Thermometer gar 20° und 20°,4. Die Ursachen der son-
derbaren Erkältung an dem Vorgebirge zwischen Leba und
Rixhofter sind nicht Strömungen, bemerkbare auf der Ober-
fläche, nicht Untiefen. Der zunehmenden nördlichen Breite
ist auch die Erscheinung nicht zuzuschreiben, da man von
dem Vorgebirge bei Pillau an meist in demselben Pa-
rallelkreise gegen Osten und doch in wärmerem Wasser
schifft. Die Ursache liegt vielleicht fern, jenseits des
Sundes und in Bewegungen unterer Wasserschichten in
obliquer Richtung nach oben, wie Erkältungen in dem
Luftmeere oft ähnlichen herabkommenden Strömungen zu-
gehören. Da nach Horner's Beobachtungen, im Ocean,
unter mittleren Breiten, 100 Faden Tiefe kaum eine Er-
kältung von 7°,7 hervorbringen, so wird man wenig ge-
neigt, das fragliche Phänomen Local-Ursachen im Bek-
ken der Ostsee (die nur 15 bis 40 Faden tief ist) zu-
zuschreiben. Das Eindringen von Polarwassern, in tie-
fen Wasserschichten des Sundes, bietet sich als mögliche
Ursache dar; doch auch die langsame Fortpflanzung der
Wärme nach unten muß, bei der diesjährigen hohen Som-
mer-Temperatur, beachtet werden. Im Genfer See hat
man, wenn die Oberfläche 21°,2 war, schon in 150 Fuß
Tiefe 15° Unterschied gefunden, im See von Annecy
bei 14°,4 Oberfläche 8°,8 Unterschied (Pouillet, Elem.
de Phys. et de Meteorologia, T. II p. 676). Man sieht
aus den angegebenen Zahlen, wie das Maaß der Tem-
peraturabnahme von verwickeltern Ursachen abhängt, wie
die Abnahme in ruhigen Wasserschichten schneller, bei
tief bewegteren langsamer ist, wenn nicht etwa Strömun-
gen von fern her kälteres Wasser herbeiführen oder gar
schief aufsteigen gegen die Ueberfläche.
Das beträchtliche Areal der Ostsee und ihre Er-
streckung nach Norden üben einen großen Einfluß auf
Poggendorff's Annal. Bd. XXXIII. 15
die Temperaturverhältnisse des nördlichen Deutschlands
aus, und geben einem Becken, einer Erdsenkung, Wich-
tigkeit, die man ausgetrocknet, bei ihrer geringen Tiefe,
kaum bemerken würde. Rennell sagt mit Recht in sei-
nem noch so wenig benutzten trefflichen Werke: Inve-
stigation of the Currents of the Atlantic Ocean, 1832,
p. 25, daß eingeschlossene Meere eine höhere Tempera-
tur als unter gleichen Umständen der freie Ocean anneh-
men. Capitain Gautier, dem wir gleichzeitig mit Smyth
die schöne Aufnahme des Mittelmeeres verdanken, fand
den 3. August 1819 und 24. Juni 1820 die Oberfläche
des Mittelmeers (Lat 38° 46′ bis 39° 12′) zwischen 29°
und 29°½, das ist 3° mehr als die mittlere Temperatur
des Antillischen Meeres (Relat. hist. T. III Chap. 29
p. 518), und nur 1° weniger als je mit wohl vergliche-
nen Thermometern nahe am Aequator das Meer befun-
den worden ist. (Sur la bande d'eau la plus chaude
l. c. Chap. 28 p. 498). Sie werden in meinen oben an-
geführten Beobachtungen bemerkt haben, wie mächtig die
hohe Sommertemperatur der Atmosphäre dieses Jahres
auf die Sommertemperatur der Ostsee gewirkt hat. Ich fand
auf offnem Meere in der Ostsee bei hohem Wellenschlage
(nicht bei Windstille) 22°,2, unfern Swinemünde selbst
23°,2. Als Temperatur des August- und September-Mo-
nats giebt Rennell (in seinem Atlas der Strömungen)
für das Mittelmeer zwischen den Küsten von Oran, Gre-
nada und Murcia 22° und 23°,8 als die gewöhnlichen
Maxima des Jahres an, und welch ein Unterschied der
umgebenden Feste! Die gewöhnliche Ostseetemperatur
im freien und tiefen Meere soll im August 15° bis 17°,5
(also 6° weniger als im August 1834) seyn, während
man dann, im (engeren) Sunde, bei Kopenhagen 22°
bis 23°,7, und am Kattegat (unter Einwirkung des At-
lantischen Oceans) kaum 16°,2 beobachtet. (Berghaus,
Annal. Bd. IV S. 142.) In Danzig ist die mittlere Wärme
des ganzen Sommers 16°,9, in Königsberg 15°,8, und
zwar nach 18 und 21 Jahren vortrefflicher Beobachtun-
gen. Für Danzig finde ich die mittlere Lufttemperatur
des Augusts in den letzten 6 Jahren 16°,7. Ist dieß un-
gefähr auch, wie sehr wahrscheinlich, das Medium Maxi-
mum der Ostsee, das heißt die Temperatur der Ober-
fläche des Meeres am Ende des August-Monats, wo das
Maximum des Jahres eintritt, so erkennt man in dieser
Zahl wieder den Einfluß der Beschränktheit eines fast
mittelländischen Beckens. Da die Wintertemperatur der
Ostsee zwischen 1°,7 und 2°,5 fällt, so ist wohl die mitt-
lere Temperatur des Jahres in diesem Meere, zwischen
54° und 54°½ Breite, nicht unter 9° (des hunderttheili-
gen Thermometers). Auch der scharfsinnige Kämtz fin-
det für den Atlantischen Ocean, bei 54° Breite, durch
Rechnung 9°,4, durch wirkliche Beobachtungen 10°,5.
Für den Atlantischen Ocean nun ist der Unterschied zwi-
schen der mittleren jährlichen Temperatur des Wassers
und der Augusttemperatur (in der temperirten nördlichen
Zone) etwas über 3°. (Kämtz, Lehrbuch der Meteo-
rologie, Bd. II S. 115. 118.) In der Ostsee scheint die-
ser Unterschied 16°,7−9°,2=7°,5 zu seyn. Im Mittel-
ländischen Meere giebt Rennell für die Süd-Spanischen
Küsten 23°½ und 24° für Ende August und Anfang Sep-
tember an. Das sind wieder 8° mehr als die mittlere
jährliche Temperatur des Meeres in dieser Breite, denn
Neapel hat eine Lufttemperatur im Winter von 10°,3.
im ganzen Jahre von 16°,8 (Breite 40°51′); Palermo
hat, bei 38°6′ Breite, Wintertemperatur 11°,3; jährliche
Temperatur 17°,4. Die eingeschlossenen Meere nehmen
im Sommer an der Oberfläche eine weit höhere, im Win-
ter eine weit niedere Temperatur an als das Weltmeer,
und in höheren Breiten, z. B. in der Ostsee, welche noch
fern von den Küsten gefriert, wächst die relative Erniedri-
gung der Wintertemperatur.
Im September 1834.