſtehen eines jeden ſtrafrechtlichen Erfolgs von jeder ein-
zelnen in demſelben enthaltenen mitwirkſam geweſenen Kraft
abhänge. Sodann ſagt er in Holtzendorff Handbuch §. 30,
Urheber eines Erfolgs im weiteren Sinne müſſe man Jeden
nennen, der zu dem Eintreten des Erfolgs irgend etwas
beigetragen habe, alſo auch den Helfer. Scheint aber hiernach
G. jeder mitwirkſam geweſenen Kraft wegen ihrer eigenen,
den ganzen Erfolg umfaſſenden, Wirkſamkeit auch den ganzen
Erfolg, als von ihr verurſacht, zuzuſchreiben, ſo bedarf es für
ihn ſelbſtverſtändlich nicht der bewußt gemeinſchaftlichen Aus-
führung zur Sammlung der einzelnen Theile des Erfolgs
auf jeden Einzelnen. Nichts deſto weniger beginnt er ſeine
Abhandlung von vornherein mit der Definition „Theilnahme
an einen Verbrechen iſt die doloſe Mitwirkung zu einem
Verbrechen.“ Bedeutung und Zweck dieſer Definition ſind
unklar geblieben. — Daß auch die ſ. g. nothwendige
Theilnahme von dem Standpunkt der Untheilbarkeit des
Erfolgs aus beurtheilt werden muß und keinerlei Beſonder-
heit repräſentirt ſ. m. Abh. Gerichtsſaal 1870. Weder Hälſchner
noch Schütze haben hier (l. c.), wie dies G. behauptet, die
richtige Meinung.
Die doloſe zu dem Verbrechen mitwirkende Thätigkeit
des Gehülfen ſoll nur eine (objectiv) untergeordnete ſein, er
ſoll die Haupthandlung nicht begehen dürfen, und führe
darum das Verbrechen nicht ſelbſt aus. Was unter Haupt-
handlung zu verſtehen ſei, wird nicht angegeben. Es hätte
aber G. eine desfallſige Erklärung um ſo weniger unter-
laſſen ſollen, als ich auf ſeinen Angriff Goltd. A. B. XVI
dieſen, damals auch nicht näher von ihm erläuterten, Begriff
eingehend als objectiv bedeutungslos widerlegt habe. (Goltd.
A. 1869). — Wenn der Gehülfe die Haupthandlung, ohne
ſie als ſolche zu erkennen, begeht, ſo ſei er entweder nur
culpoſer Thäter oder zugleich Gehülfe. Letzteres iſt nicht
möglich, wenn man, der Haupthandlung eine beſondere ob-
jective Qualität vindiciren zu müſſen, meint — ſie iſt dann
eben nicht zugleich eine Nebenhandlung. Von Entſtehung
einer Fahrläſſigkeit aber kann auch keine Rede ſein, nicht
allein dann nicht, wenn der Gehülfe die Haupthandlung in
durchaus verzeihlichem Jrrthum als ſolche nicht erkannt hatte,
ſondern überhaupt nicht. Denn der Gehülfe will ja mit der
fraglichen Handlung eine Mitwirkung äußern, und es kann
ihm darum deren Effect nicht zur Fahrläſſigkeit zugerechnet
werden. Hatte er nicht mit einiger Wahrſcheinlichkeit voraus-
geſehen, daß ſeine Thätigkeit auch ohne Hinzutritt der
urheberiſchen Thätigkeit zum Erfolge hinführen werde, ſo
haftet er nur für Verſuch, andernfalls für doloſe Vollendung
— natürlich als Gehülfe. — G. meint, wer die Haupt-
handlung nicht mit dem Bewußtſein begehe, daß ſie es ſei,
könne nicht als doloſer Thäter erſcheinen — mithin aber
auch Der nicht, welcher mit zwei Doſen vergiften wollte,
jedoch ſchon mit der erſten Doſis den Tod herbeigeführt
hat. — Kann der Gehülfe ohne Verluſt ſeiner Qualität die
Haupthandlung begehen, wenn er ſie als ſolche nicht erkannt
hat, ſo muß man auch annehmen, daß Derjenige, welcher
ſeine Nebenhandlung für die Haupthandlung gehalten hat,
als Urheber zu betrachten ſei. Dieſe wichtigſte Combination
hätte G. nicht unberückſichtigt laſſen ſollen.
Noch ſchlimmer geſtaltet ſich der Begriff der Mitthäter-
ſchaft. G. geht hier (§. 38) von der Theilbarkeit des
Erfolgs aus und läßt die einzelnen Thatantheile ſich durch
Mitſchuld auf den Einzelnen zuſammenhäufen. Sein Begriff
der Mitſchuld iſt jedoch ein anderer wie bei Schütze. Er
fordert hierfür nicht ein der gegenſeitig bewußten gemein-
ſamen Abſicht entſpringendes Zuſammenwirken der Mehreren,
Mitſchuld des Einzelnen mit der Schuld des Andern liegt
vielmehr ſchon dann vor, wenn auch nur er allein weiß, daß
der Andere, welcher die Haupthandlung ausführt, mit ihm
(objectiv) verbrecheriſch zuſammenwirke. Denn er habe dann
ſeine eigene That zugleich wiſſentlich als Mitwirkung zu der
fremden ausgeführt und hafte darum als Mitthäter auch für
die doloſe durch ſeinen Mitthäter herbeigeführte Vollendung
des Verbrechens. — Dieſer Anſicht widerſpricht zunächſt eine
andere, jetzt alſo aufgegebene, Behauptung G. in Goltd.
Archiv B. XIII, 317, daß man für fremde verbrecheriſche
Kräfte nur dann einſtehe, wenn man ſie zu ihrer Wirkſamkeit
angeſtiftet habe. — Sodann iſt darauf hinzuweiſen, daß A,
der bei Vornahme ſeiner Thätigkeit auf B rechnet, nach der
Anſicht G., da er eben die Haupthandlung nicht unternimmt,
auch keine eigene That ausführt, ſondern nur einen That-
antheil. Ebenſowenig hat G. den Beweis angetreten, daß
B durch Vornahme der Haupthandlung — etwa das Oeffnen
des Scheuerthors — die concrete That ausgeführt habe und
nicht vielmehr gleichfalls nur einen Thatantheil. Es erſcheint
darum unverſtändlich, wenn in §. 38 von einer eigenen und
einer fremden That die Rede iſt. — Weiter aber ergibt ſich
bereits aus den früheren Ausführungen, daß aus dem bloßen
Vorausſehen eines fremden Thatantheils, als der Cauſalität
entbehrend, der Zuwachs dieſes Thatantheils zu dem eigenen
nicht hervorgehen kann; ebenſo daß der bloßen Mitwirk-
ſamkeit zu einer fremden Wirkſamkeit nur ein Theil deren
Thatantheils entſpricht. — Endlich iſt nicht einzuſehen, warum
B gerade verbrecheriſch gehandelt haben müſſe, wenn ſein
Thatantheil dem A ſoll zuwachſen können. Denn es ſoll ja
für dieſen Zuwachs gar nicht einmal Vorausſetzung ſein,
daß A die Schuld des B irgendwie beeinflußt gehabt haben
müſſe. Darum muß der nämliche Effect auch dann eintreten,
nicht allein wenn A nur irrig eine verbrecheriſche Abſicht bei
B vorausgeſetzt, ſondern ſogar auch, wenn er denſelben für
unzurechnungsfähig gehalten hatte. G. hätte jedenfalls nach-
weiſen ſollen, daß in letzterem Falle A einer anderen Beur-
theilung zu unterziehen ſei. — Hiernach aber dürfte in Wirk-
lichkeit die Deduction G. weiter nichts beſagen, als daß das
Vorausſehen einer fremden, zu der eigenen hinzutretenden,
Wirkſamkeit für dieſelbe haftbar mache — was eben nur
dann richtig ſein kann, wenn man die volle Cauſalität bereits
in der eigenen Wirkſamkeit begründet findet.
Zur Charakteriſirung des Mitthäters ſoll aber weiter
noch gehören, daß er ſich ſeiner Wirkſamkeit — die nicht die
Haupthandlung iſt — mit dem Willen entäußert habe, die
Haupthandlung zu begehen. Hierin liegt 1) A darf nicht
erwarten, daß B die Haupthandlung vornehmen werde, weil
andernfalls er ſelbſt dieſe Handlung nicht vornehmen will.
Für die Praxis wird darum dieſer Begriff nur von beſchränkter
Anwendbarkeit ſein können, da die gemeinſchaftliche Aus-
führung eines Verbrechens meiſtens nach einem vorher aus-
drücklich oder ſtillſchweigend feſtgeſtellten Plane — mit dem
Bewußtſein des A alſo ſtattfinden wird, daß die Haupt-
handlung von B ſolle begangen werden. Bei den Verbrechen,
bei welchen die Haupthandlung nur von Einem ausgeführt
zu werden vermag — Nothzucht, Tödtung durch Schuß,
Diebſtahl einer Sache von kleinem Umfange — würde mit
dem beſten Willen eine Mitthäterſchaft nicht begründet
werden können, und dieſelbe überhaupt vorzugsweiſe als ein
Werk des Zufalls zu betrachten ſein. — Zugleich aber muß
A auch 2) ſeine Handlung mit der irrigen Ueberzeugung aus-
geführt haben, ſie ſei die Haupthandlung, denn ſonſt wäre
der Wille, mit dieſer Handlung die Haupthandlung zu
begehen, undenkbar. Der Kreis der praktiſchen Anwend-
barkeit des gegebenen Begriffs der Mitthäterſchaft verengert
ſich darum noch mehr. — Will jedoch 3) Geyer mit ſeiner
Definition ſagen — er hat das Alles im Unklaren gelaſſen —
die Qualität des Mitthäters komme für A nicht zum Wegfall,
wenn er auch die von ihm unternommene Handlung nicht
für die Haupthandlung, ſondern für eine Nebenhandlung,
gehalten, inſofern er nur bei Vornahme dieſer Nebenhandlung
die Abſicht gehabt habe, derſelben die Ausführung der Haupt-
handlung nachfolgen zu laſſen, hieran dann aber durch die
ihm zuvorkommende Thätigkeit des B gehindert worden ſei,
ſo würde nicht allein der Grund nicht erſichtlich werden,
aus welchem A für die Wirkſamkeit des B haften müßte,
ſondern es würde ſich auch hieraus noch mehr ergeben, daß
die Mitthäterſchaft die von G. behauptete objective, ſie
begründende, Baſis gar nicht hat. Wirklich gethan hat dann
der Mitthäter nicht mehr und nicht weniger wie der Gehülfe,
und es würde darum ſeine Verſchiedenheit von dem Gehülfen
lediglich in ſeinem, bei der Begehung ſeiner verbrecheriſchen
Thätigkeit auf die Ausführung der Haupthandlung gerichteten,
Willen gefunden werden können. Macht aber der bloße
Wille zum Mitthäter, ſo liegt darin der Beweis, daß
objectiv eine Verſchiedenheit zwiſchen der beihelfenden
Wirkſamkeit und derjenigen des Thäters nicht beſteht. —
Darum iſt auch nicht die Wirkſamkeit ſondern lediglich der
Wille des Gehülfen ein untergeordneter.
Leiden aber nach dieſen Ausführungen die Gegner
des ſubjectiven Standpunkts in der Lehre von der Theil-
nahme an der größten Unklarheit ihrer Begriffe, ſo läßt ſich
nicht einſehen, warum ſie dieſen Standpunkt ſtets mit dürren
Worten, ohne jede zureichende Begründung, von ſich abweiſen.
Sie mögen widerlegen, daß jede Mitwirkſamkeit den ganzen
Erfolg verurſache, daß darum jede Mitwirkſamkeit, einſchließlich
der Haupthandlung, für den Erfolg die nämliche objective
Bedeutung hat, wie jede andere auch, und ſomit die Ver-
ſchiedenheit zwiſchen Urhebern und Gehülfen ohne alle objec-
tive Beimiſchung einzig und allein auf die Willensverſchieden-
heit derſelben zurückgeführt werden muß. Wollen ſie aber
an der Theilbarkeit des Erfolgs feſthalten, ſo mögen ſie
wenigſtens klar und deutlich die Art und Weiſe kenn-
zeichnen, wie denn alle einzelnen Thatantheile auf einen
Jeden der mehreren Mitwirkenden ſich vereinigen laſſen, ſich
genau darüber ausſprechen, was denn unter einer Haupt
handlung, Ausführungshandlung, einer das Weſen des
Verbrechens begründenden Handlung, was unter einer eigenen
und fremden Abſicht, Selbſtausführung, Mitſchuld u. ſ. w
verſtanden werden ſoll, und ſich hiermit erſt die Grundlage
für ihren eigenen Standpunkt ſchaffen. Und wenn ihnen
dies nicht gelingt, ſo mögen ſie die Verſchiedenheit zwiſchen
Urheberſchaft und Beihülfe, die Begriffe der Mitthaterſchaft
und Anſtiftung auf der ſubjectiven Seite der Handlung
ſuchen. Sind ſie hier nicht ausfindig zu machen, ſo wird
ſehr zu befürchten ſein, daß ſie in Wirklichkeit nicht beſtehen.
Jedenfalls möchte der frühere Stand der Lehre von der
Theilnahme, nach welchem die fraglichen Begriffe durch das
Maß der Mitwirkſamkeit (objectiv) bedingt wurden, den gegen-
wärtigen Theorien vorzuziehen ſein, die, indem ſie von den
früheren Criterien nicht loskommen können, und ſie doch
auch nicht beibehalten wollen, überhaupt nicht wiſſen, worin
ſie dieſelben finden ſollen.
Der Angelpunkt, um welchen ſich die Lehre von der ſ. g.
Theilnahme an dem Verbrechen dreht, iſt die Unterſcheidung
zwiſchen Urheberſchaft und Beihülfe, und hierbei erſcheint
als die Hauptfrage die: will der Gehülfe den Erfolg, oder
will er ihn nicht. Will er ihn nicht, ſo iſt ſeine Verſchieden-
heit von dem Urheber ſofort feſtgeſtellt. Es muß aber ſodann
die Beihülfe dergeſtalt als ein Acceſſorium der Urheber-
ſchaft betrachtet werden, daß man, eine Wirkſamkeit derſelben
für den Erfolg läugnend, ſie lediglich in Beziehung zu der
Perſon des Urhebers bringt, demgemäß den Erfolg als
Maßſtab ihrer Strafbarkeit aufgibt und nur die einzelnen
beihelfenden Handlungen wegen ihrer formalen Natur mit
Strafe bedroht. Aber ſogar die Begünſtigung wird gegen-
wärtig im Zuſammenhang mit der angerichteten Rechtsver-
letzung betrachtet. — Will hingegen der Gehülfe den Erfolg,
ſo fällt ihm hierdurch, ſo wie in Gemäßheit ſeiner mitwirken-
den Thätigkeit, der ganze Erfolg gerade ſo zur Laſt, wie auch
dem Urheber. Er iſt ſelbſt Urheber — oder, wenn man denn
auf dieſe bedeutungsloſe Bezeichnung Werth legen will,
Miturheber — und alle Grundſätze über dolus, Verſuch,
Vollendung, perſönliche Qualificationen, Rücktritt vom Ver-
brechen u. ſ. w. müſſen darum für ihn eine ſelbſtſtändige
Geltung haben. Seine einzige Verſchiedenheit von dem
Urheber beſteht in der Unſelbſtſtändigkeit ſeines Willens, die
aber außerhalb des Gebietes ihrer Conſequenzen irgend
welchen weiteren Einfluß nicht zu äußern vermag. — Ob-
gleich nun der Gehülfe den Erfolg entweder nur wollen oder
nichtwollen kann, und ein Drittes nicht möglich erſcheint, ſo
wird doch nirgends ſeine Willensbeſchaffenheit näher unter-
ſucht. Bei Geyer tritt l. c., nachdem S. 390 geſagt worden
iſt, jede Beihülfe ſei für den concreten Erfolg weſentlich;
und S. 382, es ſei falſch, den Gehülfen als denjenigen zu
bezeichnen, der das Verbrechen nur als ein fremdes wolle;
ſowie S. 383, der Gehülfe wirke dolos zu einem Verbrechen
mit, plötzlich die Behauptung hervor (§. 34), Beihülfe ſei
bloße Mitwirkung zu den Verbrechen eines Andern,
Fremden. Der Gehülfe will alſo das Verbrechen nicht als
eigenes — darum aber überhaupt nicht. — Für das fremde
und eigene Verbrechen ſoll das fremde und eigene Jntereſſe
nicht maßgebend ſein (S. 382). Der Andere iſt vielmehr
nach den früheren Ausführungen lediglich derjenige, welcher
die Haupthandlung begeht. Der Gehülfe will alſo den Erfolg
nicht als eigenen, weil er die Haupthandlung nicht ausführt,
und es iſt darum, da die Mitwirkung des Gehülfen für
weſentlich erklärt wird, die Haupthandlung noch weſentlicher
wie weſentlich. Man ſollte aber wohl meinen, daß, wenn
der Gehülfe dolos zur Herbeiführung des Verbrechens weſent-
lich mitwirkt, er daſſelbe auch als ein eigenes will, ſollte er
es ſelbſt für einen Andern wollen.
Der Urheber kann den Erfolg nach den früheren Aus-
führungen nur dann wollen, wenn er denſelben mit einiger
Wahrſcheinlichkeit als das Ergebniß ſeiner Handlung voraus-
ſieht und ſich daher einige Vorſtellung über den Verlauf
des Cauſalzuſammenhangs nach dem Erfolge hin gemacht
hat. Das Nämliche muß auch bei dem Gehülfen zutreffen.
Strafbare Beihülfe liegt darum dann noch nicht vor, wenn
A dem B den von demſelben zur Ausführung irgend eines
beliebigen Verbrechens verlangten Knittel gegeben hat. Sie
iſt auch dann noch nicht begründet, wenn A dem B eine
Leiter geliehen hat, welche derſelbe zur Ausführung irgend
eines Diebſtahls benutzen will, ſollte ſelbſt A im Allgemeinen
überzeugt geweſen ſein, daß man dem B die Begehung eines
Diebſtahls wohl zutrauen könne. Es muß vielmehr, wenn
ſtrafbare Beihülfe ſoll angenommen werden können, auch
bezüglich des Gehülfen ein Willenszuſammenhang zwiſchen
Handlung und Erfolg begründet ſein; er muß nicht bloß, was
ſtets der Fall ſein wird, mit einiger Wahrſcheinlicheit vorausge-
ſehen haben, daß eine urheberiſche Wirkſamkeit zu der ſeinigen
hinzutreten, ſondern er muß auch einige Vorſtellung davon
gehabt haben, wie ſich von da ab der Cauſalverlauf zu dem
concreten Erfolge geſtalten werde. Sieht man von dem
letzteren Erforderniß ab, ſo kann nicht geſagt werden, der
Gehülfe habe den Erfolg gewollt, und es würde dann der-
ſelbe nur als ein Acceſſorium des Urhebers in der oben
beſchriebenen Geſtalt anzuſehen ſein. — Das Nämliche gilt
von der Anſtiftung.
Aber der Gehülfe will nur, für den Fall der Urheber
will, und wenn dieſer nicht will, ſo will er auch nicht. Er
betrachtet mithin den urheberiſchen Willen als den herrſchen-
den, von dem ſein eigenes Wollen des Erfolgs abhängig
ſein ſoll. Er nimmt gerade ſo gut das Wollen wie das
Nichtwollen des Urhebers gleichmäßig als die Bedingung
ſeines eigenen Wollens in Ausſicht, und es geſchieht daher
mit ſeinem Willen, wenn der Urheber die von ihm
geäußerte Thätigkeit zur Herbeiführung des Erfolgs nicht
verwenden will. — Dieſe Unterordnung des beihelfenden
Willens unter den urheberiſchen hat jedoch nicht zur Folge,
daß der beihelfende Wille durch den urheberiſchen und
beziehungsweiſe durch die urheberiſche Thätigkeit erſt zur
ſtrafbaren Exiſtenz gelangte. Es iſt vielmehr der beihelfende
Wille als ein von vornherein eventuelles Wollen auch ſchon
von vornherein in ſeiner Thätigkeit ſtrafbar. Andernfalls
würde die beihelfende Thätigkeit überhaupt nicht ſtrafbar ſein,
weil die Verwandlung einer an ſich ſtrafloſen Handlung in
eine ſtrafbare durch das nachträgliche Wollen und Handeln
eines Andern nicht denkbar erſcheint.
Daraus, daß der beihelfende Wille den urheberiſchen
Willen als den herrſchenden betrachten muß, ergibt ſich aber
1) daß der Gehülfe keine Handlung vornehmen darf, von
welcher er nicht erwartet, daß ſich an dieſelbe eine ver-
brecheriſche urheberiſche Thätigkeit anſchließen werde, denn
in dieſem Falle würde ſich ſein auf Herbeiführung des
Erfolgs gerichteter Wille zum herrſchenden aufwerfen. Und
nur aus dieſem Grunde — nicht wegen ihrer objectiven
Beſchaffenheit — darf der Gehülfe die Haupthandlung nicht
begehen. Darum begründet auch ſchon das Beſtreben, die
Haupthandlung auszuführen — die Vornahme einer Thätig-
keit, welcher man die Ausführung der Haupthandlung
nachfolgen laſſen will — nicht erſt die Ausführung der
Haupthandlung ſelbſt urheberiſchen Willen. — Weiter geht
2) hieraus hervor, daß die Qualität des Gehülfen durch ein
eigenes ſelbſtſtändiges Jntereſſe an dem Erfolge zum Wegfall
kommen kann. Dann nämlich, wenn dieſes Jntereſſe von
ſolcher Bedeutung iſt, daß der Gehülfe nicht mehr den Willen
des Urhebers in Ausſicht nimmt und vielmehr nur auf deſſen
Wirkſamkeit gleich derjenigen eines Unzurechnungsfähigen
oder des Naturcauſalismus reflectirt. Das Nichtwollen
des Urhebers entſpricht in dieſem Falle ſeinem Willen durch-
aus nicht, und eben darum erſcheint dann auch dieſer Wille
nicht als ein dem Willen des Urhebers ſich unterordnender.
Der Gehülfe will dann vielmehr, daß der Urheber wolle,
und wird hiermit ſelbſt zum Urheber. — Ein Widerſtreit
der Erforderniſſe sub 1 und 2 iſt, da es ſich hier lediglich
um den Willen handelt, nicht möglich (m. Abh. 1862).
An und für ſich iſt dieſe Begründung der Willens-
verſchiedenheit zwiſchen Urhebern und Gehülfen, und ſomit
die Verſchiedenheit beider überhaupt, noch nicht zu widerlegen
verſucht worden. Man ſtützt ſich ſtets nur darauf, daß das
Jntereſſe kein Factor im Strafrecht ſei. Das mag ja nun
im Allgemeinen richtig ſtehen, und der Gehülfe — wie etwa
derjenige, welchem ein Lohn in Ausſicht geſtellt iſt — ſogar
ein eigenes Jntereſſe an der Herbeiführung des Erfolgs
beſitzen, wenn nur nicht hierdurch das Sichunterordnen
ſeines Willens unter das Nichtwollen des Urhebers in
Wegfall kommt. Geſchieht dies, ſo wird das Jntereſſe durch
ſeinen Einfluß auf den Willen von rechtlicher Bedeutung.
— Ueberdies ſind die etwaigen Einwendungen gegen die
Theorie des Jntereſſes durchgängig ſehr dürftig. Geyer
z. B. ſagt S. 383 nur, die Unterſcheidung zwiſchen eigenem
und fremdem Jntereſſe ſei ganz ungenau, da mein Jntereſſe
an einem fremden Jntereſſe eben doch das meinige, und die
größere oder geringere Lebhaftigkeit des Jntereſſes nicht als
Criterium verwendbar ſei. Er überſieht aber hierbei, daß
das Jntereſſe des Gehülfen an dem Jntereſſe des Urhebers
dieſem letzteren Jntereſſe durchaus untergeordnet iſt, da in
demſelben Moment, in welchem der Urheber kein Jntereſſe
mehr hat, auch dasjenige des Gehülfen zum Wegfall kommt,
mithin eine abſolute Verſchiedenheit zwiſchen den beiden
Jntereſſen beſteht.
Die Unterordnung eines beihelfenden Willens kann nur
dann ſtattfinden, wenn auch wirklich ein verbrecheriſcher
urheberiſcher Wille — wenigſtens nach der Meinung des
Gehülfen — exiſtirt. — Jſt dies nicht der Fall, ſo weiß der
Gehülfe, daß lediglich ſein auf das Verbrechen gerichteter
Wille der daſſelbe beſtimmende — alſo der herrſchende iſt.
Darum gibt es keine culpoſe Beihülfe, die allerdings von
objectivem Standpunkt aus denkbar erſcheint, ſondern nur
eine culpoſe Urheberſchaft. Es iſt daher auch keine Beihülfe,
wenn Jemand, ſei es auch ohne eigenes Jntereſſe, den Willen
eines, wie ihm bekannt, Unzurechnungsfähigen, Fahrläſſigen
oder ohne Schuld Handelnden in Ausſicht nimmt.
Da der Gehülfe ſeine Cauſalität zur Mitwirkung für
den von ihm, wenn auch nur eventuell, gewollten Erfolg
beſtimmt, ſo liegt auch, wie bereits bemerkt, ſofort nach
Vornahme ſeiner Thätigkeit ein ſtrafbarer Verſuch, den
Erfolg eventuell herbeizuführen, für ihn vor. Ob nunmehr
der Urheber — den er etwa nur irrig unterſtellt hatte —
gleichfalls mit ſeiner Thätigkeit das Gebiet des Verſuchs
betritt, iſt hierfür gleichgültig. Die entgegengeſetzte Anſicht,
welche von dieſer Vorausſetzung die Strafbarkeit des Gehülfen
abhängig macht, wird nirgends ausreichend begründet. Geyer
(§. 34) geht hierbei ſogar ſo weit, daß, wenn die bei dem
Verſuche ſtehen gebliebene Thätigkeit des Urhebers noch keine
Vereinigung mit derjenigen des Gehülfen gefunden, letztere,
da ſie dann noch nicht (wozu?) mitgewirkt habe, für ſtraflos
zu halten ſei. Verſuchte Beihülfe — aber auch Beihülfe
zum Verſuche — iſt allerdings, im Falle man ſich, wie
Geyer, an das Wort Beihülfe feſthält, undenkbar. Aber
nur darum, weil jede beihelfende Thätigkeit ſofort einen
Verſuch des Verbrechens darſtellt. — Auffallen muß ſonach
die Anſicht G. S. 401, daß durch den Rücktritt des Thäters
vom Verſuche die geleiſtete Beihülfe nicht ſtraflos werde.
Denn wenn der Gehülfe erſt durch den Verſuch des Thäters
ſtrafbar werden kann, ſo ſollte ſeine Strafloſigkeit ſelbſtver-
ſtändlich ſein, im Falle dieſer Verſuch durch Rücktritt des
Thäters wieder beſeitigt wird. Richtig iſt zwar dieſe Anſicht,
ihre Begründung aber findet ſie lediglich in der ſelbſtſtändigen
Strafbarkeit der beihelfenden Thätigkeit. — Begeht der Ge-
hülfe die Haupthandlung, ohne ſie als ſolche zu erkennen —
in der irrigen Ueberzeugung, daß zur Herbeiführung des
verurſachten Erfolgs noch eine zu der ſeinigen hinzutretende
urheberiſche Thätigkeit erforderlich ſei ſo — kommt hierdurch
ſein beihelfender Wille nicht in Wegfall. Er iſt vielmehr,
da die objective Beſchaffenheit der Handlung nicht relevirt,
als Gehülfe des Verſuchs ſchuldig. Waren aber die ander-
weiten zu der ſeinigen hinzugetretenen Zwiſchenurſachen
wenn auch nicht erwartet, ſo doch dem Gehülfen voraus-
ſehbar, ſo liegt ſogar vollendete Beihülfe vor. D. h. der
Gehülfe hat den von ihm gewollten Erfolg herbeigeführt und
darum als Gehülfe für Vollendung einzuſtehen, ſollte ſelbſt
der Urheber noch nicht einmal das Gebiet des Verſuchs
betreten haben. Hält A dem B die Leiter ſeiner Anſicht
nach zur Ausführung eines Diebſtahls, B will aber einen
Mord begehen, ſo hat A wegen der ſelbſtſtändigen Strafbarkeit
9
ſeiner Thätigkeit für den von ihm verſuchten Diebſtahl als
Gehülfe einzuſtehen. Andernfalls würde er ganz ſtraflos
ſein. Geyer meint, der Dolus des Gehülfen habe hier ſeine
volle Verwirklichung nicht erlangt, da dieſe nur eintrete,
wenn der Thäter das Verbrechen vollende. Man würde
dann aber auch Denjenigen nicht für Mord beſtrafen können,
welcher zunächſt nur den Hund des ihm nachſpürenden Jägers
und nur eventuell den Jäger erſchießen wollte, im Falle er
Hund und Jäger getroffen hat. Denn die Bedingung für
ſeinen mörderiſchen Willen — das Fehlen des Hundes —
wäre auch hier ausgeblieben.
Daß der Gehülfe nach der Beſchaffenheit ſeiner eigenen
Subjectivität in Anſehung des Erfolgs zu beurtheilen iſt —
daß er alſo wegen Mords haften kann, wenn auch der
Urheber nur als Todtſchläger erſcheint —, daß er, inſofern
ſie ſich objectivirt haben, für ſeine eigenen ſowohl wie für
die beſonderen Qualitäten des Urhebers einſtehen muß, läßt
ſich gleichfalls nur dann begreifen, wenn man an der in
Hinſicht der Herbeiführung des Erfolgs ſelbſtſtändigen Cau-
ſalität des Gehülfen feſthält, und bleibt von dem Standpunkt
G. aus unerklärlich. — Ob der Gehülfe als alleinſtehender
Thäter das Verbrechen hätte ausführen können oder nicht,
iſt unbeachtlich. Er hat auch in letzterem Falle gewollt, daß
ein verbrecheriſcher Erfolg durch ſeine Mitwirkung zur
Exiſtenz kommen ſolle. Mit der Entſcheidung, daß eine
Frau Gehülfin bei dem Verbrechen der Nothzucht ſein
könne, muß man darum einverſtanden ſein. Ebenſo hat ſie
aber auch als Mitthäterin zu haften, inſofern ihr Wille kein
untergeordneter war, nicht anders, als wenn ſie angeſtiftet
hätte. — Es iſt endlich die von Geyer gebilligte Beſtimmung
des deutſchen Strafgeſetzbuchs, nach welcher das Maximum
der Strafe für Urheberſchaft und Beihülfe und beziehungsweiſe
für Verſuch und Vollendung im Grunde genommen das
nämliche iſt, nicht zu rechtfertigen, weil hierdurch die abſolute
Verſchiedenheit zwiſchen dieſen Begriffen beſeitigt wird.
Der Anſtiftung liegt der Gedanke zu Grunde, daß
der Anſtifter den Willen des phyſiſchen Urhebers beſtimme
— verurſache —, daß der beſtimmte Wille des phyſiſchen
Urhebers den Erfolg verurſache, und daß eben darum auch
der Anſtifter den Erfolg als Urheber verurſache. Die Ein-
wendungen, daß der Wille des phyſiſchen Urhebers gar nicht
beſtimmt werden könne, indem auch bei der größtmöglichſten
Anreizung immerhin eine völlig freie Zuthat deſſelben zur
Geſtaltung ſeines Entſchluſſes hinzukommen müſſe, darum
aber in der Anſtiftung auch nur eine Mitwirkſamkeit für den
Erfolg gefunden werden könne (Gerichtsſaal l. c.); und daß
ferner, wenn der Wille des phyſiſchen Urhebers wirklich
beſtimmt worden ſei, derſelbe auch nicht ſtrafbar erſcheine,
werden nicht widerlegt. Und man überſieht noch obendrein,
daß der aufgeſtellte Begriff keine Erklärung dafür darbietet,
warum der Anſtifter auch dann für den Erfolg einzuſtehen
habe, wenn derſelbe nur durch den Hinzutritt einer fremden
Kraft — etwa des Naturcauſalismus — zu der Thätigkeit
des phyſiſchen Urhebers herbeigeführt worden iſt.
Auch Geyer bezeichnet wiederum den Anſtifter als den-
jenigen, welcher den doloſen Thäter abſichtlich zur Begehung
des Verbrechens beſtimmt habe, und ſchiebt hierbei die Unter-
ſuchung der Frage, ob ein ſolches Beſtimmen überhaupt
möglich ſei, ausdrücklich als zu weit führend von ſich ab.
Sodann aber ſagt er, Anſtiftung — mit der Wirkung der
Verantwortung des ganzen Erfolgs — liege auch dann vor,
wenn der Thäter nicht blos durch die Motive, die der An-
ſtifter auf ihn habe einwirken laſſen, ſondern außerdem auch
noch durch andere Motive ſich zur That habe beſtimmen
9*
laſſen (§§. 8, 9). Der Anſtifter würde in dieſem Falle nur
einen Theil des verbrecheriſchen Entſchluſſes und ſomit auch
nur einen Theil der That des phyſiſchen Urhebers verurſacht
haben, darum aber ſchon wegen ſeiner bloßen Mitwirkſamkeit
für Entſchluß und That für das Ganze verantwortlich ſein.
Daher iſt es nicht verſtändlich, warum Geyer den alten
Begriff, daß der Anſtifter den phyſiſchen Urheber durchaus
beſtimmt haben müſſe, wenn ihm deſſen That zur Laſt
geſetzt ſolle werden können, reproducirt. Uebrigens liegt hier
ein Widerſpruch zwiſchen §. 9 und §. 24 vor. Denn wenn
es in Betreff der Haftbarkeit des theilweiſen Anſtifters für
den ganzen Erfolg gleichgültig erſcheint, ob der phyſiſche
Urheber die ergänzenden Motive aus ſich ſelbſt oder anders-
woher ſchöpft, ſo läßt §. 24 mit Unrecht die Haftbarkeit des
Mitanſtifters für den ganzen Erfolg nur dann begründet
werden, wenn der Mitanſtifter A Kenntniß von der hinzu-
tretenden mitanſtiftenden Thätigkeit des B hatte. Richtig
allerdings iſt nur §. 24. Der §. 9 beruht auf der, wie
ausgeführt, zu weit gehenden Anſicht, daß ſchon die bloße
Mitwirkſamkeit für den gewollten Erfolg die ſubjective Ver-
antwortlichkeit für denſelben nach ſich ziehe, einerlei ob die
übrigen mitwirkſam geweſenen Kräfte vorausgeſehen geweſen
waren oder nicht.
Weiter wird Geyer durch ſeine unerwieſene Voraus-
ſetzung, daß der Anſtifter doloſe einen doloſen Thäter
beſtimmt haben müſſe, zu der Behauptung geführt, es gäbe
keine verſuchte und keine culpoſe Anſtiftung. Freilich nicht,
wenn man an dem Begriffe der Anſtiftung feſthält. Wohl
aber, im Falle man, was ja von G. ſelbſt geſchieht, davon
ausgeht, daß der Anſtifter das Verbrechen wolle, und ſeine
intellectuelle Thätigkeit eine Mitwirkſamkeit für daſſelbe ent-
halte, man alſo den Anſtiftungsbegriff fallen läßt und lediglich
an demjenigen des Wollens des Erfolgs und der Mitwirkſamkeit
(Miturheberſchaft) für denſelben feſthält. Dann kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß die intellectuelle Cauſalität
der nämlichen Beurtheilung unterzogen werden muß, wie die
phyſiſche, und eben darum die wirkungslos gebliebene intellec-
tuelle Thätigkeit einen Verſuch — nicht der Anſtiftung
ſondern — des Verbrechens darſtellt; ebenſo aber auch die
culpoſe intellectuelle Thätigkeit nicht als culpoſe Anſtiftung
ſondern als culpoſe Herbeiführung des Erfolgs zu beſtrafen
iſt. G. hat ſich nicht darüber ausgeſprochen, aber er wird
wohl nichts dagegen einzuwenden haben, daß die mißlungene
Anſtiftung eines Unzurechnungsfähigen als Verſuch des
Verbrechens ſelbſt, und die culpoſe intellectuelle Verleitung
eines Unzurechnungsfähigen als culpoſe Urheberſchaft anzu-
ſehen iſt. Warum ſoll ſich dies nun bei einem Zurechnungs-
fähigen anders verhalten? — Die Gegengründe G. gegen
die verſuchte Anſtiftung baſiren wieder auf der bloßen
Behauptung, daß die anſtiftende Thätigkeit an und für ſich
noch nicht als eine cauſale angeſehen werden könne, daß
hierzu vielmehr wenigſtens noch eine Verſuchshandlung des
phyſiſchen Urhebers gehöre, für welche dann vermöge Mit-
ſchuld der Anſtifter ſtrafbar werde. Zur Begründung dieſer
Behauptung hätte aber auch hier unbedingt der unterlaſſene
Nachweis geliefert werden müſſen, wie denn eine an ſich
ſtrafloſe Handlung überhaupt hintendrein noch ſtrafbar
werden könne. — Der Anſtifter kann nach G. als Mörder,
der Angeſtiftete nur als Todtſchläger geſtraft werden. Aber
wie iſt es denn möglich, daß ſich aus der Schuld des An-
geſtifteten, die nur aus Affect beſteht, Vorbedacht auf den an
und für ſich ganz ſtrafloſen Anſtifter ablagere? Richtig iſt
dieſe Anſicht — aber nur dann, wenn man die Thätigkeit
des Anſtifters in ihrem cauſalen Verhältniß zu dem gewollten
Erfolge betrachtet. — So führt auch die Theorie G. nicht
dahin, daß der Anſtifter zu Kindesmord für gewöhnlichen
Mord, ſondern umgekehrt dahin, daß er nur für Kindesmord
haftet. Die Berufung auf den ethiſchen Standpunkt (§. 18
N. 5) enthält keine rechtliche Begründung. Zuzugeben iſt
übrigens, daß der Kindesmord nicht als ein beſonderes
Verbrechen ausgezeichnet werden ſollte (Gerichtsſaal l. c.). —
Endlich meint G., die Strafloſigkeit der verſuchten Anſtiftung
ergebe ſich vorzüglich daraus (§. 22 N. 2), daß hier ein
Rücktritt nicht möglich ſei, während, wenn der Hinzutritt
einer Verſuchshandlung des Angeſtifteten ſtattgefunden habe,
der Anſtifter noch zurücktreten könne. Es liegt aber in dieſer
ganz richtigen Erſcheinung durchaus nichts Auffallendes.
Derjenige, welcher zum Zweck der Begehung eines Diebſtahls
vergeblich verſucht hat, mittels Anwendung von Werkzeugen
die Hausthüre zu öffnen, kann auch nicht mehr ſtraflos
zurücktreten, wohl aber, wenn er bereits durch die geöffnete
Thüre in das Haus eingetreten iſt — und doch liegt hier
eine vorgeſchrittenere Thätigkeit vor.
Sowohl in der Beförderung der Entſtehung des Ent-
ſchluſſes des phyſiſchen Urhebers als in der Beförderung
der Fortdauer deſſelben (Gerichtsſaal l. c.) iſt eine Mit-
wirkſamkeit für den gewollten Erfolg zu finden. Eine objec-
tive Verſchiedenheit zwiſchen der Cauſalität des Anſtifters
und derjenigen des intellectuellen Gehülfen beſteht ſonach
nicht. Es liegt vielmehr die Verſchiedenheit zwiſchen dem
Anſtifter und dem intellectuellen Gehülfen lediglich in der
Verſchiedenheit ihrer Willensbeſchaffenheit, dergeſtalt daß
intellectuelle Urheberſchaft auch durch Beförderung der Fort-
dauer des verbrecheriſchen Entſchluſſes des phyſiſchen Urhebers
und intellectuelle Beihülfe durch Beförderung der Entſtehung
dieſes Entſchluſſes begründet werden kann. Dieſe Willens-
verſchiedenheit kann aber — abgeſehen natürlich von der
hier unmöglichen Haupthandlung — nur die nämliche ſein,
wie ſie bereits in Betreff der phyſiſchen Urheberſchaft und
Beihülfe charakteriſirt wurde. Jntellectuelle Urheberſchaft
entſteht darum, wenn bei der intellectuellen Thätigkeit nur
das Wollen des phyſiſchen Urhebers, und ſomit lediglich
deſſen Wirkſamkeit, intellectuelle Beihülfe aber, wenn hierbei
gleichmäßig das Wollen und das Nichtwollen des phyſiſchen
Urhebers in Ausſicht genommen geweſen war. Erblickt man
freilich in dem Willen des angeſtifteten phyſiſchen Urhebers
lediglich ein Product der auf ihn beſtimmend geäußerten
intellectuellen Wirkſamkeit, ſo muß ſelbſtverſtändlich die
Möglichkeit einer Unterordnung des anſtiftenden Willens
entfallen. Es würde dann aber auch in der Beförderung
der Fortdauer des verbrecheriſchen Entſchluſſes des phyſiſchen
Urhebers ein Beſtimmen des Willens deſſelben gefunden
werden müſſen, und ſomit von intellectueller Beihülfe über-
haupt keine Rede ſein können. — Selbſt wenn man daran
feſthalten wollte, daß die intellectuelle Thätigkeit nicht in
ſelbſtſtändiger cauſaler Beziehung zum Erfolge ſtehe, und
vielmehr erſt durch die Thätigkeit des phyſiſchen Urhebers
ihre rechtliche Bedeutung erhalte, ſo würde gleichwohl eine
abſolute objective Verſchiedenheit zwiſchen intellectueller Ur-
heberſchaft und Beihülfe nicht anzuerkennen ſein, denn auch
die intellectuelle Thätigkeit des Gehülfen erzeugt urheberiſche
Wirkſamkeit.
X. Begünſtigung.
Eine nicht gelungene Partie des deutſchen Strafgeſetz-
buchs iſt in den §§. 257—259 enthalten. §. 257 verordnet,
daß Derjenige der Begünſtigung ſchuldig ſei, welcher nach
Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter
oder Theilnehmer wiſſentlich Beiſtand leiſte, um I. denſelben
der Beſtrafung zu entziehen, oder II. um ihm die Vortheile
des Verbrechens oder Vergehens zu ſichern. Das „wiſſent-
lich“ in dieſer Definition iſt, wie bereits Schwarze Gerichts-
ſaal 1872 H. 5 bemerkt, überflüſſig, weil das „um“ das
Nämliche bezeichnet. Das „Beiſtandleiſten“ aber enthält
keine techniſche Bedeutung und erſcheint an und für ſich
nichtsſagend. Denn auch Derjenige leiſtet nach Vollziehung
der ſtrafbaren That dem Verbrecher Beiſtand, welcher ihn in
den gewöhnlichen Geſchäften des täglichen Lebens unterſtützt.
Eine Bedeutung wird dem Beiſtandleiſten vielmehr erſt durch
die beigefügte geſetzliche Erläuterung, um u. ſ. w. verliehen.
Außerhalb des Kreiſes dieſer geſetzlichen Erläuterung gibt es
darum keine Begünſtigung.
Ad I werfen ſich folgende Erwägungen auf:
1) Der Begünſtiger muß nach §. 257, um ſtrafbar zu
ſein, wiſſen, daß er es mit einem Verbrecher zu thun habe,
und befürchten, derſelbe werde beſtraft werden. Hält er die
begangene That nicht für ſtrafbar, ſo kann ihn daher eine
Strafe nicht treffen, ſollte er auch ein gerichtliches Einſchreiten
als bevorſtehend vorausſehen. Er iſt ſogar ſtraflos, wenn
er zwar die begangene That für ſtrafbar erachtet, aber —
ſelbſt fahrläſſig — der Anſicht iſt, ſie werde verheimlicht
bleiben, oder es werde eine Anklage nicht erhoben werden,
und ſich nur darum etwa zur Beförderung der Flucht des
Verbrechers veranlaßt ſah, weil dieſer ſie eben abſolut
ergreifen wollte. Ebenſo, wenn er der Anſicht geweſen ſein
ſollte, die eingeleitete Unterſuchung könne in Ermangelung
genügenden Beweiſes nicht zu einer Beſtrafung führen.
Schwarze l. c. behauptet zwar, man könne wegen der All-
gemeinheit des Ausdrucks „Beſtrafung“ denſelben mit „die
gerichtliche Verfolgung vereiteln“ überſetzen. Allein hierfür
gebricht es wohl an genügenden Anhaltspunkten in §. 257,
die um ſo erforderlicher wären, als dieſe Ueberſetzung zu
ganz anderen Reſultaten führt. Wohl aber hätte ſich aller-
dings das Strafgeſetzbuch im Sinne S. ausſprechen und
hierbei das Charakteriſtiſche in der Erſchwerung der gericht-
lichen Verfolgung finden ſollen. Doloſe Vollendung würde
dann vorliegen, wenn die gerichtliche Verfolgung wenigſtens
als bevorſtehend betrachtet, culpa hingegen, wenn namentlich
aus unzuläſſigen Gründen angenommen worden war, es
werde eine gerichtliche Verfolgung überhaupt nicht eintreten,
und zugleich in beiden Fällen die Handlung wirklich eine
Erſchwerung dieſer Verfolgung verurſacht hatte. Andernfalls
wäre Verſuch und beziehungsweiſe Strafloſigkeit begründet.
2) Welcher Anſicht §. 257 in dieſer Richtung iſt, wird
durch den Ausdruck „Beiſtandleiſtung“ nicht ſonderlich klar.
Soll a) Vollendung erſt dann angenommen werden, wenn
die Sicherſtellung vor der Strafe wirklich bewerkſtelligt —
der beabſichtigte Erfolg alſo eingetreten — iſt, ſo würde
hierfür Vorausſetzung ſein, daß eine gerichtliche Nachforſchung
nach dem Verbrecher bei deſſen Lebzeiten ſtattgefunden hat,
aber in Folge der vorausgegangenen Begünſtigung ergebnißlos
geblieben war. Wurde der Verbrecher ergriffen, ſo könnte
nur von Verſuch die Rede ſein. Dies noch mehr dann,
wenn hierauf eine Freiſprechung deſſelben erfolgte. Sollte
hier ſelbſt in der Zwiſchenzeit die Verjährung abgelaufen
oder ein Beweismittel zu Grunde gegangen ſein, welches,
wenn der Verbrecher nicht begünſtigt worden wäre, hätte
benutzt werden können, ſo würde doch ſchwerlich Vollendung
angenommen werden dürfen, weil es ſtets nicht genügend
darzuthun ſein wird, daß andernfalls eine Verurtheilung
ſtattgefunden haben würde. — Ebenſo wie Verſuch würde
hier auch Beihülfe vorkommen, die Unterſcheidung zwiſchen
Urheberſchaft und Beihülfe aber der Natur der Sache nach
nicht von einer Haupt- und Nebenhandlung bedingt ſein
können. — Nicht weniger würde ſich eine culpa conſtruiren
laſſen. — Soll hingegen b) das Delict bereits dann vollendet
erſcheinen, wenn nur eine beiſtandleiſtende Handlung über-
haupt ſtattgefunden hat, ſo würde der wirklich eingetretene
Erfolg nur als Strafzumeſſungsgrund anzuſehen ſein.
Daraus aber würde ſich weiter ergeben, daß es dann nicht
darauf ankommen kann, ob die beiſtandleiſtende Handlung
wenigſtens einen theilweiſen Erfolg gehabt hat, der Verbrecher
alſo etwa bereits eine Strecke weit entflohen war, als er
ergriffen wurde. Denn ein theilweiſer Erfolg hat keine
andere Bedeutung, als ein total verfehlter. Darum würde
eine Handlung ſchon dann als eine vollendete Beiſtandleiſtung
anzuſehen ſein, wenn ſich aus ihr ergibt, daß ſie zur Sicher-
ſtellung des Verbrechers unternommen worden iſt. Conſequent
aber würden hiernach Verſuch und Beihülfe — ſowie culpa
— nicht vorkommen können, weil dieſes Requiſit zugleich
dasjenige auch für dieſe Formen des Verbrechens ſein
müßte. Die Behauptung S. l. c., daß die Begünſtigung
zwar Beihülfe aber keinen Verſuch zulaſſe, würde ſomit einen
Widerſpruch enthalten.
3) Die Beiſtandleiſtung zur Sicherſtellung vor der
Strafe iſt allerdings ohne eine vorausgegangene Strafthat
nicht möglich — oder doch nur in der Form des untaug-
lichen Verſuchs denkbar. Ein Abhängigkeitsverhältniß dieſes
Delicts von der begangenen Strafthat wird jedoch durch dieſes
Thatbeſtandsmoment nicht begründet. Es ſind vielmehr für
daſſelbe die Vorausſetzungen der Strafthat — ob auf Anklage
oder ex officio ſtrafbar, ob dolos oder culpos, ob Verbrechen
oder Vergehen, in Betreff der Verjährungszeit u. ſ. w., nicht
maßgebend. Nur im Allgemeinen innerhalb des eigenen
Strafrahmens kann die größere oder geringere Schwere der
vorausgegangenen That für die Begünſtigung von Einfluß
ſein. Es braucht aber der Begünſtiger nicht einmal zu
wiſſen, welche Strafthat begangen worden ſei, es genügt
vielmehr ſchon zu ſeiner Strafbarkeit, wenn ihm nur bekannt
iſt, daß er einen Verbrecher vor ſich habe. Und wenn er
glaubt, es handle ſich um eine geringere Strafthat, als welche
wirklich begangen worden iſt, ſo entſcheidet ſeine eigene An-
ſicht. Man ſagt zwar, durch die Strafe werde das begangene
Verbrechen geſühnt, die Sicherſtellung des Verbrechers vor
der Strafe perpetuire alſo daſſelbe. Allein dieſe ideale Aus-
gleichung hat mit dem materiellen Beſtande der angerichteten
Rechtsverletzung nichts zu thun; der Verletzte wird hierdurch
nicht geſund, und der Beſtohlene erhält durch die Beſtrafung ſein
Eigenthum noch nicht zurück. Nur aus dem Geſichtspunkt,
die Beſtrafung beſeitige die ſchlimmen Folgen des durch die
begangene Strafthat gegebenen böſen Beiſpiels, könnte ein
innerer Zuſammenhang des fraglichen Delicts mit dem vor-
ausgegangenen Verbrechen deducirt werden. Es würde dann
aber die Sicherſtellung des Verbrechers vor der Strafe als
die Verhinderung der Beſeitigung dieſer ſchlimmen Folgen
anzuſehen ſein und demgemäß die Strafe für Vollendung
in concreto ſtets den Beweis vorausſetzen, daß auch wirklich
im Falle der Beſtrafung des Verbrechers der Zweck derſelben
erreicht worden wäre. Jmmerhin dürfte, ſelbſt wenn dieſer
Beweis erbracht würde, die Sicherſtellung des Verbrechers vor
der Strafe geeigneter als ein ſelbſtſtändiges Vergehen gegen
die Strafrechtspflege anzuſehen ſein, denn als Begünſtigung.
— Seine Anſicht, es ſtelle dieſes Delict ein Acceſſorium des
Hauptverbrechens dar, beſitze aber zugleich auch einen ſelbſt-
ſtändigen Charakter, hat S. l. c. nicht näher begründet.
4) Aus dieſer acceſſoriſchen Qualität des Delicts, meint
S. l. c., ergebe es ſich, daß nur Derjenige ſich deſſelben
ſchuldig machen könne, welcher an der Strafthat ſelbſt nicht
betheiligt ſei. Allein §. 257 ſagt mit klaren Worten, „wer
einem Thäter oder Theilnehmer Beiſtand leiſtet“, und läßt
in keiner Weiſe erkennen, daß ſich mehrere Theilnehmer durch
gegenſeitige Beiſtandleiſtung dieſes Delicts nicht ſchuldig
machen könnten. Ungerechtfertigt freilich iſt dieſe Anordnung
des Strafgeſetzbuchs. Denn wenn Derjenige, welcher entflieht,
darum nicht geſtraft wird, weil man ihm nicht zumuthen
kann, ſich ſelbſt der Gerechtigkeit auszuliefern, ſo ſollte wohl
auch der Complice für ſtraflos erachtet werden, der zur
eigenen Sicherheit die Flucht ſeines Genoſſen begünſtigt.
5) Das Vergehen der Sicherſtellung des Verbrechers
vor der Strafverfolgung hat mit dem Vergehen der Sicher-
ſtellung der Vortheile der That, wenn ſchon beide in §. 257
unter der gemeinſchaftlichen Bezeichnung „Begünſtigung“
zuſammengefaßt werden, keine nothwendige innere Verwandt-
ſchaft. Wenn daher beide Vergehen in einer Perſon
zuſammentreffen, ſo liegt ein Concurrenzfall vor. Die Selbſt-
ſtändigkeit der beiden Vergehen bringt es aber auch mit ſich,
daß ſie auch mit anderen Verbrechen, die zu ihrer Ermög-
lichung begangen werden, concurriren können. Meineid etwa
mit dem erſtrebten Effecte würde eine Concurrenz involviren.
6) Es mag zwar, wenn die Sicherſtellung des Verbrechers
vor der Strafe wegen eigenen Vortheils ſtattfindet, eine
Straferhöhung innerhalb des Strafrahmens eintreten. Nicht
gerechtfertigt aber dürfte es ſein, daß dann die Strafe des
§. 257, die andernfalls nur in Geldſtrafe oder Gefängniß
bis zu einem Jahre beſteht, ausſchließlich Gefängnißſtrafe
bis zu 5 Jahren betragen ſoll. Aus dem eigenen Vortheil,
welcher nur als ein verwerflicheres Motiv im Vergleich zu
einem andern erſcheint, die Thatbeſtandsmomente des Delicts
aber unberührt läßt, wird hierdurch ein ganz beſonderes
Vergehen conſtruirt. Man wird übrigens, wie auch S. l. c.
annimmt, dem Geſetze keinen unzuläſſigen Zwang anthun,
wenn man, obwohl die fragliche Vorſchrift ganz beſtimmt
lautet, auch auf ſie den Schluß des §. 257 Abſ. 1 anwendet,
nach welchem die Strafe der Begünſtigung der Art und dem
Maße nach keine ſchwerere ſein ſoll, als die auf die Handlung
ſelbſt angedrohte, ſie alſo, im Falle dieſe Handlung nur mit
Geldſtrafe bedroht iſt, für nicht geſchrieben erachtet. —
Unrichtig iſt weiter auch die Vorſchrift des §. 258, daß Der-
jenige, welcher wegen ſeines Vortheils die Sicherſtellung eines
Andern vor der Strafe unternimmt 1) im Falle es ſich um
einen einfachen Diebſtahl oder eine Unterſchlagung handelt,
mit Gefängniß bis zu 5 Jahren, und 2) ſogar mit Zuchthaus
bis zu 5 Jahren als Hehler! beſtraft werden ſoll, wenn ein
ſchwerer Diebſtahl oder ein Raub in Frage ſteht. Denn man
verſteht es nicht, warum §. 258 lediglich auf die genannten
Verbrechen reflectirt, da doch im Falle die Flucht eines
Mörders, Meineidigen, Hochverräthers u. ſ. w. befördert
wird, man es mit noch ſchwereren oder gleich ſchweren
Verbrechen zu thun hat, dennoch hier aber nach §. 257 nur
Gefängnißſtrafe eintreten kann. Und man ſieht nicht ein,
warum der Kutſcher, wenn er dem Räuber umſonſt mit
ſeinem Fuhrwerk zur Flucht verhilft, nur mit Geldſtrafe oder
Gefängnißſtrafe bis zu einem Jahre beſtraft werden kann,
im Falle er ſich aber ſeinen Fahrpreis bezahlen läßt, Zucht-
haus bis zu 5 Jahren erhalten ſoll.
Unerklärlich endlich iſt es auch, wie es gerechtfertigt
werden ſoll, daß, während die (Fund-) Unterſchlagung ſelbſt
nur bis zu 3 Jahren Gefängniß bedroht iſt, der Flucht-
beförderer hier bis zu 5 Jahren Gefängniß erhalten, und
daß im Falle der Räuber wegen mildernder Umſtände mit
Gefängniß beſtraft wird, derjenige, welcher ihm zur Flucht
verhilft — wenn ihm ſelbſt mildernde Umſtände nicht zur
Seite ſtehen — mit Zuchthaus beſtraft werden muß. Denn
die Verurſachung des Verbrechens muß doch ſtets als die
Hauptſache angeſehen werden, in Vergleich zu welcher die
Begünſtigung als die große Nebenſache erſcheint. Und wenn
ſich denn auch einmal für den (Gehülfen oder) Begünſtiger
in concreto eine höhere Strafe rechtfertigen kann, als für
die aus Berückſichtigung ihrer Subjectivität ſehr mild zu
beurtheilenden Urſacher, ſo möchte es doch keinesfalls zuläſſig
ſein, für die Begünſtigung ſogar in abstracto höhere Straf-
rahmen vorzuſehen als für die Hauptthat. Eine dem Schluſſe
des §. 257 Abſ. 1 entſprechende Beſtimmung wäre daher auch
für §. 258 am Platze, dann aber freilich auch die pos. 1 deſſelben
überflüſſig geweſen, die, da die betreffende Beſtimmung bereits
in §. 257 enthalten iſt, nur dann überhaupt von Bedeutung
ſein kann, wenn ſie den Richter bei der Strafzumeſſung von
der Beobachtung der Art und des Maßes der Strafe der
Hauptthat entbinden ſoll. — Daß die grundloſe geſetzwidrige
Zeugnißverweigerung als Sicherſtellung des Verbrechers
vor der Strafe unter §. 257 ſubſumirt werden, daher aber
den Zeugen, dem für die Verweigerung ſeines Zeugniſſes
eine Belohnung in Ausſicht geſtellt worden iſt, gleichfalls
nach §. 258, Abſ. 2 Zuchthaus bis zu 5 Jahren treffen
müſſe, während ſeither (ſ. auch Entwurf der deutſchen Straf-
proceßordnung) eine Zeugnißverweigerung — mit oder ohne
eigenen Vortheil — nur mit höchſtens einigen Monaten Gefäng-
niß erledigt zu werden pflegte, iſt wohl von dem Geſetze über-
ſehen worden. Und dennoch liegt hierin eine dem Verbrecher
noch wünſchenswerthere Begünſtigung, da ihm hierdurch die
Möglichkeit gewährt wird, ruhig in ſeinen ſeitherigen Ver-
hältniſſen zu bleiben, die er im Falle der Flucht aufgeben
müßte.
Ad II wäre in Betracht zu ziehen:
1) was unter einer „Sicherſtellung“ der Vortheile der
That verſtanden werden ſoll. Das Geſetz ſpricht ſich hierüber
nicht näher aus; es bezeichnet das Ereigniß nicht, vor
welchem die Vortheile der That ſicher geſtellt werden müſſen,
wenn Strafbarkeit für Begünſtigung eintreten ſoll. Darum
muß es als Begünſtigung angeſehen werden, wenn dem Dieb
ein Kaſſenſchrank zur Aufbewahrung des geſtohlenen Geldes
geliefert, wenn demſelben Hülfe zur Rettung der geſtohlenen
Sachen vor dem in ſeinem Hauſe ausgebrochenen Feuer
geleiſtet, das erkrankte geſtohlene Pferd curirt, ein Diebſtahl
der geſtohlenen Sache verhindert wird. — Auch in welchem
Sinne die „Vortheile“ zu verſtehen ſein ſollen, deren Sicher-
ſtellung Begünſtigung begründe, gibt das Geſetz nicht an.
Hat daher Jemand ein Jnſtrument geſtohlen, mit deſſen
Anwendung er nicht fertig werden kann, oder der nächſte
Erbe den Erblaſſer ermordet, um früher zur Erbſchaft zu
gelangen, ſo würde Derjenige ſich der Sicherſtellung der
Vortheile der That und ſomit der Begünſtigung ſchuldig
machen, welcher dem Verbrecher den Gebrauch des Jnſtruments
erklärt, den Proceß deſſelben gegen einen unberechtigt auf-
getretenen Miterben glücklich durchführt. Es würde ſtrafbare
Begünſtigung ſein, wenn Jemand das geſtohlene Pferd zum
Gebrauche des Diebes zureitet, die geſtohlene Uhr reparirt.
Aber es dürfte ohne Weiteres erſichtlich ſein, daß man es in
dieſen Fällen mit wirklich ſtrafbaren Handlungen nicht zu
thun hat. — Natürlich kann auch dieſen Handlungen eine
Strafbarkeit nicht daraus erwachſen, daß dieſelben wegen
eigenen Vortheils unternommen worden ſind. Das bloße
Vortheilziehen aus einem fremden Verbrechen iſt nicht ſtraf-
bar — es gibt hierfür keine juriſtiſche Conſtruction. Man
kann Den nicht für ſtrafbar halten, welcher durch das Stu-
dium eines geſtohlenen Buches ſeine Kenntniſſe erweitert,
die Ermordung eines Concurrenten zur Erweiterung ſeines
Geſchäftsbetriebes benutzt, oder während eines durch Hoch-
verrath herbeigeführten Krieges glücklich ſpeculirt. Jſt aber
das bloße Vortheilziehen kein ſtrafbedingendes Moment, ſo
wird es auch kaum gerechtfertigt ſein, die Sicherſtellung der
Vortheile der That, wenn ſie wegen eigenen Vortheils
geſchieht, im Falle des §. 258 Abſ. 2 ſogar mit Zuchthaus
zu bedrohen.
2) Noch unzutreffender iſt die Beſtimmung des §. 259,
daß Derjenige für Hehlerei zu beſtrafen ſei, welcher wegen
ſeines Vortheils Sachen, von denen er weiß, oder den Um-
ſtänden nach annehmen muß, daß ſie mittels einer ſtrafbaren
Handlung erlangt ſind, verheimlicht, ankauft, zum Pfande
nimmt, oder ſonſt an ſich bringt. Es läßt ſich aus dem
Geſetze nicht erklären, warum, wenn die Flucht des Diebes
gegen eine Belohnung in Geld befördert worden iſt, der
Begünſtiger aus §. 257, aus §. 259 aber mit der nämlichen
Strafe belegt werden ſoll, wenn ſein Vortheil in der Zu-
wendung eines Theils der geſtohlenen Sachen beſtanden
hat. Schwarze l. c. meint, die den §. 259 von §. 257
unterſcheidende Charakteriſtik beſtehe darin, daß erſterer eine
Dispoſition des Hehlers über die Sache zum Gegenſtand
habe, durch welche ſie weitergeſchafft, der Verfolgung entzogen
und insbeſondere aus dem Beſitze des Diebes u. ſ. w., der
vielleicht die polizeilichen Recherchen zu fürchten habe, entfernt
werde. Allein dieſer, an ſich nicht unangemeſſene, Geſichts-
punkt ſcheint denn doch nicht derjenige des Strafgeſetzbuchs
zu ſein, weil er gleichmäßig zutrifft, der Begünſtiger mag
einen Vortheil erſtreben oder nicht, letzteren Falls aber nicht
§. 259 ſondern §. 257 zur Anwendung zu bringen ſein
würde. Darum muß auch §. 259 lediglich aus ſich ſelbſt
interpretirt werden. Der Ankauf einer zwar geſtohlenen,
inzwiſchen jedoch herrenlos gewordenen, Sache würde hiernach
durch §. 259 mit Strafe bedroht ſein. Ebenſo der Ankauf
einer Sache vom Diebe in der Abſicht, ſie dem Beſtohlenen
gegen Erſtattung der Koſten und eine in Ausſicht genommene
Belohnung zurückzugeben. Sogar ein ſolcher Ankauf, der
im Auftrage des Beſtohlenen ſtattfindet. Denn der für
§. 257 maßgebende Geſichtspunkt der Sicherung der Vortheile
der That für den Verbrecher, welcher in dieſen Fällen Straf-
loſigkeit bedingen könnte, iſt dies nicht zugleich für §. 259.
Nach §. 259 müßte auch Derjenige beſtraft werden, welcher
von dem Erben, der durch den Tod des von ihm (culpos)
erſchlagenen Erblaſſers in den Beſitz deſſen Nachlaſſes ge-
kommen iſt, Sachen aus dem Nachlaſſe in Empfang nimmt
— und wenn er ſich auch nur eine Rechnung von demſelben
mit ererbtem Gelde bezahlen läßt. Dies ſelbſt dann noch,
wenn der Erbe ſeine Strafe bereits verbüßt hatte. Der Erbe
wäre hiermit freilich interdicirt. — Strafloſigkeit hingegen
wäre Dem geſichert, welcher nach dem Tode des Thäters oder
Theilnehmers die durch den Diebſtahl ꝛc. gewonnenen Sachen
nicht um eigenen Vortheils willen verheimlicht, ſollte er ſelbſt
wiſſen, daß denſelben nachgeſpürt wird. Hätte er hierbei
einen Vortheil erſtrebt, ſo würde er ſtrafbar ſein, und
darum das ſtrafbedingende Moment hier lediglich in dem
10
Streben nach einem Vortheil liegen, welches die ſtrafloſe
Handlung zu einer ſtrafbaren qualificirte. Die Zerſtörung
einer geſtohlenen Sache, welcher nachgeforſcht wird, wäre
ſtraflos, inſofern ein Strafantrag nicht erhoben würde.
3) Schwarze l. c. behauptet ſchwerlich mit Recht, daß
durch den Paſſus des §. 259 „oder den Umſtänden nach
annehmen muß“ eine culpoſe Partirerei nicht etablirt werde.
Muß Jemand nur annehmen, daß die Sache, die er
ankaufen will, geſtohlen ſei, ſo bleibt doch immer die Mög-
lichkeit des Gegentheils übrig — denn das Strafgeſetz
reflectirt hier nicht auf eine Nothwendigkeit oder höchſte
Wahrſcheinlichkeit. Kauft er nun die Sache, indem er dieſe
Möglichkeit unterſtellt — und das wird er ſtets thun — ſo
geſchieht dies nicht mit dem Willen, eine geſtohlene Sache zu
acquiriren. Es läßt ſich hier auch nach obigen Ausführungen
(III) ein eventuelles Wollen nicht conſtruiren, und eben
darum hat man es lediglich mit einer culpa zu thun. — Es
wird aber wohl die betreffende Geſetzesſtelle ſogar auch dann
Anwendung finden müſſen, wenn bei dem Ankauf der
geſtohlenen Sache gar nicht einmal daran gedacht wurde,
dieſelbe könne geſtohlen ſein, inſofern nur hierbei unter den
vorliegenden Umſtänden hieran hätte gedacht werden ſollen.
Schon aus dieſem Grunde kann die ausnahmsloſe Gefängniß-
ſtrafe des §. 259 nicht gerechtfertigt ſein.
4) Dieſe ausnahmsloſe Gefängnißſtrafe erſcheint aber auch
darum unzuläſſig, weil ſich §. 259 zugleich auf die Ueber-
tretungen bezieht, der Hehler alſo jedesmal eine ſogar der
Gattung nach höhere Strafe erleiden muß, als auf die
Uebertretung ſelbſt geſetzt iſt. Die Beſtimmung am Schluß
des §. 257 Abſ. 1 hätte daher wohl auch zu §. 259 wieder-
holt werden ſollen. — Die Anſicht S. l. c. S. 371, daß
überall da, wo §. 259 Anwendung finden könne, derſelbe
auch zur Anwendung gebracht werden müſſe, ſollten ſelbſt
zugleich die Criterien für die Anwendbarkeit des §. 257
vorhanden ſein, wird zwar beſtritten und vielmehr ange-
nommen werden müſſen, daß, wenn in dem aus eigenem
Vortheil ſtattgefundenen Ankauf der geſtohlenen oder geraubten
Sache zugleich eine Sicherſtellung der Vortheile der That für
den Dieb oder Räuber zu finden iſt, §. 257 und beziehungs-
weiſe §. 258 Abſ. 2 zur Anwendung zu kommen hat, weil
es ſich eben dann um ein ſchwereres Verbrechen handelt.
Jmmerhin involvirt es aber doch ein großes Mißverhältniß,
daß, wenn ein ſolcher eigennütziger Ankauf ohne gleichzeitige
Sicherſtellung der Vortheile der That ſtattfindet, die Strafe
nur Gefängniß beträgt, während, im Falle dieſe Sicherſtellung
concurrirt, nach §. 258 Abſ. 2 Zuchthaus erkannt werden
muß.
Es dürfte durch dieſe Ausführungen der Nachweis
erbracht worden ſein, daß die zweite Form der Begünſtigung
— die Sicherſtellung der Vortheile der That, in der
Geſtalt, in welcher ſie das Geſetz, in weſentlicher Ueber-
einſtimmung mit der gegenwärtigen Theorie, vorführt, als
ein Verbrechen nicht bezeichnet werden kann, ſondern nur
als ein Nebeneinanderſtehen einzelner mit Strafe bedrohter
Handlungen. Ein gemeinſchaftlich zutreffender Geſichtspunkt
läßt ſich auch für dieſe einzelnen Handlungen nur dann auf-
finden, wenn man ſie in ihrer cauſalen Beziehung zu der zu
Grunde liegenden Rechtsverletzung betrachtet.
Bei den durch ſtrafbare Handlungen angerichteten Rechts-
verletzungen laſſen ſich zwei Stadien unterſcheiden — die
Entſtehung derſelben und die Fortdauer derſelben. Urheber
und Gehülfen ſind durch ihre Thätigkeit von ſelbſt nach
beiden Richtungen hin wirkſam, und werden darum auch
dafür beſtraft, daß der Verletzte längere Zeit krank und
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und arbeitsunfähig, die geſtohlene Sache dem Eigenthümer
entzogen bleibt. Eine Concurrenz zwiſchen Verurſachung der
Entſtehung der Rechtsverletzung und Begünſtigung iſt aus
dieſem Grunde für ſie nicht denkbar. Die alleinſtehende
Begünſtigung aber kann nur als eine Mitwirkung — Cau-
ſalität — für die Fortdauer der Rechtsverletzung betrachtet
werden.
Sie iſt darum ausgeſchloſſen — oder könnte doch nur
in ihrer erſten Form als Sicherſtellung des Thäters vor dem
Eingreifen der Strafjuſtiz vorkommen — bei den Rechts-
verletzungen, welche, wie Mord, nach ihrer Entſtehung jedem
befördernden Einfluß auf ihre Fortdauer unzugänglich erſchei-
nen, da ſie ein für alle Mal perpetuirt ſind. Sie iſt ferner
dann ausgeſchloſſen, wenn die die Fortdauer der Rechts-
verletzung befördernde Thatigkeit die Verurſachung der Ent-
ſtehung derſelben reproducirt. Wer einen widerrechtlich Ein-
geſperrten fernerhin feſthält, dem ausgebrochenen Feuer neuen
Brandſtoff zuträgt, oder es bewirkt, daß die Krankheit des
Verletzten einen längeren Verlauf nimmt, hat ſich ſelbſt der
Verurſachung der Entſtehung dieſer Verbrechen ſchuldig
gemacht, weil die Criterien der Verurſachung der Entſtehung
in ſeiner Handlung und deren Wirkung vollſtändig wieder
vorkommen. Dies auch dann, wenn die die Fortdauer der
Rechtsverletzung befördernde Wirkſamkeit lediglich in einer
Verhinderung der Beſeitigung derſelben beſteht. Wer die
Flucht des widerrechtlich Eingeſperrten vereitelt, das Löſchen
des ausgebrochenen Feuers, die ärztliche Behandlung des
Verletzten verhindert, hat ſich ebenfalls durch ſeine Cauſalität
der entſprechenden Verbrechen ſchuldig gemacht. — Zweifel
können hier allerdings entſtehen. Man wird Bedenken tragen,
Denjenigen für einen Verläumder oder Betrüger zu erklären,
welcher etwa durch die Vernichtung eines aufklärenden Briefes
die Fortexiſtenz eines in Folge Verläumdung entſtandenen
üblen Gerüchtes befördert oder den durch Verrückung eines
Grenzſteines herbeigeführten Zuſtand durch falſche Vor-
ſpiegelungen aufrecht erhalten hat. Man wird bei den §§. 81,
90, 92, 171 ꝛc. des Strafgeſetzbuchs ſcrupuliren müſſen, ob
man in der Beförderung der Fortdauer der Rechtsverletzung,
beziehungsweiſe in der Verhinderung deren Beſeitigung, die
Criterien des zu Grunde liegenden Verbrechens erblicken,
oder dieſelben nur als Begünſtigung anſehen will. Nach
den Beſtimmungen des Strafgeſetzbuchs und dem gegenwärtigen
Stande der Theorie wäre letzteres freilich kaum möglich.
Dieſen Verbrechen gegenüber gibt es aber ſolche, bei
welchen die Beförderung der Fortdauer der Rechtsverletzung
unzweifelhaft nicht zugleich ebenfalls die Criterien des zu
Grunde liegenden Verbrechens aufzeigt. Hierher gehören
vorzugsweiſe diejenigen Verbrechen, deren Rechtsverletzung
— ganz oder zum Theil — die Entziehung einer Sache
umfaßt. Kehrt die Sache in ihr urſprüngliches Verhältniß
zurück, ſo iſt die Rechtsverletzung — theilweiſe wenigſtens —
beſeitigt, und es beſteht ſonach hier die Beförderung der
Fortdauer der Rechtsverletzung in der Verhinderung der
Wiederherſtellung dieſes urſprünglichen Verhältniſſes. Von
Demjenigen, welcher eine geſtohlene, geraubte, durch Meineid
erworbene Sache an ſich gebracht hat, kann nicht behauptet
werden, daß ihm ein Raub, Diebſtahl oder Meineid zur Laſt
falle. Wohl aber hat er — mit dem entſprechenden Willen —
dazu mitgewirkt, daß der durch dieſe Verbrechen in Anſehung
der entzogenen Sache conſtituirte rechtswidrige Zuſtand fort-
erhalten bleibt. Durch dieſe Cauſalität iſt ſeine Thätigkeit
zu einem Beſtandtheil der Rechtsverletzung geworden, und
hierin liegt ſeine Strafbarkeit begründet. Mangelt es an
dieſer Cauſalität, ſo kann eine Begünſtigung nicht angenommen
werden; iſt ſie aber vorhanden, ſo kann es nicht darauf
ankommen, ob die eigene Thätigkeit mit oder ohne eigenen
Vortheil ausgeführt wurde, ob ſie in der Aneignung einer
Sache beſteht, oder ſie ſich in anderer Weiſe wirkſam erwieſen
hat. Es kann dann ſelbſtverſtändlich auch von Theilnahme
und culpa bei der Begünſtigung die Rede ſein. Ebenſo
kann Verſuch vorliegen. Er würde begründet ſein, wenn die
Thätigkeit nicht cauſal geworden iſt; aber auch dann ange-
nommen werden müſſen, wenn Jemand aus verzeihlichem
Jrrthum ſtatt Begünſtigung eine Mitwirkung zur Entſtehung
der Rechtsverletzung zu Wege gebracht hat.
Auf dieſen Geſichtspunkt der Cauſalität iſt bereits, der
in Geltung befindlichen Theorie entgegen, in m. Theiln. und
Beg. 1860, S. 85 flg. hingewieſen worden. Die Bezeichnung
der Begünſtigung als Beförderung der Fortdauer der Rechts-
verletzung ſcheint auch ſeither einige Billigung gefunden zu
haben; aber man hat ſie nicht in dem gemeinten Sinne auf-
gefaßt. Man will vielmehr unter der Beförderung der Fort-
dauer der Rechtsverletzung die Verhinderung der ſtrafrecht-
lichen und civilrechtlichen Ausgleichung derſelben verſtehen.
Erſtere wird jedoch, obwohl, wie bereits erwähnt, in der
Beſtrafung zugleich eine reale Gegenwirkung gegen das durch
das begangene Verbrechen gegebene böſe Beiſpiel erblickt
werden kann; doch geeigneter als ein beſonderes Vergehen
gegen die Strafrechtspflege zu qualificiren ſein. Der Geſichts-
punkt der civilrechtlichen Ausgleichung aber führt, indem
hierbei von der Nothwendigkeit der Cauſalität abſtrahirt
werden muß, zu unrichtigen Reſultaten.
Auch Geyer in von Holtzendorffs Handbuch findet das
Weſen der — zweiten Form der — Begünſtigung in der
Vereitelung der civilrechtlichen Ausgleichung des begangenen
Delicts (§. 42). Der Ankauf einer geſtohlenen ꝛc. Sache
wird aber ſelbſt dann ex officio beſtraft werden müſſen,
wenn auch nach ſtattgefundenem Ankauf der — etwa jetzt
erſt mit dem Diebſtahl bekannt gewordene — Beſtohlene
eine ſolche Ausgleichung gar nicht haben wollte. Und wenn
die Sache zu Grunde gegangen wäre, ſo würde es ſich civil-
rechtlich um Schadenserſatz handeln, der Begünſtigung ſich
alſo auch Derjenige ſchuldig machen, welcher die Leiſtung des
Schadenserſatzes vereitelt. — Jn §. 45 wird ſodann, in
einigem Widerſpruch mit §. 42, von G. geſagt: der Be-
günſtigung ſei ſchuldig, wer, um die civilrechtliche Verfolgung
zu vereiteln, dem Verbrecher die durch das Verbrechen
gewonnenen Vortheile zu ſichern ſuche, alſo die durch das
Delict erlangten Sachen verhehle, deren Vertrieb beſorge
u. ſ. w. Mit dem „alſo“ und „u. ſ. w.“ dieſer Ausführung iſt
genügend ausgeſprochen, daß derſelben ein feſtes Princip nicht
zu Grunde liegt. Unter das „u. ſ. w.“ würde es jedenfalls
auch zu ſubſumiren ſein, wenn Jemand den durch den
Verkauf der geſtohlenen Sache erlangten Erlös, oder das für
die geſtohlene Sache eingetauſchte Object für den Dieb der
civilrechtlichen Nachforſchung entzieht. Jn Wirklichkeit aber
dürfte (ſ. auch Schwarze l. c.) hierin eine Begünſtigung
nicht zu finden ſein, weil nur die identiſche durch die Rechts-
verletzung entzogene Sache als Beſtandtheil derſelben an-
geſehen werden kann, deſſen Rückkehr in das urſprüngliche
Verhältniß zur Ausgleichung der angerichteten Rechtsverletzung
gereicht. — Strafloſigkeit hingegen müßte eintreten, wenn
die geſtohlene ꝛc. Sache mit dem Bewußtſein ihrer Qualität
dem bona fide Beſitzer geſichert, oder dieſe Sache aus der
Hand des b. f. Beſitzers erworben wird. Jm letzteren Falle
nimmt auch S. l. c. Strafloſigkeit an, weil durch den in der
Mitte liegenden gutgläubigen Erwerb das vitium rei inhaerens
zum Wegfall gekommen ſei. Es wird aber hier im Gegentheil
von Strafloſigkeit keine Rede ſein können, weil es dem neuen
Erwerber bekannt iſt, daß er unerachtet der bona fides ſeines
Vorgängers ſich einer Beförderung der Fortdauer der Rechts-
verletzung ſchuldig mache.
Daß eine culpoſe Begünſtigung nicht angenommen werden
könne (ſ. auch Schütze Lehrbuch), ergebe ſich, meint G. §. 45
N. 1, aus ſeinem Vorhergehenden. Es iſt das aber nicht der
Fall; denn man darf nicht das erſt noch zu Beweiſende als
begründendes Moment in die beliebige Definition aufnehmen
und ſich damit die Beweisführung erſparen (ſ. auch l. c.
§§. 1, 8, 25). Das Strafgeſetzbuch hat ſogar ausdrücklich
in §. 259, wie ausgeführt, eine culpoſe Begünſtigung inſtituirt,
und es iſt in der That nicht einzuſehen, wie andernfalls im
praktiſchen Leben die Hehlerei ausreichend verfolgt werden
könnte. — Die Begünſtigung eines verbrecheriſchen Verſuchs,
welche G. l. c. für möglich erklärt, kann nur in der Form
der Sicherſtellung des Verbrechers vor der Strafe vorkommen.
Es bliebe etwa noch eine Erörterung der Lehre von dem
Verſuche übrig. Aber ſie müßte ſich vorwiegend mit dem Nach-
weiſe beſchäftigen, daß man es hierbei mit der Cauſalität nicht
zu thun habe, würde alſo von dem Gegenſtand dieſer Abhand-
lung zu weit abführen. Bereits in m. Abh. 1862 S. 53—90 iſt,
die Unhaltbarkeit der Theorie eingehend nachzuzeigen, verſucht
worden, deren Signatur hauptſächlich in dem Satze gipfelt,
daß der Verſuch auch einen objectiven Thatbeſtand habe, indem
ſich in demſelben die Rechtsverletzung zugleich auch objectiv
theilweiſe vollzogen haben müſſe, die objective Seite des
Verſuchs mithin als ein objectiver Theil der Vollendung
erſcheine. Verſuch ſei vielmehr ſchon gegeben, wenn aus der
objectwen Vorliegenheit mit Beſtimmtheit hervorgehe, daß eine
Handlung zur Uebertretung eines Strafgeſetzes unternommen
worden ſei, denn damit ſtehe es alsdann feſt, daß ſich der
Wille in verkörperter Geſtalt dem Geſetze entgegengeſtellt
habe und ſomit nicht mehr dem Jnneren des Menſchen an-
gehöre. Die Thatſeite des Verſuchs habe weder an und für
ſich noch durch den verbrecheriſchen Willen eine reale Be-
deutung, ſie verleihe vielmehr lediglich dem Willen ſeine
äußere Geſtalt, und es ſei darum der Verſuch nichts anderes
als ein objectivirter Wille. Weiter aber wurde zugleich zur
Beſeitigung der ſtets gegen den rein ſubjectiven Standpunkt
vorgebrachten Einwendung: das Geſtändniß ſtempele dann die
unſinnigſten Handlungen zu Verſuchshandlungen, dargelegt,
daß das Geſtändniß, als reiner Ausfluß der Subjectivität,
der Objectivität keine andere Geſtalt verleihen könne, als ſie
ſchon an und für ſich an ſich trage, demnach aber auch
ungeeignet ſei, im Falle das Geſchehene einen verbrecheriſchen
Willen nicht aufzeige, dieſem Mangel abzuhelfen. Dieſe
Anſicht iſt dann ſpäterhin verſchiedenen Angriffen gegenüber
(inſ. Geyer Gerichtsſaal 1866 S. 25 flg.) feſtgehalten und
noch näher begründet worden in Gerichtsſaal 1867 H. 1
und daſelbſt 1868 H. 5. — Eine Beſtätigung fand die
gegebene rein ſubjective Definition zuerſt in dem Entwurfe
zu einem Strafgeſetzbuche für den Norddeutſchen Bund mit
Motiven von John, woſelbſt S. 217 mit hervorgehobener
Schrift geſagt wird: ſobald aus den als geſchehen erwieſenen
Thatſachen der Schluß gezogen werden müſſe, daß ein
beſtimmtes Verbrechen gewollt geweſen ſei, liege ſtrafbarer
Verſuch vor. Zugleich wird zwar hinzugefügt, daß bei dieſer
Würdigung der Thatſachen das Geſtändniß unberückſichtigt
gelaſſen werden müſſe, ein Beweis hierfür jedoch nicht ange-
treten (m. Abh. Goltd. A. 1869 H. 5 a. E.). Neuerdings
iſt dann aber (Deutſche Strafrechts-Zeitung 1872, 2) das
Fehlende nachgeholt und überhaupt der ſubjective Standpunkt
in der Verſuchslehre in nähere Erörterung gezogen, der
Verſuch namentlich als der verkörperte Wille bezeichnet
worden. Die desfallſigen Ausführungen ſtimmen mit den-
jemgen in m. cit. — übrigens, wie es ſcheint, dem Verf.
unbekannt gebliebenen — Abh. überein. Leider aber muß
meines Erachtens der Nachweis, daß der rein ſubjective
Standpunkt auch derjenige des §. 43 des Strafgeſetzbuchs
ſei, als verfehlt erachtet werden. Denn es wird ſich nicht
wegdemonſtriren laſſen, daß nach dieſem Paragraphen für den
Verſuch nicht allein ein durch die Handlung erkennbar
gewordener verbrecheriſcher Wille, ſondern weiter auch ein in
der Handlung enthaltener objectiver Anfang der Ausführung
der That — ein objectiver Theil derſelben — gefordert wird.
Daher wird auch fernerhin die objectiv unauffindbare, für den
ſubjectiven Standpunkt bedeutungsloſe, Unterſcheidung zwiſchen
Verſuchs- und Vorbereitungshandlung (m. Abh. 1862 S. 62)
beibehalten werden müſſen. — Außer John ſteht dann auch
jetzt noch Schwarze (Commentar und in v. Holtzendorffs
Handbuch) in der Lehre vom Verſuch mehr oder weniger auf
rein ſubjectivem Standpunkt, mit welchem überhaupt die
Annahme einer durch den Verſuch begründeten Cauſalität
unvereinbar erſcheint.
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welches ausspricht, wie des Verf „neueste Untersuchungen über die
nothwendige Theilnahme am Verbrechen“ den Arbeiten bei der Auf-
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Bund vielfach forderlich gewesen