Ueber das Alter des Menſchengeſchlechts.
Geehrte Anweſende.
Wenn man die Frage über das Alter des menſchlichen
Geſchlechts in der Bedeutung, die ſie durch die neueſten For-
ſchungen erlangt hat, zum Gegenſtande einer öffentlichen
Verhandlung machen will, ſo wird man ſich die ſchwierigen
und zum Theil bedenklichen Seiten derſelben nicht verhehlen
dürfen. Jch begegne wohl Jhren Wünſchen, wenn ich die-
ſes Verhältniß ſofort etwas näher auseinanderſetze.
Nehmen wir die Frage nach dem Alter des menſchli-
chen Geſchlechts in ihrer einfachſten Bedeutung, ſo heißt ſie:
wie lange giebt es Menſchen auf der Erde? — Schon in
dieſer einfachen Form nimmt ſie ohne Zweifel die Theilnahme
der geſammten Gattung für ſich in Anſpruch und iſt ſie
möglicher Weiſe ſo alt, wie die denkende Menſchheit ſelber.
Hat aber die Frage den Sinn, in welchem ſie von der Wiß-
begierde unſerer Tage gedeutet und erörtert wird, daß ſie
zugleich Aufſchluß verlangt über die urſprüngliche Entſtehung
oder die Schöpfung des Menſchen und ſein Verhältniß zu
den zahlloſen anderen belebten Weſen, die mit ihm die Erd-
oberfläche bewohnen, — ſo kann man zweifelhaft ſein, auf
welchem Gebiete des menſchlichen Wiſſens man ihren Schwer-
punkt ſuchen ſoll; jeden Falls aber ſteht ſie in dieſem Sinne
gegenwärtig auf der Tagesordnung der literariſchen Discuſſion,
auch berührt ſie die höheren Jntereſſen des geiſtig erwachten
Menſchen in ſo weſentlichen Punkten, daß in gebildeten Krei-
ſen der Geſellſchaft ein gleichgültiges Hinweggehen über die-
ſelbe kaum denkbar iſt. Jn der einen wie in der andern
Form wird unſere Frage daher wohl überall ihr Publicum
finden, ja, auf allgemeine Theilnahme rechnen können. Es
ſcheint ſich deshalb auch von ſelbſt zu verſtehen, daß die Be-
antwortung der Frage nicht erſt in unſeren Tagen verſucht
worden iſt. Jch brauche nur daran zu erinnern, daß uns
neben der bibeliſchen Sündfluth von verſchiedenen in der Ci-
viliſation vorgeſchrittenen älteren Völkern, namentlich von
den Helenen Ueberlieferungen von vorzeitigen großen Fluthen,
aus denen ſich nur wenige Menſchen retteten, aufbewahrt
ſind und daß darin die Dichter und Denker des claſſiſchen
Alterthums geeigneten Anlaß fanden, über die urſprüngliche
Entſtehung des Menſchen zu ſinnen und ſich auszuſprechen,
— um dieſe früheren Verſuche wenigſtens angedeutet zu
haben. Wollten wir davon aber abſehen, ſo iſt uns Allen
doch ſeit unſeren Kinderjahren die Schöpfungsgeſchichte und
die Erſchaffung des Menſchen geläufig geblieben, die wir
im I. Buche Moſe in ſo prägnanten und großartigen Zügen
aufgezeichnet finden. So alt nun die ehrwürdige Urkunde
iſt, worauf ich hier Bezug nehme, ſo alt wenigſtens iſt auch
die Frage über den Urſprung und das Alter des Menſchen,
und ſo weit zurück datiren die Verſuche, die Frage auch in
denjenigen Beziehungen zu beantworten, die ich für die Wiß-
begierde und — will ich hinzuſetzen — für den Standpunkt
der wiſſenſchaftlichen Forſchung unſerer Tage als die be-
deutſamſten bezeichnet habe.
Je weniger neu aber ein wichtiges Problem iſt, je
älter und ehrwürdiger vielmehr die Verſuche ſind, daſſelbe
zu löſen, und wenn namentlich, wie im vorliegenden Falle,
Meinungen und Vorurtheile religiöſer Art dieſen Verſuchen
zur Seite ſtehen, — deſto höher im Allgemeinen ſteigern
ſich die Anforderungen an Denjenigen, der eine zeitgemäße
Löſung deſſelben unternimmt oder ankündigt. Dieſes Ver-
hältniß liegt gleichſam auf der Hand, oder doch ſo nahe,
daß es für die Behandlung meines Themas nicht überſehen
werden konnte. Jch wäre indeß wohl ohne viel Bedenken
darüber hinweggekommen, wenn ſich die Frage über das
Alter und den Urſprung des Menſchen heute noch von irgend
einem einſeitigen Standpunkte, etwa von dem des Dichters
oder des philoſophiſchen Denkers ſachgemäß erledigen ließe,
wenn ſich derſelben nicht die Alterthumskunde, ſo wie die
nüchterne, Alles durchſpähende Naturwiſſenſchaft bemächtigt
und in neueſter Zeit eine ſolche Fülle von einſchläglichen
Beobachtungen und Thatſachen angehäuft hätten, daß ſich
unſer Problem nicht nur unter völlig neue Geſichtspunkte
geſtellt ſieht, ſondern daß es auch gradezu unmöglich erſcheint,
in der einer Vorleſung zugemeſſenen Zeit den reichen Stoff
zu bewältigen und mit ſachgemäßer Gründlichkeit zur Dar-
ſtellung zu bringen. Auf Letzteres werden denn auch meine
Zuhörer von vorn herein verzichten müſſen. Wenn ich ſpä-
ter einige von den erwähnten Thatſachen näher beleuchte
und die wichtigeren Schriftwerke namhaft mache, worin die-
ſelben beſprochen werden, ſo wird ſich herausſtellen, daß
unſere Frage bereits eine anſehnliche eigene Literatur aufzu-
weiſen hat und daß die Fülle des zugänglichen Stoffes die
zweckmäßige Auswahl und die überſichtliche Erörterung deſſel-
ben weſentlich erſchweren mußte.
Für die öffentliche Discuſſion unſeres Gegenſtandes
wird dieſe Seite deſſelben wohl nicht unbedenklich erſcheinen;
es iſt indeß ein anderer nahe liegender Umſtand, der dabei
weit mehr in's Gewicht fällt. Jch habe bereits die moſaiſche
Schöpfungsgeſchichte erwähnt und darf wohl vorausſetzen, daß
wir nicht allein von Jugend auf mit dieſer Geſchichte vertraut
ſind, ſondern daß ihre wörtliche Faſſung und Deutung ſeit-
dem auch für Viele maßgebend geblieben ſind, wenn es ſich
für ſie um den Urſprung der Welt und um die Erſchaffung
des Menſchen gehandelt hat. Bei der Erweiterung des gei-
ſtigen Blickes in reiferen Jahren mag es Manchen aber auch
begegnet ſein, daß ſie die ſechs Schöpfungstage der moſai-
ſchen Geſchichte mit der Größe und der Ordnung der erſchaf-
fenen Welt, ſo wie mit dem urſachlichen Zuſammenhange
der Erſcheinungen, die uns unmittelbar umgeben, nicht in
Einklang bringen konnten, daß ſie namentlich in dem Baue
der Erde auf Verhältniſſe ſtießen, deren Verſtändniß nur
bei einem Maßſtabe von vielen Jahrtauſenden ihnen zugäng-
lich erſchien. Die Erſcheinungen und Verhältniſſe, die ich
hier meine, ſind einerſeits die mannichfachen über einander
gelagerten Gebirgsſchichten, aus denen wir faſt überall die
feſte Erdrinde zuſammengeſetzt finden, und andererſeits die
darin zahlreich eingeſchloſſenen Pflanzen- und Thiergebilde,
von denen nach Analogie der gegenwärtig lebenden Pflanzen
und Thiere angenommen werden muß, daß auch ſie einſtens
an der Oberfläche gelebt und lange Perioden des Wachſens
und Gedeihens für ſich in Anſpruch genommen haben.
Wurden einmal dieſe Dinge nach ihren Zahl- und
Raumverhältniſſen in Betracht gezogen, ſo mußte bei aller
Verehrung der Urkunde, die dabei in Frage kam, auch die
Logik des Augenſcheins, die Logik der Thatſachen mitreden,
und dieſe ſträubte ſich hartnäckig gegen die Annahme, daß
das Alles in ſechs Tagen entſtanden ſein könne. — So be-
greift es ſich denn, daß mit der zunehmenden Kenntniß von
dem Baue der Erde auch die Verſuche auftauchen, durch neue
Schöpfungstheorien die vorliegenden Widerſprüche zu löſen,
Verſuche, wonach von ſachkundigen Theologen und ſchriftge-
lehrten Geologen ſchon frühzeitig jene ſechs Schöpfungstage
als ebenſo viele Schöpfungsepochen gedeutet und dieſe von
einer Dauer gedacht wurden, daß die Erde in ihrem Bil-
dungsgange alle Stadien einer allmähligen Entwickelung
durchlaufen und ſchließlich zur Aufnahme, gleichſam zum wür-
digen Empfange des von allen Weſen zuletzt erſchaffenen
Menſchen vorbereitet ſein konnte.
Da man auch auf dieſem freieren Standpunkte an der
bekannten jüdiſchen Zeitrechnung feſthielt, wonach ſeit dem
letzten Schöpfungstage ungefähr 6000 Jahre verfloſſen ſein
ſollen, in der Meinung, daß dieſer Zeitraum zu allen den
großen Veränderungen hingereicht habe, von denen die Ober-
flächenbildung der Erde Zeugniß giebt, ſo vertraten dieſe 6000
Jahre das höchſte Maß, welches man dem Alter des menſchli-
chen Geſchlechts einräumen konnte.
Jch kann hier nicht näher unterſuchen, wie weit Die-
jenigen Recht haben, die auf Grund chronologiſcher Forſchun-
gen mit Zuverſicht behaupten, daß die jüdiſche Zeitrechnung
auf ganz unzuverläſſigen Annahmen beruhe, und daß die
Schriften des Alten Teſtaments — abgeſehen davon, daß ſie
kein Lehrbuch der Naturkunde ſind und gewiß auch nicht
ſein wollen, — zu einer feſten Zeitrechnung gar keine Grund-
lagen darbieten. Auch kann ich die Erklärungsverſuche auf
ſich beruhen laſſen, welche die Anhänger des fraglichen Stand-
punktes unternommen haben, um die Wahrſcheinlichkeit einer
Uebereinſtimmung zwiſchen dem Zeitmaß von einigen Tau-
ſend Jahren einerſeits und den Structurverhältniſſen der
Erdoberfläche und ihren zahlreichen Schichtenbildungen an-
dererſeits zu vermitteln. Die ausführlichſte Kritik würde ja
die Thatſache nicht beſeitigen, daß die Zweifel, die auf den
Gebieten der hiſtoriſchen und naturwiſſenſchaftlichen Forſchung
gegen die Richtigkeit der obigen Zeitrechnung dann und wann
erhoben wurden, bis zur jüngſten Zeit auf gewiſſe Lebens-
kreiſe beſchränkt geblieben ſind, während das größere Publi-
cum, unberührt von dieſen Zweifeln, auch in vorliegender
Frage jene Zuverſicht zu der Autorität der Bibel bewahrt
hat, welche die Grundlage für unſere geſammte öffentliche
Erziehung abgiebt und bei welcher die Standpunkte, von denen
ich rede, ſo unzulänglich ſie ſein mögen, ebenſo berechtigt
wie erklärlich erſcheinen müſſen.
Wenn nun, geehrte Anweſende, die moderne Wiſſen-
ſchaft Lehren verkündigt, die mit dieſen Standpunkten im
Widerſpruche ſtehen und dieſelben unhaltbar erſcheinen laſſen,
ſo darf zur richtigen Würdigung dieſer Thatſache vor Allem
nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die Wiſſenſchaft als
ſolche, unbekümmert um etwaige Conflicte mit irgend welchen
herkömmlichen Auffaſſungen, ſelbſtſtändig ihre Wege wandelt
und überall nur die Wahrheit ſucht. Man wird dann ein-
räumen, daß unter dieſer Firma auch das Problem über
das Alter des menſchlichen Geſchlechts die unzweifelhafte Be-
rechtigung hat, in dem modernen Gewande aufzutreten, in
das die Natur- und Alterthumsforſcher unſerer Tage daſſelbe
gekleidet haben. Jn dieſem Gewande aber, wie wir ſehen
werden, nimmt daſſelbe für die Entwickelung der Erde d. h.
für den Bildungsgang ihrer Oberfläche nicht Tauſende, ſon-
dern Millionen von Jahren in Anſpruch; auch berech-
net es die Zeit, welche ſeit dem Erſcheinen des Menſchen
auf der Erde verfloſſen iſt, auf mindeſtens 100,000 Jahre.
Jn dem großartigen Schöpfungsdrama, das ſich nun vor
uns entrollt und ſich nach Maßgabe geologiſcher That-
ſachen muß vollzogen haben, kann alſo die Dauer der jüdi-
ſchen Zeitrechnung nur die Bedeutung eines winzigen Mo-
ments behalten.
Auf die Frage: Wie lange giebt es Menſchen auf der
Erde? — lautet demnach heute die Antwort ſo überraſchend
anders als früher, daß ſie nicht allein befremden, ſondern
möglicher Weiſe auch Anſtoß erregen und namentlich in Krei-
ſen des größeren Publicums, die ſich an den Fortſchritten
der Wiſſenſchaft nicht zu betheiligen pflegen, vielleicht ſogar
als eine unberufene, mißliebige Neuerung angeſehen wer-
den kann.
Jch weiß nicht, wie weit die geehrten Zuhörer dieſe
meine Anſicht von der Sache und meine Bedenken darüber
theilen. Wären dieſelben aber auch nur theilweiſe und nicht
in dem Umfange begründet, wie ich beſorgen muß, ſo durfte
ich nicht unbekümmert darüber hinweggehen, ohne dem An-
ſcheine abſichtlicher Verletzung oder der Gleichgültigkeit gegen
anders Meinende Raum zu geben. Eine Unbilligkeit dieſer
Art wäre meiner perſönlichen Stellung zur Frage durchaus
nicht angemeſſen. Als lebenslänglicher Anwalt der Natur-
wiſſenſchaft, ins Beſondere der modernen Geologie huldige
ich zwar entſchieden der Anſicht, daß die Vorurtheile einſei-
tiger Standpunkte überall vom Uebel und auf die Dauer
unhaltbar ſind, und kann ich mich berufen fühlen, unter den
Tagesfragen der Wiſſenſchaft die angebliche Neuerung einmal
genauer anzuſehen, um ſie gleichſam auf ihren Kern zu
prüfen. Das ſetzt aber keineswegs voraus, daß ich dieſe
Neuerung ohne Weiteres acceptire, oder auf Grund derſel-
ben gar unduldſam gegen abweichende Anſichten aufzutreten
geſonnen bin. Wenn ich nun ſchon bemerkte, daß der wiſ-
ſenſchaftliche Fortſchritt die Wahrheit allein zum Ziele habe
und in der Verfolgung deſſelben ſich nicht durch Rückſichten,
noch weniger durch vorliegende Zahlen- oder Größenverhält-
niſſe dürfe beirren oder beſtimmen laſſen, und wenn ich von
dieſem Standpunkte die moderne Beantwortung unſerer Frage
in's Auge faſſe, ſo reducirt ſich nach meinem Ermeſſen die
ganze Neuerung derſelben darauf, daß ſie im Gegenſatz zu
der herkömmlichen Auffaſſung geologiſchen Urſprungs iſt und
für die Epochen der Schöpfung, oder für die Aufeinander-
folge der göttlichen Schöpfungsacte größere Zeitmaße ſtatuirt,
während ſie ihrem Weſen nach nur die Erweiterung, ich
möchte ſagen, die nothwendige Conſequenz eines Standpunktes
iſt, den man, wie ich oben zeigte, auf vorliegendem Gebiete
längſt für zuläſſig und unverfänglich erachtet hat.
So, und nicht anders, ſteht es mit der heutigen Dis-
cuſſion unſeres Problems, ſofern ſich daſſelbe ausſchließlich
auf den wahrſcheinlichen Zeitraum bezieht, der ſeit dem Ur-
ſprunge des menſchlichen Geſchlechts abgelaufen iſt. Mit den
Spuren des menſchlichen Daſeins, die man in den geologiſch
jüngeren Schichten der fort und fort in Veränderung be-
griffenen Erdoberfläche aufgefunden hat, und die theilweiſe
aus ſehr entlegener Vorzeit datiren, werde ich Sie ſpäter
bekannt machen. Wenn man der Geologie und Alterthums-
kunde die Befugniß nicht ſtreitig machen kann, dieſe Spuren
in den Kreis ihrer Unterſuchungen zu ziehen, ſo weiß ich
nicht, wie man, ohne ſelbſt auf dieſen Gebieten heimiſch zu
ſein, etwaige Zweifel gegen die daraus abgeleiteten Ergeb-
niſſe rechtfertigen möchte. Die großen Zeitmaße, denen wir
darin begegnen, unterſtützen zudem nur eine Annahme, die
an ſich ſchon durchaus wahrſcheinlich iſt, daß nämlich die
Urgeſchichte unſerer Gattung ſich nur ſehr langſam abge-
wickelt hat und daß die primitiven Zuſtände derſelben nicht
weſentlich von den Zuſtänden jener rohen Volksſtämme ver-
ſchieden ſein mochten, die in Auſtralien und Amerika und
auf manchen Jnſeln der Südſee noch heute in den Feſſeln
des phyſiſchen Bedürfniſſes ſchmachten. Die Urahnen unſeres
Geſchlechts in ſolchen Zuſtänden zu entdecken, kann unbehag-
lich ſein für das Gefühl der Würde und der Vorzüge, wo-
mit ſich der civiliſirte Menſch ausgeſtattet glaubt. Das iſt
aber auch Alles, was uns die zeitgemäße Erörterung unſerer
Frage in der einfacheren Form derſelben zumuthet. Jch
meine daher, daß ſo weit Jedermann ohne Bedenken dieſer
Erörterung folgen kann, wenn er nicht verſuchen will die
Wiſſenſchaft zur Umkehr zu nöthigen, wobei in unſeren Ta-
gen bekanntlich nicht mehr auf Erfolg zu rechnen iſt.
Jn der Einleitung zu meiner Vorleſung habe ich aber
bereits angedeutet, daß die Behandlung unſerer Frage in
jüngſter Zeit noch ganz andere Seiten herausgekehrt und
dadurch ſolche Dimenſionen angenommen hat, daß ſie um-
geſtaltend in verſchiedene Gebiete des menſchlichen Wiſſens
einzudringen und für gewiſſe herkömmliche Anſchauungen, man
könnte ſagen, für gewiſſe Dogmen der Naturforſcher ebenſo
gefährlich zu werden droht, wie für die bisher allgemein an-
genommene exceptionelle Stellung und Würde des Menſchen,
den man die Krone der Schöpfung, den auserkorenen Lieb-
ling, ja, das Ebenbild Gottes zu nennen gewohnt iſt. Auch
zu dieſer Weiterung, oder zu dieſer Ausſchreitung, welche die
menſchliche Eitelkeit aufs Tiefſte zu erſchüttern geeignet iſt,
— auch zu ihr hat die Geologie, oder vielmehr ein Zweig
derſelben, die Paläontologie (Verſteinerungskunde) den erſten
Anſtoß gegeben, als ſie zu ermitteln anfing, daß die verſchie-
denen Thier- und Pflanzenſpecies, die je zwei verſchiedenen
geologiſchen Epochen angehören, die alſo einſtens nach ein-
ander an der Erdoberfläche lebten und in langen Zwiſchen-
räumen einander folgten, daß dieſe nicht ſo durchgreifend
von einander abweichen, um die Annahme eines mehrfachen
völligen Untergangs aller gleichzeitig auf der Erde vorhan-
denen lebendigen Geſchöpfe und eben ſo vieler neuen Schö-
pfungen — eine Theorie, die längere Zeit hindurch von der
Wiſſenſchaft recipirt war — aufrecht erhalten zu können.
Sollten dieſe wiederholten neuen Schöpfungen irgend einen
Sinn haben, ſo mußten ſie, wie man einräumen wird, ent-
weder als ebenſo viele Acte der Schöpfungsthätigkeit Gottes
gedeutet werden, deſſen Plan es mit ſich brachte, von einer
Erdepoche zur anderen alles vorhandene Thier- und Pflanzen-
leben zu vernichten, um dann die verjüngte Erde mit neuen
Lebensformen zu ſchmücken; oder dieſe neuen Schöpfungen
mußten angeſehen werden als die Erzeugniſſe chemiſch-phyſi-
caliſcher Naturkräfte, die von Anfang an den lebloſen Ele-
mentarſtoffen zu eigen waren und aus dieſen unter veränderten
Bedingungen, — alſo nach jeder großen Kataſtrophe, welche ein
neues Entwickelungsſtadium des Erdganzen einleitete, — auch
veränderte, neue Lebensformen in's Daſein brachten. Jch
brauche nicht hervorzuheben, wie ſehr beide Auffaſſungen den
gangbaren Begriffen von einer einmaligen Schöpfung zu-
widerlaufen; den Nachweis jedoch, daß dieſelben für die Wiſ-
ſenſchaft nur Durchgangspunkte waren, die ſie bereits paſſirt
hat, alſo Ausdrucksformen, in denen ſich ihr jeweiliger
Standpunkt zuſpitzte, dieſen Nachweis trete ich um ſo lieber
an, als er uns am Einfachſten den Boden gewinnen läßt,
auf dem ſich meine ſpäteren Mittheilungen und die Beweiſe
für den frühzeitigen Urſprung des menſchlichen Geſchlechts
bewegen werden.
Jch habe ſchon mehrfach der Schichtenbildungen Er-
wähnung gethan, aus denen wir die Oberfläche des Feſtlan-
des überall da zuſammengeſetzt finden, wo ſie nicht aus
Urgebirgen, aus Graniten und anderen ſo genannten pluto-
niſchen und vulcaniſchen Maſſen beſteht. Die geſchichteten
Gebirgsarten ſind alle im Waſſer entſtanden und würden
ſomit ihrem relativen Alter nach leicht zu beſtimmen ſein,
wenn es irgendwo eine Oertlichkeit gäbe, wo ſie in der un-
geſtörten Reihenfolge ihrer ſucceſſiven Entſtehung über ein-
ander lagernd beobachtet werden könnten. Da man aber
eine ſolche Oertlichkeit vergebens ſuchen möchte, ſo bleiben
außer der gedachten Reihenfolge, ſo weit ſie theilweiſe irgend-
wo auftritt, zur Beſtimmung des relativen Alters einer Ge-
birgsſchicht nur die derſelben eigenthümlichen, individuellen
Merkmale übrig, — und dieſe Merkmale vor Allem ſind
die darin eingeſchloſſenen Verſteinerungen. Führen Gebirgs-
arten, auch wenn ſie räumlich noch ſo weit getrennt und
ſtofflich verſchieden ſind, dieſelben Arten von Verſteine-
rungen, ſo ſind ſie von demſelben geologiſchen Alter, d. h.
ſo ſtammen ſie gemeinſchaftlich aus einer Zeit, wo für die
betreffenden Punkte der Erdoberfläche im Allgemeinen gleiche
Bedingungen für das Thier- und Pflanzenleben herrſchten.
Solche in ihren Verſteinerungen übereinſtimmenden Gebirgs-
arten werden von den Geologen eine Formation genannt,
eine Reihe von Formationen aber, die durch gewiſſe Charak-
tere unter ſich näher verwandt ſind, werden in eine Pe-
riode und mehrere Perioden endlich in eine ſogenannte
geologiſche Epoche zuſammengefaßt. Es begreift ſich
leicht, daß ſich durch eine Gliederung der Gebirge in dieſem
Sinne eine Ueberſicht über die Structurverhältniſſe der feſten
Erdrinde gewinnen läßt, die uns in ähnlicher Weiſe That-
ſachen aus der Vergangenheit der Erde vergegenwärtigt, wie
eine Geſchichtstabelle die Vergangenheit eines Volkes; es
verſteht ſich aber auch, daß auf beiden Gebieten zu einem
annähernd klaren Bilde von irgend einer Periode der Ver-
gangenheit bloße Zeitbeſtimmungen und ein Paar Namen
nicht ausreichen, daß die wahre Bedeutung ſolcher Ueberſich-
ten und der damit zuſammenhängenden Ermittelungen viel-
mehr in den Specialkenntniſſen bewährter Fachmänner zu
ſuchen iſt. Jch werde Sie mit der Ueberſicht bekannt ma-
chen, die ein anerkannt großer Geologe unſerer Zeit, Charles
Lyell in London in ſeinem neueſten Werke „The Antiquity
of Man“ aufgeſtellt hat. Derſelbe vertheilt die ſämmtlichen
geſchichteten Gebirgsglieder in vier Epochen, die er primäre,
ſecundäre, tertiäre und quartäre Gebirge nennt. Die
älteſte oder primäre Epoche umfaßt 5 Perioden mit 9 For-
mationen, die ſecundäre umfaßt 3 Perioden mit 18 Forma-
tionen, die tertiäre 3 Perioden mit 7 Formationen; die
jüngſte endlich iſt aus 2 Formationen zuſammengeſetzt, welche
als oberſte Schichten faſt überall die älteren Gebirge bedecken
und unter dem Namen Diluvium und Alluvium be-
kannt ſind, in Beziehung auf die Geſchichte des Menſchen
aber beſſer als Urzeit und Neuzeit bezeichnet werden.
Das iſt freilich nur eine trockene Ueberſicht, aber dieſelbe
umfaßt 36 Glieder, die als ebenſo viele Bildungsſtufen in
der Geſtaltung der Erdoberfläche und in dem Entwickelungs-
gange des organiſchen Lebens aufzufaſſen ſind.
Aus der Vergleichung der Thier- und Pflanzenreſte,
welche dieſe 36 Formationen einſchließen, hat ſich nun erge-
ben, daß uns in der älteſten Epoche Thier- und Pflanzen-
formen begegnen, die faſt in allen Beziehungen von den heute
um uns lebenden weſentlich abweichen, während die zweite
Epoche hierin ſchon eine allmählige Verähnlichung mit der
Jetztwelt gewahren läßt, in der dritten Epoche aber, anfäng-
lich in geringer Zahl, dann allmählig immer häufiger
Thier- und Pflanzenformen auftreten, die auch noch jetzt
lebend auf der Erde gefunden werden. Von beſonderem
Jntereſſe, namentlich für das Thema meines Vortrags iſt
aus der vierten Epoche das Diluvium, oder nach Lyell:
die nach-pliocene Formation, die zwar keine Schalthiere
(Muſcheln und Schnecken) aufzuweiſen hat, die nicht auch
jetzt noch lebend auf der Erde gefunden würden, dagegen
einen großen Reichthum an Reſten von längſt ausgeſtorbe-
nen Säugethierarten, wie von Mammuthen, Nashörnern,
Maſtodonten, Bären, Löwen und Hyänen einſchließt, die
nicht ſelten auch in Begleitung von rohen menſchlichen Kunſt-
erzeugniſſen und ſelbſt von menſchlichen Gebeinen darin auf-
gefunden werden. — Die jüngſte Formation endlich, das
Alluvium enthält ausſchließlich Reſte von jetzt noch lebenden
Organismen aus allen Lebenskreiſen und iſt in den Thä-
lern und an den Mündungen der Flüſſe noch fortwährend
in der Bildung begriffen.
Finden nun die thatſächlichen Beziehungen der vier
geologiſchen Epochen in der vorliegenden kurzen Charakteri-
ſtik derſelben ihren wahren Ausdruck, woran nach dem heu-
tigen Standpunkte der Wiſſenſchaft kaum zu zweifeln iſt,
ſo kann von völliger Abgeſchloſſenheit einer Epoche gegen die
andere, d. h. von wiederholtem Untergange alles organiſchen
Lebens und mehrfachen neuen Schöpfungen nicht mehr die
Rede ſein. Das Verhältniß ſtellt ſich vielmehr ſo, daß die
Thier- und Pflanzenformen zweier Epochen und ihrer Mit-
telglieder um ſo unähnlicher ſind, je weiter dieſe der Zeit
nach von einander entfernt liegen, um ſo ähnlicher mithin,
je kürzer die Zeitabſchnitte waren, welche die Formationen
trennen, aus denen die organiſchen Reſte, die Verſteinerun-
gen verglichen werden. Allerdings ſind von Epoche zu Epoche,
ja von Formation zu Formation zahlreiche Thier- und Pflan-
zenformen aus der Reihe der lebenden Weſen verſchwunden,
wie die Mammuthe und Höhlenbären verſchwunden ſind,
die noch in der Diluvialzeit ſo häufig durch alle Länder Eu-
ropas verbreitet waren; — wie aber die genannten Thiere
nur der Art nach ausgeſtorben ſind, während ſich ihre Gat-
tungen in zahlreichen neuen Arten bis in unſere Zeit erhal-
ten haben, und wie ſich thatſächlich ſämmtliche Schalthiere
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der Diluvialzeit dergeſtalt in die Neuzeit herüberretteten,
daß die Geſchlechter derſelben heute nur durch einen größeren
Artenreichthum vertreten ſind, ſo — behaupten die Fachmän-
ner — müßten auch die Beziehungen jeder älteren Forma-
tion zu der zunächſt jüngern, ſo überhaupt auch die Bezie-
hungen einer Epoche zur anderen gedacht werden. Es ziehe
ſich alſo, ſo meint man, durch die belebten Formen von
ihrem früheſten Urſprunge an bis auf unſere Tage herab ein
inneres Band der Verwandtſchaft, welches die organiſchen
Bildungen je eines Zeitabſchnitts als unmittelbare und zum
Theil weiter entwickelte Abkömmlinge von gleichartigen Vor-
fahren des vorhergehenden Zeitabſchnitts erkennen laſſe und
ſomit durch natürliche Abſtammung und allmählige Umbil-
dung die Thiere und Pflanzen aller früheren Zeiten mit den
jetzt lebenden zu einer großen, geſchloſſenen Einheit verbinde.
Ob man die Quelle, aus der ein ſo großartiger und
ſo langſam ſich vollziehender Umbildungsproceß entſpringt,
einen ureigenen, ſtetig und unaufhaltſam fortwirkenden in-
neren Bildungstrieb nennen ſolle, der das organiſche Leben
in allen ſeinen Formen begleitet und die allmählige Umwand-
lung derſelben bedingt, — oder ob man jenen Proceß rich-
tiger deute, wenn man ihn als die Wirkung einer unaus-
geſetzten Schöpfungsthätigkeit Gottes auffaßt, die im ſtetigen
Fortſchritt der Vertiefung eine Sphäre nach der andern er-
greift und jede vorausgegangene Arbeit als Grundlage einer
neuen in ſich aufnimmt (K. Snell) — die Beantwortung
dieſer Frage würde uns über die Grenzen der ſinnlichen
Wahrnehmung, alſo über die Grenzen der exacten Wiſſen-
ſchaft hinausführen; ſie mag füglich der Philoſophie über-
laſſen bleiben.
Als man aber auf dem Wege thatſächlicher Beobachtung
ſo weit gekommen war, da lag der Gedanke nicht mehr fern,
daß in dem großen, einheitlichen Schöpfungsplane, der alle
belebten Weſen umfaßt, auch der Menſch mit eingeſchloſſen,
daß auch er nicht unmittelbar aus der Hand Gottes, ſon-
dern auf dem Wege der natürlichen Abſtammung und all-
mähligen Umbildung aus dem Schooße der Natur hervor-
gegangen ſei. Unter den belebten Weſen zeigen bekanntlich
die Affen, und unter den Affen namentlich die ſogenannten
Anthropoiden (Gibbon, Chimpanſe, Orang, Gorilla) die
meiſte Menſchenähnlichkeit. Da nun der Zufall wollte, daß
ſeit dem Jahre 1847 durch unwiderlegliche Beweiſe das Vor-
kommen einer bis dahin den Naturforſchern unbekannt ge-
bliebenen Affenſpecies, nämlich das Vorkommen des ſo be-
rüchtigten Gorilla an der Weſtküſte Afrika's beſtätigt wurde,
den die Negerſtämme jenes Landes nicht für ein Thier,
ſondern für ein wildes menſchliches Ungeheuer ausgeben
(Dr. Savage), ſo ſchienen ſich auf einmal die Extreme zwi-
ſchen Thier- und Menſchengeſtalt durch ein Mittelglied zu
verbinden; es ſchien ſich eine große Kluft zu füllen, die man
bis dahin nicht zu überſpringen gewagt hatte, und manche
Forſcher, die ſich der Jdee der allmähligen Umbildung in der
organiſchen Natur zuneigten, glaubten ſchließlich nur conſe-
quent zu handeln, wenn ſie theils die Möglichkeit der Ab-
ſtammung des Menſchen vom Affen einräumten, theils eine
ſolche Abſtammung geradezu behaupteten.
Jn der Annahme dieſer Möglichkeit, mehr jedoch in
der ſtricten und ſummariſchen Behauptung, daß der Affe der
Stammvater des Menſchen ſei, culminirt, geehrte Anweſende,
augenblicklich die Kühnheit des modernen Fortſchritts der
Wiſſenſchaft. Wir finden darin jene Ausſchreitung, wovon
ich ſagte, daß ſie geeignet ſei, den herkömmlichen Glauben
an die bevorzugte Stellung des Menſchen in der Natur, ſo
wie die Gründe ſeiner Ueberhebung über die anderen Ge-
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ſchöpfe und was von unſeren Vorzügen, geiſtigen Gütern
und Hoffnungen damit zuſammenhängt, auf's Tiefſte zu er-
ſchüttern. Jch brauche wohl kaum noch zu verſichern, daß
ich nicht geſonnen bin, mich zum Anhänger dieſer Anſicht
zu erklären, oder zum Vertheidiger derſelben aufzuwerfen.
Aber je kühner dieſelbe vorgeht, je verletzender ſie das Be-
wußtſein der menſchlichen Würde berührt, deſto genauer hängt
ſie auch mit der Frage zuſammen, die uns gegenwärtig be-
ſchäftigt, deſto dringender ſchien es daher geboten, den Urſprung
des Menſchen auch nach dieſer Seite hin zu beleuchten. Das
Gefühl des Unbehagens und des Widerwillens, das uns be-
ſchleichen muß, wenn wir die kühne Behauptung zum erſten
Male ausſprechen hören, durfte mich nicht beſtimmen, auf
Koſten einer umſichtigen Beleuchtung meines Gegenſtandes
einer in dieſem Punkte zu weit gehenden Empfindlichkeit
Raum zu geben. Ueberſehen wir nur nicht, daß es bloß eine
Behauptung iſt, um die es ſich handelt, und daß die Be-
hauptung eines Satzes noch lange nicht der Beweis deſſelben
iſt! Wie ſollte aber eine Behauptung, ſo lange ſie als ſolche
auftritt, ſo lange ſie nur für den Ausdruck der Vermuthungen
oder ſpeculativen Anſichten des einzelnen Forſchers ſich aus-
gibt, nicht überall ohne Gefahr vernommen werden können!
— Anders freilich würde es damit ſtehen, wenn anerkannte
wiſſenſchaftliche Autoritäten eine ſolche Behauptung aufſtell-
ten, oder gar den Jnhalt derſelben für factiſch erwieſen er-
klären ſollten. Daß ich mit einigen Worten auch hierüber
berichte, erwarten die geehrten Zuhörer wohl um ſo ſicherer,
als manchen unter Jhnen nicht unbekannt geblieben iſt, daß
ich durch den Zufall eines glücklichen Fundes in dem benach-
barten Neanderthale und durch die Bedeutung, die derſelbe
für die Urgeſchichte der Menſchheit erlangt hat, mit ver-
ſchiedenen, in der Discuſſion der vorliegenden Frage hervor-
ragenden Fachmännern, ſo wie mit ihren literariſchen Er-
zeugniſſen perſönlich in ſehr nahe Beziehungen gekommen bin.
Dieſer intereſſante Fund beſteht in einer Anzahl un-
zweifelhaft menſchlicher Gebeine, die durch ihre plumpe,
maſſive Form, beſonders aber durch die abnorme Bildung des
zugehörigen Schädels, wenn nicht einen völlig erloſchenen Men-
ſchentypus, ſo doch eine auffallende Affenähnlichkeit des Jndivi-
duums vermuthen laſſen, dem ſie einſtens angehört haben.
Die Lage und ſonſtige Beſchaffenheit des Fundorts, von dem
ich ſeiner ZeitS. Verhandlungen des naturhiſt. Vereins der Preuß. Rheinlande
und Weſtphalens. Jahrg. 1859. eine Beſchreibung veröffentlicht habe, ſetzen
es meines Erachtens außer Zweifel, daß die Gebeine dem
Diluvium, alſo der Urzeit angehören, d. h. aus einer Pe-
riode der Vergangenheit ſtammen, wo unſer Vaterland noch
von verſchiedenen Thiergeſchlechtern, namentlich von Mammu-
then und Höhlenbären bewohnt war, die längſt aus der
Reihe der lebenden Weſen verſchwunden ſind. Menſchliche
Ueberreſte, die ein gleich hohes Alter beanſpruchen konnten,
ſind mehrfach ſchon früher beobachtet worden; ſie ſtanden
aber ſtets vereinzelt, auch hatten ſie das Vorurtheil der Zeit
gegen ſich, die von foſſilen oder ſogenannten vorweltlichen
Menſchen nichts wiſſen wollte, und fanden daher nach dieſer
Seite hin entweder gar keine, oder nur eine ſehr beſchränkte
Anerkennung. Günſtiger ſtand es damit allerdings ſchon —
es war im Jahre 1857 — als der Neanderthaler Fund den
Fachmännern bekannt wurde. Deſſen ungeachtet erhob man
Bedenken gegen die Foſſilität deſſelben, während man ihm
immerhin ein ſehr hohes Alter einräumen zu müſſen glaubte.
Wie alt aber dieſe menſchlichen Gebeine auch ſein mögen,
ihre oſteologiſchen Eigenthümlichkeiten, namentlich die völlig
abnorme, faſt thierähnliche Bildung des Schädels wurden
allgemein als einzig in ihrer Art bezeichnet, und imponirten
den Anhängern der Umbildungstheorie in dem Maße, daß
ſich einzelne verſucht fühlten, in dem Neanderthalmenſchen
eine Uebergangsform aus dem Affen in den Menſchen, gleich-
ſam einen zweiten Gorilla, kurz, den Repräſentanten eines
erloſchenen Geſchlechts zu erkennen, das im unmittelbaren
Uebergange die Thierwelt mit der Menſchenwelt verbinde.
Fragt man, ob mit Anſichten und Ausſprüchen dieſer
Art die oben erwähnte Abſtammung des Menſchen von dem
Affen factiſch erwieſen ſei, ſo bemerke ich zunächſt, daß die
Vertreter derſelben den Neanderthaler Fund wohl nicht ſo
eilig und angelegentlich in dem angegebenen Sinne gedeu-
tet hätten, wenn nicht vor einigen Jahren — 1859 — der
berühmte engliſche Reiſende und Naturforſcher Charles
Darwin die Fachgelehrten mit ſeiner Doctrin über „die
Entſtehung der Species im Thier- und Pflanzenreiche durch
natürliche Züchtung“ überraſcht und dadurch der Theorie der
allmähligen Umbildung eine ebenſo bedeutſame, wie neue
Stütze gegeben hätte. Die außerordentliche Verbreitung des
Darwin'ſchen Buches und die günſtigen Urtheile, welche von
Sachverſtändigen über daſſelbe veröffentlicht wurden, konnten
in den Augen der Meiſten ſein Anſehen und die Bedeutung
des neuen Lichtes nur erhöhen, das es über eines der wich-
tigſten und ſchwierigſten naturwiſſenſchaftlichen Probleme zu
verbreiten ſchien. Liegt aber unter dieſen Umſtänden, wo
Jedermann überraſcht und Viele ob des immenſen Fortſchritts
freudig erregt waren, nicht die Vermuthung nahe, daß ſich
auch Einzelne von dem neuen Lichte blenden ließen, und
indem ſie demſelben eine zu große Tragweite beimaßen, Er-
ſcheinungen in das Verhältniß von Urſache und Wirkung
brachten, die factiſch vielleicht gar nicht im Zuſammenhange
ſtehen? —
Einräumen kann man und muß es am Ende, daß
durch die Entdeckung des Gorilla und des Homo Neander-
thalensisJm Sinne des Prof. King. Vergl. die zweite Vorleſung. die weite Kluft zwiſchen Thier- und Menſchen-
welt ſich enger zuſammengezogen und die Annahme der
Möglichkeit eines natürlichen Zuſammenhangs zwiſchen bei-
den weſentlich erleichtert hat. Aber weiter gehen und im
Sinne der Darwin'ſchen Theorie die Möglichkeit zur Wirk-
lichkeit ſtempeln, dazu — glaube ich — berechtigen uns dieſe
Entdeckungen noch durchaus nicht. Nehmen wir hinzu, daß
die ganze Darwin'ſche Theorie eine Hypotheſe iſt, die ſich
noch im Stadium der völligen Neuheit befindet, daß ſie
ſomit noch eine unüberſehbare Reihe von Prüfungen der
ſchwierigſten Art zu beſtehen hat, ehe ſie auf geſetzmäßige
Geltung wird Anſpruch machen können; beachten wir ferner,
daß ſich hierüber Niemand weniger täuſcht, als der berühmte
Autor ſelber, und überſehen wir endlich nicht, daß ein ver-
einzeltes Factum, wie der Neanderthaler Fund, in einer ſo
wichtigen Frage nicht entſcheiden kann, — ſo mögen die An-
hänger der Umbildungstheorie nur immerhin neue Belege
für dieſelbe ſammeln und die Wiſſenſchaft bereichern, — zu dem
Glauben aber, oder gar zu der Ueberzeugung von der wirk-
lichen Stammverwandtſchaft zwiſchen Affe und Menſch wer-
den ſie uns — vorläufig wenigſtens — nicht überreden
können.
Jch verlaſſe dieſen ſchwierigen Punkt meiner Aufgabe
mit folgender Bemerkung:
Die weite Kluft, welche in geiſtiger Beziehung Thier-
und Menſchenwelt von einander trennt, wird von Jedermann
als Thatſache anerkannt. Auf der anderen Seite aber ſteht,
in gleicher Weiſe anerkannt, die ungemeine Langſamkeit,
welche Darwin für die Umbildung der Arten und Geſchlech-
ter auf dem Wege der natürlichen Abſtammung in Anſpruch
nimmt. Da haben ſich denn die Anhänger deſſelben, die
ſeine Hypotheſe auch auf den Menſchen ausdehnen, um den
nöthigen Spielraum für die allmählige Metamorphoſe des
Affen in den Menſchen und für die ungezählten Zwiſchen-
bildungen und Uebergänge zu gewinnen, genöthigt geſehen,
die erſten Anfänge des menſchlichen Daſeins auf Erden in
das graueſte Dunkel der Vergangenheit zu verlegen und un-
ſerer Gattung ein Alter zu vindiciren, das ſich einerſeits
jeder Berechnung entzieht, während es andererſeits die Zeit-
grenzen rückwärts weit überſchreitet, die ſich auf dem Boden
poſitiver Beglaubigung mit annähernder Sicherheit dafür
haben berechnen laſſen.
Jch könnte nun zu den Beobachtungen und Thatſachen
übergehen, aus denen, wie ich früher bemerkte, das Alter
des menſchlichen Geſchlechts auf mindeſtens 100,000 Jahre
berechnet worden iſt. Was ich als eigene Beobachtung auf
dieſem Felde anführen kann, verſchwindet faſt unter der
Maſſe des Stoffes, der aus Büchern und Berichten zu Ge-
bote ſteht, die unter verſchiedenen Titeln die Naturgeſchichte
des Menſchen behandeln und zuſammen die Literatur der uns
vorliegenden Frage bilden. Da ich daraus nur eine Aus-
wahl des Wichtigſten, theilweiſe ſogar nur Andeutungen werde
bieten dürfen, ſo ſehe ich mich veranlaßt, für diejenigen Zu-
hörer, die ſich vielleicht eingehender mit dem Gegenſtande
beſchäftigen möchten, die Schriftwerke namhaft zu machen,
die als Quellen zur weiteren Belehrung benutzt werden können.
Das Hauptwerk erwähnte ich ſchon, als oben von den
Structurverhältniſſen der Erdoberfläche und von der Gliede-
rung derſelben nach Epochen, Perioden und Formationen die
Rede war. Es hat den berühmten engliſchen Geologen
Ch. Lyell zum Verfaſſer, erſchien zu London 1863 unter
dem Titel: „The geological evidences of the antiquity of
Man“ und iſt unter dem Titel: das Alter des Menſchenge-
ſchlechts auf der Erde u. ſ. w.“ von L. Büchner in's Deutſche
überſetzt. Die erſchöpfende Reichhaltigkeit dieſes Buches in
der Zuſammenſtellung der einſchläglichen Thatſachen iſt neben
anderen Vorzügen deſſelben beſonders hervorzuheben.
Gleichzeitig mit dem Lyell'ſchen Werke erſchienen unter
dem Titel: „Evidence as to Man's place in Nature“ von
Profeſſor H. Th. Huxley in London zwei Abhandlungen über
die Naturgeſchichte der menſchenähnlichen Affen und über die
Beziehungen des Menſchen zu ihnen, die im Verein mit
Bemerkungen über einige foſſile Menſchenreſte, darunter
auch die Neanderthaler, von V. Carus unter dem gemein-
ſchaftlichen Titel: „Zeugniſſe für die Stellung des Menſchen
in der Natur“ in's Deutſche übertragen ſind. Die Schrift
behandelt vorzugsweiſe die anatomiſche Seite der Frage und
beanſprucht in dieſer Beziehung einen hervorragenden Werth.
Das bedeutendſte deutſche Werk über den Gegenſtand
hat den Profeſſor C. Vogt in Genf zum Verfaſſer. Es er-
ſchien 1863 und führt den Titel: „Vorleſungen über den
Menſchen, ſeine Stellung in der Schöpfung und in der
Geſchichte der Erde.“ Jch empfehle dieſes Buch durch die
einfache Bemerkung, daß ſich die bekannte Meiſterſchaft des
Verfaſſers in der ebenſo anziehenden als gründlichen Be-
handlung ſeiner ſchriftſtelleriſchen Objecte auch hier be-
währt hat.
Unter dem Titel: „Der Menſch der Vorwelt“ hat fer-
ner Aug. Laugel in ſehr anziehender Form die Ergebniſſe
der neueſten Forſchungen über den Menſchen in vier Ab-
ſchnitten zuſammengeſtellt, wovon beſonders der Bericht über
die ſogenannten „Pfahlbauten“ beachtenswerth iſt, welcher
dem Leſer die Originalberichte von Profeſſor L. Rütimeyer
in Baſel und von Dr. Keller in Zürich, ſo wie mehrere an-
dere entbehrlich macht.
Fügen wir zu den genannten Titeln noch das früher
ſchon erwähnte, von Profeſſor Bronn in Heidelberg deutſch
bearbeitete Werk von Ch. Darwin: „Ueber die Entſtehung
der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natürliche
Züchtung u. ſ. w.“, das im Jahre 1859 zuerſt erſchien und
ſeitdem in mehrfachen Auflagen und Ueberſetzungen der wiß-
begierigen Leſewelt zugänglich geworden iſt, ſo läßt ſich ſa-
gen, daß dieſe fünf Schriftwerke den gegenwärtigen Stand-
punkt unſerer Frage, ſo weit ſich Natur- und Alterthums-
forſcher an der Löſung derſelben verſucht und betheiligt haben,
in erſchöpfender Weiſe repräſentiren. Mehrere andere Schrift-
werke und Abhandlungen, die indeß nur für den Fachmann
wichtig und theilweiſe unentbehrlich ſind, werde ich zu er-
wähnen noch ſpäter Gelegenheit finden.
Die überſichtliche Zuſammenſtellung der Beobachtungen
und Auffindungen, aus denen die Natur- und Alterthums-
forſcher die Beweiſe für das hohe Alter des Menſchenge-
ſchlechts ableiten, will ich mit der Bemerkung einleiten, daß
die Vermuthung oder die Behauptung: der Urſprung des
Menſchen falle in viel frühere Zeiten, als nach der herkömm-
lichen Meinung angenommen werde, der Menſch müſſe ein
Zeitgenoſſe der in der Diluvialzeit untergegangenen Dickhäu-
ter und Raubthiere geweſen ſein — keineswegs erſt in den
letzten Jahren aufgetaucht iſt. Die Spuren oder die Keime
dieſer Anſicht laſſen ſich vielmehr ziemlich weit rückwärts,
nämlich bis in das Ende des vorigen Jahrhunderts verfol-
gen. Ein evangeliſcher Pfarrer, Namens Eſper war da-
mals der erſte, der die durch ihren Reichthum an foſſilen
Knochen berühmte Gailenreuther Höhle im Fichtelgebirge
unterſuchte, in einer entlegenen Abtheilung derſelben unter
anderen Knochen auch einige menſchliche fand und dieſen Fund
bekannt machte. Nach ihm wurden die Höhlen jenes Gebir-
ges von Prof. Roſenmüller in Leipzig unterſucht, der ſeit
1796 wiederholt in ſeinen Schriften auf die Wichtigkeit der
Knochenhöhlen und ihrer Einſchlüſſe von menſchlichen Ueber-
reſten aufmerkſam machte.
Lebhafter wurde aber die Frage des foſſilen Menſchen
ſeit dem Jahre 1814 discutirt, wo von der weſtindiſchen
Jnſel Guadeloupe Menſchenknochen, in dichten Kalkſtein ein-
geſchloſſen, bekannt wurden, von denen ſich indeß ein foſſiles
Alter nicht hat nachweiſen laſſen. (Bericht hierüber von
Dr. König in den Philos. Transactions).
Jn dem ſeiner Zeit berühmten Buche des engliſchen
Geologen Buckland, das unter dem Titel: „Reliquiae dilu-
vianae“ 1822 erſchien und auf den britiſchen Jnſeln, wie
auf dem Continente die Auffindung und genauere Unterſu-
chung einer Menge von Knochenhöhlen zur Folge hatte,
werden bereits 5 verſchiedene Oertlichkeiten in England nam-
haft gemacht, wo Menſchenknochen unter ähnlichen Verhält-
niſſen, wie foſſile Thierknochen und theilweiſe mit dieſen
zuſammen beobachtet wurden.
Faſt gleichzeitig hatte indeß der große Paläontologe G.
Cuvier in Paris ſein noch berühmteres Werk: „Recherches
sur les ossements fossiles etc.“ (es erſchien zuerſt 1812,
in der 3. Aufl. 1825 in 5 Bnd., in der 4. Aufl. 1835)
veröffentlicht und darin gewiſſermaßen als Dogma aufgeſtellt
und durchgeführt, daß es gar keine foſſilen Menſchen-
knochen gebe. Dieſer Ausſpruch von einer ſolchen Auto-
rität verwirrte lange Jahre hindurch die Blicke der Fachmän-
ner in dem Grade, daß ſie faſt nicht mehr ſehen wollten,
was ſie vor Augen hatten. Der verdienſtvolle deutſche Pa-
läontologe v. Schlotheim hatte in den Jahren 1820‒24 in
der Nähe von Gera in Thüringen ganze Reihen von Men-
ſchenknochen, zum Theil in einer Tiefe von 30 Fuß und
ſelbſt unter foſſile Thierknochen gemiſcht beobachtet; aber ſie
konnten nach ſeiner Meinung d. h. nach dem Dogma von
Cuvier, nicht gleichzeitig mit den Thierknochen dort abgela-
gert, ſie mußten durch einen ſpätern Zufall an ihren Fund-
ort gekommen ſein und der neueren Zeit angehören.
Jch übergehe ähnliche Beobachtungen, die in der ſog.
Knochenbreccie des Mittelmeers gemacht wurden, um Jhre
Aufmerkſamkeit auf die beiden franzöſiſchen Forſcher Tournal
und de Chriſtol zu lenken, von denen der eine in der Höhle
von Bize bei Narbonne, der andere in einer Höhle des ſüd-
lichen Frankreichs (Gondres bei Nimes) in den Jahren 1828
und 1829 menſchliche Gebeine in Gemeinſchaft von unzweifel-
haft foſſilen Thierknochen entdeckte. Beide Beobachter trugen
kein Bedenken, für beiderlei Reſte, da ſie unter ganz glei-
chen Bedingungen auftraten, auch daſſelbe geologiſche Alter
zu behaupten.
Von den deutſchen Geologen iſt aus jener Zeit nur
Ch. Keferſtein in Halle zu nennen, der es wahrſcheinlich
fand, daß zur Zeit des Unterganges der mehr erwähnten
Thiergeſchlechter auch der Menſch ſchon exiſtirt habe.
Am entſchiedenſten jedoch wurde dieſe Anſicht im Jahre
1833 von Prof. Schmerling geltend gemacht, der mit großer
Ausdauer ſämmtliche Höhlen in der Umgebung von Lüttich
unterſucht und unter verſchiedenen foſſilen Thierreſten mehrere
Menſchenſchädel und andere menſchliche Knochen entdeckt
hatte. Er ſchrieb ein beſonderes Werk: „Recherches sur les
ossementſ fossileſ, découverts dans les cavernes de la pro-
vince de Liège,“ 1833, worin er ſeine wichtigen Beobach-
tungen der Welt bekannt machte. Man kann ſeinen Bericht
nicht ohne Theilnahme leſen; man fühlt mit ihm die Schwie-
rigkeit der Aufgabe, eine Anſicht zur Geltung zu bringen,
die gegen eingewurzelte Vorurtheile der Zeit verſtößt. Und
in der That hat er weder durch die Gediegenheit ſeiner Be-
weisgründe, noch durch die Wärme der Ueberzeugung, womit
er dieſelben unterſtützt, damals Anhänger für ſeine Anſicht
gewinnen können.
Ein gleiches und noch ſchlimmeres Schickſal hatten
anfänglich die Bemühungen des franzöſiſchen Archäologen
Boucher de Perthes, als er im Jahre 1838 in ſeinem
Buche: „De la création, essai sur l'origine et la progression
des ètres“ zuerſt mit Beſtimmtheit ausſprach: „daß man in
Ermangelung foſſiler Menſchenreſte früh oder ſpät im Diluvi-
um Spuren von vorſündfluthlichen Menſchen finden würde.“
Ja, als dieſer unermüdliche Forſcher ſo glücklich war, in den
Diluvialbildungen (Sand- und Kiesgerölle) des Sommetha-
les bei Amiens und Abbeville, im Vereine mit foſſilen Ele-
phanten- und Nashorngebeinen zahlreiche, aus Feuerſtein ge-
fertigte Werkzeuge — Aexte, Keile — zu entdecken und
dieſe Auffindungen 1847 in einem beſonderen Werke: „An-
tiquités antediluviennes“ bekannt machte, da wurden ſeine
Berichte nicht allein mit ungläubiger Gleichgültigkeit und
Geringſchätzung aufgenommen, ſondern man erſchöpfte ſich
förmlich in Zweifeln und Vermuthungen, um den genann-
ten Feuerſteinwaffen ihr vorſündfluthliches Alter ſtreitig zu
machen. Der Streit unter den Fachmännern über die Aecht-
heit und das Alter dieſer rohen Kunſtproducte hatte aber
zur Folge, daß das Sommethal von den bedeutendſten fran-
zöſiſchen und engliſchen Geologen, unter ihnen auch von Lyell
auf das Sorgfältigſte unterſucht wurde, wodurch ſchließlich,
wenn auch erſt vor Kurzem, alle Gegner zu den Anſichten
von Boucher de Perthes bekehrt worden ſind. Als aber im
Jahre 1855 Prof. A. Spring in Lüttich einen höchſt inte-
reſſanten Fund aus einer Kalkſteinhöhle zwiſchen Namur
und Dinant an der Maas bekannt machte, da war dieſes
Verhältniß noch ſo unſicher, daß er nicht wagte, für ſeinen
Fund ein vorſündfluthliches Alter geltend zu machen. Der
Fund beſtand, außer einigen Steinwaffen, in einer ganzen
Menge bunt durcheinander gelagerter Thier- und Menſchen-
knochen, die von derſelben Schuttmaſſe bedeckt und zum Theil
in Kalkſinter eingebacken waren. Unter den menſchlichen
Reſten befanden ſich mehrere Schädelfragmente, ſowie ein
ganzer Schädel von ſo auffallender Bildung, daß ſie den
roheſten und am wenigſten entwickelten Negertypus zu ver-
treten ſchienen; ſie waren aber ſo mürbe und ſo feſt in die
Steinmaſſe eingewachſen, daß ihre Erhaltung nicht möglich
war. Nach langem Schwanken glaubte ſich Prof. Spring
dahin entſcheiden zu müſſen, — und darin mag er auch
Recht haben — daß der Fund aus den Zeiten der roheſten,
nachſündfluthlichen Urbevölkerung datire, die vor der Ein-
wanderung der Kelten und Germanen das weſtliche Europa
bewohnte, und daß in demſelben die Reſte eines Canniba-
lenmahles vorlägen.
Ein Jahr ſpäter, nämlich im Auguſt 1856, wurden
endlich die Neanderthaler Gebeine aufgefunden, deren
Bedeutung für das Ganze der vorliegenden Frage ich oben be-
reits angegeben habe. Als ich dieſen Fund im Frühjahr
1857 einer Verſammlung von Naturforſchern in Bonn vor-
legte, und nach ſorgfältiger Erwägung aller Umſtände, die
den Fund begleiteten und die damals mir allein vollſtändig
bekannt waren, für denſelben die Wahrſcheinlichkeit eines
vorſündfluthlichen Alters und zugleich einer urtypiſchen Form
unſerer Gattung in Anſpruch nahm, da war man zwar er-
ſtaunt und machte große Augen über das, was man ſahe,
aber man zuckte auch allſeitig die Achſeln über das, was
man hörte, und Niemand fand ſich in der Verſammlung,
der meiner Anſicht über das geologiſche Alter des Fundes
mit einem ermuthigenden Worte beigetreten wäre. Das ſage
ich nicht, geehrte Anweſende, um jenen Männern zu nahe
zu treten, oder ihrer zögernden Haltung irgend einen Vor-
wurf zu machen; ich ſage es vielmehr um zu zeigen, daß
auch die Naturforſcher an den Ueberlieferungen auf ihrem
Gebiete mit Zähigkeit feſtzuhalten und eine Neuerung nur
mit zögerndem Mißtrauen aufzunehmen pflegen. Seitdem
die erſten Funde menſchlicher Gebeine auf ein diluviales
Alter unſers Geſchlechts gedeutet wurden, hatte ein ſechzig-
jähriger, mitunter lebhaft geführter Proceß, in welchem all-
mählich eine beträchtliche Anzahl Zeugen mit immer kräf-
tigern Zeugniſſen auftraten, die Angelegenheit nicht zur
Spruchreife bringen können. Dieſer zögernde Gang und die
anfänglichen Zweifel an dem Alter meines Fundes haben
mich perſönlich nicht befremdet, wohl aber die Veröffentli-
chung meines Fundberichtes inſofern verzögert, als ſie mich
beſtändig an die Möglichkeit eines Jrrthums mahnten, da-
durch zur umſichtigſten Prüfung meines Gegenſtandes nö-
thigten und ſchließlich den in ſolchen Dingen allein richtigen
Standpunkt, welcher ſich mit der Conſtatirung der Thatſa-
chen begnügt, gewinnen ließen. So kam es, daß meine oben
erwähnte Arbeit über den Neanderthaler Fund nur äußerſt
langſam vorrückte und erſt im Jahre 1859 unter der Ueber-
ſchrift: „Menſchliche Ueberreſte aus einer Felſengrotte des
Düſſelthals. Ein Beitrag zur Frage über die Exiſtenz foſ-
ſiler Menſchen“ in den Verhandlungen des naturhiſtoriſchen
Vereins veröffentlicht werden konnten.
Die Kunde von dem Neanderthaler Funde war kaum
vernommen, als bald darauf eine Menge von anderen That-
ſachen und neuen Beobachtungen, die ſich auf die Urgeſchichte
des Menſchen bezogen, den Fachmännern bekannt wurden.
Vor der näheren Beſprechung derſelben muß ich jedoch rück-
greifend noch an ein Factum erinnern, das bereits früher
der Autorität Cuvier's auf dieſem Gebiete empfindlichen
Abbruch gethan hatte. Zu den theoretiſchen Gründen gegen
das foſſile Alter des Menſchen hatte Cuvier nämlich auch
den gezählt, daß es keine foſſilen Affen gäbe. Jn der That
war dies damals in allen Lehrbüchern der Zoologie zu leſen;
auch war bis in die letzten Lebensjahre Cuvier's kein Fund
foſſiler Affen conſtatirt worden. Nachdem aber Andr. Wag-
ner während ſeines Aufenthalts in Griechenland den erſten
foſſilen Affen entdeckt hatte, wovon ſich im Jahre 1837 die
erſte Kunde verbreitete, ſind durch weitere Auffindungen in
Aſien, Amerika und Europa ein ganzes Dutzend foſſiler
Affenſpecies bekannt geworden, von denen die Hälfte auf
Europa fällt, das gegenwärtig bekanntlich gar keine einhei-
miſchen Affen mehr beſitzt. Der erſte Fundort in Griechen-
land, Pikermi bei Athen, iſt durch die ſpäteren von dem
franzöſiſchen Naturforſcher Ab. Gaudry angeſtellten Nach-
grabungen beſonders wichtig geworden. Denn es wurden,
außer einer Menge foſſiler Reſte von anderen Thieren, ganze
Reihen von Affenſchädeln und ſo viele andere Affenknochen
zu Tage gefördert, daß Gaudry im Stande war, ein voll-
ſtändiges Skelet des vorweltlichen griechiſchen Affen (Meso-
pithecus pentelius) zuſammenzuſetzen. Sein Bericht darüber
wurde im Jahre 1860 veröffentlicht.
Von den Beobachtungen neueren Datums ſind nun
der Zeit nach zuerſt die Pfahlbauten in der Schweiz, in
Jtalien und Deutſchland zu erwähnen. Dieſe merkwürdigen
Bauten finden ſich ſtets nur in Landſeen in einiger Entfer-
nung vom Ufer, oder in Torfmooren, die einſtens ſolche Seen
waren. Sie beſtehen durchgängig aus Reihen von entweder
ganz rohen, oder nur wenig zugerichteten Baumſtämmen —
in den älteſten Bauten bis zu 1 ′ Durchmeſſer — die als Pfähle
in den Boden der Seen eingelaſſen ſind und offenbar zum
Unterbau für Platformen dienten, auf welchen die früheſten
Bewohner jener Länder ihre Wohnungen errichteten. Die
älteſte hiſtoriſche Kunde von ſolchen Bauten finden wir bei
Herodot, der ſie noch im Jahre 520 vor Chriſtus bei einem
thrakiſchen Volksſtamme im See Praſias im heutigen Ru-
melien vorgefunden und beſchrieben hat. Zu Cäſars Zeiten
ſcheinen ſie in Gallien und Helvetien längſt verlaſſen und
vergeſſen geweſen zu ſein.
Die erſten Spuren dieſer Pfahlbauten entdeckte man
im Winter 1854 bei Meilen am Züricherſee, bei damals
ſehr niedrigem Waſſerſtande; ſpäter aber ſind ſie faſt in allen
Seen, welche die Alpen umgeben, aufgefunden, auch an meh-
reren anderen Orten, z. B. bei Wismar in Mecklenburg
nachgewieſen worden. Auf Neu-Guinea ſollen einzelne Jn-
dianerdörfer noch heute auf ſolchen Pfahlbauten angelegt ſein.
Die größere Sicherheit der Bewohner ſolcher Dörfer vor
feindlichen Ueberfällen leuchtet von ſelbſt ein und iſt ohne
Zweifel die Haupturſache ihrer frühzeitigen Erbauung gewe-
ſen. Wie weit ſie in die Vorzeit hinaufreichen mögen, hat
ſich bis jetzt mit hinreichender Sicherheit noch nicht feſtſtellen
laſſen; man glaubt aber für die älteſten Bauten ohne Ueber-
ſchätzung ein Alter von 10,000 Jahren annehmen zu können.
Soviel ſteht feſt, daß die Pfähle überall in einer mehrere
Fuß mächtigen Lehmſchicht ſtecken, die über dem Kiesgerölle
und den gleichalterigen Schwemmgebilden der Höhlen liegt,
worin man an mehreren Stellen der Schweiz und ander-
wärts (bei Amiens) Mammuth- und Nashornknochen ſowie
die früher erwähnten menſchlichen Reſte aufgefunden hat.
3
Wenn ſich hieraus ergiebt, daß die Pfahlbauten bedeutend
jünger ſein müſſen, als jene Schwemmgebilde, ſo ſind ſie
doch alt genug, um uns über Zeiten und Zuſtände zu be-
lehren, die weit über alle Geſchichte hinaufreichen, über Zei-
ten namentlich, wo den Bewohnern Europa's die Metalle
noch unbekannt waren; andererſeits aber haben ſie ſo
zahlreiche Aufſchlüſſe über das frühere Thier- und Pflanzen-
leben ihrer Umgebungen und ſo werthvolle Beiträge für die
nähere Kenntniß vorgeſchichtlicher Völkerwanderungen gelie-
fert, daß der Eifer erklärlich iſt, womit Natur- und Alter-
thumsforſcher den Pfahlbauten nachgeſpürt und dieſelben
unterſucht haben. Da ich auf Einzelnheiten nicht eingehen
kann, ſo bemerke ich zum Verſtändniß des Geſagten nur noch,
daß ſich über der Lehmſchicht, in welcher die Pfähle ſtecken,
ſchon zur Zeit, als ſie noch menſchliche Wohnungen trugen,
eine neue, dicke Schicht von ſchwarzen, ſandigen Letten ab-
gelagert hat, in welcher die Waffen und Geräthſchaften der
früheren Bewohner der Pfahlbauten, ſowie Knochen von
Thieren und Früchte, die zu ihrer Nahrung dienten, einge-
bettet ſind, die uns durch die relative Tiefe ihrer Lage über
das entſprechende Alter und über den Culturzuſtand ihrer
einſtigen Beſitzer Auskunft geben.
Die werthvollſten Berichte über die Pfahlbauten hat
ſeit 1854 Dr. Keller in Zürich geliefert; auf ſie und die
früher erwähnte Schrift von Rütimeyer (von 1860) muß
ich diejenigen verweiſen, die ſich genauer über dieſe Bauten
belehren wollen.
Faſt von gleichem Jntereſſe iſt eine andere Reihe von
Erſcheinungen, die man in den Torfmooren der däniſchen
Jnſeln und an den ſog. Kjökken-möddinger, wie die
Dänen ſie nennen, beobachtet hat. Kjökken-möddinger — zu
deutſch: Küchenabfälle, Küchenkehricht — ſind jene ausge-
dehnten, bis zu 2 Millionen Cubikfuß umfaſſenden Anhäu-
fungen von Auſtern- und anderen Muſchelſchalen, unter-
miſcht mit Knochenreſten von Säugethieren, Vögeln (darun-
ter vom Auerhahn) und Fiſchen, ſowie mit Steinwaffen,
grober Töpferwaare und anderen primitiven Geräthſchaften,
die beſonders häufig an den Oſtküſten der däniſchen Jnſeln
und Jütlands auftreten, in neueſter Zeit aber auch an den
Küſten Südaſiens und Braſiliens beobachtet worden ſind.
An der Oſtſee liegen dieſe 3‒10 Fuß mächtigen, 150‒200
Fuß breiten und oft 1000 Fuß langen Bänke an den älteren
und jüngeren Strandlinien entweder zu Tage, oder in eini-
ger Tiefe unter der jetzigen Bodenfläche. Mehrere däniſche
Gelehrte, unter ihnen beſonders Steenſtrup und Forch-
hammer in Koppenhagen haben ſich durch die ſorgfältigſte Un-
terſuchung dieſer uralten Denkmäler menſchlichen Daſeins
verdient gemacht. Nach den Forſchungen dieſer Männer un-
terliegt es keinem Zweifel, daß wir in dieſen Muſchelbänken
den Wohnſtätten einer rohen Bevölkerung begegnen, die von
Jagd und Fiſcherei lebte und nur im Laufe langer Zeit-
räume von den Reſten ihrer Mahlzeiten ſo ungeheure Maſſen
anhäufen konnte; es unterliegt auch keinem Zweifel, daß dieſe
Bevölkerung vor mindeſtens 10,000 Jahren ſchon vorhanden
war. Dies ergiebt ſich theils aus ihren rohen Geräthſchaf-
ten, theils und beſonders daraus, daß zur Zeit der Entſtehung
der Muſchelbänke die däniſchen Jnſeln noch mit Kieferwal-
dungen bedeckt waren, die ſeitdem in dem äußerſt langſamen
Vegetationswechſel ganz anderen Baumarten Platz gemacht
haben, während ſie in hiſtoriſcher Zeit, ja ſoweit die nor-
diſche Sage reicht, den Bewohnern Dänemarks niemals be-
kannt geweſen ſind.
Die eigenthümlichen Bodenverhältniſſe des däniſchen
3*
Jnſelreichs haben vor Alters die Bildung vieler Torfmoore
begünſtigt, die nicht ſowohl durch ihre Ausdehnung als durch
die Tiefe der keſſelförmigen Senkungen ſich auszeichnen,
worin ſie gegenwärtig liegen. Jn dieſen Mooren haben ſich
nun im Laufe der Zeiten die Waldbäume und andere
Pflanzenzeugen früherer Perioden in der Ordnung aufge-
ſchichtet, welche durch den Vegetationswechſel bedingt war,
und ſind durchgängig ſo wohl erhalten, daß ſie ſich als
Species beſtimmen laſſen. Die Kieferſtämme, mit ihrer
Spitze nach der Mitte der Moore gerichtet und oft ſo dick,
daß ſie mehrere Hundert Jahresringe zählen, nehmen die
unterſte Stelle ein; darauf folgen mächtige Eichen und zwar
die Steineiche (Quercus sessiliflora), in den oberſten Torf-
ſchichten endlich die Sommereiche (Quercus pedunculata).
Die Buche fehlt noch gänzlich. Heute aber würden wahrſcheinlich
prachtvolle Buchenſtämme die unterſte Stelle einnehmen, wenn
unter ähnlichen localen Bedingungen auf den däniſchen Jn-
ſeln die Bildung eines Torfmoores begänne. Die Gegen-
wart des Auerhahns in den Küchenabfällen beweiſt, daß
das Volk, von welchem dieſe herrühren, in Dänemark zur
Fichtenzeit lebte und daß ſeit jener Zeit die Eichenvegetation
vorüberging, die nun der Buche dort Platz gemacht hat.
Man hat Fichtenſtämme gefunden, die der Menſch mit Feuer
und Stein bearbeitet hatte, und zwiſchen den Fichtenſtäm-
men Kieſelgeräthſchaften, welche deutlich die Parallele mit
den Küchenabfällen herſtellen, während dagegen in den Torf-
mooren, welche der Eichenzeit entſprechen, ſchöne Bronzege-
räthſchaften gefunden worden ſind. — Nun vergleiche man
mit dieſen Thatſachen den äußerſt langſamen Gang, den die
Natur für größere Länderſtrecken dem Wechſel der Waldve-
getation vorgezeichnet hat, wofür ſich in der hiſtoriſchen Zeit
nur ſchwache Belege haben ſammeln laſſen, ſo wird man
begreifen, daß das Alter jener nordiſchen Bevölkerung mit
10,000 Jahren ſicher nicht überſchätzt worden iſt.
Weit höher indeß berechnet ſich das Alter des Men-
ſchen nach den Thatſachen, die man durch Bohrverſuche und
andere Unterſuchungen des Bodens im Nildelta und im
Delta des Miſſiſſippi bei New-Orleans in Nordamerika
ermittelt hat. Ueber dieſe letzteren will ich wegen ihrer Ana-
logie mit den däniſchen Torfmooren zuerſt berichten.
Die Anſchwemmungen des Miſſiſſippi müſſen ſeit un-
denklicher Zeit in derſelben Weiſe, wie heute, vor ſich gegangen
ſein, während ſich das Niveau des Bodens periodiſch geſenkt
und wieder gehoben hat. Die Ebene, in der New-Orleans
liegt, erhebt ſich gegenwärtig nur 9 Fuß über das Niveau
des Meeres. Bohrverſuche, die man in der Nähe der Stadt
bis zu einer Tiefe von 600 Fuß niedergetrieben, haben
den geologiſch älteren Grund, worauf die dortigen Schwemm-
gebilde liegen, nicht erreicht. Die periodiſch wiederholte Sen-
kung und Hebung des Bodens aber ergiebt ſich daraus, daß
man bei Ausgrabungen, die zu baulichen Zwecken unternom-
men wurden, mehrere Waldbeſtände der americaniſchen Cy-
preſſe (Taxodium distichum) vorfand, die in verſchiedener
Tiefe auf einander folgten. Man mußte die Erdarbeiter
entlaſſen und durch Holzhacker erſetzen, welche ſich den Weg
nach unten durch 4 über einander liegende Beſtände aus-
hieben, wovon der unterſte ſo alt war, daß das Holz ſich
wie Käſe zerſchneiden ließ. Jn anderen der Beobachtung
zugänglichen Gegenden Luiſiana's ſind 10 ſolcher Cypreſſen-
beſtände nachgewieſen worden, die in zunehmender Tiefe
unter der jetzigen Oberfläche auf einander folgen. Jn der
Tiefe von 16 Fuß fanden die Arbeiter angebranntes Holz,
und in gleicher Tiefe das Skelet eines Menſchen, wovon
die übrigen Knochen beim Herausnehmen zerfielen, während
der Schädel, der unter der Wurzel eines zum vierten Beſtande
gehörigen Cypreſſenbaumes lag, wohl erhalten blieb und un-
zweifelhaft der eingebornen americaniſchen Race angehört.
Dr. B. Dowler hat dem Gegenſtande eine beſondere Schrift
gewidmet und in dieſer ſehr gediegenen Arbeit alle Momente
in's Auge gefaßt und ſorgfältig erwogen, aus denen ſich mit
annähernder Genauigkeit das Alter der auf einander folgen-
den Waldbeſtände berechnen läßt, wobei er, um in den
Grenzen der Wahrſcheinlichkeit zu bleiben, abſichtlich überall
die niedrigſten Ziffern als Factoren in Rechnung gebracht
hat. Danach berechnet er nun für die Zeit, ſeit welcher ſich
das Miſſiſſippidelta zum letzten Male über das Niveau des
Meeres erhoben hat, eine Dauer von 14,400 Jahren. Hat
nun jede der Hebungsperioden, während welcher die unter-
irdiſchen Cypreſſenwälder an der Oberfläche lebten — und
darunter befinden ſich Stämme von 10 Fuß Durchmeſſer,
die nach dem Verhältniß ihrer Jahresringe eine Lebensdauer
von mindeſtens 5700 Jahre hatten, — hat alſo jede der 10
Hebungs-Perioden ebenſo lange gedauert, ſo verzehnfacht ſich
jene Zahl und wir erhalten für die Zeit, welche zur allmäh-
lichen Entſtehung der unterirdiſchen Waldbeſtände erforderlich
war, eine Dauer von 144,000 Jahren, folglich für das Ge-
ſammtalter jener Deltabildung 158,000 Jahre.
Das menſchliche Skelett wurde in dem vierten unterirdi-
ſchen Beſtande aufgefunden. Laſſen wir dieſen vierten Beſtand
außer Acht, ſo kommen nach denſelben Elementen der Rech-
nung auf die 3 anderen 43,200 Jahre, und wir erhalten
mit Einſchluß der jetzigen Periode für das Alter jenes Ske-
lets 57,600 Jahre.
Die erwähnten Bohrverſuche am Nil wurden zwi-
ſchenden Jahren 1851‒54 aus Anlaß der geologiſchen Geſell-
ſchaft zu London unternommen, der eine bei Memphis, wo
das Delta 5 engliſche Meilen breit iſt, der andere unweit
Heliopolis, wo es eine Breite von 16 engl. Meilen hat.
Man trieb die Bohrlöcher bis zu einer Tiefe von 60 und
72 Fuß und brachte Landſchnecken, Knochen und häufig auch
Stücke von Töpferwaare und Backſteinen zum Vorſchein.
Die thieriſchen Reſte gehörten ohne Ausnahme noch lebenden
Arten an; am häufigſten fanden ſich Knochen von Ochſen,
Schweinen, Hunden, Kameelen und Eſeln. Seit ihrer Ein-
bettung in den Schwemmboden des Nils iſt mithin die
ägyptiſche Fauna, namentlich die der Hausthiere, unverän-
dert geblieben. Wichtiger jedoch ſind die Spuren menſchli-
cher Jnduſtrie, die aus derſelben Tiefe zu Tage gefördert
wurden. Das Nildelta iſt bekanntlich ein Product der pe-
riodiſchen Anſchwellungen und Ueberſchwemmungen des Nils.
Wenn es nun richtig iſt, was genaue Meſſungen über die
allmähliche Anſammlung des Nilſchlammes ergeben haben,
daß bei Memphis die Zunahme des Bodens in einem Jahr-
hundert höchſtens 5 Zoll beträgt, — im unteren Delta be-
trägt ſie kaum die Hälfte — ſo berechnet ſich für die all-
mähliche Erhöhung des Bodens um 60 reſp. 72 Fuß eine
Dauer von 14,400 reſp. 17,300 Jahren. Vor ſo langer
Zeit mußte demnach Unterägypten auch ſchon von Menſchen
bewohnt ſein, welche die Backſteine und Töpferwaare ver-
fertigten, wovon Bruchſtücke aus derſelben Tiefe zum Vor-
ſchein kamen, und welche mit den heutigen Bewohnern jenes
alten Culturlandes ungefähr dieſelben Hausthiere hatten.
Das ſind, geehrte Anweſende, die wichtigſten That-
ſachen und Beobachtungen, die in der neueren Zeit über die
vorhiſtoriſche Exiſtenz des Menſchen ſind geſammelt worden,
und aus denen die Fachmänner ihre Schlüſſe auf das wahr-
ſcheinliche Alter des menſchlichen Geſchlechts abgeleitet haben.
Es konnte von vorn herein meine Aufgabe nicht ſein, das
wiſſenſchaftliche Material der wichtigen Frage in meinem
Vortrage zu erſchöpfen; ich habe mir daher nur angelegen
ſein laſſen, die weſentlicheren Seiten, gewiſſermaßen die
Brennpunkte derſelben hervorzuheben und Jhrer Beachtung
zu empfehlen. Daß ich das Problem nicht für gelöſt und
den wiſſenſchaftlichen Proceß darüber noch keineswegs für
ſpruchreif erachte, brauche ich ſchließlich kaum noch einmal
zu verſichern. Welche neuen Funde, wie tief unter den
Schwemmgebilden der Neuzeit und in welcher älteren For-
mation uns vielleicht in der nächſten Zukunft ſchon bevor-
ſtehen mögen, kann heute Niemand vorherſagen. Faſſen wir
aber zuſammen, was uns die neueſten Unterſuchungen in's
Beſondere über die Beſchaffenheit des Miſſiſſippideltas an
die Hand geben, ſo ſind wir unzweifelhaft zu dem Schluſſe
berechtigt, daß die Formation der Neuzeit mindeſtens 100,000
Jahre umfaßt. Da nun menſchliche Reſte in der älteren
Formation des Diluviums aufgefunden ſind, die jedenfalls
einen ebenſo langen Zeitraum umfaßt, ſo reicht die Exiſtenz
des Menſchen in eine Vorzeit hinauf, die möglicher Weiſe
2‒300,000 Jahre hinter der Gegenwart zurückliegt.
Geſchichte des foſſilen Menſchen aus dem
Neanderthal.
Geehrte Anweſende.
Die Ergebniſſe der Forſchungen neueren Datums auf
den Gebieten der Alterthums- und Verſteinerungskunde haben,
namentlich in wiſſenſchaftlichen Kreiſen, eine ſo allſeitige
Beachtung gefunden, daß eine allgemeine und oberflächliche
Bekanntſchaft mit denſelben wohl bei Allen vorausgeſetzt
werden darf, die den Erzeugniſſen der naturwiſſenſchaftlichen
Literatur der letzten Jahre, oder auch nur den Berichten da-
rüber in den gangbarſten Zeitſchriften mit einiger Aufmerk-
ſamkeit gefolgt ſind. Wenn ich als eins der wichtigſten
Ergebniſſe jener Forſchungen hervorhebe, daß wir heut zu Tage
das Alter des Menſchengeſchlechts mit einem ganz anderen und
viel größeren Maßſtabe meſſen, als noch vor einigen Jah-
ren allgemein zu geſchehen pflegte, und wenn ich hinzufüge,
daß die ſo lange und beſonders noch von dem großen Pa-
riſer Paläontologen G. Cuvier und ſeinen zahlreichen
Schülern ſo entſchieden negirte Exiſtenz des ſogenannten —
foſſilen Menſchen — nunmehr als völlig erwieſen zu betrach-
ten iſt, wodurch wir für den Urſprung und die Geſchichte
unſerer Gattung den Boden einer ungemeſſenen, vielleicht
auch unmeßbaren Vergangenheit gewonnen ſehen, ſo ſind
das unſtreitig Momente, die durch ihre Neuheit, wie durch
ihre Tragweite die rege Theilnahme wohl begreiflich machen,
die man ihnen ſo allſeitig zugewendet hat.
Jn einer Vorleſung über das Alter des menſchlichen
Geſchlechts, die ich vor einem Jahre in verſchiedenen Kreiſen
des hieſigen Publicums wie an anderen Orten gehalten habe,
bin ich auf die Objecte jener Forſchungen und auf die Be-
deutung derſelben für das frühzeitige Daſein des Menſchen
auf der Erde näher eingegangen. Aus der beifälligen Auf-
nahme, die meine Mittheilungen fanden, darf ich wohl
ſchließen, daß ich darin dem damaligen Standpunkte der
Frage, wie den geiſtigen Jntereſſen meiner Zuhörer zeitge-
mäße Rechnung getragen habe. Die beiden Schriftwerke,
— das eine von Ch. Lyell in London mit dem Titel:
„The antiquity of Man“, das andere von C. Vogt mit
dem Titel: „Vorleſungen über den Menſchen u. ſ. w.“, die
ich vor einem Jahre als diejenigen hervorhob, in welchen
ſich die einſchläglichen Thatſachen kritiſch beleuchtet und am
Vollſtändigſten geſammelt finden, dieſe beiden Schriftwerke
muß ich auch heute noch als die Hauptquellen für eine tie-
fer gehende Belehrung über das Alter der Menſchheit bezeich-
nen und empfehlen, obwohl ſie über die ergiebige Ausbeute
an foſſilen Menſchenreſten, welche der unermüdliche Boucher
de Perthes aus den Kiesgruben zu Moulin-Quignon im
Sommethale erſt im verfloſſenen Jahre (vom Mai 1864
an) zu Tage gefördert hat, keinen Bericht enthalten können.
Auch ich darf dieſe merkwürdigen Auffindungen, wodurch
die lange Reihe von thatſächlichen Beweiſen, daß die Erde
ſchon während der ſogenannten Diluvialperiode von Menſchen
bewohnt war, ſo weſentlich ergänzt wird, nur beiläufig er-
wähnen. Denn meine gegenwärtigen Betrachtungen wollen
von den einſchläglichen und in meiner vorjährigen Vorleſung
bereits beſprochenen Thatſachen heute nur eine ſpeciell in's
Auge faſſen, die, abgeſehen von ihrer Bedeutung an ſich,
durch die räumliche Nähe der Oertlichkeit, an die ſie geknüpft
iſt, und durch mein perſönliches Verhältniß zu derſelben ge-
eignet ſcheint, unſere Aufmerkſamkeit vorzugsweiſe in Anſpruch
zu nehmen, — ich meine — die Auffindung foſſiler Men-
ſchenreſte in dem uns benachbarten Neanderthale.
Dieſe foſſilen menſchlichen Reſte, ſeitdem ſie den Fach-
gelehrten des Jn- und Auslandes bekannt geworden, haben
in der That ſo großes Aufſehen erregt und ſo mannichfache
Deutungen erfahren, daß ſie nicht nur unbedingt als einer
der merkwürdigſten paläontologiſchen Funde der neueren
Zeit bezeichnet werden können, ſondern auch durch die Ver-
ſchiedenheit der Anſichten und wiſſenſchaftlichen Zweifel, die
andauernd darüber beſtehen, bis auf den heutigen Tag der
Gegenſtand einer ſehr belebten öffentlichen Discuſſion geblie-
ben ſind. Wenn mich das rege perſönliche Jntereſſe, womit
ich als Beſitzer des Neanderthaler Fundes dieſer Discuſſion
gefolgt bin, nicht täuſcht und ich die aus dem Kreiſe meiner
Bekannten von nahe und fern an mich gerichteten Fragen
und Erkundigungen nicht überſchätze, ſo darf ich annehmen,
daß eine überſichtliche und vergleichende Darſtellung alles
Deſſen, was über den Neanderthaler Fund in Büchern und
Zeitſchriften, für Fachgelehrte hauptſächlich, bis heute veröffent-
licht worden iſt, auch in weiteren Kreiſen des Publicums
nicht unwillkommen ſein werde. Zur Sache ſelbſt will ich
zum Voraus bemerken, daß verſchiedene Unklarheiten und
irrige Vorausſetzungen über die Beſchaffenheit des Fundor-
tes, die ſich in die Discuſſion eingeſchlichen und ſowohl die
Deutung des Fundes überhaupt, wie namentlich die Schätzung
ſeines Alters weſentlich beeinträchtigt haben, einer ſorgfältigen
Berichtigung bedürfen. Da dieſe Berichtigung, wie die Ver-
hältniſſe einmal liegen, nur von mir ausgehen kann, ſo darf
die authentiſche Feſtſtellung der local-geologiſchen Bedingun-
gen des Fundortes und gewiſſer anderer Umſtände, welche
die Auffindung des Neanderthaler foſſilen Menſchen beglei-
teten, als ein weſentlicher Beitrag zu der bisherigen Erör-
terung des Gegenſtandes angeſehen werden, womit ich zum
erſten Male öffentlich jenen irrigen Vorausſetzungen zu be-
gegnen ſuche.
Vielleicht haben die Deutungsverſuche, von denen ich
rede und die ſich vorzugsweiſe mit der abnormen Bildung
des Neanderthaler Schädels beſchäftigen, noch nicht alle Mög-
lichkeiten ſeines natürlichen oder zufälligen Urſprungs erſchöpft;
ſo weit ſie indeß vorliegen, haben ſie der Zahl nach meine
anfänglichen Erwartungen von der Wichtigkeit des Gegen-
ſtandes bei Weitem übertroffen, während ſie ſich ſachlich
in ſo divergenten Richtungen bewegen, daß ſie neben dem
wiſſenſchaftlichen Eifer ihrer Autoren auch durch die Contraſte
der Anſichten anziehend und zum Theil ergötzlich werden
die ſich darin geltend machen.
Bedeutſame Ergebniſſe, verehrte Zuhörer, wie ſie auf
den Gebieten der wiſſenſchaftlichen Forſchung von Zeit zu
Zeit gewonnen werden, oder Entdeckungen, die durch ihre
Neuheit überraſchen und die herkömmlichen Stützen eines
wiſſenſchaftlichen Gebäudes zu erſchüttern drohen, haben von
jeher die Geiſter mächtig erregt und Controverſen veranlaßt,
welche die Parteien allmählig ſonderten, die Ziele derſelben
immer klarer zu Tage legten, bis ſie ſchließlich mit dem
Siege der Wahrheit endigten. Jn der Controverſe über den
Neanderthaler Schädel liegen gegenwärtig die Ausgangs-
punkte, in denen ſich die Gegenſätze der Parteien zuſpitzen,
noch weit auseinander, da man auf der einen Seite noch
für die Aufrechterhaltung des früher erwähnten Cuvier'ſchen
Dogmas zu kämpfen ſcheint, während man auf der anderen
Seite unter dem Einfluſſe der Darwin'ſchen Lehre von der
Entſtehung der Arten Gefahr läuft, ſich in maßloſe Specu-
lationen über den Urſprung des Menſchen zu verirren. Sie
werden es daher auch kaum auffallend finden, daß man in
den eigenthümlich geformten Ueberreſten des Neanderthal-
menſchen bald eine urtypiſche foſſile Uebergangsform aus
dem Affen in den Menſchen, bald einen foſſilen Zeitgenoſſen
der untergegangenen Mammuthe und Höhlenbären, bald
einen nicht-foſſilen modernen Jdioten, bald endlich ein an-
deres menſchliches Jndividium von thieriſcher Mißbildung der
Neuzeit vor ſich zu haben geglaubt hat. Aber weil es ſich
ſo mit unſerem Gegenſtande verhält, ſo darf ſich die Dis-
cuſſion deſſelben wohl jeder andern wiſſenſchaftlichen Tages-
frage an die Seite ſtellen, ſei es in Anſehung der Mannich-
faltigkeit von Auffaſſungen deſſelben Objectes, oder in An-
ſehung der darauf verwendeten Arbeit und der Erfolge, welche
dieſe für die Erweiterung unſers Wiſſens gehabt hat.
Nachdem ich ſo das Verhältniß des Neanderthaler
Fundes zu den wiſſenſchaftlichen Tagesfragen und diejenigen
Punkte ſummariſch bezeichnet habe, um die es ſich in der
öffentlichen Discuſſion bisher hauptſächlich gehandelt hat,
wird es nun auf eine richtige Vorſtellung von dem Fund-
orte und den Umſtänden ankommen, unter denen die Auf-
findung des foſſilen Menſchen Statt gefunden hat. Zu dem
Ende bemerke ich, daß etwa eine Meile weit öſtlich von
Düſſeldorf die weſtlichen Ausläufer eines verhältnißmäßig
ſchmalen KalkſteingebirgesDaſſelbe bildet unter dem Namen des Elberfelder Kalkſteins das
obere Glied der mittleren Abtheilung der Devon-Gruppe oder
des rheiniſch-weſtphäliſchen Grauwackengebirges und iſt dem Lenne-
ſchiefer als unterem Gliede dieſer Abtheilung aufgelagert (nach
von Dechen). auftreten, das ſich von hier in
oſt-nordöſtlicher Richtung, dem Düſſelbach und ſpäter der
Wupper und Lenne entlang bis in die Mitte Weſtphalens
fortzieht und unter anderen Eigenthümlichkeiten durch ſeine
Zerklüftung, in's Beſondere aber durch eine Menge von
Höhlen- und Grottenbildungen ausgezeichnet iſt. Die be-
kannten und theilweiſe durch ihren Reichthum an foſſilen
Reſten vorweltlicher Thiere berühmten Höhlen von Balve,
Cluſenſtein, Sundwig und Letmathe gehören alle dieſem
Kalkſteingebirge an. Daſſelbe iſt, ſo weit es nicht in nackten
Kuppen hervorragt oder an den Thalwänden entblößt iſt,
namentlich in ſeiner weſtlichen Erſtreckung von Elberfeld bis
zur Rheinebene hin, überall von jüngeren, faſt ausſchließlich
diluvialen Bildungen überdeckt, die ſich als Gerölle, Sand-
und Lehmmaſſen mitunter in anſehnlicher Mächtigkeit un-
mittelbar auf dem älteren Kalkſteingebirge abgelagert und
gleichzeitig die vorhandenen Spalten, Klüfte und Grotten
deſſelben gefüllt haben.
Bei dieſer Uebereinſtimmung in den Structur- und
anderweitigen Verhältniſſen eines ausgedehnten Gebirgszuges
und bei der Ergiebigkeit der weſtphäliſchen Höhlen an foſſi-
len Thierreſten, die noch neuerdings durch den Eiſenbahnbau
von Letmathe nach Jſerlohn ſo reichlich conſtatirt worden iſt,
konnte die Erwartung, daß auch die Klüfte und Grotten in
der weſtlichen Fortſetzung dieſes Gebirges ſolche foſſilen Thier-
reſte einſchließen müßten, kaum getäuſcht werden. Und in
der That bin ich ſeit dem Jahre 1858 ſo glücklich geweſenVergl. die Verhandlungen des naturhiſtor. Vereins der Preuß.
Rheinlande und Weſtphalens, Jahrg. 1859, ſo wie die Sitzungs-
berichte u. ſ. w. Seite 147 des Jahrg. 1863.,
an drei verſchiedenen Fundorten, in den Steinbrüchen am
Dornap und bei Wülfrath, in etwa 1 ½‒2 ſtündiger weſt-
lichen Entfernung von Elberfeld, das Vorkommen foſſiler
Elephanten-, Hunde- und Schweineknochen zu conſtatiren,
wobei ich noch ausdrücklich bemerke, daß dieſe Foſſilien in
demſelben Diluvialſchutt eingelagert waren, wovon auch die
Klüfte und Höhlenräume des weiter weſtlich gelegenen Düſ-
ſel- und Neanderthals, ſo lange ſie in ihrem urſprünglichen
Zuſtande verblieben, gefüllt waren.
Der bei Düſſeldorf in den Rhein ſich ergießende Düſ-
ſelbach durchſtrömt in ſeinem weſtlichen Laufe ein tief in
das Kalkgebirge eingeſchnittenes Thal, das abwechſelnd aus
beckenförmigen Weitungen und engen Schluchten beſteht.
Die letzte und an Länge die beträchtlichſte Schlucht, die das
Flüßchen vor ſeinem Eintritt in die Rheinebene zu paſſiren
hat, bildet mit Einſchluß einer ihr vorliegenden Thalweitung
das ſo genannte Neanderthal. Dieſe Schlucht, gegenwär-
tig durch Steinbruchbetrieb bedeutend verändert und erwei-
tert, war vordem von theils pralligen, bis zu 200 Fuß an-
ſteigenden, theils zackig unterbrochenen Felswänden einge-
ſchloſſen, in denen man auf beiden Seiten des Baches, in
ungleicher Höhe über der Thalſohle, die Mündungen der
Grotten gewahrte, durch die man, wo ſie zugänglich waren,
mehr oder weniger tief in das Jnnere der Grottenräume
eindringen konnte. Dieſe Räume fand man trocken, den
lehmigen Boden derſelben geebnet, ihre Decke und Wandun-
gen mit einer dünnen Schicht Kalkſinter bekleidet, aus der
hie und da auch wohl eine Stalaktitenbildung hervortrat.
Zwei von den Grotten des Neanderthals, die zur Un-
terſcheidung von den übrigen die „Feldhofer Grotten“ hießen,
lagen auf der Südſeite ziemlich in der Mitte der Schlucht
in dem faſt ſenkrecht aufſtrebenden Abhange einer halbkreis-
förmigen Einbuchtung, 60 Fuß über der Thalſohle und 100
Fuß unter dem oberen Rande des Abhanges, ſo wie 100‒110
Fuß vom Düſſelbache entfernt. Sie mündeten, die größere
mit portalähnlichem Eingange in der Richtung nach Weſten,
die kleinere nach Norden auf eine vorliegende ſchmale Ter-
raſſe, auf welche und zu den Grotten man über den ſüdli-
chen Rand der Schlucht gelangen konnte. Jn die größere
konnte man eintreten, in die kleinere nicht, da die Mündung
der letzteren nur durch eine niedrige, ſegmentartige oder
halbkreisförmige Oeffnung markirt war, durch welche dem
Blicke des wißbegierigen Beſuchers von der gewölbten Decke
und den eigentlichen Dimenſionen der Grotte nur ein ge-
ringer Theil ſichtbar war. Der Boden beider Grotten war
nämlich bis zu gleicher Höhe und zwar bis zum Niveau der
vorliegenden Terraſſe mit einem Lehmlager bedeckt, deſſen
mineralogiſche Zuſammenſetzung, verglichen mit der 10 bis
12 Fuß mächtigen Lehmablagerung, welche in den Umge-
bungen des Neanderthals das geſammte Kalkgebirge über-
deckt und die bereits erwähnten Klüfte mit foſſilen Thierknochen
in den Steinbrüchen am Dornap und bei Wülfrath ausfüllt,
keinen Unterſchied zeigte. Dieſe Thatſache, welche die Wahr-
ſcheinlichkeit, daß die Ablagerung des Lehms in den Grotten
des Neanderthals, wie in den Spalten und Klüften des
Kalkgebirges gleichzeitig mit der Ablagerung des darüber
ausgebreiteten Diluvialſchuttes erfolgte, ſo weſentlich unter-
ſtützt und für die Einſchlüſſe dieſes Schuttes, ſeien es Roll-
ſteine, Thier- oder Menſchenknochen, — ſo fern nicht abwei-
chende Verhältniſſe der Einlagerung oder andere ſichere
Merkmale für einen jüngeren Urſprung derſelben ſprechen, —
ein diluviales Alter bedingt; dieſe Thatſache iſt bei der
Altersbeſtimmung des Neanderthaler Fundes, entweder ganz
überſehen oder wenigſtens nicht in ihrer vollen Bedeutung
gewürdigt worden.Die einzige Ausnahme macht Prof. Vogt, der meinen früheren
Bericht darüber zu Rathe gezogen hat. Daß auch der engliſche Geologe Lyell,
der einzige Fachmann, der es für nöthig erachtete, das Nean-
derthal und die fraglichen Grotten perſönlich in Augenſchein zu
nehmen, noch einige Zweifel beſtehen läßt, hat wohl ſeinen
Grund nur darin, daß ſein durch höchſt ungünſtiges Wetter
beſchleunigter Beſuch erſt im Sommer 1860 erfolgte, wo
von der kleineren Grotte kaum noch das hintere Drittheil
vorhanden war, ſo daß die früheren und wahrſcheinlich auch
urſprünglichen Bedingungen der Schutteinlagerung, wie ſie
mir bekannt waren, nicht mehr vollſtändig überſehen wer-
den konnten.
Nach dieſen Bemerkungen, mit welchen ich den früher
erwähnten irrigen Vorausſetzungen über den geologiſchen
Charakter des Neanderthals begegnen und meine Zuhörer
auf die nähere Kenntnißnahme von der kleineren Feld-
hofer Grotte, dem eigentlichen Fundorte der foſſilen
menſchlichen Reſte des Neanderthals, angemeſſen vorbereiten
wollte, komme ich nun zu der Auffindung dieſer Reſte ſelbſt.
Jch erwähnte bereits die Erweiterung der Neander-
thaler Schlucht durch Steinbruchbetrieb. Schon im Sommer
1856Nicht im Jahre 1857, wie es bei Lyell heißt. war die Zerſtörung der Felswände auf der linken
Schluchtſeite bis zum Abbruch der der Feldhofer Grotte vor-
liegenden ſchmalen Terraſſe vorgeſchritten, und dadurch die
bis dahin größten Theils unſichtbare Mündung der kleineren
Grotte in ihrem ganzen, 8 Fuß im Lichten meſſenden Um-
fange bloßgelegt worden. Es fand ſich, daß der bei Weitem
größere Theil des nach Jnnen keilförmig verjüngten, etwa
15 Fuß langen Grottenraums von einem über 6 Fuß mäch-
tigen, compacten Lehmlager gefüllt war. Als die Arbeiter
4
mit der Wegräumung dieſes Lehmlagers begannen, das ſie
ihrer Ausſage nach trocken und ſteinhart fanden, dachten ſie
ſo wenig an irgend einen Fund, daß ſie den mit der Spitz-
hacke getrennten Schutt ſofort in die Tiefe der Schlucht
hinabwarfen, bis ſie etwa 2 Fuß unter der Oberfläche auf
die größeren Beſtandtheile eines menſchlichen Skelets —
Oberſchenkel- und Oberarmbeine — ſtießen, dieſe aus dem
Schutt hervorzogen und einem der Steinbruchbeſitzer ein-
händigten, der zufällig in dieſem Augenblicke zur Stelle ge-
kommen war. Von dieſem Herrn wurden die Knochen für
Höhlenbärenknochen gehalten und den Arbeitern befohlen,
den Lehmſchutt, auch den bereits aus der Grotte entfernten
ſorgfältig zu durchſuchen und alle Knochen, die gefunden
würden, zur Aufbewahrung bei Seite zu legen. So wurde
die Mehrzahl der Knochen, die ſich überhaupt vorfanden —
darunter auch das zugehörige, ſpäter ſo berühmt gewordene
Schädelfragment — erſt aus dieſem in die Tiefe hinabge-
worfenen Lehmſchutt geſammelt und der foſſile Fund, ſoweit
derſelbe kurze Zeit darauf in meinen Beſitz gelangte, vom
Untergange gerettet.
Wenn es zu beklagen bleibt, daß die Ausgrabung nicht
unter der Aufſicht und mit der Sorgfalt des wiſſenſchaftli-
chen Jntereſſes vorgenommen wurde, und es wahrſcheinlich
iſt, daß unter den erwähnten Umſtänden und bei der Acht-
loſigkeit, womit der gemeine Arbeiter ſolche Dinge zu be-
handeln pflegt, manche von den gleichzeitig in der Höhle vor-
handenen, namentlich kleineren Knochen verloren gegangen
ſind, ſo kann ich doch die mehrfach von Anderen ausgeſpro-
chene und früher auch von mir in etwa getheilte Vermuthung,
daß das Lehmlager der Grotte ein vollſtändiges menſch-
liches Skelet geborgen habe, gegenwärtig keineswegs mehr
unterſtützen. Denn abgeſehen von der völligen Uebereinſtim-
mung dieſer menſchlichen Gebeine in der Farbe und den
Dendritenbildungen an der Oberfläche, in dem Verhältniß
ihrer ſubſtanziellen Erhaltung und in dem fragmentariſchen
Zuſtande der meiſten mit den analogen Verhältniſſen foſſiler
Thierknochen aus den Höhlen Weſtphalens und aus den
Klüften des hieſigen Kalkgebirges, die bisher niemals in
ganzen Skeleten, ſondern in ſporadiſcher Zerſtreuung einzelner
Skelettheile an ihren Fundorten beobachtet wurden, — ſo ſtützte
ſich jene Vermuthung auf eine offenbar ungenaue und irrige
Ausſage der Arbeiter, wonach die Skelettheile bei ihrer Auf-
findung in derſelben Horizontalebene und in der Aufeinan-
derfolge ſollten gelegen haben, wie ſie durch das natürliche
Verhältniß eines ausgeſtreckten menſchlichen Körpers bedingt
geweſen ſei. Jch habe die Zuverläſſigkeit dieſer Ausſage
ſchon früher bezweifeltVergl. meinen oben citirten Fundbericht in den Verhandlungen
des naturh. Vereins u. ſ. w., ohne freilich hervorzuheben, daß
ich die Arbeiter, welche die Grotte ausgeräumt hatten, erſt
im Sommer 1858 ermitteln und vernehmen konnte, deren
fragliche Ausſage ſich nicht einmal mit den thatſächlichen
Vorgängen bei der Auffindung, die ich vorhin erwähnte, in
Einklang bringen läßt, des Umſtandes zu geſchweigen, daß
das Verhältniß der Lage foſſiler Knochen für die Zuſam-
mengehörigkeit und Vollzähligkeit derſelben zu einem ganzen
Skelet nichts beweiſen kann. Das Vorhandenſein eines voll-
ſtändigen menſchlichen Skelets in der Feldhofer Grotte, wo-
von mehrere größere und faſt alle kleineren Beſtandtheile
durch Achtloſigkeit verloren gegangen wären, kann ſomit
fernerhin nur Gegenſtand leerer Vermuthungen bleiben, die
dem wirklich ermittelten, objectiven Thatbeſtande gegenüber
und für die richtige Deutung des Fundes völlig werthlos
4*
erſcheinen müſſen. Das thatſächliche Reſultat aber wäre
dann:
Daß bei der Ausräumung eines Grottenraums
in der Neanderthaler Schlucht eine Anzahl
menſchlicher Gebeine aufgefunden und geſam-
melt wurden, die in allen weſentlichen Bezie-
hungen mit den foſſilen Reſten vorweltlicher
Thiere übereinſtimmen, welche man bisher
unter ganz analogen Bedingungen aus ande-
ren Grottenräumen und Klüften deſſelben
Kalkſteingebirges zu Tage gefördert hat.
Eine unbefangene Beurtheilung dieſes Ergebniſſes, ge-
ſtützt auf die bisher erörterten Verhältniſſe des Fundortes,
hätte billiger Weiſe die Ueberzeugung von dem diluvialen
Alter des Neanderthaler Fundes zur Folge haben ſollen.
Dieſe Ueberzeugung wäre auch ohne Zweifel für folgerichtig
gehalten und nicht beanſtandet worden, wenn der Fund in
thieriſchen Knochen beſtanden hätte. Derſelbe beſteht aber
in menſchlichen Gebeinen, denen man, abgeſehen von dem
vorliegenden Falle, die bereits anderweitig erhobenen An-
ſprüche auf einen Urſprung aus der Diluvialperiode noch keines-
wegs allgemein eingeräumt hatte, im vorliegenden Falle aber
um ſo weniger einräumen mochte, als die Gebeine nicht in Ge-
ſellſchaft von foſſilen thieriſchen Reſten oder von rohen Kunſt-
erzeugniſſen, Steinwaffen und dergleichen, und in einer nach
dem Düſſelthale hin offenen, vielleicht — wie man irrthüm-
lich annahm — von jeher zugänglichen Grotte waren ge-
funden worden. Jn der unzuläſſigen Vorausſetzung eines
vollſtändigen Skelets überſahe man den Zuſtand der Fund-
grotte, in's Beſondere die ſchmale Oeffnung derſelben vor
Abbruch der ihr vorliegenden Terraſſe. Können die Gebeine
nicht, fragte man, von einem vielleicht ganz modernen Tro-
glodyten herrühren, alſo lange nach der Diluvialperiode erſt
im Verlaufe der Neuzeit durch die Mündung der Grotte
eingedrungen ſein? — Dieſer Einwurf, der unter anderen
Bedingungen allerdings ein wichtiges Moment in der Be-
deutung des Neanderthaler Fundes in Frage ſtellen würde,
iſt aber in meinem früheren Berichte keineswegs unbeachtet
geblieben; eine ſorgfältige Prüfung deſſelben ließ mich viel-
mehr die Ueberzeugung gewinnen, daß die Gebeine gleich-
zeitig mit dem Lehmſchutt, der ſie einſchloß, in die Grotte
eingedrungen und daſelbſt abgelagert ſein müſſen. Das Ein-
dringen aber kann durch die Mündung, oder was wahr-
ſcheinlicher iſt, durch eine Schichtenſpalte erfolgt ſein, welche
die Grotte in ſchräger Richtung durchſetzte und an irgend
einem Punkte der entſprechenden Schichtenköpfe zur Aufnahme
der Knochen weit genug warDie Ungleichheit der Querdimenſionen im Verlaufe ſolcher Schich-
tenſpalten iſt eine Folge der ungleichmäßigen Auswaſchung der
Spaltenwände durch Tagewaſſer und gehört zu den gewöhnlichen
Erſcheinungen in den Felswänden des Düſſelthals.. Auch der berühmte Geo-
loge Lyell hält dieſen Weg für den wahrſcheinlicheren und
hat ihn in ſeinem Werke durch eine Zeichnung veranſchau-
lichtVergl. Figur 1 auf beigegeb. Tafel., während nach meiner Anſicht bei einer Fluth, welche
die Schichtenköpfe des Kalkgebirges, wie die Gipfelhöhe der
Schluchtränder des Neanderthals überſtrömte und das 10
bis 12 Fuß mächtige, über die ganze dortige Gegend ver-
breitete Lehmlager abſetzte, beide Wege der Einführung in
gleichem Grade möglich und denkbar ſind. Die Vermuthung
jedoch, daß die Gebeine von einem Troglodyten herrühren
könnten, der einſtens in der Höhle ſeinen Tod fand, oder
von einer menſchlichen Leiche, die als ſolche in die Höhle
geſchafft und dort begraben wurde, dieſe Vermuthung muß
von Jedem, der den Zuſtand der Grotte und die ſchmale
Oeffnung derſelben vor Abbruch der vorliegenden Terraſſe
gekannt hat, als müſſiges Phantom, ja, als reine Unmög-
lichkeit entſchieden zurückgewieſen werden.
Nachdem ich den foſſilen Fund des Neanderthals in
Sicherheit gebracht, ergab ſich, daß derſelbe aus folgenden
menſchlichen Knochen beſtand:
Der Hirnſchale mit einem getrennten Fragment der
linken Schläfenſchuppe,
Den beiden Oberſchenkelbeinen,
Dem rechten Oberarmknochen mit zugehöriger Speiche,
Dem linken Oberarmknochen mit abgebrochenem Kopfe,
Dem linken Ellenbogenbein,
Einem Fragment des rechten Schulterblatts,
Dem faſt vollſtändigen rechten Schlüſſelbeine,
Einem Fragment des Beckens und zwar der faſt voll-
ſtändigen linken Hälfte,
Fünf Rippenfragmenten.
Bei der auffallend abnormen Geſtalt des vorliegenden
Schädelfragments und bei der anſcheinenden Wichtigkeit des
Fundes überhaupt, hielt ich den Beirath von Fachmännern
und eine vergleichende anatomiſche Unterſuchung des Fundes
vor Allem für ſachgemäß. Jch brachte die Knochen daher
nach Bonn, wo ſich Herr Profeſſor Schaaffhauſen der
anatomiſchen Unterſuchung derſelben bereitwilligſt unterzog.
Die in der Pfingſtwoche 1857 in Bonn abgehaltene Gene-
ralverſammlung des Naturhiſtoriſchen Vereins der Preuß.
Rheinlande und Weſtphalens gab mir dann Gelegenheit zu
einem Vortrage, worin ich unter Vorlage des Fundes und
unter Hinweiſung auf die Unterſuchung deſſelben durch Prof.
Schaaffhauſen den Fundort und die näheren Umſtände der
Auffindung ausführlich beſchrieb und zuerſt öffentlich, wenn-
gleich nicht unbedingt, die Foſſilität des Fundes behauptete,
alſo ein diluviales Alter für denſelben in Anſpruch nahm.
Es iſt vielleicht nicht ohne Jntereſſe, wenn ich hier wörtlich
wiederhole, was ich damals vor der Verſammlung ausſprach:
„Der Fund, ſagte ich, beſteht in einer Anzahl zuſammenge-
höriger menſchlichen Gebeine, die durch die Eigenthümlichkeit
ihres oſteologiſchen Charakters und die localen Bedingungen
ihres Vorkommens die Anſicht rechtfertigen können, daß ſie
aus der vorhiſtoriſchen Zeit, wahrſcheinlich aus der Diluvial-
periode ſtammen und daher einem urtypiſchen Jndividuum
unſeres Geſchlechtes einſtens angehört haben. Da die Trag-
weite einer ſolchen Anſicht zur Zeit noch zur ſorgfältigſten
Prüfung ihres Gegenſtandes verpflichtet, für die Begründung
derſelben aber, abgeſehen von der Beſchaffenheit des Fundes,
die Art und die näheren Umſtände der Auffindung, ſo wie
zumal die localen Verhältniſſe des Fundorts von maßgeben-
der Bedeutung ſind, ſo brauche ich die umſtändliche Aus-
führlichkeit wohl nicht zu entſchuldigen, mit der ich dieſe
Verhältniſſe beſchrieben habe.“
Das war mein Standpunkt im Frühjahr 1857. Der
Bericht, aus dem ich dieſe Stelle entlehne, wurde in den
Verhandlungen des Naturhiſtoriſchen Vereins u. ſ. w. erſt
im Jahre 1859 veröffentlicht, bis wohin ſich meine Anſicht
von der Foſſilität des Fundes, alſo von der Exiſtenz des ſo-
genannten foſſilen Menſchen, bei fortgeſetzter gewiſſenhaften
Prüfung derſelben, nur immermehr beſtärkt hatte. Deſſen
ungeachtet ſchloß ich meinen damaligen Bericht mit der etwas
ſchüchternen Aeußerung: „daß ich auf den Verſuch einer
Propaganda für meine Ueberzeugung verzichten und das
entſcheidende Urtheil über die Exiſtenz foſſiler Menſchen der
Zukunft anheim geben wolle“, — womit ich weniger dem
eigenen Standpunkte, als einer Befangenheit Rechnung trug,
die damals noch ſchwer auf die Gemüther vieler Fachmän-
ner drückte, wenn ſich ihnen die Wahrſcheinlichkeit des dilu-
vialen Alters unſerer Gattung auch nur aus der Ferne
zeigte, einer Befangenheit, die über ein Viertel Jahrhundert
hindurch alle Beweiſe für einen ſo frühen Urſprung der
Menſchheit in das trügeriſche Reich der Selbſttäuſchung und
der Zufälligkeiten verwieſen hatte. Mit Uebergehung man-
cher anderen will ich nur an die Entdeckungen des Dr.
Schmerling in den Lütticher Höhlen, die ſchon im Jahre
1833 bekannt gemacht wurden, und an die merkwürdigen
Thatſachen, die der unermüdliche Boucher de Perthes
im Sommethale aufdeckte, ſo wie an die Verdächtigungen
und den Spott erinnern, die ſich die öffentliche Kritik über
die Anſichten und Arbeiten dieſer Männer bis vor Kurzem
erlauben durfte, um das Maß jener Befangenheit in etwa
zu kennzeichnen. Die Erfahrung weniger Jahre hat indeß
hingereicht, um kaum noch Spuren von dieſem Verhältniß
beſtehen zu laſſen, ſo daß gegenwärtig dieſelben Männer als
die vorzüglichſten Zeugen für die neue Wahrheit angeſehen
werden, wonach der Menſch als Zeitgenoſſe der diluvialen
Mammuthe und Höhlenbären auf der Erde bereits exi-
ſtirt hat.
Jch bin weit entfernt, mein Zeugniß für dieſe Wahr-
heit und das Schickſal deſſelben mit denen der gedachten
Forſcher zu vergleichen, nachdem das entſcheidende Urtheil
der Zukunft, an das ich ſeiner Zeit appellirt hatte, ſo bald
und ſo vollſtändig zu Gunſten meiner Ueberzeugung ent-
ſchieden hat, und ich darüber die Nichtbeachtung meines Be-
richtes vom Jahre 1859 und die Mißgriffe, die ſie in der
Beurtheilung des Neanderthaler Fundes zur Folge gehabt
hat, überſehen kann. Auch irre ich wohl nicht, wenn ich
dieſe Nichtbeachtung auf das frühere Erſcheinen einer Ab-
handlung zurückführe, die unter dem Titel: „Zur Kenntniß
der älteſten Raſſenſchädel“, von Profeſſor Schaaffhauſen
in Müller's Archiv u. ſ. w. ſchon im Jahre 1858 veröffent-
licht wurde, und wozu dem Herrn Verfaſſer die anatomiſche
Unterſuchung der Neanderthaler Gebeine, namentlich des zu-
gehörigen Schädelfragments, Anlaß geboten hatte.
Jn dieſer werthvollen Arbeit, welche die Fachgenoſſen
zuerſt in weiteren Kreiſen auf die Bedeutung des Neander-
thaler Fundes aufmerkſam machte und ſeitdem in den we-
ſentlichſten Beziehungen für die Deutung deſſelben maßge-
bend geblieben iſt, wird zwar gleich im Eingange meiner
„ausführlichen Darſtellung des Fundortes und Beſchreibung
der Auffindung“ gedacht; da aber dieſelbe noch nicht durch
den Druck veröffentlicht war, ſo konnte vorläufig nur eine
flüchtige Skizze davon aufgenommen werden, die ich vor
Abſchluß meiner Unterſuchungen brieflich an den Herrn Ver-
faſſer hatte gelangen laſſen. Darin wird nun die Fundgrotte
— leider ohne Beſchränkung — als „von oben herab zu-
gänglich“ bezeichnet. Dieſe an ſich richtige, aber zu unbe-
ſtimmte Bezeichnung ſcheint nun ſo ziemlich allgemein die irrige
Anſicht veranlaßt zu haben, als ſei die Oeffnung der Grotte
für den Zutritt eines erwachſenen Menſchen, oder für die
Einſchleppung der Leiche eines ſolchen groß genug geweſen,
während ich, wie aus meiner Beſchreibung vom J. 1859
zu erſehen iſt, damit nur andeuten wollte, daß man über
den ſüdlichen Rand der Schlucht auf die der Fundgrotte
vorliegende Terraſſe und an die ſchmale Oeffnung der Grotte
gelangen konnte. Wie aber ein Jrrthum den anderen zu
erzeugen und zu beſtärken pflegt, ſo geſchahe es auch hier.
Die irrthümlich angenommene weite Oeffnung der Grotte
begünſtigte die Vermuthung, daß ſie ein vollſtändiges Skelet
geborgen habe, und da dieſer Vermuthung, deren völlige
Unhaltbarkeit ich oben nachgewieſen habe, von keiner Seite
direct widerſprochen wurde, ſo ſpielte das vollſtändige Skelet
fortan beinahe die Rolle einer erwieſenen Thatſache. Aus
der Combination dieſer einander bedingenden beiden Jrrthü-
mer mußte indeß nothwendig der dritte erwachſen, wonach
das diluviale Alter des Neanderthaler Fundes in der öffent-
lichen Discuſſion deſſelben faſt durchgängig für unerweislich
oder zweifelhaft ausgegeben, der Urſprung deſſelben aus der
modernen Zeit dagegen als ſehr wahrſcheinlich angenommen
worden iſt.
Wie weit dies zunächſt von Profeſſor Schaaffhau-
ſen gilt, wird ein Auszug aus denjenigen Angaben ſeiner
Abhandlung zeigen, die ſich auf den Neanderthalſchädel be-
ziehen und die ich, ohne mich überall wörtlich an den Text
zu halten, in folgenden Sätzen zuſammenſtelle:
1) Die Neanderthaler Knochen beſitzen Eigenſchaften,
die, wiewohl ſie nicht entſcheidend für ein geologiſches Alter
ſind, doch jeden Falls für ein ſehr hohes Alter derſelben
ſprechen.
2) Gegen die Wahrſcheinlichkeit eines geologiſchen Alters
ſpricht der Umſtand, daß, ſo gewöhnlich auch das Vorkom-
men diluvialer Thierknochen in den Lehmablagerungen der
Kalkhöhlen iſt, ſolche bis jetzt in den Kalkhöhlen des Nean-
derthals nicht gefunden worden ſind, und daß die Knochen
unter einem nur 4 bis 5 Fuß mächtigen Lehmlager ohne
eine ſchützende Stalagmitendecke den größten Theil ihrer or-
ganiſchen Subſtanz behalten haben.
3) Die Knochen kleben ſehr ſtark an der Zunge; der
Knochenknorpel iſt indeß, wie die chemiſche Behandlung der-
ſelben mit Säuren lehrt, zum größten Theil erhalten, nur
ſcheint derſelbe jene Umwandlung in Leim erfahren zu haben,
welche v. Bibra an foſſilen Knochen beobachtet hat.
4) Die Oberfläche aller Knochen, namentlich die in-
nere Seite der Schädelknochen iſt mit zierlichen Dendriten-
bildungen bedeckt, wie dergleichen an foſſilen Thierknochen,
namentlich an denen aus den Balver und Sundwiger Höh-
len häufig beobachtet worden.
5) Sämmtliche Knochen, namentlich die Hirnſchale
zeichnen ſich durch ungewöhnliche Dicke und durch die ſtarke
Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leiſten aus, die den
Muskeln zum Anſatz dienen.
6) Der bei Weitem wichtigſte von den Neanderthaler
menſchlichen Ueberreſten iſt der zugehörige SchädelVergl. die beigegeb. Tafel, Figur 2., wovon
die Hirnſchale bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand
des Stirnbeins und der ſehr ſtark ausgebildeten und faſt zu
einem horizontalen Wulſt vereinigten oberen halbkreisförmi-
gen Linien der Hinterhauptsſchuppe erhalten vorliegt. Dieſe
Hirnſchale iſt von ungewöhnlicher Größe und lang-elliptiſcher
Form. Die am meiſten auffallende Eigenthümlichkeit der-
ſelben beſteht in der außerordentlichen Entwickelung der
Stirnhöhlen, wodurch die Augenbraunbogen, die in der Mitte
ganz mit einander verſchmolzen ſind, ſo vorſpringend werden,
daß hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einſenkung
zeigt. Die Stirn iſt ſchmal und flach, während die mittle-
ren und hinteren Theile des Schädelgewölbes gut entwickelt
ſind. Der Schädel iſt ganz ſymmetriſch gebildet und es
fehlt jeder Anlaß, die ſtark niedergedrückte Stirn deſſelben
für eine künſtliche Abflachung zu halten. Jn ſeiner Bildung
zeigt ſich zwar jene Entwickelung des Vorderkopfes, die ſo
häufig an ſehr alten Schädeln gefunden wurde und einer
der ſprechendſten Beweiſe für den Einfluß der Cultur und
Civiliſation auf die Geſtalt des menſchlichen Schädels iſt,
auch muß die auffallende Stirnbildung dem menſchlichen
Geſichte einen ungemein wilden und thieriſchen, in der That
an das Geſicht der großen Affen erinnernden Ausdruck ge-
geben haben; deſſen ungeachtet würde es ſich nicht rechtfer-
tigen, in dieſem Schädelbau etwa den roheſten Urtypus des
Menſchengeſchlechts erkennen zu wollen.
7) Beiſpiele von Schädeln aus alten Gräbern und
von anderen Fundorten, die in der einen oder anderen Be-
ziehung mit dem Neanderthalſchädel übereinſtimmen, und
namentlich in dem ſtarken Vortreten der Augenbraungegend
ſich demſelben annähern, laſſen ſich zahlreich anführen. Die
menſchlichen Gebeine und der Schädel aus dem Neanderthal
übertreffen aber alle bisher bekannt gewordenen an jenen
Eigenthümlichkeiten der Bildung, die auf ein rohes und
wildes Volk ſchließen laſſen und dürfen, auf welche Weiſe
ſie auch in ihre Fundgrotte gekommen ſein mögen, für das
älteſte Denkmal der früheren Bewohner Europa's gehalten
werden, welche die indo-germaniſche Einwanderung als Au-
tochthonen vorfand.
8) Die Möglichkeit, daß dieſe Gebeine aus einer Zeit
ſtammen, in der die zuletzt verſchwundenen Thiere des Di-
luviums noch lebten, kann nicht beſtritten werden; ein Be-
weis für dieſe Annahme liegt aber in den Umſtänden der
Auffindung nicht vor.“
Da nach den vorſtehenden Angaben des Prof. Schaaff-
hauſen alle Eigenſchaften der Knochen für ein hohes Alter
derſelben ſprechen, auch nach meiner obigen Darlegung die
Umſtände ihrer Auffindung das diluviale Alter derſelben
keineswegs in Frage ſtellen, die Einwürfe gegen ein ſolches
Alter aber, denen wir namentlich im zweiten der vorſtehen-
den Sätze begegnen, meines Erachtens durch die nunmehr
conſtatirte Auffindung foſſiler Thierknochen in den Klüften
deſſelben Kalkſteingebirges und in geringer öſtlichen Entfer-
nung vom Neanderthal ihre völlige Erledigung gefunden
haben, ſo iſt kaum erſichtlich, wie in der Frage nach dem
Alter des Fundes fernerhin noch eine Differenz zwiſchen den
Anſichten des Prof. Schaaffhauſen und meiner Ueber-
zeugung wird beſtehen können. Seine Anſichten ſtützen ſich
auf eine flüchtige Beſchreibung des Fundortes aus dem
Jahre 1858, die meinigen auf die autoptiſche Kenntniß des-
ſelben und ſeiner Umgebungen vor und nach der Auffin-
dung der Neanderthaler Gebeine. Der günſtigere Stand-
punkt iſt entſchieden der meinige, und dieſen wird hoffent-
lich Profeſſor Schaaffhauſen adoptiren, nachdem er vor
Kurzem in meiner Begleitung das Neanderthal perſönlich
in Augenſchein genommen hat.
Je größer aber die Sicherheit iſt, die mir meine
Kenntniß des Fundorts gewährt, und je mehr Sorgfalt ich
bei der Abfaſſung meines Fundberichts angewendet habe, der
ſeit 1859 Jedermann zugänglich geweſen iſt, deſto auffallen-
der müſſen die Mißgriffe und irrigen Angaben in Betreff
der localen Verhältniſſe des Fundortes erſcheinen, denen man
in einem der neueſten Deutungsverſuche der Neanderthaler
Gebeine vom Geh. Rath Profeſſor Mayer in Bonn begeg-
net. Der Herr Verfaſſer hat ſeine Arbeit unter dem Titel:
„Ueber die foſſilen Ueberreſte eines menſchlichen Schädels
und Skelets in einer Felſenhöhle des Düſſel- oder Neander-
thals“ ebenfalls in Müllers Archiv u. ſ. w. (Nr. 1 des
Jahrg. 1864) veröffentlicht. Seine Angaben in gedachter
Beziehung verrathen einen bei Schriftſtellern ſo ſeltenen
Mangel an Correctheit, daß ſie, abgeſehen von der ergötzli-
chen Entdeckung, womit der Verfaſſer ſeine Leſer ſchließlich
überraſcht und das Räthſel des foſſilen Neanderthalmenſchen
zu löſen glaubt, auch in anderen Beziehungen keine gün-
ſtige Meinung für den Jnhalt ſeiner Abhandlung erwecken
können.
Es ſind in's Beſondere die engliſchen Anatomen, die
ſich mit der Unterſuchung des Neanderthalſchädels beſchäftigt
haben, gegen welche Profeſſor Mayer zu Felde zieht und
denen ich es überlaſſen muß, ſich hinſichtlich der vorliegen-
den anatomiſchen Differenzen mit ihm aus einander zu ſetzen.
Jch kann meine Auslaſſungen über die Mayer'ſche Arbeit
auf handgreiflichere Dinge und zwar auf folgende Punkte
beſchränken:
1) Es iſt nahezu unmöglich, aus der Abhandlung zu
entnehmen, welchen Begriff der Verfaſſer mit dem Worte
„foſſil“ verbindet. Denn nachdem er im Verlaufe der Ar-
beit und ſogar im Titel derſelben den Neanderthaler Fund
wiederholt als „foſſil“ bezeichnet hat, erklärt er (S. 17) die
Frage über das Alter „dieſes foſſilen Schädels“ für eine
noch offene, ſtellt aber dann (S. 19) die Möglichkeit des
Nachweiſes der Foſſilität aus den geologiſchen Verhältniſſen
des Fundortes in Abrede, wobei er zu überſehen ſcheint,
was er (S. 18) von der Uebereinſtimmung der Düſſelthaler
Knochen in Feſtigkeit, Härte, Schwere, Farbe und Dendri-
tenbildung mit den analogen Eigenthümlichkeiten von Thier-
knochen aus anderen Höhlen hervorgehoben hat, — bis er
ſchließlich, nicht etwa einen Troglodyten aus vergangenen
Jahrhunderten der geſchichtlichen Zeit, ſondern einen ganz
modernen Menſchen, nämlich einen mongoliſchen Coſacken
von Tſchernitſcheff's Armeecorps aus dem Jahre 1814 als
einſtigen Träger der „foſſilen Ueberreſte“ aufſtellt.
2) Profeſſor Mayer verſichert (S. 19), daß er ſich
in Betreff des Details der Localität der (Fund-) Grotte auf
meine Beſchreibung derſelben beziehe. Nun lieſt man aber
auf derſelben Seite, daß die Feldhofer Grotten durch den
Eiſenbahnbau applanirt worden ſeien, wovon in meinem
Berichte kein Wort ſteht; ferner lieſt man, daß in früheren
Zeiten dieſe Grotten von den Geologen unbeachtet geblieben
ſeien, wovon mein Bericht das Gegentheil nachweiſt. Jn
Betreff des erſten Punktes bemerke ich noch, daß die gemeinte
Eiſenbahnlinie in faſt viertelſtündiger Entfernung am Ne-
anderthal vorüber läuft, und daß bis auf den heutigen Tag
die Fundgrotte durch Abbruch noch nicht völlig verſchwunden
iſt. Jn Betreff des zweiten Punktes bemerke ich, daß ich
in meinem Berichte die Beſchreibung des Neanderthals von
Herrn Profeſſor Nöggerath citire und gelegentlich mit-
theile, daß ich vor der Entdeckung des foſſilen Fundes die
Unterſuchung des Neanderthals längere Zeit hindurch mit
Jntereſſe verfolgt habe.
3) Das iſt aber nicht Alles. Die Schichtenſpalte,
welche die Fundgrotte in ſchräger Richtung durchſetzte und
die in dem Lyell'ſchen Werke deutlich abgebildet vorlag, kennt
Prof. Mayer nicht; auch überſieht er die Nachricht, die
ich von der Auffindung foſſiler Elephantenknochen in den
Dornaper Steinbrüchen gebe, ſo wie die Gründe, die ich
darin ſchon im Jahre 1859 für die Foſſilität des Neander-
thaler Fundes geltend gemacht habe, wovon Letzteres um ſo
auffallender erſcheinen muß, als Prof. Mayer (S. 17)
in dem Auffinden von Knochen größerer Säugethiere einen
Beweis für das diluviale Alter des Fundes anerkennt.
4) Dieſe Mängel, die ſich auf ſo wichtige objective
Momente beziehen und hinreichend darthun, wie wenig Prof.
Mayer die einzige authentiſche Quelle benutzt hat, die ihm
zur Berichtigung ſeiner irrigen Vorausſetzungen vom Nean-
derthal zu Gebote ſtand, dieſe bedauerlichen Mängel über-
heben mich der Nothwendigkeit, auch noch die Meinung zu
widerlegen, wonach die Gebeine nicht durch eine Fluth, welche
ſich über den ſüdlichen Rand in die Schlucht ergoß, durch
die ſchmale Oeffnung der Grotte hätten eingeſchwemmt wer-
den können. Da aber dieſe Meinung, die nur in der will-
kürlichen Fiction einer von der Fluth herbeigetriebenen menſch-
lichen Leiche eine Stütze findet, bei Prof. Mayer einmal
feſtſteht, ſo bleibt ihm für die Einlagerung des Fundes keine
andere Möglichkeit, als daß einſtens — nämlich im Jahre
1814 — ein lebendiger Menſch in die Höhle hineingekrochen
und dort geſtorben ſein muß. Dieſer Menſch nun konnte
ſich nach ſeinem Tode nicht ſelbſt begraben; von einer Fluth
aber, die ihn mit Schlamm überdeckt hätte und zu dem
Ende in der Neanderthaler Schlucht zu mindeſtens 60 Fuß
Höhe angeſtiegen ſein müßte, was ohne ſchreckliche Verwü-
ſtung der ganzen Umgegend nicht abgegangen ſein würde,
meldet die Geſchichte des Düſſelthals ſei 1814 nichts; es
bleibt folglich ganz unerklärlich, wie die Gebeine des fragli-
chen Coſacken 2 Fuß tief unter die Oberfläche des harten
Lehmlagers gerathen ſind?!
Von den Fachmännern, die ſich neben Prof. Mayer
für ein jüngeres Alter des Neanderthaler Fundes ausgeſpro-
chen haben, erwähne ich zunächſt Profeſſor R. Wagner in
Göttingen, der in einem kleinen Aufſatze in den „Göttinger
Nachrichten“ die Vermuthung äußert, der Neanderthaler
Schädel möge wohl von einem alten Holländer herrühren,
ohne, wie es ſcheint, dafür andere Gründe geltend zu machen,
als die Nachbarſchaft Hollands und die allgemeine Aehnlich-
keit dieſes Schädels mit einem Bataverſchädel in der bekann-
ten Blumenbach'ſchen Schädelſammlung, dem ſogenannten
Batavus genuinus von der holländiſchen Jnſel Marken, un-
ter deren Bevölkerung auch gegenwärtig noch Jndividuen
mit auffallend markirten Geſichtszügen nicht ſelten ſein ſollen.
Zu den Vertretern eines jüngern Urſprungs zählt auch
der Engländer Blake, der ſeine Anſichten im Anthropolo-
gical review, Mai 1864 veröffentlicht hat, die ſich dahin
zuſammenfaſſen laſſen, daß ſich die räthſelhafte Bildung des
Neanderthalſchädels aus Rhachitis und Jdiotie erkläre, wo-
nach dieſer Schädel einem armen Jdioten angehört haben
könne, der als Einſiedler gelebt habe.
Beiden Deutungen liegt offenbar die Vorausſetzung zu
Grunde, daß die Fundgrotte eine für einen erwachſenen
Menſchen irgendwie zugängliche und bewohnbare Oertlichkeit
geweſen ſei. Da dies nun nachgewieſener Maßen eine ganz
irrige Vorausſetzung iſt, ſo müſſen auch dieſe Deutungen
werthlos erſcheinen, abgeſehen davon, daß ſich Herr Broca
in Paris in folgenden Worten ſehr energiſch gegen die Hy-
potheſe des Jdiotismus ausgeſprochen hat: „Jdiotismus, ſagt
er, der fähig iſt, einen Schädel dieſer Art hervorzubringen,
iſt nothwendiger Weiſe mikrocephaliſch; nun iſt aber der Schä-
del nicht mikrocephal, folglich iſt er nicht der eines Jdioten.“
Während der vielgereiſte Wallace in London in
dem Neanderthalſchädel den eines Wilden erkennt (An-
thropol. review, 1864), hat Dr. Pruner in Paris, bei
Gelegenheit eines Berichtes über die ſpäter zu erwähnenden
Differenzen zwiſchen Prof. Schaaffhauſen und Prof. Hux-
ley, in den Bulletins de la societé d'Anthropologie de Paris
1863, ſeine Anſicht dahin ausgedrückt, daß der Neanderthal-
ſchädel unzweifelhaft der eines Kelten ſei.
Einen beſonders beachtenswerthen Beitrag zur Dis-
cuſſion des vorliegenden Gegenſtandes hat, nach Prof. Hux-
ley's Verſicherung, M. Turner geliefert. Derſelbe bezeichnet
den Neanderthalſchädel als ein iſolirtes Specimen, als
einen Schädel von ſo maſſiver Form in den äußeren Or-
bitalproceſſen (Augenbraunhöckern) und anderen charakteriſti-
ſchen Eigenthümlichkeiten, daß es nicht wohl möglich ſei,
5
ein zweites Exemplar zu finden, das in ſich alle jene cha-
rakteriſtiſchen Eigenthümlichkeiten des Neanderthalſchädels
vereinige, während es bei hinreichendem Material nicht ſchwer
ſei nachzuweiſen, daß dieſe Charaktere vollſtändig paralleli-
ſirt werden bei Schädeln von manchen noch exiſtirenden wil-
den Racen nicht nur, ſondern auch bei Schädeln von mo-
dernen europäiſchen Nationen.
Die Abweichung des Neanderthaler von allen anderen
bekannten menſchlichen Schädeln hat indeß Niemand größer
und auffallender gefunden, als der engliſche Profeſſor King,
der nachgewieſen zu haben glaubt, daß dieſer Schädel nicht
bloß in ſeinen allgemeinen, ſondern auch in ſeinen beſonde-
ren Eigenſchaften die größte Aehnlichkeit mit den Affen auf-
weiſe und demgemäß, wenn nicht eine generelle, ſo doch
eine ſpecifiſche Verſchiedenheit begründe, die dem Profeſſor
King die Aufſtellung der beſonderen Species: Homo Ne-
anderthalensis — zu rechtfertigen ſcheint.
Ehe ich über die Schriften von Lyell und Huxley
referire, erwähne ich zuvor noch des jüngſten Deutungsver-
ſuchs, den der rühmlich bekannte engliſche Craniologe B.
Davis unter dem Titel: „The Neanderthal skull: its pe-
culiar conformation explained anatomically“ zur Privatver-
theilung vor Kurzem hat drucken laſſen. Was aus dieſem
anziehenden Schriftchen auszugsweiſe in meinen gegenwär-
tigen Bericht aufzunehmen iſt, dürfte ſich auf Folgendes
beſchränken.
Der Verfaſſer geht von der Anſicht aus, daß von den
deformativen Einflüſſen, wie Kinderkrankheiten, Erbübel
u. ſ. w., die man bei Beurtheilung des Gegenſtandes zu
berückſichtigen habe, keiner ſo fruchtbar in der Hervorbrin-
gung von wahrhaft ſeltſamen und bizarren Difformitäten
ſei, als die ſo genannte Synoſtoſis d. h. die frühzeitige
Verknöcherung einer oder mehrerer Nähte zwiſchen den Schä-
delknochen. Der menſchliche Schädel ſei von der erſten Le-
bensperiode an für dieſen mißbildenden Einfluß empfänglich;
es entſtehe dadurch unmittelbar ein Stillſtand in der Ent-
wickelung des Gehirns an der Stelle der Naht ſelbſt, und
im Gegenſatz eine ſtärkere Entwickelung an anderen Punkten,
wo die Nähte offen ſind und Ausdehnung geſtatten. Da
nun am Neanderthalſchädel das gleichzeitige Vorhandenſein
von völlig verwachſenen und anderen ganz offenen Nähten
unzweifelhaft und zwar in der Art vorliege, daß ſie nicht
vom Alter, ſondern von einer irregulären Entwickelung oder
einer frühzeitigen anormalen Verknöcherung herrühre, ſo
müſſe der Schädel einfach als anormale Bildung angeſehen
werden, die ihre auffallenden Formverhältniſſe der Synoſto-
ſis der Schädelbeine verdanke, bevor der Schädel ſeine volle
Entwickelung erlangt hatte. Auf die große Ausdehnung der
Stirnhöhlen und die enormen Augenbraunhöcker, die von der
Unregelmäßigkeit in der Verknöcherung der Nähte nicht affi-
cirt wurden, müſſe allerdings beſonders geachtet werden;
man könne dieſelben indeß als individuelle Eigenthümlichkeit
anſehen, die ſich, wenngleich in geringerem Grade, auch an
ganz modernen Schädeln nachweiſen laſſe. Auffallend ſei
es, daß ſo manche Beobachter in dieſen enormen Augenbraun-
höckern und in dem eingedrückten Vorderhaupte eine Hin-
neigung des Schädels zum Affentypus gefunden hätten, da
doch eine reelle Aehnlichkeit zwiſchen dem ſoliden Knochen-
kamme des Orang-Utan und den hohlen Augenbraunhöckern
keineswegs vorliege. Für das wahrſcheinlich ſehr hohe Alter
der Neanderthaler Gebeine könne in der eigenthümlichen
Form des Schädels kein Argument gefunden werden, da
ſynoſtotiſche Schädel von ähnlicher, wenn auch graduell ver-
ſchiedener und etwas modificirter Form uns auch unter mo-
5*
dernen Racen begegnen. Er müſſe daher auch der Anſicht
des Profeſſor Schaaffhauſen, daß ſich in der eigenthüm-
lichen Form des Schädels ein Racen-Charakter ausſpreche,
entgegentreten.
Jch wende mich nun zu den Schriften der beiden
engliſchen Autoren Ch. Lyell und Thom. Huxley, wo-
von die eine unter dem Titel: „The antiquity of Man“,
die andere unter dem Titel: „Man's place in Nature“ im
Jahre 1863 gleichzeitig in London erſchienen iſt, und die
beide ſeitdem in der Discuſſion des Neanderthalſchädels eine
hervorragende Bedeutung in Anſpruch nehmen. Jch erwähnte
ſchon, daß Herr Lyell das Neanderthal perſönlich in Augen-
ſchein genommen hat, zu einer Zeit jedoch, wo wegen
theilweiſen Abbruchs der Fundgrotte die urſprünglichen Be-
dingungen der Einführung ihres Lehmlagers nicht mehr
vollſtändig überſehen werden konnten. Woher Herr Lyell die
Anſicht gewonnen, daß „ohne Zweifel“ ein vollſtändiges
Skelet vorhanden geweſen ſei, kann ich dahin geſtellt ſein
laſſen, da dieſer competente Fachmann in den geologiſchen
Bedingungen des Fundortes keinen directen Beweis gegen
das diluviale Alter der menſchlichen Ueberreſte gefunden, die
Möglichkeit eines ſolchen Alters vielmehr entſchieden einge-
räumt hat. Die Bemerkungen ſeines Buches über die oſteolo-
giſchen Eigenthümlichkeiten des Fundes ſind die Ergebniſſe
eines eingehenden und ſcharfſinnigen Studiums des Gegen-
ſtandes von Herrn Profeſſor Huxley, wozu dieſer durch das
von Lyell nach England mitgebrachte Gypsmodell des Ne-
anderthalſchädels war angeregt worden.
Dieſelben Bemerkungen, durch das Studium photo-
graphiſcher Abbildungen des Originalſchädels erweitert und
in etwa modificirt hat nun Profeſſor Huxley in ſeiner
Schrift „Man's place etc.“ veröffentlicht. Neben der Ab-
handlung des Prof. Schaaffhauſen, worauf ſie im ausge-
dehnten Sinne Bezug nehmen, ſind ſie offenbar das Bedeut-
ſamſte, was überhaupt über den Neanderthalſchädel geſchrieben
worden iſt. Die abweichenden Anſichten beider Fachmänner
über gewiſſe anatomiſche Charaktere des Schädels, die vor-
ausſichtlich in dem weiteren Studium und der fortgeſetzten
Discuſſion des Gegenſtandes ihre Ausgleichung finden wer-
den, kann ich hier nicht näher berührenDer Leſer vergleiche die ausführliche Erörterung derſelben in den
„Sitzungsberichten der niederrh. Geſellſchaft“ im Jahrg. 1863
der Verhandlungen des naturh. Vereins u. ſ. w. S. 131, und
das Juliheft 1864 des Natural history review, pag. 429.; es wird genügen,
daß ich, wie oben aus der Abhandlung des Prof. Schaaff-
hauſen, auszugsweiſe die Ergebniſſe der Huxley'ſchen Un-
terſuchung in folgenden Sätzen zuſammenſtelle:
1) „Von welcher Seite wir auch den Neanderthal-
ſchädel betrachten: mögen wir ſeine verticale Abplattung, die
enorme Dicke ſeiner Augenbraunhöcker, ſein ſchräges Hinter-
haupt, oder ſeine lange und ſchmale Schuppennaht berück-
ſichtigen, — wir ſtoßen auf affenähnliche Charaktere, wodurch
er zu dem affenähnlichſten menſchlichen Schädel wird, der
bis jetzt entdeckt iſt.
2) Da indeß der Rauminhalt des Schädels auf etwa
75 Cubikzoll geſchätzt werden kann, was nach Morton der
mittleren Capacität des polyneſiſchen und Hottentottenſchä-
dels entſpricht, ſo liegt die Vermuthung nahe, daß die affen-
ähnlichen Beziehungen, die der Schädel andeutet, nicht tief
in den Organismus eingedrungen ſind.
3) Jn keiner Weiſe können (daher) die Neanderthal-
knochen als die Ueberreſte eines zwiſchen Affe und Menſch
in der Mitte ſtehenden menſchlichen Weſens angeſehen werden.
4) Der Schädel iſt ungeachtet ſeiner großen Affenähn-
lichkeit nicht ſo iſolirt, wie es anfänglich ſcheint; er bildet
vielmehr nur den äußerſten Ausdruck einer allmählig von
ihm aus zum höchſten und beſtentwickelten menſchlichen
Schädel führenden Reihe.
5) Die bis jetzt entdeckten foſſilen Ueberreſte des Men-
ſchen führen uns jener pithecoiden (Affen-) Form nicht merk-
lich näher, durch deren Modification der Menſch vermuthlich
das, was er iſt, geworden iſt.
6) Die Zeit muß es lehren, ob die Entdeckung des
„Urmenſchen“ in vielleicht noch älteren Schichten, als das
Diluvium, den Paläontologen der Zukunft vorbehalten iſt.
Wenn aber eine Theorie der progreſſiven Entwickelung in
irgend einer Form richtig iſt, ſo müſſen wir die in Bezug
auf das Alter der Menſchheit gemachte reichlichſte Schätzung
um lange Zeiträume noch verlängern.“
Die Namen ſo vieler, auf ihren wiſſenſchaftlichen Ge-
bieten ausgezeichneter Fachgelehrten des Jn- und Auslandes,
die ſich nach den vorliegenden Mittheilungen an der Dis-
cuſſion des Neanderthaler Fundes betheiligt und denſelben
geologiſch, anatomiſch und anthropologiſch zu deuten verſucht
haben, mögen wohl mehr, als jede von perſönlicher Vorliebe
ausgehende Verſicherung die Bedeutſamkeit des Gegenſtandes
und die Tragweite der wiſſenſchaftlichen Probleme verbürgen,
um die es ſich dabei handelt. Jn der überſichtlichen Dar-
ſtellung Deſſen, was von dieſen Männern bis dahin geleiſtet
worden, bin ich bemüht geweſen, mich auf Dasjenige zu be-
ſchränken, was nach meinem Ermeſſen dem allgemeineren
Verſtändniß zugänglich und andrerſeits die Grenzen nicht zu
überſchreiten ſchien, bis zu welchen den gebildeten Laien das
Jntereſſe an einer wiſſenſchaftlichen Tagesfrage zu begleiten
pflegt. Ob und in wie weit ich dabei mit dem richtigen
Maße gemeſſen habe, muß ich der geneigten Beurtheilung
meiner Zuhörer anheimſtellen. Was aber den vielgenannten
Gegenſtand meines Vortrags betrifft, ſo ſind die Verhand-
lungen darüber zwar noch nicht zur wiſſenſchaftlichen Spruch-
reife und zum völligen Austrag gelangt; das Ergebniß läßt
ſich jedoch mit Sicherheit daraus ableiten:
Daß die Gebeine, welche den Neanderthaler
Fund bilden, nach dem Urtheile der competen-
teſten Fachmänner unzweifelhaft von einem
Menſchen herrühren und, ungeachtet ihrer auf-
fallend abnormen Bildung, zu der Annahme
eines generiſch oder ſpecifiſch vom Menſchen
verſchiedenen Weſens, oder einer erloſchenen
Uebergangsform des Affen in den Menſchen
in keiner Weiſe berechtigen.
Der Nachweis der Foſſilität d. h. des diluvialen
Alters bildet die beſondere Aufgabe, die ich perſönlich in
der Angelegenheit des Fundes zu vertreten habe. Jch muß
mir daher noch folgende Schlußbemerkung erlauben.
Mit dem Namen „Foſſilien“ oder mit dem Worte
„foſſil“ bezeichnen wir nicht nur alle ſteinigen oder erdigen
Mineralkörper, die wir durch irgend eine künſtliche Opera-
tion, ſei es durch Bergbau, Steinbruch- oder Erdarbeiten,
aus ihrem natürlichen Verbande und Zuſammenhange löſen,
ſondern auch alle Reſte und Formen von organiſchen Kör-
pern, nämlich von Thieren und Pflanzen, von denen wir
vorausſetzen, daß ſie in einer der jetzigen Epoche der Erd-
bildung vorangehenden Zeit, alſo ſpäteſtens in der ſog. Di-
luvialperiode durch natürliche Vorgänge an ihren Fundort
gebracht wurden, wo ſie von Mineralſubſtanzen eingeſchloſſen
wohl ihre Form bewahrt, durch chemiſche Zerſetzung aber ſich
ſubſtanziell mehr oder weniger in Mineralkörper umgewan-
delt d. h. verſteinert haben. Nachdem ich nun dargethan
habe, daß die Neanderthaler Gebeine nur durch eine vorwelt-
liche Fluth in ihre Fundgrotte gelangt und eingeſchlemmt ſein
können, aus der ſie im Zuſtande ſubſtanzieller Veränderung
zu Tage gefördert wurden, kann auch ihre Foſſilität fortan
nicht mehr bezweifelt werden.
Mein perſönliches Verhältniß zu dem Gegenſtande
meiner Mittheilungen wird mich verpflichten, dieſelben in
weitere Kreiſe gelangen zu laſſen, wie ich darin denn auch
die Verpflichtung zu erkennen glaubte, daß ich über den
gegenwärtigen Stand einer intereſſanten Controverſe, die
von hier aus angeregt wurde, zunächſt in den engeren Krei-
ſen des hieſigen Publicums Rechenſchaft abzulegen hätte.