Erſter Auftritt.
Rudolph. Matthes.
(Rudolph, die Jagdtaſche um, ſtellt ſein Gewehr an die Seite,
und geht in ein Seitenzimmer linker Hand. Darauf Matthes
– gekleidet, friſirt, aber eine weiſſe Nachtmuͤze auf.)
Matthes.
(traͤge, mit langſamen Gang, die Haͤnde in den Taſchen.)
Rudolph — Rudolph! der Kerl iſt taub. He Ru-
dolph! —
Rudolph. (inwendig.) Was giebts?
Matthes. Ich will Dir was ſagen.
Rudolph. (im Gewehrpuzen herauskommend.) Ich
habe keine Zeit — der Alte iſt graͤmlich, daß wir noch
nicht fort ſind. — Da — halt einmal, ich will —
Matthes. Eure Gewehre? Ich bin ein ſchlechter
Kerl, wenn ich eins anruͤhre!
Rudolph. Hoho! das wird Dir der Alte ſchon weiſen.
Matthes. Mit dem Weiſen hat es ſich wohl. Meine
Zeit iſt um. — Heute Mittag trag ich die Amtslivree.
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Rudolph. Du? — Ziehſt zum Amtmann?
Matthes. Ja.
Rudolph. Haſt Du doch nicht eher geruht, bis
Du den ehrlichen alten Friz dort weggelogen haſt?
Was will der Alte nun anfangen? der muß betteln
mit Weib und Kindern!
Matthes. Hm — Iſt mir der junge Herr vom Amte
doch recht nachgelaufen.
Rudolph. Zum Amtmann? — zu dem? — — —
Pfui! das ſieht Dir aͤhnlich.
Matthes. Haͤngt das Maul, ſo tief Ihr wollt —
Hier kann ich es nicht aushalten.
Rudolph. Weil es hier arbeitſam, ehrlich und ſtill
zugeht?
Matthes. Sapperment! — mein Vater war hier
Oberfoͤrſter; in den Stuben hier bin ich groß gezogen —
nun ſoll ich gemeiner Jaͤger bei Euch ſein! Meint ihr —
Rudolph. Haͤtteſt Du was gelernt — wer weiß —
ſo wohnteſt Du wohl jezt hier.
Matthes. Nun, nun — es iſt nicht aller Tage
Abend — Ich kann noch — wer weiß? Was ſein ſoll,
ſchickt ſich wohl. Aber was ich ſagen wollte — — —
Ich hoͤre ja, die Jungfer Baſe vom jungen Herrn Foͤrſter,
Mamſell Friederikchen, koͤmmt heute aus der Stadt wieder.
Rudolph. Nun und wenn?
Matthes. Da wird es ein Aufhebens geben, wenn
der Tugendſpiegel wieder da iſt. Sie iſt zwar die Herz-
allerliebſte vom Herrn Foͤrſter — aber —
Rudolph. Ei laß mich ungeſchoren. Schickſt Dich
brav zum Amtslakaien; kannſt ſpioniren, laͤſtern, ſaufen
und Dir Geld in die Hand druͤcken laſſen — Mir iſts
recht, daß es mit der Kammeradſchaft ein Ende hat. —
Ich habe zu thun — leb' Er wohl. — Hoͤr' Er — das
muß ich Ihm noch ſagen — nehm Er's krumm oder
grade — ich halte nichts auf den Kerl, dem der ſchlichte
gruͤne Rock, in Ehren, nicht lieber iſt, als der beblechte
Rock vom Amte, in Unehren.
(ab in das Seitenzimmer.)
Matthes. (in die Thuͤr ihm nachrufend.) Empfehle
mich, Herr Geheimerath! (im Umdrehen.) Dir brech
ich auch noch einmal den Hals, Kanaille!
Zweiter Auftritt.
Matthes. Anton.
Anton. (kurz.) Wo iſt Rudolph?
Matthes. Da drinn. (Anton will hinein.) Mich
laſſen ſie wieder zu Hauſe?
Anton. Was ſoll man mit Euch? Man kann Euch
ja zu nichts brauchen; Ihr verſteht keine Faͤhrt.
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Matthes. Schon Recht. — Herr Foͤrſter!
Anton. Was giebts?
Matthes. Heute zieh ich ab.
Anton. Mir recht.
Matthes. Glaubs wohl! Ich ziehe aufs Amt.
Anton. Hm — meintwegen.
Matthes. Empfehle mich zu geneigtem Andenken.
(geht.)
Anton. (ins Seitenzimmer abgehend.) Schon gut.
Matthes. Wart, geſtrenger Herr Foͤrſter — und Ober-
foͤrſter Adjunctus in Gedanken — ich will es Dir noch
beſſer muͤnzen. (ſieht in das Zimmer, indem er die Muͤze ab-
nimmt.) — Herr Foͤrſter — (mit einer Verbeugung,
freundlich.) — Herr Foͤrſter, noch auf ein Wort.
Anton. Schleicht der Kerl den Leuten immer nach,
wie ein Zollviſitator! Was ſoll werden?
Matthes. Koͤmmt denn das Wunderthier heute
noch an?
Anton. Was fuͤr ein Wunderthier?
Matthes. Die Stadtmamſell.
Anton. Wen meint Ihr?
Matthes. Je nun — Ihre Jungfer Friedrike.
Anton. (gibt ihm eine Ohrfeige.) Burſche, ſpreche er
den Namen mit Reſpekt aus!
Matthes. (ohne die Manier geaͤndert zu haben.) Nun
nun, nur ſachte! Wuͤßten Sie, was ich weiß! —
Sie haͤtten mir die Ohrfeige nicht gegeben. (Will fort.)
Anton. (reißt ihn zuruͤck.) Was wißt Ihr? Von
wem? was?
Matthes. Ich habe Ihre Ohrfeige — aber auch
meine Nachricht, (geſchwind.) und damit gehn Sie
Ihrer Wege, ich meiner.
Anton. Kerl, ich pruͤgle Euch, daß Ihr liegen bleibt,
wenn Ihr nicht ſprecht!
Matthes. Wenn ich nicht ſprechen will, ſo thu ich
es nicht, und wenn ich todt geſchlagen wuͤrde. (kalt.)
Und nun bleibe ich da und ſpreche nicht.
Anton. Das will ich ſehen. (ſucht nach einem Stock,
findet das Gewehr und reißt den Ladeſtock heraus.) Und wenn
das ganze Haus wach wuͤrde — was wißt Ihr? — —
Ich habe das Maͤdchen lieb; es iſt meine Baſe; ich will
ſie heiraten. Was wißt Ihr? (packt ihn an der Bruſt.)
Lahm pruͤgle ich Euch — was wißt ihr?
Matthes. (ohne von der Stelle geruͤckt zu ſeyn, haͤlt mit
einer Hand die Hand des Foͤrſters, mit der andern den aufge-
hobnen Ladeſtock.) Hoͤren Sie mich doch!
Anton. Nichts, kein Wort — was wißt Ihr?
Matthes. Pruͤglen Sie mich hernach; aber hoͤren Sie
mich erſt!
Anton. (laͤßt den Stock ſinken.) Hurtig.
Matthes. Sie wollen mich pruͤglen — aber ich leide es
nicht, ich ſezze mich zur Wehre. — Sie pruͤglen mich —
ich ſchlage Ihnen ins Geſicht — Sie treten mich mit
Fuͤßen, ich jage Ihnen den Hirſchfaͤnger durch den Leib.
Dabei kommt nichts heraus. Ich brauchte Ihnen nichts
zu ſagen; weil Sie aber das Maͤdchen heiraten wollen, mag
es drum ſein! — Hier — ſind zwei Stuͤck Papier.
Anton. (darnach faſſend.) Was ſollen die?
Matthes. Geduld. Die fand ich auf dem Amte,
vor der Stube des jungen Herrn, im Kehricht.
Anton. Gebt her.
Matthes. Geduld — Das hier — iſt ein Konzept —
verſtehen Sie mich — der rechte Brief an Jungfer
Friedriken naͤmlich iſt fortgeſchickt. — Da.
Anton. (lieſt; er zeigt Unruhe.) Hat Friedrike geant-
wortet?
Matthes. (lacht.) Nun — ſie iſt ein Maͤdchen —
Anton. Hat ſie geantwortet?
Matthes. Nicht geantwortet, alſo eingewilligt und
koͤmmt —
Anton. Matthes —
Matthes. Er iſt ihr in dem neuen Wagen mit den
Fuͤchſen entgegen gefahren —
Anton. Wenn ſie geantwortet hat —
Matthes. Er iſt ſo recht darnach angezogen. Den
ſeegruͤnen Frack — offnes Haar —
Anton. Matthes — ich weiß, Ihr koͤnnt mich nicht
ausſtehen, Ihr luͤgt oft — aber ich will es Euch vergeben,
wenn Ihrs geſteht. Ihr habt meine Engliſchen Sporn
gern haben wollen: Ihr ſollt ſie haben — gleich haben
— wenn Ihr es mir ſagt.
Matthes. (auf ſeine Schnallen ſehend.) Hm — ich
habe Schnallen.
Anton. Da iſt Geld.
Matthes. „Der Bube kann nichts verſchenken,“
ſagt der Herr Oberfoͤrſter.
Anton. (den Brief anſehend.) Schurke! — es iſt
Alles erlogen.
Matthes. Er reiſt ihr oben entgegen.
Anton. Kerl! Nein! ſie hat nicht eingewilligt!
Matthes. Sie ſind aͤrgerlich. Ja, wer laͤßt ſich
auch gern betriegen! In Heirathsſachen iſt das ſo, ſo —
Aber hohls dieſer und iener! Sie muͤſſen ihr auch was
zu Gute halten — es iſt ein junges, einfaͤltiges Ding.
Anton. Kerl, Du biſt ein Schurke und ſie hat nicht
eingewilligt.
Matthes. Sie hat. — Mit dem Schurken waͤhrt
es uͤbrigens nur noch 3 Stunden — Schlag 9 Uhr kann
ich darauf dienen. (ab.)
Dritter Auftritt.
Anton. Hernach Rudolph.
Anton. Es iſt nicht moͤglich — nein, warlich nicht.
Matthes war immer ein ſchlechter Kerl — Die Hand?
die Hand iſt es freilich — daß er ihr immer nachſchlich,
iſt auch wahr. Dazu bin ich ſchlichtweg — habe wenig. —
Sie war in der Stadt, hat ſeitdem das praͤchtige Leben
kennen gelernt — Der Kerl iſt reich und — Maͤdchen,
Maͤdchen! wenn Du mich betruͤgſt —
Rudolph. (mit Antons Gewehr.) Da. Der Garten
iſt nicht offen, wir muͤſſen durchs Dorf gehen. — Pul-
ver haben Sie, glaube ich, noch.
Anton. (im Auf- und Niedergehen.) Genug.
Rudolph. Aber keine Kugeln? — Da, hier ſind
welche.
Anton. Her damit! Gut ſo. — Zwar — — — nein.
Nimm die Kugeln wieder. — Hier. Gieb mir Schroot.
Rudolph. Nr. 1?
Anton. Nr. 3.
Rudolph. Nr. 3? Und groß Wildpret?
Anton. (reißt es ihm aus der Hand und ladet.) Her!
Komm mir in den Weg, Spizbube! Komm mir in den
Weg! — ich will Dir Antwort bringen, daß Dir Hoͤren
und Sehen vergehen ſoll.
Rudolph. Es liegt Ihnen was im Kopfe — mein' ich.
Anton. (ladet fort.) Halts Maul.
Rudolph. Leicht gerathen und bald gethan. Vorwiz
plagt mich nicht — aber ich habe Ihrentwegen manches
Ungewitter von dem alten Herrn auf mich genommen,
werde es wohl auch ferner noch; darum denke ich —
Anton. Rudolph — der Schuß hier — der iſt fuͤr den
Amtmannsbuben.
Rudolph. Aber —
Anton. Geh, wohin Du willſt — ſchieß, was Du
willſt — ich geh auf die Straße nach Waldau. Komm!
Rudolph. Nicht von der Stelle, bis ich weiß, was
Sie gegen den Kerl haben.
Anton. Der Junge, der Bube! hat wieder an
Friedriken geſchrieben — einen Liebesbrief, eine
Schandbeſtellung!
„Liebes Friedrikchen! Sie werden nun dem Vor-
„ſchlage meiner Eltern nachgedacht und fuͤr mich
„entſchieden haben. Meine Perſon duͤrfte leicht ſo
„viel Intreſſe einfloͤßen, wie der abgeſchmackte
„Jaͤgersburſche, der bei allen Dirnen zu finden iſt.
„Koͤmmt hierauf keine Antwort: ſo ſehe ich mei-
„nen alten Vorſchlag als von Ihnen eingewilligt
„an, und reiſe Ihnen morgen fruͤh nach Wal-
„dau heimlich entgegen. In jedem Fall wird die-
„ſes Rendezvous eine gluͤckliche Stunde gewaͤhren
„Ihrem ewig treuen — Peter von Zeck.“
Und ſie hat nicht geantwortet, und er reiſet ihr jezt ent-
gegen — und — und — — Lahm ſchieße ich den Hund,
wo ich ihn finde!
Rudolph. Wer gab Ihnen denn das?
Anton. Matthes.
Rudolph. Matthes? Nun ja, —
Anton. O, ſieh, es iſt die Hand.
Rudolph. Der Kerl iſt ein Schurke.
Anton. Aber der Bube reiſt ihr jezt entgegen, und
die Hand iſt es doch beim Teufel!
Rudolph. Kann Alles ſein. — Wiſſen Sie doch,
wie Sie mit Friedriken ſtehen.
Anton. Ei, was! Die Maͤdchen ſind eitel und
falſch. Sie ſchwoͤren und liebaͤugeln und winſeln und
puzzen ſich, Jedem zu gefallen. Mag ein ehrlicher Kerl
drauf gehen oder nicht, was kuͤmmert ſie das?
Rudolph. Pfui! Friedrike iſt —
Anton. Rudolph — Eine betruͤgt weniger; aber ſie
betruͤgen alle. Geh hin — ſchieß ihrem Liebhaber vor
den Kopf — ſie wird ſchmaͤlen. Aber, wirf ihr den
Spiegel herunter, verbrenn ihren Puz; ſie wird ſich
die Haare ausraufen. (haͤngt die Jagdtaſche um.) Ich
habe ſie ſo lieb — Ach Rudolph, ich habe ſie ſo lieb!
Rudolph. Und werden ſie brav finden.
Anton. Wenn ſie es nicht iſt — ſieh, des Lebens
hier bin ich ſatt. Mein Vater behandelt mich wie einen
Jungen — ich habe ausgehalten ihr zu Liebe. — Be-
triegt ſie mich — ſo gehe ich fort, werde Soldat — und
giebts keinen Krieg, ſo mache ich einen dummen
Streich. Dann jagen ſie mir eine Kugel durch den
Kopf, und es iſt aus. Komm! — (will ab.)
Vierter Auftritt.
Vorige. Die Oberfoͤrſterinn,
(mit einer Lampe.)
Oberfoͤrſterin. JJa, ſchoͤnen guten Morgen, Anton
— ſchoͤnen guten Morgen.
Anton. Danke, liebe Mutter, danke.
Obfſtn. Ausgeſchlafen, Anton? Ausgeſchlafen? —
Ihr geht heute wieder fruͤh aus. Das iſt ein Leben!
— Keine Ruh und keine Raſt.
B
Anton. Je nun, was will das ſagen? Adieu.
Oberfoͤrſterin. Warte doch noch — warte. (Er geht
nach der Thuͤr.) Ei, ich wills haben, Du ſollſt warten.
(Anton kommt.) Iſt das nicht ein Wetter! I, Du mein
lieber Himmel!
Anton. Wird ſchon hell werden. Adieu, Mutter!
Es wird wahrhaftig zu ſpaͤt.
Obfſtn. Nur einen Augenblick. „Hell werden?“ —
Rudolph, treibe, daß der Kaffee koͤmmt — (Rud. ab.)
„Hell werden“ ſagſt Du? der Mond hatte geſtern
Abend einen Hof, Anton. Er war nicht ſo viel hell,
als ein Speziesthaler groß iſt; dann wird es all' mein
Tage den andern Tag kein helles Wetter.
Rudolph. Hier bringe ich den Kaffee ſchon, Madam.
Obfſtn. Gut, gut. Nun Anton — (ſchenkt ein.)
Geſchwind trink ein Schaͤlchen, Anton.
Anton. Ich kann nicht. Ach Gott, es iſt mir ohne-
hin heiß genug.
Obfſtn. Was heiß? Es iſt rauhes Wetter. Der
Kaffee waͤrmt den ganzen Menſchen — trink nur!
(ſie zwingt ihm eine Schale auf.) Haſt Du auch die Bruſt
gut verwahrt, Anton? (ſie knoͤpft ihm, indeß er trinkt,
die Weſte bis an den Hals zu, die Flinte liegt ihm im Arme,
er hat den Hut auf.) Ei, ſo laß doch die Knoͤpfe zu,
Anton! Was das fuͤr eine alberne Mode iſt! Da wird
der Magen verkaͤltet, die Geſundheit nicht konſervirt,
und das junge Volk ſtirbt hin. Die Bruſt verwahrt,
die Bruſt verwahrt! das war eine goldne Regel bei uns
Alten! — nun trinkſt Du noch eine.
Anton. (mit dringender Eil.) Mutter, ich muß wahr-
haftig fort.
Oberfoͤrſterin. Nun ſo geh. Hoͤre — wenn Riekchen
nur ein Paar Tage da iſt; ſo ſoll ſie Dir ein Leibchen
naͤhen. Da, nimm das Tuch, halt den Hals huͤbſch
warm — hoͤrſt Du?
Fuͤnfter Auftritt.
Vorige. Oberfoͤrſter. Hernach Matthes.
Oberfoͤrſter. Noch hier? — Plagt Dich denn —
Anton. Eben wollte ich — (will gehen.)
Obfſtr. Bleib! — Matthes!
Matthes. (kommt.)
Obfſtr. Seine Nachtmuͤze. (Matthes ab.)Wieder
ins Bette. Ich will fort.
Anton. Ich war ſchon auf dem Wege, aber die Mut-
ter —
Oberfoͤrſterin. Ich — — hatte ihm was zu ſagen.
Ich habe es ihm befohlen, er ſollte dableiben.
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Oberfoͤrſter. Das iſt ein ander Ding. (zu Anton.)
So muſteſt Du dableiben. (zu Matthes.) Geht Eurer
Wege! (zur Oberfſtn.) Faß Dich ein andermal kuͤrzer.
Anton. Adieu, Vater.
Obfſtr. Aufgepaßt — nicht eingekehrt — Fix! um
zehn Uhr wieder hier. Allons, marſch! (Ant. u. Rud. ab.)
Obfſtn. Ruf ihm doch nach, ſag ihm, daß er von
der Sau wegbleibt. Chriſtian iſt erſt geſtern geſchlagen,
und —
Obfſtr. Wenn Du ſie anlaufen laſſen willſt: ſo
kann er zu Hauſe bleiben.
Obfſtn. (mit gutmuͤthigem Auffahren.) Ei was! ich
muß Dir meine Meinung einmal kurz weg ſagen.
Obfſtr. Hahaha! das kannſt Du nicht.
Obfſtn. Was? Was kann ich nicht?
Obfſtr. Kurz weg ſprechen.
Obfſtn. Nun, ſo will ich gar kein Wort ſprechen.
(geht an den Kaffeetiſch, ſchenkt ein und murmelt dazu.)
Man moͤchte erſticken!
Obfſtr. Wenn Du beim Nachtwaͤchter anfaͤngſt; ſo
hoͤrſt Du beim tuͤrkiſchen Kaiſer auf.
Obfſtn. Aus dem ewigen Bellen und Laͤrmen koͤmmt
nichts heraus. Der Junge iſt ſo uͤbel nicht.
Obfſtr. Richtig. Darum ſoll er noch beſſer werden.
Oberfoͤrſterin. Hm — ein Menſch iſt kein Engel,
und Anton —
Oberfoͤrſter. Nun — hat auch noch zu laufen bis dahin.
Obfſtn. Das verwuͤnſchte Auffahren — das!
Obfſtr. Bilde Dir nicht ein, daß Du ihn lieber haͤt-
teſt, als ich. Der Junge iſt wild, wie der Teufel.
Wenn ich gut waͤre, wie eine Schlafmuͤze; ich glaube,
er ſteckte uns das Haus uͤber dem Kopf an. — He — —
Matthes!
Matthes. Herr Oberfoͤrſter?
Obfſtr. Mein Morgenbrod! (Matthes ab.)
Obfſtn. Hoͤre einmal — wie ſteht es denn mit Mam-
ſell Kordelchen vom Amte?
Obfſtr. Iſt ſie krank? Frag den Doktor.
Obfſtn. Nicht doch. Ich meine — hm — wunder-
lich — ich meine —
Obfſtr. Was?
Obfſtn. Wenn mein Anton Mamſell Kordelchen
heiratete. (Matthes bringt ein Glas Waſſer und Brod,
nebſt einem Meſſer.)
Obfſtr. (mit bedeutend verdrießlichem Blick.) Darauf
weiß ich Dir nicht zu antworten. — Matthes — iſt dem
Schulzen ſein Bauholz angewieſen?
Matthes. Ja.
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Oberfoͤrſter. Um welche Zeit?
Matthes. Geſtern Abend um vier Uhr.
Obfſtr. Es iſt gut. Ihr habt mich zeither oft be-
logen; wenn dies wieder nicht wahr iſt, ſo ſchicke ich
Euch fort. Eure Zeit iſt ohnedieß heute ganz um.
Matthes. Herr Oberfoͤrſter — ich nehme es an
und ziehe gleich ab.
Obfſtr. So? — Nun — — wenn Ihr wollt, ich
kann ſchon wollen. — Da iſt Euer Geld.
Matthes. Empfehle mich. (ab.)
Obfſtr. Gute Beſſerung. Ich bin froh, daß ich den
Menſchen los bin — es iſt ein boͤſer Bube.
Obfſtn. (die, als Matthes kam, wieder an ihren Kaffee-
tiſch gegangen war.) Gift und Galle muß man trinken!
Obfſtr. Was?
Obfſtn. Ich ſage kein Wort, — kein Sterbenswort.
Aber — aber — es druͤckt mir das Herz ab, wenn ich
ſo ſehen muß, daß —
Obfſtr. Es iſt kein Auskommen mit der Frau. —
Nun — ich will es einmal aushalten. Sprich — ſag
Alles, was Du weißt; aber Alles! denn ſo bald
kriegſt Du mich nicht wieder.
Obfſtn. Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer
muß ich Unrecht haben. Dieß haͤtte ich ſo machen koͤn-
nen, das wieder anders. Hier habe ich geſuͤndigt; dort
habe ich einen Bock geſchoſſen. Bald haͤtte ich reden,
bald ſchweigen ſollen. Wenn ich den Mund aufthue,
habe ich Unrecht. Was ich rede, iſt einfaͤltig. Ei,
wozu hat man den Mund, als zum Reden!
Oberfoͤrſterin. Nun, mein Kind — hahaha — dazu
brauchſt Du ihn auch.
Oberfoͤrſterin. Ich? Wer — ich? Wenn laͤßt Du
mich denn wol zum Worte kommen? Wo darf ich meine
Meinung ſagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß
ich zuerſt von der Heirath geſprochen habe — da ging das
Ungluͤck los. Nun — ich habe geſchwiegen — geſchwie-
gen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amt-
mann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber, ſo wie
ich nur den Mund aufthat — ward ich ja angelaſſen!
Jezt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder
angefangen: „Mamſell Kordelchen haͤtte meinen An-
„ton gar zu gern.“ Nun — denke ich, Ehen werden
im Himmel geſchloſſen — und wenn es Gottes Wille
iſt, daß mein Anton Mamſell Kordelchen heiraten ſoll;
ſo werden wir nichts dazu und nichts davon thun koͤn-
nen. Ich habe es geſagt. — Du biſt Vater, wie ich
Mutter. — Thu nun, was Du willſt — ich ſage kein
Wort mehr!
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Oberfoͤrſter. Biſt Du fertig?
Oberfoͤrſterin. Ja.
Obfſtr. Nun ſprich nicht eher wieder, bis ich Dich
frage.
Obfſtn. O ich will nichts — gar kein Wort will ich
ſagen.
Obfſtr. Noch beſſer. Das Amt hat Dir alſo die
Heirath recht nahe gelegt?
Obfſtn. Ja. Nahe — ganz nahe.
Obfſtr. Nun, eben darum liegt mir die Sache weit,
weit — ganz weit.
Obfſtn. Nun da haben wirs! Warum denn? Sag,
warum?
Obfſtr. Sieh, mein Kind, was man ſo unter dem
Preiſe weggiebt, pflegt kein gangbarer Artikel mehr zu
ſein.
Obfſtn. Was? — Mamſell Kordelchen —
Obfſtr. Kurz, iſt ein alter Ladenhuͤter.
Obfſtn. Wollte nicht der — hm — der — was war
er — unter den Kuͤraßierern — — und hernach der Ober-
bereiter von — von Dings da! Wollten die ſie nicht alle
beide heiraten?
Obfſtr. Sie haben es gewollt, als ſie auf dem Amt-
hof logirten. Du lieber Himmel! was wollen ſolche
Herren nicht, wenn ſie freie Tafel ſpuͤren! Hernach ſind
ſie weggeritten und haben es vergeſſen. Kurz — es
geht ihr mit ihren Liebhabern, wie uns mit unſerm
Roͤhrwaſſer — ſie bleiben aus. Zum Nothbedarf iſt
mein Sohn uͤberall zu gut. Zum Nothbedarf fuͤr eine
Gaunersfamilie nun vollends.
Oberfoͤrſterin. Gott bewahre! was das fuͤr Reden ſind!
Oberfoͤrſter. Verplaudre ich da wieder meinen Mor-
gen mit Dir. — Es iſt uͤberhaupt noch zu fruͤh fuͤr ihn
— der Junge ſoll gar noch nicht heiraten. Punctum.
Obfſtn. Und die ſchoͤne Doppelmariage, die das gege-
ben haͤtte, wenn Monſ. Zeck Riekchen geheiratet haͤtte!
Obfſtr. Iſt das nicht ein Kreuz mit den Weibern!
Sind ſie iung — ſo laſſen ſie ſich freien; und iſt
die Rechnung geſchloſſen, ſo haben ſie die Wuth, andre
zu verfreien. Nun nun — nur nicht boͤſe! Du biſt ſonſt
ein kreuzbraves Weib, fromm — redlich — — wie ich
ſage, kreuzbrav — bis auf den alten Weiberverſtand
und die Liebe zu den harten Thalern — kreuzbrav!
Obfſtn. Die harten Thaler? Ja wenn ich nicht ge-
weſen waͤre! Bei Dir wuͤrde es ja heiſſen:
„Alles verzehrt vor ſeinem End,
„Macht ein — —
Obfſtr. „Macht ein richtiges Teſtament.
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Oberfoͤrſterin. Aber zum guten Gluͤck habe ich meine
Paar tauſend —
Obfſtr. Thaler zuſammengeſpart. — Ich bitte Dich,
ſchweig von dem Geldkapittel, ſonſt —
Obfſtn. Ich ſollte nur nicht ſo Acht —
Obfſtr. Hoͤre ich will —
Obfſtn. Wenn Du nur gekonnt haͤtteſt, wie Du —
Obfſtr. So hoͤre doch!
Obfſtrn. Was?
Obfſtr. Wie viel willſt Du haben? Ich kaufe Dir
das ab, was Du noch haſt ſprechen wollen! Ja?
Siebenter Auftritt.
Vorige. Ohne Oberfoͤrſterin.
Obfſtr. Nun! Was Neues, Herr Schulz?
Schulz. Hm! Neues genug; aber — leider Gottes
nichts Gutes!
Obfſtr. Wie ſo? Was iſt —
Schulz. Was wirds ſein? die alte Leier. — Unſer
Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut uͤber
die Ohren.
Obfſtr. Was ſolls geben?
Schulz. Nun — „die Gemeinde haͤtte ſo ſtarke
„Ausgaben — es ginge dies Jahr ſo viel auf“ —
Das muß nun freilich der Herr Amtmann am beſten
wiſſen, denn er hat die Kaſſe „Damit er nun
„dem allen vorſtehen koͤnnte: ſo ſollte aus dem
„Gemeindewald fuͤr tauſend Thaler Holz gehauen
„werden.“
Oberfoͤrſter. Es iſt nicht moͤglich!
Schulz. Was ich Ihnen ſage.
Obfſtr. Fuͤr tauſend Thaler?
Schulz. Je nun — es giebt einen lackirten Wagen.
Obfſtr. Je, da ſoll ja den Amtmann das — — —
Nun, nun — ich muß doch auch mit dabei ſein, muß
doch ſo ein kleines Woͤrtchen mit dazu ſprechen.
Schulz. Sie ſind brav. Gott vergelt's Ihnen, was
Sie ſchon an uns gethan haben! Aber hierin koͤnnen
Sie uns nicht helfen. Es geſchieht gewiß, was der
Amtmann will.
Obfſtr. Nichts. Ich mache meine Vorſtellung da-
gegen. Der ganze Wald wuͤrde ja verdorben! — Es
iſt nicht moͤglich! Weiß Er was? — Ich gehe ſelbſt in
die Stadt — ich uͤbergebe die Vorſtellung den Herren
ſelbſt.
Schulz. In die Stadt? Herr Oberfoͤrſter — Nein!
Obfſtr. Warum nicht?
Schulz. Sehen Sie, wenn wir in der Stadt kla-
gen, ſo meint der Herr dies, der andre das. Endlich
wird einer ausgeſucht, der ſoll nun daruͤber ſprechen.
Der Eine? — Gott bewahre uns in Gnaden! der rei-
ſet das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald
hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. — Nun kriegt
auch wohl wieder ein anderer daruͤber zu ſprechen. Wir
gehen hin, und wieder her, ſuchen, betteln, es koſtet
uns ſchweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. — —
Ehe wir es uns verſehen, koͤmmt ein Beſcheid:
„Wegen Widerſpenſtigkeit hiermit ab und zur
„Ruhe verwieſen.“
Der Amtmann laͤßt ihn publiciren — haut uns den
Wald vor der Naſe weg — faͤhrt mit Frau und Kindern
ins Bad — und am Ende koſtet es zwei tauſend Thaler.
Obfſtr. Er thut dem Dinge zu viel. Es giebt red-
liche Maͤnner in der Stadt, und ich will ihnen Alles ſo
unter die Augen legen, daß ſie ſich der Sache wohl ſol-
len annehmen muͤſſen.
Schulz. Hoho — habe all mein Leben gehoͤrt —
„Keine Kraͤhe hackt der andern die Augen aus. Die
Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt
ſo gleichſam zum Heiratsgut mitgebracht: der giebt nun
am rechten Orte Steuern und Gaben — drum fraͤgt
ihn kein Menſch, wie er es mit uns treibt. — Warum
wollten Sie Sich Feinde machen? Laſſen Sie es gehen,
wies geht!
Oberfoͤrſter. Ehrlich und grade durch; damit halte
ich es.
Schulz. Ganz gut — aber —
Obfſtr. Ueberhaupt ſuche und fordre ich von den Leu-
ten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts
wegen mein iſt. Wollen ſie mir das nicht geben; ſteh-
len ſie mir mein Verdienſt aus der Taſche: Nun — ſie
moͤgen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem
Wege. Es hat mir denn doch auch ſchon wohlgethan,
mich — ſchlecht und recht, vor ſo einem Kerl hinzuſtel-
len und ihn ſcharf ins Auge zu faſſen. — Mit dem
Rothwerden hatte es ſich nun wohl! Aber, was ihnen
auch das Gewiſſen ſagte; ſie machten ſo wunderliche
Geberden, und ſahen ſo albern dabei aus — daß ich all
ihre Schaͤze fuͤr ſolche Augenblicke nicht haben moͤgte.
Schulz. Ja — da denk' ich eben an etwas. Neu-
lich — es moͤgen ein acht Tage ſein — begegnete ich dem
Amtmann, wie er — es war in aller Fruͤhe — von einer
Leiche kam. Da ſah er nun ganz unſcheinbar und graͤm-
lich aus. Hm! — dachte ich ſo bei mir ſelbſt — es iſt
doch was gar Bedenkliches um das lezte Ende! Man
ſei geweſen, wer man wolle — da faͤllt einem alles
haarklein bei. — Hm — dachte ich dann ſo weiter —
wenn dem Amtmann einmal ſo alles beifaͤllt! — Herr
Oberfoͤrſter — ich moͤgte dann nicht um und neben ihm
ſein — ich denke, es muͤſte nicht gut mit ihm ſtehen —
Obfſtr. Herr Schulz — ich hoffe zu Gott, um die
Stunde ſolls mir uns beiden einmal ganz ſtill abgehen.
Schulz. Ich hoffs auch. Adieu! (ſchuͤttelt ihm die Hand.)
Es bleibt beim Alten. (ab.)
Obfſtr. (ihm nach:) Es bleibt beim Alten! Nun
will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen.
(ſezt ſich und will ſchreiben.)
Achter Auftritt.
Riekchen, von der Oberfoͤrſterin gefuͤhrt, und der
Oberfoͤrſter.
Oberfoͤrſterin. Da — da bring' ich Dir Dein
Riekchen, mein Goldmaͤdchen.
(ſie umarmen ſich.)
Obfſtr. Maͤdchen!
Friedrike. Lieber alter Vater!
Obfſtr. Maͤdchen, wo koͤmmſt Du ſo fruͤh her?
Friedrike. Ach — bin ich nun wirklich wieder da?
Obfſtrn. Gewachſen, einen ganzen Kopf gewachſen.
Komm her, Maͤdchen, hier an der Thuͤr. (ſie geht dahin.)
Hier iſt noch das Zeichen, wie groß Du warſt, als Du
fortgingſt. Komm!
Oberfoͤrſter. Haſt Du denn Deinen Alten wohl
nicht vergeſſen?
Friedrike. O Gott! Koͤnnen Sie mich das fragen?
Oberfoͤrſterin. Nun Riekchen, komm! Hier an der
Thuͤr ſteht es.
Obfſtr. Bleib mit Deinem dummen Zeuge weg.
Friedrike. Ich bin alſo merklich gewachſen?
Obfſtn. Ja, komm doch nur hier an die Thuͤr —
Obfſtr. Sapperment, ich wollte, Du waͤreſt hinter
der Thuͤr.
Obfſtn. Denk nur — einen Kopf — einen ganzen
Kopf, in vier Jahren!
Obfſtr. Sag mir nur, Maͤdchen, wie es zugeht,
daß Du ſo fruͤh koͤmmſt? Wir haben Dich alle erſt um
Mittag erwartet.
Friedrike. Ich bin nicht uͤber Waldau gereiſt, und
die Nacht durch gefahren.
Obfſtr. Die Nacht —
Obfſtn. Die Nacht? Ei Du armes Maͤdchen, Du
armes Maͤdchen! — Willſt Du Kaffee? Wein? Suppe?
Was willſt Du haben? Ich will gleich alles beſtellen —
Warte — — hm — — wo werde ich nun den Schluͤſſel
haben? (ſie ſucht in den Taſchen.) Warte nur — — —
Friedrike. O ich verbitte —
Oberfoͤrſterin. Ja warum nicht gar — verbitten?
Bewahre! Wenn ich nur den Schluͤſſel — — alles krah-
men ſie mir weg!
Oberfoͤrſter. (geht ungeduldig herum.)
Friedrike. Es iſt wirklich unnoͤthig.
Obfſtn. Da iſt der Schluͤſſel. „Unnoͤthig?“ das
weiß ich beſſer. Wenn man ſo faͤhrt — und in der
Nacht gar — die Nacht iſt Niemands Freund — man
aͤngſtigt ſich — und dann die kalte Luft und nichts
Warmes. — Nein, das geht nicht — Gleich ſollſt Du
haben, gleich. (ab.)
Neunter Auftritt.
Oberfoͤrſter und Friedrike.
Oberfſtr. (halb vor ſich, und aͤrgerlich, indem ſie geht.)
Daß Dich das — —
Friedrike. In vier langen Jahren habe ich Sie nicht
geſehen und finde Sie Gottlob friſch und geſund. Meine
liebe alte Mutter, die — —
Obfſtr. (herausplazend.) Die ſpricht noch immer —
die — —
Friedrike. (ihn beſaͤnftigen wollend) Haben Sie mich
noch ſo lieb, wie ſonſt?
Obfſtr. Hm!
Friedrike. Wie?
Oberfoͤrſter. Das war eine rechte — — Stadtfrage
— die!
Friedrike. Sie ſind boͤſe und —
Obfſtr. Riekchen, frag doch nicht ſo albern —
(gemaͤßigt.) ſo wunderlich.
Friedrike. Aber —
Obfſtr. Wenn ich boͤſe bin, ſo mag ich anders aus-
ſehen, wie jezt. Wenn ich boͤſe waͤre, ſo koͤnnte ich
Dich nicht leiden — und ich habe mich auf Dich ge-
freuet — daß Du es nur weißt.
Friedrike. Haben Sie?
Obfſtr. Das hoͤrſt Du ja. (heftig.) Aber wie kann
ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das
Weib anfaͤngt zu ſprechen — dann iſt alles aus — dann —
Friedrike. Rechnen Sie ihr das nicht an — ſie liebt
mich — ich kam ſo ploͤzlich — es iſt nun einmal ihre
Art ſo. —
Obfſtr. Wetter noch einmal! — das aͤrgert mich
eben — das —! — Wie lange biſt Du gefahren?
Friedrike. Funfzehn Stunden.
Obfſtr. Mit Madam Schmidt?
Friedrike. Ja. — Was macht Vetter Anton?
Obfſtr. Alles Gutes.
Friedrike. Er iſt auf der Jagd?
Oberfoͤrſter. Ja.
Friedrike. Wohl ſchon ſeit geſtern?
Obfſtr. Haſt Du Schulden gemacht in der Stadt?
Friedrike. Schulden? — Lieber Vater — — ein
Maͤdchen — ich?
Obfſtr. Nun, nun — wer weiß? das Weſen an Euch
koſtet Viel — und — und —
Friedrike. Ich habe mich immer nach meiner Lage
gerichtet, und nie vergeſſen, daß ich ohne Ihre Vater-
guͤte nicht leben koͤnnte — —
Obfſtr. Wie viel hat Dir die Alte monatlich ge-
ſchickt?
Friedrike. O lieber Vater, nie kann ich ihr verdan-
ken, was ſie mehr als Mutter an mir gethan hat.
Obfſtr. (ſchon vorher, um die Art — Wie? — verlegen.)
Da — nimm das.
Friedrike. Wie? ich —
Obfſtr. Nun ſo nimms ins Kuckuks Nahmen!
Friedrike. In dem Augenblick — Kaum ſo viel
Gutes emfangen — und nun ſchon — — —
Obfſtr. Ich gebe von Herzen, oder ich laß es blei-
ben. — Nun zierſt Du Dich doch, als —
Friedrike. O wenn Sie das glaͤuben? So — —
C 2
Oberfoͤrſter. Nein — nun nicht. Es iſt wenig —
es iſt, was ich bei mir habe und entbehren kann.
Ich dachte Dir Freude zu machen — — —
Friedrike. Beſter Vater!
Obfſtr. Nun aber waͤre es grade ſo, als wenn ich
einen Konto abfertigte, und Dein Knix ſagte: Zu Danke
bezahlt. — Ein andermal — ein andermal.
Friedrike. Eine Freude, die ich mir ausgedacht
hatte, iſt mir auch verdorben, weil der Poſtknecht von
der lezten Station ſo langſam fuhr. Ich wollte recht
fruͤh kommen — ich wollte vor Ihrer Thuͤr warten und
wenn Sie „Matthes!“ gerufen haͤtten — ſo waͤre
ich gekommen und haͤtte Ihnen das Fruͤhſtuͤck gebracht.
Obfſtr. Haſt Du das gewollt? — Laß Dich kuͤſſen,
Maͤdchen. — Der dumme Poſtillon! Ja das war huͤbſch
ausgedacht. Ich mag ſo was wohl leiden. So was
iſt Dir immer recht gut gerathen. — Eſel von einem
Fuhrmann — der! — Hm! Du haſt es doch immer
recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch
auf Dich gefreuet, wie auf meine wirkliche Tochter. —
Sieh, ich fange an ſtumpf zu werden — der Junge iſt
toll und wild, und macht mich manchmal recht graͤm-
lich — meine Alte, die kann auch nicht mehr ſo fort,
wiewohl ehedem — — und dann — — Nun — Gott
ſei Dank, daß Du wieder da biſt! Nun kannſt Du mir
wieder was vorleſen, oder wir gehen ſpazieren — Du
erzaͤlſt mir was aus der Stadt, ſingſt mir was vor —
ſo geht allgemach die Zeit gut hin — bis es einmal
bricht.
Friedrike. (ihm um den Hals fallend.) O das ich es
nie erlebte! Nie, nie, niemals —
Obfſtr. Haha! biſt nicht klug, Maͤdchen. — Einmal
muͤſſen wir alle dran.
Dreizehnter Auftritt.
Friedrike. Oberfoͤrſterin.
Obfſtn. Wo mag er doch ſein? Gewiß trabt er drauſ-
ſen im Garten herum und brummt. — Noch nicht ge-
trunken? Ja, heutiges Tages hungern ſich die Maͤdchen
die Schwindſucht an den Hals, um nur die Taille nicht
zu verderben. (Friedrike trinkt.) Nun Kind, wie ſtehts?
Hat der Abſchied von der Stadt Dir viele Thraͤnen
gekoſtet?
Friedr. O nein! mit freudigem Herzen eilte ich hieher.
Obfſtn. Kind, Kind verſtelle Dich nicht. Die vie-
len huͤbſchen iungen Herren — Vier Jahr in der Stadt
C 4
— ein huͤbſches Maͤdchen — mach mir nicht weiß, daß
Du keinen Liebhaber gehabt haͤtteſt, ich bitte Dich;
mach mir das nicht weiß.
Friedrike. Nun — wenn auch einige mir verſichert
haͤtten, daß — daß — liebe Mutter, ich laſſe keinen
Liebhaber zuruͤck.
Oberfoͤrſterin. Dein Herz iſt alſo noch frei?
Friedrike. Ich ſage Ihnen, daß ich die Stadt gern
verlaſſen habe.
Obfſtn. Brav, brav. Du ſollſt hier ein Partiechen
thun — Nun ſeht doch? Feuerroth uͤber und uͤber.
Der iunge Musie Zeck — was ſagſt Du dazu? Und
Anton — heirathet Mamſell Kordelchen — da iſt Vie-
ren geholfen. Gelt? Ja, mein liebes Kind, das habe
ich auf dem Amte ſo gut, als richtig gemacht.
Friedrike. (erſchrocken.) So?
Obfſtn. Und meinen Alten? Sorge nicht, den bringe
ich auch noch herum.
Friedrike. (vergnuͤgt.) Will der nicht?
Obfſtn. (ſchnell.) Durchaus nicht.
Friedrike. Man muß ihm wohl ſeinen Willen laſ-
ſen — das Widerſprechen macht ihn boͤſe.
Obfſtn. Das will ich auch nicht. Du ſollſt ihn
darauf bringen.
Friedrike. Wie? ich?
Obfſtn. Sollſt mir ihn bereden helfen.
Friedrike. Das wird ſich wohl nicht ſchicken —
Obfſtn. Und, liebes Kind — wenn Du heiratheſt
— nur gleich auf die Autoritaͤt gehalten! Auf die Auto-
ritaͤt gehalten! ſonſt geht Dir es ſo, wie mir.
Friedrike. Gott machte mich recht gluͤcklich, wenn
ich einſt in ſo einer Ehe lebte, wie Sie —
Obfſtn. Hm — mein liebes Kind! Eheſtand iſt
Weheſtand — (ſich was zu gute thuend.) — indeß —
Friedrike. (mit Waͤrme.) Sie ſind ſehr gluͤcklich.
In der Stadt habe ich ſo wenig gute Ehen geſehen, daß
ich nur vor dem Wort „Heirath“ zittre. Der gute
Vater! Er liebt Sie ſo herzlich.
Obfſtn. Ja ia, das iſt wahr. Das muß man ſagen.
Alles was Recht iſt — das thut er.
Friedrike. Er wuͤrde ohne Sie nicht leben koͤnnen.
Obfſtn. I nun — ich — wenn ich — es aͤrgert
mich nur, daß er ſo ein Brummbaͤr iſt — aber ich halte
doch große Stuͤcke auf ihn.
Friedrike. (ſie bei der Hand faſſend.) Ja wohl, das
weiß ich.
Obfſtn. Wenn er mannichmal Abends von der Jagd
koͤmmt, und ſeinen Huſten kriegt, ſo wird es mir recht
C 5
aͤngſtlich. Er war neulich einmal ein bischen krank —
nun, ſo meinte ich doch nicht anders, als das ganze Dorf
waͤre mir zu enge! — Wenn er nur ein Paar Tage uͤber
Feld muß — und Mittags iſt ſein Plaz leer — oder
ich ſeh ihn Abends unter der Linde ſein Pfeifchen nicht
rauchen: ſo iſt mir ganz wunderlich zu Muthe. Ich
gehe im Dorfe zu dieſem und ienem — die Leute ſind
auch alle recht nachbarlich und gut. — Da iſt auch wohl
der Schulz gekommen. Nun, lieber Gott — es iſt ein
guter Mann, der Schulz, ein braver Mann! Aber es iſt
doch mein Alter nicht — nein, es iſt mein Alter nicht.
Ein Burſche. — Der Herr ſchickt mich aus dem
Garten — ich ſollte die Frau fragen, ob ſie nun nach
der Thuͤr geſehen haͤtte? ſollte ich ſagen.
Oberfoͤrſterin. Ja, ia — ich haͤtte darnach geſehen.
(Burſche ab.) Nun aber doch zur Kurioſitaͤt, komm
einmal her an die Thuͤr. (ſie gehen beide hin und Fried.
wird an der Thuͤr gemeſſen.) Richtig, einen Kopf biſt Du
gewachſen — einen ganzen Kopf. Aber uͤber den Anton
wirſt Du Dich wundern — der iſt lang — maͤchtig in
die Hoͤhe geſchoſſen!
Friedrike. Es ſoll ein ſchoͤner Mann geworden ſein.
Obfſtn. Kind, ſag das nicht, daß es ſein Vater
hoͤrt; denn wenn ich ſage: „Es iſt ein Mann, er
„muß heirathen!“ ſo ſagt er: „Es iſt ein Bube,
„er ſolls bleiben laſſen.“
Friedrike. So — darum —
Oberfoͤrſterin. Nun ſieh, mein Goldmaͤdchen, das
iſt es ja eben, was ich ſage. Darum iſt ja alle Tage der
ewige Zank. Ich ſage ihm auf die beſte Art von der
Welt, daß er Unrecht hat; aber was hilfts? Er glaubt
es nicht.
Friedrike. Er wird freilich einwenden —
Obfſtn. Wunderliches Zeug: „das Maͤdchen waͤre
ungluͤcklich, die den Jungen jezt kriegte; er muͤſte erſt
ausbrauſen; das hieße ein armes Weib betruͤgen und
was es mehr iſt. Ei — mit meinem Anton denke ich
keine zu betruͤgen. Es verkauft ſich gewiß keine an ihm.
Manche Jungfer aus der Stadt wuͤrde zufrieden mit
ihm ſein.
Vierzehnter Auftritt.
Vorige. Oberfoͤrſter.
Oberfoͤrſter. Haſt Du nichts in der Kuͤche zu thun?
Oberfoͤrſterinn. Ei — Der Bratenwender geht ohne
mich.
Obfſtr. Aber Deine Toͤpfe, Frau — Deine Toͤpfe?
Obfſtn. Haben alle Feuer.
Oberfoͤrſter. Nun — Du magſt dableiben. Auf
Treue und Glauben, daß Du ſtill ſein willſt. Riekchen!
— ich habe mir vorgenommen, dieſen Mittag eine kleine
froͤhliche Tiſchgeſellſchaft zu bitten. Du ſollſt ſie aus-
ſuchen. — Im Hauſe ſind — Du — hier die Stumme,
ich und Anton. Wen willſt Du noch haben?
Friedrike. Da ich waͤhlen darf — Erſtlich, Ihr lie-
ber Pfarrer —
Obfſtr. Gut — brav! der ſizt bei mir. Oder —
ja, ſo ſolls ſein. Du in der Mitte, wir beide an
Deiner Seite.
Obfſtn. (ſchnell.) Ei, wo denkſt Du hin? — das
geht ja nun und nimmermehr an.
Obfſtr. Pſt — Oder — — Weiter!
Obfſtn. Zwar ja. Der Amtmann kann bei mir
ſizzen — und die Amtmannin — —
Obfſtr. Was giebts?
Obfſtn. Nun?
Obfſtr. Was giebts mit dem Amtmann? Was ſoll
der hier? —
Obfſtn. Nun — ich will doch hoffen, daß Du den
mit herbitten laͤßt!
Obfſtr. Donner und Wetter! — (geht umher.)
Friedrike. O lieber Vater, ſein Sie nicht boͤſe!
Obfſtn. Kind, den mußt Du wahrhaftig bitten!
Oberfoͤrſter. Ich mag nicht.
Obfſtn. Aber Kind, bedenk doch —
Obfſtr. Ich will nicht.
Obfſtn. Warum denn nicht?
Obfſtr. Das Eſſen ſchmeckt mir nicht — der Wein
widerſteht mir — ich kann nicht froh ſein, wo das Volk iſt!
Obfſtn. Ach Du mein Himmel! das giebt einen
ſchrecklichen Lerm. (der Oberfoͤrſter geht die Laͤnge des
Zimmers durch.) Das ganze Dorf weiß, daß wir uns auf
den Tag gefreuet haben, — daß wir Gaͤſte bitten woll-
ten. Bitten wir die nicht: ſo iſt ja die pure klare Feind-
ſchaft angekuͤndigt — hm — — Riekchen! hm!
Obfſtr. Ich bitte niemand zum Eſſen, um ungeſund
nach Hauſe zu gehen; noch weniger glaube ich, jemand
damit eine Ehre zu erzeigen. Es ſind gute Freunde,
denen ich Gelegenheit geben will, mit mir froh zu ſein.
Ich bin kein Freund vom Amtmann. Das kann ich ihm
nicht bergen, und mag es ihm nicht bergen. Sind wir
an einem Tiſch, und ein Glas Wein hat mich froh ge-
macht, ſo ſpreche ich, was ich denke — was ich denke.
Und der Mann, der nach einem Glaſe Wein noch ver-
ſtecken kann, was er denkt — iſt mein Mann nicht.
Oberfoͤrſterin. Ei man muß mit jedermann in Frie-
den leben.
Friedrike. Thun Sie es doch nur diesmal.
Obfſtn. Das wird ein Aufſehen geben! Und am
Ende kaͤme es gar auf das arme Maͤdchen. Dann ſieht
es aus, als wenn die Schuld an dem Hader waͤre. —
Nun thu es doch — einmal iſt ja nicht immer.
Friedrike. Entſchließen Sie Sich; einmal iſt ja
nicht immer.
Oberfoͤrſter. (denkt nach.) Hm — ja. Ich wills
thun. Aber, wenn ſie mir grade gegenuͤber, oder dicht
an der Seite zu ſizzen kommen: ſo gehe ich davon, und
eſſe im Hirſch.
Obfſtn. Alſo ſollen ſie gebeten werden?
Obfſtr. Ja. Aber hahaha! Du wirſt ſehen, es waͤre
beſſer, ich haͤtte es bleiben laſſen. — Ich bitte mir nun
auch noch einen guten Freund dazu.
Obfſtn. Wen denn?
Obfſtr. Den Schulzen.
Obfſtn. Ei bewahre! das iſt ja gegen den Reſpekt.
Obfſtr. Entweder der Amtmann und der Schulz,
oder keiner von beiden.
Obfſtn. Nun — meinetwegen.
Oberfoͤrſter. Das waͤre alſo richtig. Jezt tummle
Dich. Und Du, Riekchen — da ſind die Schluͤſſel —
geh heute zum erſtenmale wieder in den Keller und hole
uns einen Trunk.
Friedrike. (mit einiger Freude.) Ach, das ſind die
Schluͤſſel, die — ach —
Obfſtr. Maͤdchen, biſt Du naͤrriſch? Ich glaube gar,
Du weinſt?
Friedrike. Wie ich die Schluͤſſel wieder ſehe, faͤllt
mir ſo manches dabei ein. — Sie gaben ſie mir alle
Mittage ſelbſt; der Wein, ſagten Sie, ſchmeckte Ihnen
nicht, wenn ich ihn nicht geholt haͤtte. Nur wenn Sie
boͤſe waren, bekam ich ſie nicht. Lieber Vater, beſter
Vater, ich verſpreche Ihnen, Sie werden ſie mir alle
Mittage geben. (ab.)