Telegraphische Berichte.
* London, 10 März. Unterhaus. Auf eine Jnterpellation Otway's
antwortet Lord Enfield: die englische Regierung habe, nachdem sie von
den Wünschen Frankreichs benachrichtigt worden, am 24 Februar eine ent-
sprechende Depesche an Lord Loftus gerichtet, und dieselbe dem Grafen
Bernstorff mit der Bitte mitgetheilt ihren Jnhalt an Graf Bismarck zu
telegraphiren. Lord Enfield glaubt, Bismarck dürfte das Anerbieten der
guten Dienste Englands am Morgen des 25 Februar erhalten haben.
Bisher habe die brittische Regierung keine officielle Antwort erhalten. Am
24 Februar Abends wurde der Jnhalt der erwähnten Depesche an Russell
telegraphirt, derselbe erhielt das Telegramm am 25 Februar Abends.
( * ) Paris, 10 März. Das „J. des Débats “ erklärt: Wenn die
exaltirten Gemüther taub bleiben gegen die weisen Rathschläge des gestri-
gen Artikels der „Amtszeitung,“ so hoffen wir die Regierung werde endlich
begreifen daß die Stunde der Thätigkeit gekommen ist, und daß sie den Gene-
ral Aurelles anweisen wird die Ruhe wiederherzustellen. Dasselbe Blatt
constatirt daß gestern im Comit é der Jnsurgenten des Montmartre nur
mühsam eine genügende Anzahl Nationalgarden zur Bewachung der Kano-
nen sich gefunden habe.
* Paris, 10 März. General Aurelles de Paladine empfieng
gestern die Commandanten der Nationalgarde von Belleville, er betonte
neuerdings seine republicanischen Gesinnungen. Der Commandant schien
in hohem Grade befriedigt. Vom Montmartre nichts neues.
* Bordeaux, 10 März. Eine Verordnung der Regierung befiehlt
die sofortige Entlassung: 1 ) der durch Gesetz vom 10 Aug. 1870 in die
Armee Einverleibten; 2 ) der mobilisirten Nationalgarden, welche als ehe-
malige Soldaten der activen Armee einverleibt wurden; 3 ) der auf Kriegs-
dauer Engagirten; 4 ) der Altersclasse 1863. Der Befehl zur Ausfüh-
rung wurde noch denselben Tag den Militärbehörden zugestellt.
* Bordeaux, 10 März. Jn der heutigen Sitzung der National
versammlung wurde der Gesetzentwurf betreffend die Verlängerung der
Wechselverfallfrist verhandelt. Sämmtliche Artikel des Gesetzentwurfs
wurden angenommen, die Amendements verworfen. Rochefort ist gefähr-
lich an der Kopfrose erkrankt. General Changarniers Zustand ist Besorgniß
erregend.
* Brüssel, 10 März. Die „Etoile Belge“ meldet aus Paris:
Die französische Regierung hat von einem bedeutenden Aufstand in Alge-
rien Kenntniß erhalten. Ein Zuavenregiment wurde abgesandt um die
Ordnung wiederherzustellen.
* Frankfurt a. M., 10 März. Abend=Effectensocietät: 1882er Amerikaner
96 1 / 2; 1885er --; Silberrente --; 1860er L. --; 1864er L. --; Credit-
actien 246; Lombarden165 3 / 4; Staatsbahn 369; Galizier239 3 / 4; 3proc. span.
ausl. Schuld29 5 / 8. Tendenz: still nur Galizier lebhaft.
( * ) Wien, 10 März. Die Anglo=Austrian Bank hat eine Subscriptions-
kundmachung für die am 16 März stattfindende Zeichnung von je 31,000 Actien
und Prioritäten der Prag=Duxer Eisenbahn veröffentlicht. Der Nominalpreis
für beide ist 150 Gulden österr. Silber. Der Emissionspreis für die Actien ist
66 Procent gleich 99 Gulden; derjenige für die Prioritäten 71 Procent gleich
106 1 / 2 Gulden. ( S. Jnserat in der Außerord. Beil. )
* Wien, 10 März. Abend=Privatverkehr: Creditactien 260.80>; 1860er L.
96; 1864er L. 122 80: Staatsbahn 393; Lombarden 173 80: Rapoleons 9.90 1 / 2;
Papierrente 58.40; Franco=Austrian 105; Anglo=Austrian 232 50. Stürmische
Haussee.
( * ) Triest, 10 März. Der Lloydampfer „ Besta “ ist mit der ostindisch-
chinesischen Post heute 1 3 / 4 Uhr Nachts hier angelangt.
⁑ Pest, 10 März. Productenmarkt. Getrei de unbelebt. Weizen effectiv
Preis fest, guter Umsatz. Korn matter, übrige Getreidesorten geschäftslos. Ter-
mine schwach gehandelt.
* London, 10 März. Schlußcurse: 3proc. Consols91 11 / 16; 1882er
Amerikaner91 3 / 4; Türken 42 3 / 8.
⁑ Liverpool, 10 März. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 10,000 B,
zur Ausfuhr verkauft 2000 B. Stimmung schwach. Orleans7 3 / 8, Middling7 1 / 8,
fair Dhollerah5 7 / 8, middl. fair Dhollerah5 1 / 8, good middl. Dhollerah4 1 / 2, fair
Bengal5 3 / 8, fair Oomra6 1 / 4, good fair Oomra6 3 / 8, Pernam7 5 / 8, Smyrne 7,
Egyptian 3 3 / 4. Tagesimport 47,000 B., davon 6000 B. indische, amerikanische
39,000 B.
* Paris, 9 März. Schlußcurse: 3proc. Rente 51; österr.=franz. Staats-
bahn 780; Lombarden 352.50; 5proc. ital. Anl. 53.65.
* New=York, 9 März. Goldagio111 1 / 8; Wechsel in Gold109 3 / 4;
1882er Bonds112 1 / 2; 1885er112 1 / 8; 1904er109 1 / 4; Baumwolle14 7 / 8; Petro-
leum in Philadelphia 24 1 / 2.
Der Kriegshafen an der Jade.
sym3 Der Kriegshafen an der Jade, seit sechzehn Jahren im Bau und
vor bald zwei Jahren bereits durch König Wilhelm feierlich eröffnet, war
trotzdem beim Ausbruch des Kriegs noch leineswegs fertig. Jm Reichstag
war seine Vollendung allerdings auf den 1 Juli v. J. angekündigt worden,
allein statt dessen wurden um diese Zeit vielmehr die Arbeiten an der
Aushebung des Beckens gänzlich eingestellt. Der Artillerie=Officier welcher
zur Aufwerfung von Strandbatterien nach Wilhelmshafen geschickt worden
war, nahm dem Hafenbaudirector die Leute weg, und dieser hielt sich nicht
für ermächtigt oder befähigt anderswoher den Ausfall zu ergänzen. So
geschah es unglaublicherweise daß bis zum October hin diese wichtige und
höchst dringliche Arbeit, anstatt auf alle Art beschleunigt zu werden, um-
gekehrt gänzlich still stand. Das Marine=Commando scheint bei dem be-
stehenden und bekanntlich in Preußen sehr streng innegehaltenen Ressort-
Verhältniß nicht in der Lage gewesen zu sein hierauf unmittelbar einzu-
wirken; auch hatte es zeitweilig wenigstens wohl mit den Maßregeln zur
Abwehr des Feindes, gegen welchen man auf der Außenrhede bereit lag,
alle Hände und alle Augen voll zu thun. Als man später im Herbst die
erreichte Hafentiefe prüfte, fand man erst 17 Fuß. Der „König Wilhelm“
geht aber 27 Fuß tief, der „Kronprinz“ und der „Prinz Friedrich Karl“
nur einige Fuß minder tief. Die letztern beiden konnten nicht vor der
zweiten, der „König Wilhelm“ gar erst nach der dritten Decemberwoche
ins Dock, und da war es in Wirklichkeit hohe Zeit, denn um Weihnachten
kam mit der strengen Kälte das Eis, vor welchen man sich nach Norwegen
hätte flüchten müssen, wäre das Dock nicht noch eben rechtzeitig fertig ge-
worden. Die Hafenbaubehörde kann von Glück sagen daß ein solcher Noth-
fall nicht eingetreten ist, um ihre Langsamkeit zum Gegenstand des allge-
meinen Unmuths zu machen.
Noch weiter zurück als das Hafenbecken war, sind die dazu gehörigen
Hochbauten. Es sieht beinahe so aus als habe man an diese zu denken und
sich Geld für sie bewilligen zu lassen ganz vergessen. Nichts außer einem
Dampfkrahn und einer nothdürftigen Schmiede mit fünf oder sechs Feuern
ist vorhanden. Die Kriegsschiffe können daher im Trockendock -- in
welchem gegenwärtig der „Prinz Friedrich Karl“ liegt -- nichts als sich
reinigen und frisch anstreichen lassen; für jede größere Reparatur müssen
sie nach Kiel. Wäre der Hafenbau ein Bestandtheil der Armeeverwaltung,
man kann wohl nicht zweifeln daß der Krieg ihn auch in dieser Beziehung
minder weit zurück angetroffen haben würde.
Einheitliche Leitung und eine durchgehends fachmäßig competente
Leitung -- das ist das große doppelte Erforderniß wenn die Marine sich
auf gleicher Höhe der Leistungsfähigkeit mit der nationalen Armee ent-
wickeln soll. Den besondern Oberbefehlshaber kann sie füglich entbehren;
ist er ihr beim Beginn des Kriegs ohne ersichtlichen Schaden abhanden
gekommen, so braucht er auch mit dem Frieden nicht zurückzukehren. Sein
Einfluß hat sich immer nur in sehr untergeordneten Aeußerlichkeiten be-
thätigt; abgesehen allenfalls von dem moralischen Schutze welchen seine
sociale Stellung anfänglich der zarten Pflanze gewährt haben mag. Jn
noch höherm Grade wird dieses letztere von der bisherigen Mitverwaltung
des Marineministeriums durch den preußischen Kriegsminister gelten. Aber
auch für dieses Provisorium ist mit der Erstehung des Deutschen Reiches
die Zeit vorüber. Wir bedürfen eines Mannes von Fach als Marine-
minister, dessen Autorität sich das gesammte Seewesen, Kriegs= und Han-
delsflotte, Häfen und Fahrwasser, als ein geschlossenes Ganzes unterwirft.
Damit ist keine falsche und gewaltsame Centralisation verstanden.
Jm Gegentheil, es könnte mit Vortheil den Stationschefs, Oberwerft-
directoren und Hafencapitänen etwas freierer Spielraum für ihre Verant-
wortlichkeit gegönnt werden. Der berühmte Verwaltungsgrundsatz von
welchem stramme Bureaukraten Preußens ganze Größe herleiten, daß außer-
halb der Ministerien in Berlin keine Summe von mehr als 50 Thlrn. un-
abhängig verausgabt werden darf, hat sich im allgemeinen überlebt, und ist
für Deutschlands Zukunft nicht unbedingt erforderlich. Man mag diese
Maximalgränze der selbständigen Verfügung provincieller oder sonst deta-
schirter Verwaltungschefs getrost verzehn= oder verzwanzigfachen. Der
Entschluß und die Fähigkeit vorkommenden Falls eine etwas ernstere
Verantwortlichkeit zu übernehmen werden dadurch nur wachsen.
Einheitlich sollte auch der feste und der schwimmende Theil der Küsten-
vertheidigung sowohl angeordnet als geleitet werden. Die jetzigen Strand-
batterien in Wilhelmshafen, freilich ein Werk des Augenblicks und der
Noth, sollen schwerlich den Krieg überleben. Denn wenn sie den Feind
verfehlen, treffen sie den Hafen. Man könnte nun ein festes Fort auf einer
der Sandbanke der Barre anlegen; allein dasselbe fest und sicher zu
gründen, dürfte eine verzweifelte Arbeit sein. Richtiger erscheint es daher
wohl schwimmende Batterien herzustellen welche in Verbindung mit Küsten-
batterien, Kriegsschiffen und Torpedo=Booten den Eingang zum Jade-
Kriegshafen vertheidigen.
Derartige Vorschläge werden im Schooße der obersten Marinebehör-
den bereits erwogen. Nur Schade daß fachmännische Erfahrung in diesem
entscheidenden Kreise bis jetzt so schwach vertreten ist. Ein kleines Colle-
gium älterer erfahrener See=Officiere, das die Entschließungen des Marine-
ministers durch seine Gutachten und Berichte vorbereitete, wäre dringend
zu wünschen.
Der Reichstag hat dann das verlangte Geld zu bewilligen. Aber die
einzigen Sachverständigen in seiner Mitte -- oder die sich dafür halten --
sind ein bekannter alter Volksmann und Fabrikbesitzer aus Westfalen und
ein Oberlehrer aus Stettin. Bei dem folgenreichen Ernst der demnächst
zu treffenden Entscheidungen würden wir es dem Reichstage nicht ver-
denken wenn er sich bei der Einsicht der HH. Harkort und Schmidt nicht
ganz beruhigte, sondern einige klare und energische Köpfe aus seiner Mitte
mit einer Untersuchung der Flotten= und Kriegshafenverhältnisse an Ort
und Stelle beauftragte, damit er alsdann, auf diese gestützt, seine Wahl mit
einer gewissen Zuversicht treffen könne.
Deutsches Reich.
† München, 10 März. Se. Maj. der König hat gestern den aus
Versailles zurückgekehrten Grafen v. Bray empfangen, und heute den
Vortrag des Staatsministers des Jnnern entgegengenommen.
† * München, 10 März. Jn einer Reihe von Journalen, unter
andern auch im heutigen Leitartikel Jhres geehrten Blattes, finden sich
detaillirte Angaben über angeblich erzielte „Abmachungen“ der deut-
schen Regierungen, durch welche eine Vergrößerung Bayerns mittelst Zu-
weisung vormals französischer Gebietstheile festgestellt worden sein soll.
Mit so großer Bestimmtheit diese Nachrichten auch auftreten, erlaube ich
mir doch den Zweifel auszusprechen ob dieselben bezüglich ihrer Zuverlässig-
keit den Werth einer mehr oder minder gelungenen Combination überstei-
gen. Nach sicheren Jnformationen hat irgendwelche Beschlußnahme in
der fraglichen Richtung bis jetzt nicht stattgefunden, und konnte auch gar
nicht stattfinden, weil einerseits der definitive Friedensschluß noch nicht er-
folgt ist, andrerseits für solche Abmachungen die Zustimmung des Bundes-
raths und die Genehmigung des Reichstags eine unerläßliche Voraus-
setzung bilden würde. Wenn auch die Absicht bestehen sollte Bayern in
irgendeiner Weise für den im Jahre 1866 erlittenen Gebietsverlust zu
entschädigen, so ist jedenfalls eine Entscheidung hierüber noch in keiner
Weise getroffen, und Zeitungsnachrichten welche das Publicum bereits
über Lage, Ausdehnung und statistische Verhältnisse des Entschädigungs-
objects zu belehren wissen, kann man getrost als aus der Luft gegriffen
bezeichnen. ( Die betreffende Mittheilung kam uns von so wohl unter-
richteter und vertrauenswerther Seite zu, daß wir die vollständige Grund-
losigkeit derselben immer noch bezweifeln möchten. D. R. )
Karlsruhe, 9 März. Großherzog Friedrich ist gestern Abends
halb 10 Uhr von Versailles, wo er über vier Monate verweilte, hierher
zurückgekehrt. Der Empfang welcher dem verehrten Landesfürsten zu-
theil geworden, war dießmal ein besonders warmer und sympathischer.
Kanonendonner und Glockengeläute, welche mit dem Eintritte des Extra-
zuges in das Weichbild der Stadt ihren Anfang nahmen, sind officielle
Anordnungen die überall vorkommen; aber die endlosen Hochrufe einer
dichtgedrängten Volksmenge, als der Großherzog mit dem Erbgroßherzog
in offenem Wagen durch die reich beflaggten Straßen, da und dort von
bengalischem Feuer beleuchtet, zum Schlosse fuhr, kamen sichtlich aufrichtig
aus den über die glückliche Wiederkehr des verehrten Fürsten erfreuten
Herzen. Vor dem Schlosse sammelte sich im Scheine der Fackeln das
Feuerwehrcorps, unter Absingung patriotischer Lieder und Hochrufen,
Kopf an Kopf die Menge. Vom Balcon dankte der Großherzog an der
Seite seiner tiefergriffenen Gemahlin für den herzlichen und erhebenden
Empfang der ihm bei der Rückkehr „in seine theure Vaterstadt“ zutheil ge-
worden. Mit feinem Tact deutete er hin auf die Freude für den Frieden,
der mit dem theuren Blute so vieler wackeren Streiter, „unserer Brüder,“
erkauft worden, und dann auf die Freude an dem Werk an welchem sie alle
mitgeholfen: der Entstehung des neuen Deutschen Reiches. „Diesem neuen
Deutschen Reiche“ -- schloß der fürstliche Redner -- „lassen Sie uns ein
dreifaches Hoch ausbringen!“ Donnernde Hochrufe antworteten; ihnen
folgten gleich lebhafte auf den Fürsten, die Frau Großherzogin, den Erb-
großherzog, auf den Deutschen Kaiser. Das Ganze machte einen erheben-
den, sympathischen Eindruck.
( Köln. Ztg. )
Darmstadt, 8 März. Die gegenwärtig gepflogenen Verhand-
lungen über verschiedene Modificationen der preußisch=hessischen Militär-
Convention vom 7 April 1867 haben, gutem Vernehmen nach, bis jetzt zu
folgenden Resultaten geführt: Hessen begibt sich der ihm durch diese Con-
vention zugestandenen Selbständigkeit der Militär = Verwaltung; das
Kriegs=Ministerium kommt in Wegfall. Aus den vier Jnfanterie=Regi-
mentern der Division, welche seither nur zwei Bataillone zählten, werden
alsbald nach dem Eintreffen der Truppen aus dem Felde drei Regimenter
( Nr. 97, 98 und 99 ) zu je drei Bataillonen ( zwei Musketier= und ein
Füsilier=Bataillon ) formirt. Das 2. Jnfanterie=Regiment, als das jüngste
der hessischen Regimenter, wird aufgelöst, und seine beiden Bataillone werden
zur Formation der dritten Bataillone des seitherigen 1. und 3. Jnfanterie-
Regiments verwendet. Das seitherige 4. Jnfanterie=Regiment erhält sein
drittes ( Füsilier= ) Bataillon durch das gleichfalls zur Auflösung kommende
2. Jäger=Bataillon. -- Wie ferner verlautet, liegt es nicht in der Absicht
die hessische Division mit der badischen zum 13. deutschen Armee=Corps zu
vereinigen; sie soll vielmehr in ihrem seitherigen Verbande beim 11. Armee-
Corps verbleiben. -- Preußischerseits wurde die Stellung eines hessischen
Jnfanterie=Regiments zur Garnison von Mainz gewünscht, und der Groß-
herzog hat sich für das vor dem Kriege dahier in Garnison befindlich gewesene
4. Jnfanterie=Regiment entschieden. ( Frkf. Z. )
Berlin, 9 März. Heute Donnerstag früh halb 8 Uhr traf der
Reichskanzler Graf Bismarck vom Kriegsschauplatz wieder hier ein. Jn
der Begleitung des Grafen befanden sich die Geh. Legationsräthe Graf
v. Bismarck=Bohlen und v. Keudell und die Legationsräthe Bucher und
Graf Hatzfeldt. Auf dem Bahnhof hatte sich ein nur wenig zahlreiches
Publicum eingefunden, da die Rückkehr des Grafen in weiteren Kreisen
nicht bekannt war. Nur die Gräfin Bismarck nebst Tochter sowie einige höhere
Staatsbeamte erwarteten die Ankunft des Zuges. Reisende welche sich gleich-
falls in dem Zuge befanden, berichteten von dem enthusiastischen Empfang
welcher dem Reichskanzler von Straßburg ab auf allen Eisenbahnstationen
zutheil wurde.Namentlich in Mainz scheint dem Reichskanzler ein sehr enthusiastischer Empfang
bereitet worden zu sein.Ein Ueberschwänglicher berichtet darüber in der „Köln. Graf Bismarck empfieng im Laufe des heutigen Tages die
Minister, Bevollmächtigte zum Bundesrath und andere angesehene Personen.
Der Kriegsminister v. Roon wird am Sonnabend hier wieder eintreffen.
Der dem Grafen Moltke von der hiesigen Kaufmannschaft gewidmete Ehren-
degen ist an denselben in das große Hauptquartier abgesandt worden. --
Da der bevorstehende Rücktransport der deutschen Armeen und des Kriegs-
materials aus Frankreich den deutschen Eisenbahnverwaltungen Leistungen
auferlegt deren Erfüllung auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, weil ein großer
Theil der Beamten dieser Verwaltungen bei den occupirten französischen
Bahnen in Thätigkeit sich befindet, so ist es nothwendig daß die in die
Armee eingestellten, dem Beurlaubtenstand angehörigen Eisenbahnbeam-
ten und ständigen Arbeiter, soweit dieß das militärische Jnteresse irgend
gestattet, den Eisenbahnverwaltungen wieder zur Verfügung gestellt wer-
den. Nach einer mit dem Handelsminister getroffenen Verabredung wer-
den die Eisenbahndirectionen Listen ihrer Beamten welche gegenwärtig im
Heere dienen den Generalcommandos zugehen lassen, und diese sind vom
Kriegsministerium angewiesen worden die betreffenden Beamten nach
Maßgabe ihrer Abkömmlichkeit zu entlassen. -- Eine Bekanntmachung des
Generalpostamts empfiehlt wegen des eingetretenen Rückmarsches der be-
treffenden Truppentheile keine Geldbriefe mehr an die zur Zeit noch in
Frankreich stehenden Landwehr= und Reservetruppen abzusenden, bis
dieselben in ihre Friedensgarnisonen zurückgekehrt sind. -- Telegra-
phische Depeschen dürfen wieder, wie vor dem Kriege, in allen Spra-
chen und in Chiffern aufgegeben werden. Nur in Bezug auf den tele-
graphischen Verkehr nach und von Frankreich bleiben die bisherigen Be-
schränkungen noch aufrecht erhalten. -- Das hiesige kgl. Polizeipräsidium
veröffentlicht folgende Aufforderung: „Zur Aufrechthaltung der Ordnung
bei den bevorstehenden Feierlichkeiten reichen die augenblicklich verfügbaren
polizeilichen Kräfte nicht aus, und ich beabsichtige daher im Einverständ-
nisse mit den städtischen Behörden die Bürgerschaft um ihre Mitwirkung
zu ersuchen, indem ich, nach dem englischen Vorbilde der freiwilligen Con-
stabler, die Schutzmannschaft aus den Bürgern vermehre. Dem Bedürf-
nisse wird genügt sein wenn etwa 1000 kräftige Männer von selbständiger
Lebensstellung sich bereit finden lassen während der Feierlichkeiten die
Schutzmannschaft nach Anleitung des Commando's derselben in der Aus-
übung ihrer Functionen zu unterstützen. Dieselben würden ihren Dienst
in Civilkleidung, und mit einer Armbinde und einem Stock versehen, thun.
Wer bereit ist dieses Ehrenamt zu übernehmen, wolle sich so bald als
möglich in dem Bureau seines Polizei=Reviers in die betreffenden Listen
einzeichnen lassen. Berlin, 7 März 1871. Der Polizei = Präsident.
v. Wurmb.“
( -- ) Berlin, 9 März. Nach ungefähr achtmonatlicher Abwesen-
heit ist Graf Bismarck heute früh gegen 8 Uhr mit seinen Räthen aus
Frankreich wieder hier eingetroffen. Sein Aussehen war ungleich frischer
als zur Zeit seiner Abreise ins feindliche Land. Es scheint also mit dem
Nervensystem des Bundeskanzlers doch nicht so schlecht bestellt zu sein.
Der Chef des großen Generalstabs, General v. Moltke, der Kriegsminister
v. Roon und der Chef des Militärcabinets=General v. Tresckow sind mit
den Prinzen Karl und Albrecht in der Begleitung des Kaisers geblieben,
und werden mit demselben neuern Bestimmungen zufolge erst um die Mitte
der nächsten Woche hieher zurückkehren. Wahrscheinlich wird der Kronprinz
bis zum Einzug in Berlin bei seinen Truppen verbleiben. Dieser Einzug
soll in den ersten Tagen des Monats Mai erfolgen. Da die Landwehr
schon bald entlassen werden soll, ist es zweifelhaft ob sie an den Ehren
dieses Einzugs theilnehmen wird. Jedenfalls werden aber Deputationen
derselben zu jenen Festlichkeiten hinzugezogen werden. Gewarnt durch die
in neuerer Zeit bei festlichen Gelegenheiten von unserm Pöbel regelmäßig
verübten Ausschweifungen, hat das Polizeipräsidium jetzt im Einvernehmen
mit dem Magistrat beschlossen zur Aufrechthaltung der Ordnung bei den
bevorstehenden Festlichkeiten die in England bestehende Einrichtung der
Bürgerconstabler nachzuahmen, und 2000 Bürgern, welche bereit sind der
Polizei ihre Unterstützung zu leihen, ihre Unverletzlichkeit durch die Ver-
leihung der Beamtenqualität zu sichern. Officiös wird jetzt bestätigt daß
von einer Krönung vorläufig nicht die Rede ist, daß eine Landestrauer für
die im Kriege Gefallenen nicht beabsichtigt wird, daß aber ein Trauer-
gottesdienst im ganzen Reiche zum Andenken an die Gefallenen abgehalten
werden soll, wahrscheinlich am Vorabend der kirchlichen Friedensfeier.
Gleich nach der Ratification der Präliminargrundlage ist auch der Befehl
ertheilt worden die Anfertigung scharfer Patronen einzustellen. Die
Zurückbeförderung der Kriegsgefangenen nach Frankreich hat gestern be-
gonnen. -- Graf Wimpffen, der österreichische Gesandte am hiesigen Hof,
Ztg.:“ „Als der Zug in das Weichbild der Stadt einfuhr, donnerten die
Böller, salutirten die Schiffe im Hafen, und eine in der ganzen Länge der
Stadt Kopf an Kopf stehende Menge, eine ebenso imposante, an den Fenstern
der ganzen langen Häuserreihe der Rheinstraße versammelte Welt, meistens
Damen, schien ein elektrisches Fluidum zu durchzucken, welches sich in ein un-
beschreibliches Jauchzen, Hochrufen und Tücherschwenken der schönen Welt auf-
löste als die festlich geschmückte Locomotive „Albrecht Dürer“ am nördlichen
Eude der Straße erschiee. Selbst die Zöglinge der katholisch theologischen
Facultät riß der gewaltige Sturm der Begeisterung aus ihrer Zurückhaltung
heraus u. s. w.
ist bereits von seinem Ausfluge nach Oesterreich hieher zurückgekehrt
-- Das Ergebniß der Reichstagswahlen in den preußischen Provinzen
stellt sich für die liberalen Parteien doch als sehr ungünstig heraus. Wenn
Dr. Schweitzer in Elberfeld bei der Stichwahl seinen Gegencandidaten,
den Legationssecretär v. Kusserow, nicht besiegt und Dr. Schleiden in
Altona durchdringt, so wird die socialdemokratische Partei im Reichstage
durch keinen Preußen vertreten sein. Die beiden einzigen Abgeordneten
dieser Richtung sind Sachsen. Die Stärke der Fortschrittspartei beläuft
sich auf ungefähr 26 Köpfe, von denen 18 in Preußen gewählt sind. Die
Zahl der in Preußen gewählten Nationalliberalen ist auf 37 herab-
gesunken, wird sich aber durch den Hinzutritt der Gesinnungsgenossen aus
den ehemaligen Nordbundsstaaten, Hessen, Baden, Württemberg und
Bayern auf ungefähr 80 erhöhen, also trotz dem Zuwachs aus dem
Süden nicht die frühere Ziffer erreichen. Dagegen entsendet Preußen
allein in den Reichstag nahezu 60 Conservative, 17 Freiconservative, 40
Katholiken, 11 Particularisten, 12 Polen und 5 Wilde. Die Stärke der
conservativen Partei wird durch den Ausfall der Stichwahlen eine wesent-
liche Aenderung nicht erleiden, ebensowenig die der Freiconservativen,
welche wenig mehr als 20 Köpfe betragen dürfte. Mit den Hülfstruppen
aus den Bundesstaaten wird die katholische Partei eine Stärke von unge-
fähr 70 Mitgliedern erlangen. Jn Mecklenburg sind die Conservativen von
den Liberalen überall geschlagen worden. Selbst der Ministerpräsident Graf
Bassewitz brachte es nur zu einer namhaften Minderheit. Dr. Braun
( Berlin ) wird dem Reichstage doch nicht fehlen, da er in Reuß gewählt
ist. Jm Wahlbezirke Krossen=Züllichau=Schwiebus wurden die gedruckten
Wahlzettel für den Regierungscandidaten, den hochconservativen Domänen-
pächter Uhden, einen Bruder des Obertribunalspräsidenten, an sämmtliche
Schulzenämter als „Bundessache“ durch die Post vertheilt, und in Wesel
machte der dienstthuende Polizeibeamte am Morgen des Wahltages durch
die Schelle bekannt: „Wer sein Vaterland liebt, der gehe zum Wahllocal
und stimme für Professor Aegidi in Bonn.“ Gleich darauf rief aber der-
selbe Beamte aus: „Die höchste Pflicht eines wahlfähigen Bürgers besteht
darin daß er heute vor Schluß des Wahlacts, also vor 6 Uhr heut Abends,
zum Wahllocal eilt und dem Frhrn. v. Lo ë seine Stimme gibt.“
Oesterreichisch=ungarische Monarchie.
* Wien, 8 März. Aus einer der letzten Sitzungen des Abgeord-
netenhauses ist die Mittheilung des Handelsministers Dr. Schäffle zu er-
wähnen, daß es der österreichischen Diplomatie gelungen für das chinesische
See=Jnspectorat auch Angehörige der österreichisch=ungarischen Monarchie
zugelassen zu sehen. Der Minister legte einen großen Werth darauf daß
bald von diesem Rechte Gebrauch gemacht werde. Jn der gestrigen Sitzung
des Abgeordnetenhauses wurde das vom Ministerium Hohenwart aus-
gehende Verbot deutscher Sieges= und Friedensfeiern im Bereiche der öster-
reichischen Lande Gegenstand einer Jnterpellation. Der Thatbestand ist
in Kürze folgender: Jn Folge der Nachricht vom Abschluß des Friedens
zwischen Deutschland und Frankreich begann in den Herzen der Deutsch-
Oesterreicher, welche den Siegesgang des deutschen Heeres sympathisch be-
gleitet hatten, das Gefühl der Stammesbruderschaft sich noch mächtiger und
mit begreiflichem Stolze zu regen; allenthalben wo das deutsche Element
vorwiegt oder einigermaßen beträchtlich vertreten ist, tauchte der Gedanke
auf den Sieg des Deutschen Reiches als einen Sieg des deutschen Ge-
sammtvolkes -- zu welch' letzterem ja auch die Deutschen Oesterreichs
zählen -- festlich zu begehen, und es bildeten sich Comités zu diesem
Zwecke. So wollte der „Deutsche Verein“ in Wien zur Feier des Frie-
dens ein Festmahl veranstalten; in mehreren andern Städten Niederöster-
reichs beabsichtigte man ähnliches; Jnnsbruck und Bozen waren -- in rasch
entschlossener Begeisterung -- mit Beleuchtung, Fackelzügen und jubelnder
Geselligkeit bereits vorangegangen; Villach in Oberkärnten ließ ein paar
Tage später seine Böller krachen, beflaggte und beleuchtete seine Straßen
und zog jauchzend einher; doch hatte behördliche Vorsicht hier bereits einen
Schatten auf die Feststimmung geworfen, indem keine Reden gehalten wer-
den durften. Jnzwischen hatte das Ministerium die Ansicht gewonnen
daß solche Feierlichkeiten, so berechtigt das Gefühl aus dem sie entsprun-
gen, mit der außerdeutschen Stellung der österreichischen Monarchie und
insbesondere mit der Neutralität nicht vereinbar seien; daß sie von andern
und anders sympathisirenden Theilen der Bevölkerung übel aufgenommen
werden und zu Gegendemonstrationen Anlaß geben könnten, was zumal
in Graz zu befürchten stand, da hier ein Comit é für eine französische Frei-
heitsfeier zu wirken versuchte -- und es ergieng an die Statthaltereien der
nachträgliche Befehl derartige Festlichkeiten nicht zu dulden. Sofort
wurde dem Vorstande des „Deutschen Volksvereins“ in Wien -- unter
dem Vorwande daß die Veranstaltung von Festlichkeiten dessen Statuten
widerspreche -- die Abhaltung eines Festbanketts untersagt. Jn den
Provinzen giengen die Behörden noch weniger schonend zu Werke; ins-
besondere that sich die Statthalterei in Graz, welche überhaupt ungemein
sensitive Nerven für freiheitliche Regungen besitzt, durch Schärfe und
Schroffheit ihrer Verbote hervor. Jn der amtlichen Zwecken dienenden
„Graz. Ztg.“ erschien sogar ein Artikel, worin die Veranstalter der deut-
schen Siegesfeier mit „Schmeißfliegen“ verglichen wurden „welche überall
ihre Brut unterzubringen suchen“ u. dgl. m., was doppelt böses Blut
machte. Die Wiener officiösen Organe wurden zwar angewiesen die Aeuße-
rungen der „Gr. Ztg.“ als nichtinspirirte hinzustellen, fanden aber für
ihre Mohrenwäsche eben nur so viel Beachtung als man officiösen Dementi's
überhaupt zu schenken pflegt. Zudem begieng dieselbe „Gr. Ztg.“ den
Fehler den in der ganzen Steiermark hochverehrten Hrn. v. Kaiserfeld,
der in Glaisdorf bei Gelegenheit einer öffentlichen Versammlung ein Miß-
trauensvotum gegen das Ministerium ausgesprochen hatte, heftig anzu-
greifen. Sie nannte ihn u. a. einen Cato, der seinem eigenen Vaterland
ein Grablied singe. So steigerte sich der Groll welcher seit geraumer Zeit
in den Gemüthern der insgemein frei= und deutschgesinnten Steiermärker
sich angesammelt und aus mancherlei Thatsachen -- wie die Ausweisung und
Mißhandlung des Schriftstellers R. Zimmermann, die Confiscation von Zei-
tungen, gesetzwidrige Preßprocesse, die Slavisirungsversuche an der Univer-
sität, die drakonische Handhabung des Vereins= und Versammlungsgesetzes ec.
-- reichliche Nahrung gezogen hatte, immer mehr, bis die letzte formell zwar
berechtigte, vom politischen Gesichtspunkt aber vielleicht überflüssige, jeden-
falls in der Praxis mit übertriebenem Eifer durchgeführte Regierungsmaßregel
dem Fasse den Boden ausschlug. Die Regierung muß viel Muth haben, weil
sie sich Tag für Tag neue Gegner heranzieht ohne sich andere vom Halse
schaffen zu können. Ob die Methode des Gesammtcabinets: gleich gewissen
Amphibien unter den Panzer der Gleichgültigkeit zurückgezogen alle Angriffe
der Presse und der Vertretungskörper über sich ergehen zu lassen, oder die Tak-
tik des Grafen Hohenwart: die Keulenschläge seiner Angreifer mit vergif-
teten Blasrohrbolzen zu erwiedern, auf die Dauer vorhalten werde, mag
die Zukunft lehren; die Lösung der Aufgaben des neuen Cabinets wird
durch solches Verhalten kaum erleichtert. Ueberschüssigen Liberalismus
haben wir -- beiläufig bemerkt -- dem neuen Cabinet nie zugetraut,
ohne es übrigens wegen dieses Mangels unbedingt zu verdammen,
weil wir die Umstände erwogen unter welchen es ins Amt trat.
Was es leisten werde, dachten wir, müsse man abwarten; man
müsse -- unbeirrt durch Kleinlichkeiten -- zusehen ob die neuen Männer
Energie genug entwickeln um auf die eine oder die andere Art den
durch bösen Willen, Unverstand, Schwäche oder Frivolität früherer Macht-
haber tief verfahrenen Staat zu „retten.“ Besonnene, scharfblickende, wohl-
meinende Beobachter österreichischer Zustände haben uns schon vor Jahres-
frist darauf vorbereitet: die einen daß der Staat Oesterreich hart am Rande
des finanziellen wie des politischen Bankerotts hinstreife, die andern daß
am Ende doch nichts anderes denn die zeitweilige Rückkehr zum „ aufge-
klärten “ Absolutismus übrig bleiben werde; sie haben auch nicht unter-
lassen die Anzeichen dieses Rückbildungsprocesses hervorzuheben. Bärge
aber auch wirklich das neue Ministerium den Absolutismus in den Falten
seiner Toga, sänne es wirklich auf eine neue Sistirungsaera, verabscheute
es wirklich nicht den Föderalismus à la Fischhof in Scene zu setzen, da es
doch einmal „so nicht fortgehen kann“ -- wem fiele schließlich die Schuld
und die Verantwortung für den Verlust der „Freiheit“ zu, als denjenigen
welche die ausgedehnteste „Freiheit“ nur dazu mißbrauchten um sich selbst
zu fröhnen und die andern in Unfreiheit zu halten! Das österreichische
Volk ist in den Tagen des Vollbesitzes der Freiheit über liberale Orgien
nicht hinausgekommen; möge es, da es in Gefahr steht um seine Freiheit zu
kommen, zu ernster, gesinnungstüchtiger Arbeit sich ernüchtern, sonst
verdient es wahrlich die Ruthe polizeilicher Bevormundung, welche ihm
die HH. Graf Hohenwart, Habietinek und Jiretschek nebst dem „großen
Unbekannten“ zu binden befleißigt sind. An warnenden Vorzeichen fehlt
es nicht. Das neue Ministerium ist der Journalistik, welche ihm freilich
über das erlaubte Maß hinaus zu Leibe und zum Theil an die persönliche
Ehre gegangen, nicht grün; Graf Hohenwart soll diese Stimmung den
Vertretern der Presse, die ihm nach seinem Amtsantritt ihre Aufwartung
machten, deutlich zu vermerken gegeben haben; das Ministerium ist sogar
des Federkriegs welchen es eine Zeitlang in seinen officiösen Organen führte
schon müde geworden, und hat an die Polizeibehörden und Staatsanwalt-
schaften Weisung erlassen den Zeitungen schärfer auf die Finger zu sehen,
und Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich dieß nicht zweimal sagen
lassen, sondern dieser Tage erst die „N. Fr. Presse“ und heute sogar die alte
„Presse“ mit Beschlag belegt, letztere angeblich wegen eines Artikels über das
Verbot der Friedensfeier. Man müßte es auch im Deutschen Reich, das
zunächst dabei interessirt ist ein starkes und zugleich freundlich gesinntes
Oesterreich zur Seite zu haben, sehr beklagen, wenn die Wiedergeburt des
österreichischen Staates und die Freiheit im Jnnern vermöge der poli-
tischen Unreife des Volkes einander ausschließen sollten. Was die
Absichten des Ministeriums hinsichtlich der inneren Verwaltung betrifft,
so heißt es: es sollen dieser Tage die meisten Statthalter und Statt-
haltereileiter, in Folge einer Berufung von Seite des Ministeriums,
in Wien eintreffen, um an den Berathungen über die in Aussicht gestellten
Regierungsvorlagen theilzunehmen und ihr Votum über die beabsichtigte
„Transaction der Landtage mit dem Reichsrath“ abzugeben.
sym13 Wien, 9 März. Ein neues Mittel gegen das Cabinet Hohen-
wart. Die „Neue Freie Presse“ hetzt heute den Grafen Beust gegen dieses
Cabinet, sie erinnert daran daß gerade sie es gewesen welche ihn bis jetzt
gehalten -- eine Thatsache die für jetzt nicht bekannt gewesen, und die
vielleicht keinem neuer sein wird als dem Grafen Beust -- und sie erwartet
als Gegenleistung seine Bundesgenossenschaft gegen das Ministerium,
welches mit dem Verbot der öffentlichen Siegesfeier auch die auswärtigen
Cirkel gestört. Daß Graf Beust auf diesen Leim gehen werde, glaube ich
nicht. Man kann verschiedener Meinung darüber sein ob es nöthig oder
auch nur opportun sei die Siegesfeier durch ein Verbot von oben herab
zum Rang eines hochpolitischen Ereignisses hinaufzuschrauben, und auch
außerhalb der nicht sehr ausgedehnten Kreise welche sich anfangs dafür er-
wärmten ihr Sympathien zuzuwenden; aber man kann schwerlich darüber
im Zweifel sein daß das neue Cabinet, dessen noch wenige Wochen alte
Erklärung: es sei mit der Richtung der auswärtigen Politik vollständig
einverstanden, noch ganz aufrecht steht, nur demonstrative Kundgebun-
gen, welche nach der einen Seite hin verletzen, gleichzeitig aber schwerlich
einem patriotisch österreichischen Gefühl entsprungen sein konnten, hat
hintanhalten, keineswegs aber nach der andern Seite hin selbst demonstra-
tiv hat auftreten wollen. -- Mit dem 1 März ist ein wesentlich erhöhter
Stand der Cavallerie eingetreten. Die Schwadron, bisher aus 99 be-
rittenen und 9 unberittenen Köpfen -- ausschließlich der Officiere ec. --
bestehend, zählt fortan 130 berittene und 13 unberittene Mann, im gan-
zen -- im Frieden und im Kriege gleich -- 175 Mann und 143 Pferde.
sym10 Wien, 10 März. Jn unterrichteten Kreisen wird die Ver-
muthung ausgesprochen daß die cisleithanischen Regierungsvorlagen die
man erwartet, soweit sie sich auf kirchliche und Verfassungsfragen be-
ziehen sollen, in nichts anderem als in bloßen Zusatzanträgen zu bestehen-
den Gesetzen und Amendirungen der Stremayr'schen Entwürfe bestehen
werden. Ausgesprochen wird diese Vermuthung zunächst deßhalb um
das Mißtrauen zu bekämpfen mit welchem man den Regierungsvorlagen
entgegensieht.
Großbritannien.
London 9 März.
Hr. Odo Russell ist von seiner Sendung in Versailles nach London
zurückgekehrt.
Man sagt: die Stimmung in England hat sich zu Gunsten Frankreichs
gewendet. Zum großen Theil, bemerkt die „Engl. Corr.,“ ist dieß aller-
dings der Fall, und die Freunde der gallischen Republik versäumen es nie
ihre Sympathie mit Deutschland bei Beginn des Kriegs als schwerwiegen-
des Argument in die Schale zu werfen, wenn immer es sich darum handelt
die Tragweite der Ereignisse seit Sedan zu erörtern. An Ausnahmen
fehlt es freilich auch nicht, und viele intelligente Engländer halten trotz
aller Anfechtung an ihrer deutsch=freundlichen Gesinnung fest. Mit großem
Vergnügen sehen wir daß auch Sir John Coleridge, der als Solicitor-
General einen hervorragenden Posten in der Regierung einnimmt, zu
dieser letzteren Classe gehört. Jn einer Rede vor seinen Wählern in Exeter
behandelte er unter anderm das Kriegsthema, und sagte: von allen in der
Geschichte verzeichneten Kriegen sei keiner so ungerechtfertigt und so ohne
Anlaß gewesen wie der Angriff Frankreichs auf Deutschland. Jeder Mann
von Gemüth müsse allerdings für das Elend des großen französischen Volks
fühlen, aber es wäre unehrlich auf seiner Seite, wenn er verschweigen
würde daß er das Resultat des Kriegs keineswegs bedaure. Die Mehrheit
der Engländer -- so fuhr der Redner fort -- war bei Ausbruch des Kriegs
auf Seiten Deutschlands, aber die Stimmung von vielen hat sich seither
gedreht. Die meinige aber -- ich gestehe dieß ein -- hat sich nicht geän-
dert. Von den Zeiten Ludwigs XIV ab war Frankreich der große euro-
päische Störefried, ich kann daher nicht bedauern daß das Götzenbild der
französischen Gloire so erbarmungslos in Stücke geschlagen worden ist. Jm
Gegentheil freue ich mich darüber, denn es ist selbst zu Frankreichs Bestem.
Man kann allerdings behaupten daß nur der Gegenstand unserer Besorg-
niß gewechselt habe, daß Deutschland in Zukunft zu der schrecklichen Geißel
werde die Frankreich in der Vergangenheit war ( Nein! nein! und ja! ja! ) ,
aber ich glaube dieß nicht. Jch fürchte nichts derart, ich habe Vertrauen
zur deutschen Geschichte und zum deutschen Volkscharakter, und meiner An-
sicht nach wird die Welt sich binnen kurzem unsäglich erleichtert fühlen, in-
dem an der Spitze des europäischen Continents eine große, tapfere und
entschlossene, aber friedlich gesinnte Nation steht, anstatt einer Nation die
gleichfalls groß, tapfer und entschlossen, aber kriegerisch, rastlos und an-
griffssüchtig ist. ( Beifall. )
Frankreich.
* Eine Beilage der „Straßburger Zeitung“ veröffentlicht eine erste
Liste derjenigen französischen Officiere welche nach Aussage von Kriegsge-
fangenen todt sein sollen, oder nach den bisher angestellten Nachforschungen
nicht haben ermittelt werden können. Die Liste ist erschreckend lang, und
wirft ein beklagenswerthes Licht auf die französischen Zustände; hatte man
ja in Frankreich nichts was nur entfernt an unsere vorzüglich eingerichte-
ten Verlustlisten erinnert. Die erste Kategorie ( todt ) enthielt verhältniß-
mäßig wenige Namen, grauenerregend zahlreich aber ist die zweite Kate-
gorie der Vermißten: wir können hier nur die höchsten Chargen erwähnen:
es sind darunter 8 Divisions=Generale, 17 Brigadegenerale, 77 Obersten,
54 Oberstlieutenants und 63 Bataillons = Commandanten. Todt sind die-
selben wohl alle, aber wo sie die tödtliche Kugel ereilte, wo sie die versöh-
nende Erde deckt, darüber werden ihre Angehörigen wohl schwerlich jemals
sichere Kunde erhalten. Wie sehr muß aber diese peinliche Ungewißheit
den Schmerz über den Verlust der Angehörigen vermehren!
Nach den Erzählungen verschiedener Deputirten welche Thiers von
Bordeaux nach Paris begleiteten, ist der Hergang bei den Unterhandlungen
folgender gewesen: Die Conferenz vom 20 Febr. war der Discussion des
Waffenstillstandes, seiner Dauer, seinen möglichen Folgen vollstän-
dig gewidmet. Diese Sitzung dauerte beinahe drei Stunden, und man
trennte sich ohne die Frage berührt zu haben von welcher das Schicksal
Frankreichs abhieng. Am Dienstag entrollte Graf Bismarck vor den Augen
unseres Unterhändlers die Karte unserer Gränze, von welcher das Elsaß
und ein großer Theil Lothringens, seine Hauptstadt Nancy mitinbegriffen,
losgetrennt war. Die Geldentschädigung betrug sechs Milliarden. Die
lebhafteste Discussion erhob sich über die unmöglichen Bedingungen, dictirt,
wie es scheint, von der deutschen Militärpartei, welche unter ihren Führern
die HH. v. Moltke und v. Roon zählt. Der Reichskanzler vertheidigte diese
übermäßigen Forderungen mit der Geschicklichkeit und Hartnäckigkeit deren
er fähig ist, und nach fünfstündiger Discussion trennte man sich ohne etwas
beschlossen zu haben. Das nämliche war am Mittwoch der Fall, und man
kam überein am Donnerstag einen Ruhetag zu halten. Die Unterhand-
lungen wurden am Freitag wieder aufgenommen. Dießmal dauerten sie
bis 10 Uhr Abends. Als die HH. Thiers und Favre die preußischen Linien
durchschreiten wollten, ließ man sie in Anbetracht der späten Stunde nicht
durch, und man war genöthigt eine Estafette nach Versailles zu senden um
einen speciellen Befehl zu erlangen. Hr. Thiers hatte endlich die gegen-
wärtigen Gränzen des Vertrags erlangt welche uns Nancy und vier Fünf-
tel von Lothringen lassen; außerdem war die Entschädigung von 6 auf 5
Milliarden reducirt worden. Nach dem Ministerium des Aeußern zurück-
gekommen, wo die Commission der Fünfzehn seiner wartete, theilte Hr.
Thiers denselben den Vertrag mit, und brach in Thränen aus. Er errang
einen großen Sieg, indem er dem Feind einen Theil seiner Beute entriß,
gegen den man nicht mehr mit den Waffen kämpfen konnte; aber wie pein-
lich und betrübend war dieser Sieg! Am Sonntag Morgen wurde der
Vertrag endlich in Versailles unterzeichnet. Hr. Thiers, gebrochen durch
Ermüdung und Schmerz, hatte sich kaum zu Bette gelegt, als man ihn
weckte um ihm von den bedauernswerthen Scenen an der Bastille Kennt-
niß zu geben. Der Chef der Executivgewalt blieb die Nacht über auf um
über die Ruhe von Paris zu wachen; am Montag Abends konnte er nach
Bordeaux abreisen, und nach einer weitern ruhelosen Nacht trat er vor die
Versammlung um sie um ihr Votum zu bitten.
Aus Versailles, 7 März, meldet der „Daily Tel.:“ „Die Abreise des
Kaisers fand in aller Stille statt. Die Stunde war den französischen Behörden
gegenüber geheim gehalten worden, und nur ein paar hundert Einwohner
von Versailles hatten sich vor der Nouvelle Préfecture versammelt, um den
Monarchen scheiden zu sehen, der seit fünf Monaten unter ihnen gelebt hat.
Eine Menge deutsche Officiere jedoch hatten sich eingefunden, und als der
Kaiser mit seinem Wagen unter dem Bogengang hervorkam, wurde er
mit begeistertem Hoch empfangen. Die Officiere, in voller Gala=Uniform,
schwenkten ihre Helme und Federbüsche in der Luft, und riefen „Es lebe
unser Kaiser, hoch!“ Von der Präfectur bis zum Stadtthore waren die
Straßen von Truppen, die mit ihren Seitengewehren bewaffnet, einge-
faßt. Der Kaiser, in einfacher Feldmütze und Pelzrock, stieg Punkt8 3 / 4
Uhr in den offenen von vier Pferden gezogenen Wagen, und sobald er
die Stadt verlassen, wurde die deutsche Flagge auf dem Präfecturgebäude
eingezogen; bald darauf wurde die französische Flagge an ihrer Statt
aufgehißt. Eine Abtheilung deutscher Soldaten gieng indessen sofort
um die Tricolore einzuziehen, und diese verschwand denn auch bald, nach-
dem sie etwa eine halbe Stunde lang über dem Gebäude geweht hatte.
Ein Besuch in den Räumen welche der Kaiser, sein zahlreicher Stab
und die Mitglieder des Hofhaltes so lange Zeit innegehabt hatten, zeigte keinen
sehr glänzenden Anblick. Mit Ausnahme der drei Zimmer welche der Kaiser
selbst innegehabt hatte -- ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer und ein An-
spruchszimmer, alle im linken Flügel, die in guter Ordnung waren -- sah
es in den kostbaren Räumlichkeiten, die erst kurze Zeit vorher mit einem
Kostenaufwand von 20,000 Pf. St. restaurirt worden waren, sehr traurig
aus. Zerstört war kaum etwas worden, aber fast alles war ganz verdorben.
Die Bewohner von Versailles zeigen nur wenig Jubel ob der Abreise des
Kaisers und des Kronprinzen, welche beide von allen Classen der Bevölke-
rung in hohem Ansehen gehalten wurden. Auch scheint der bevorstehende
Abzug der Garnison sie nicht sonderlich zu erbauen, denn diese hat während
der Besetzung ungeheuer viel Geld in der Stadt verzehrt.“
General Cremer, von dem seiner Zeit viel die Rede war, hat nun
von seinen Truppen mit folgenden Worten Abschied genommen: „ Sol-
daten! Lothringer und Elsäßer! Jch sage euch Lebewohl, ich bin nicht
mehr euer General. Der berühmte General Lefl ô, Minister dessen was
man sonst den Krieg nennt, hat mich so eben durch den berühmten General
de Polhès, einen der Sieger von Mentana, ersetzt. Jch bin das Opfer
bonapartischer, klerikaler und legitimistischer Jntriguen. Man hat mich
verurtheilt ohne mich zu hören. Eure Brüder, eure Kinder werden die
preußischen Zeichen und Borten tragen, die Vettern Bismarcks werden
euren Schwestern zulächeln. Wir müssen bleiben was wir sind. Lebt
wohl, nein, nicht lebt wohl, sondern nur auf Wiedersehen! Wie ihr, bin
ich Republicaner, ich habe einen Carabiner, ihr habt die eurigen. Jm
Augenblick der Gefahr werdet ihr mich an eurer Seite finden um den Ein-
brecher zu bekämpfen, wenn nicht als euer Befehlshaber, so doch als Sol-
dat. Brüder! man verläßt uns, nur wir können uns allein vertheidigen
Schwören wir alle Tod den Preußen, Tod den Verräthern und den Feigen
welche uns verrathen und preisgegeben haben. Es lebe die Republik!
Tod den Preußen und den Feigen!“
Aus Bordeaux wird dem „Rappel“ von einem ernstlichen Streite
berichtet der zwischen dem Kriegsminister Lefl ô und dem General Ducrot
in einer der Abtheilungen stattgefunden haben soll. „Anlaß dazu,“ schreibt
man dem radicalen Pariser Blatt, „gaben die Unordnungen in Paris.
Lefl ô, deßhalb interpellirt, erklärte daß sie viel weniger ernsthaft seien als
man in Bordeaux glaube. General Vinoy habe indeß Verstärkungen ver-
langt um jeden Jnsurrectionsversuch unterdrücken zu können. Der General
habe diese auch erhalten; man habe ihm aber vorgeschrieben sich streng auf
der Defensive zu verhalten, und nur im äußersten Nothfall von der Gewalt
Gebrauch zu machen. Die Rathschläge zur Mäßigung, welche von der
Mehrheit der Bureaux gutgeheißen wurden, waren jedoch nicht nach dem
Geschmack des Generals Ducrot, der sich mit Wuth erhob um gegen die
Sprache des Ministers zu protestiren. Jhm zufolge hat die Regierung
keine Schonung gegen die unregierbare Pariser Bevölkerung zu beobachten.
Er drückte sich mit höchster Verachtung über die 300,000 Pariser National-
garden aus, und verlangte daß man ganz Frankreich von den unverbesser-
lichen Revolutionären, den Meuterern von Profession und den Barricaden-
helden reinige. „Es ist Zeit“ -- so schloß Ducrot -- „daß man diesem
unerträglichen Zustand ein Ziel setzt. Man sollte es nicht glauben, aber
das Departement welches mich gewählt hat einen ehemaligen Transpor-
tirten als Präfecten.“ Peyrat ( Redacteur des „Avenir National“ ) warf
hier ein daß die Eigenschaft eines ehemaligen Transportirten ein Ehrentitel
sei, und ruft dabei das Zeugniß des Hrn. Lefl ô ( Kriegsministers ) und Baze
( Quästor ) an, welche alle beide der Staatsstreich aus Frankreich verbannt
habe. Baze machte ein verlegenes Gesicht. Lefl ô aber sagte: er rechne es
sich zum Ruhm an daß das Kaiserreich ihn in die Acht erklärte. Was die
Worte Ducrots anbelangt, so bedauert der Kriegsminister dieselben, und
zwar um so mehr als er die Absicht gehabt ihm das Obercommando
über die Lyoner Armee anzuvertrauen. Ducrot sprang bei diesen Worten in
die Höhe und, mit der Faust auf den Tisch schlagend, erklärte er: daß er einer
Regierung nicht dienen werde in welcher sich Jules Simon, Jules Favre
und General Lefl ô befänden. Nach diesen Worten verließ er den Saal.
Jn Bordeaux machte die Sache Aufsehen, und das große Publicum ist
sehr aufgebracht über den General Ducrot. Man glaubt außerdem daß
dieser General, der bekanntlich auf seine Eide keine großen Stücke hält,
nur so reactionär auftritt um sich bei der Mehrheit in der Absicht populär
zu machen eine Rolle zu spielen, wenn diese die Republik über den Haufen
werfen will.“
*Sitzung der Nationalversammlung vom 7 März
Präsident Hr. Grévy. Die Sitzung wird um2 3 / 4 Uhr eröffnet. Nach
Verlesung des Protokolls verliest der Präsident ein Schreiben Jules
Favre's, wonach er für die Rhone annimmt. Bénoist d'Azy nimmt für
Nièvre an. Der Präsident verliest hierauf folgendes Schreiben von Glais-
Bizoin: „Hr. Präsident! Jn der Sitzung vom 4 März hat Hr. Lorgeril
erklärt daß er einen Antrag einbringen werde, dahin gehend die Mitglieder
der Regierungsdelegation von Bordeaux in Anklagestand zu versetzen. Es
darf keinem Abgeordneten gestattet sein unwahres zu sagen. Jm Namen
der Ehre fordere ich Hrn. Lorgeril auf sein Wort zu halten, das er ver-
gessen zu haben scheint. Gez. Glais=Bizoin.“ Hr. Lorgeril: Hr. Glais-
Bizoin, welchen ich gut kenne, muß wissen daß ich nie zurückweiche wenn
ich einen Schritt vorwärts gemacht habe. Der fragliche Antrag wird ein-
gebracht werden, und in diesem Augenblick beschäftige ich mich mit der
Abfassung desselben; da aber die Liste der Unregelmäßigkeiten lang ist,
so verlange ich einen kleinen Aufschub. Hr. Germain lenkt die Auf-
merksamkeit der Kammer auf den unregelmäßigen Vorgang kraft dessen
die Regierung Geld bei der Bank entlehnt, und verlangt daß man
zum gesetzlichen Zustand zurückkehrte. Er verlangt ferner daß die Regierung
keine 3procentige Rente mehr verkaufe ohne Ermächtigung der Kammer,
da dieß den Credit des Landes schwäche. Hr. Jules Simon sagt daß die
Regierung gegenwärtig damit beschäftigt sei alle Dinge in den regelmäßi-
gen Stand zurückzuführen. Er verlangt daß die Minister von nun an
über die Fragen in Kenntniß gesetzt werden welche man an sie stellen wolle.
Ein Mitglied legt einen Gesetzentwurf über möglichst schnelle Reorgani-
sation der städtischen Verwaltung vor. Es werden noch Entwürfe über
Unterdrückung der von Gambetta eingesetzten städtischen Commissionen,
über möglichst schnelle Vergütung der Kriegsschäden und Contributionen,
über Schöpfung eines Ackerbauministeriums eingebracht. Es folgen sodann
Wahlprüfungen, welche kein weiteres Jnteresse bieten.
Wie der „Soir“ mittheilt, wird in nächster Woche eine Broschüre von
Gambetta erscheinen, worin er sämmtliche vertrauliche Depeschen veröffent-
licht die zwischen ihm und der Pariser Regierung gewechselt wurden.
Niederland.
.//. Haag, 8 März. Kürzlich erwähnte ich eine von der Amsterda-
mer Handelskammer an die Regierung gerichtete Adresse, in welcher die-
selbe gebeten wurde bei der Londoner Conferenz die Frage des Privat-
eigenthums zur See, beziehungsweise der Kriegscontrebande, anzuregen.
Die betreffende Handelskammer verlangte nämlich die Conferenz solle das
Princip der Unverletzbarkeit des Privateigenthums in Kriegszeiten auf-
stellen, und zugleich ausdrücklich bezeichnen was unter Kriegscontrebande
zu verstehen sei. Wie nun verlautet, hat die hiesige Regierung so eben in
Berlin beantragt: die betreffenden Fragen nicht auf der Londoner Conferenz,
sondern in der nächstens in Brüssel zu eröffnenden Versammlung der im §. 4 der
Friedenspräliminarien bezeichneten Commission zu erledigen, und die preu-
ßische Regierung habe sich damit einverstanden erklärt. Jn dieser Fassung
ist die Nachricht wohl nur cum grano salis aufzunehmen. Der diesseitige
Gesandte in Berlin hat zwar die in Rede stehende Angelegenheit bei Hrn.
Delbrück angeregt, doch ist darum die Behandlung derselben in der Brüsse-
ler Versammlung keineswegs gesichert. Wenn es aber auch der Fall
sein sollte, wird höchstens das Princip der Unverletzlichkeit des Pri-
vateigenthums in Kriegszeiten in den zu vereinbarenden endgültigen Frie-
densvertrag aufgenommen werden, ähnlich wie 1856 auf dem Pariser Con-
greß es hinsichtlich des Princips geschah daß die Flagge die Ladung deckt.
Sämmtliche Mächte sollen alsdann später zum Beitritt eingeladen werden.
Hr. Delbrück glaubt in Betreff der Frage des Privateigenthums keinem
wesentlichen Widerstand von Seiten der Großmächte zu begegnen, Eng-
land etwa ausgenommen; doch ist zu erwarten daß sich die brittische Re-
gierung durch das Beispiel Amerika's, welches sich bekanntlich schon früher
zu Gunsten des betreffenden Princips aussprach, ebenfalls zum Beitritt
bewegen läßt. Was speciell Preußen betrifft, so hob Hr. Delbrück hervor
daß das Berliner Cabinet bereits im Anfange des deutsch=französischen
Kriegs mit dem Antrage hervortrat: das Princip der Unverletzlichkeit des
Privateigenthums möchte von beiden kriegführenden Parteien in Anwen-
dung gebracht werden, doch wurde dieser Vorschlag von Seiten Frankreichs
zurückgewiesen. Weit schwieriger aber wird es nach Ansicht des Hrn. Del-
brück sein ein Einverständniß hinsichtlich der Kriegscontrebande zu erzielen,
indem die Meinungen über die Gränze derselben zu weit auseinander-
gehen. -- Bezüglich des Plans der diesseitigen Regierung, die niederlän-
dischen auf der Küste von Guinea belegenen Colonien an England zu über-
lassen, erfahre ich daß ein dahin zielender Staatsvertrag vor einigen Tagen
von beiden Mächten unterzeichnet wurde. Die Colonien welche Holland
auf der Küste von Guinea besitzt, haben eine Gesammtoberfläche von 500,3
geographischen Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 110,000 Seelen.
Spanien.
⇄ Madrid, 5 März. Der Bund zwischen Carlisten und Repu-
blicanern für die in dieser Woche stattfindenden Corteswahlen ist von den
Ausschüssen der größeren Städte, namentlich Madrid, besiegelt worden.
Nur an einzelnen Orten können sich die vieljährigen Feinde, welche sich
so oft nicht bloß mit dem Wahlzettel, sondern mit dem Gewehr oder Messer
gegenüber gestanden, nicht entschließen jetzt auf einmal Arm in Arm zu
gehen. Ungeheuerlich genug ist auch dieser Bund zwischen Atheisten, die
von der Kirche excommunicirt worden, und Neokatholiken, zwischen den
Anhängern der Religionsfreiheit und denjenigen der Glaubenseinheit,
zwischen den Vertheidigern des göttlichen Rechts und denjenigen des all-
gemeinen Stimmrechts. Die Republicaner schöpfen aufs neue die Hoffnung:
in Frankreich werde sich die Republik erhalten, und ihnen, wenn sie auch
nicht unmittelbare Propaganda mache, einen gewissen moralischen Beistand
leihen. Gegen die Carlisten, welche sich an der französischen Gränze rühren,
ist die Regierung, mit gutem Grunde, wohl auf der Hut. Olózaga scheint
neuerdings bei Thiers durchgesetzt zu haben daß die carlistischen Verschwörer
welche sich längs der Pyrenäen herumtreiben internirt werden. Diese
würden ihre Sache schon für halb gewonnen halten wenn sie sich durch
einen kecken Handstreich nur eines festen Punktes im Norden bemächtigen
könnten der sich ein paar Monate halten ließe. Es ist unläugbar daß es
sogar in der Hauptstadt, wo bisher die Republicaner geringeren Halt als
in den andern großen Städten des Landes fanden, und wo die Carlisten
vollends sich kaum öffentlich zeigen können, den vereinten Bemühungen der
beiden gelungen ist eine für die königliche Regierung sehr unangenehme
Atmosphäre zu schaffen. Hierin werden sie freilich auch getreu von den
Moderados unterstützt. Namentlich die adelige Frauenwelt thut sich
durch Kundgebungen gegen Amadeo und für die alte Dynastie hervor;
die bourbonische Lilie wird, wo es nur möglich ist, in den Empfangssälen
als Zierrath angebracht, und die Generale welche ins Gefängniß wandern
müssen, weil sie sich weigern dem neuen König zu huldigen, sind der Gegen-
stand der ausgezeichnetsten Ehrenbezeugungen. Jm Volke selber herrscht
begreiflicherweise wenig Theilnahme für das Loos der bourbonischen Ge-
nerale; aber es macht denn doch Eindruck wenn ein General Cheste den Helden
der September=Revolution, Serrano, in den öffentlichen Blättern zur ge-
wissenhafteren Handhabung der Menschenrechte auffordert. Und jedermann
der nicht unbedingt zur Regierung gehört, findet die Undankbarkeit derjenigen
etwas stark die sich vom Herzog von Montpensier die Mittel zu ihrer
Revolution geben ließen, um sich seiner sodann in so summarischer Weise
zu entledigen. Es ist anzunehmen daß die Regierung, als sie die allge-
meine Aufregung wahrnahm, gern ihre Schritte zurückgethan hätte;
aber der König konnte nicht wohl ein Decret wieder aufheben unter wel-
ches er bereits seinen Namen gesetzt hatte. Man spricht immer wieder
davon daß er das Leben und Treiben in Madrid genug habe, und sich nach
Hause sehne; daß er fortgehe, wenn die Regierung nicht bei den Wahlen
entschieden siege, gilt so ziemlich für ausgemacht. Die Mächte würden
ihn aber wohl in ähnlicher Weise wie den Fürsten Karl in Bukarest zu
halten suchen. Fallen die Wahlen günstig aus, so wird die Königin ohne
Verzug genesen und hierher kommen. Das Junggesellen=Leben des Königs
in den weiten Räumen des Palacio Real macht einen ungemein trübseligen
Eindruck, und es ist zu erwarten daß mancher Residenzler sich zu bessern
Gesinnungen bekehren werde wenn einmal Bälle und Empfangsabende
bei Hof stattfinden können. -- Der deutsche Gesandte v. Canitz hat dem
König Amadeo die Schreiben durch welche er als außerordentlicher Ge-
sandter des deutschen Reichs beim Madrider Hof beglaubigt wird in
feierlicher Audienz überreicht. Der König drückte die Hoffnung aus daß
die Freundschaft zwischen Spanien und dem großen deutschen Volk immer
wachsen werde.
Jtalien.
sym7 Florenz, 8 März. Die Gefahr eines neuen punischen Kriegs
zwischen dem König von Jtalien und dem Bey von Tunis ist für dießmal
glücklich abgewandt. Der Minister Visconti = Venosta und der tunisische
General Hussein haben einen Vertrag unterzeichnet, worin den beschädig-
ten italienischen landwirthschaftlichen Unternehmungen eine aus der tunisi-
schen Staatscasse zu zahlende Entschädigung zugesichert wird. -- Die Kam-
mer ist mit der Berathung des Gesetzentwurfs über die mit Oesterreich ab-
geschlossenen finanziellen Conventionen noch nicht fertig geworden. Zwar
die Genehmigung der Conventionen unterliegt keinem Zweifel; es fragt
sich nur ob in den die Genehmigung aussprechenden Gesetzentwurf ein Zu-
satzartikel aufgenommen werden soll welcher die Forderungen und Rechte
der durch die Kriege von 1814, 1815, 1848, 1849, 1859 und 1866 beschä-
digten Lombarden und Venetianer wahrt. Die Sache ist schon mehrfach
im italienischen Parlament zur Sprache gekommen, und die italienische
Regierung hat es nicht an dem wiederholten Versprechen fehlen lassen daß
den Gemeinden und Jndividuen welche in den gegen Oesterreich geführten
Kriegen Schaden gelitten haben, derselbe von Staatswegen ersetzt werden
solle. Allein die Versprechungen sind nicht gehalten worden, und auch
jetzt wieder erkennt zwar der Finanzminister einen Theil der erhobenen
Ansprüche im allgemeinen als berechtigt an, will aber von einer Wahrung
dieser Rechte in Form eines Gesetzartikels nichts wissen. -- Es ist bezeich-
nend daß in dem gegenwärtigen Augenblick, da das Parlament sich mit
den Garantien für die Sicherheit des Papstes und der Kirche beschäftigt,
die öffentliche Meinung ein bei weitem regeres Jnteresse nimmt an den
Garantien welche die Sicherheit Jtaliens in einem starken und wohlbe-
waffneten Heer und in tüchtigen Festungen finden würde. Alle Welt
scheint zu fühlen daß die militärische Macht Jtaliens für die weitere Ent-
wicklung der römischen Angelegenheit von größerm Belang ist als ein Ge-
setz an welches die Gesetzgeber selbst nicht glauben. Der Senat wird sich
demnächst mit dem von dem Kriegsminister vorgelegten Entwurf über die
Reorganisation der Armee beschäftigen. Gemäß diesem Entwurf würde
die Dienstzeit von elf auf acht Jahre herabgesetzt, von welchen im Frieden
drei Jahre effectiv unter den Fahnen zu verbringen wären; das jährliche
Contingent betrüge 55 -- 60,000 Mann ( gegenwärtig beträgt es nur 40
bis 45,000 ) . Der Ausschuß für die Landesvertheidigung, ein in Turin
residirender, aus hohen Officieren zusammengesetzter Körper, hat einen
Plan für ein vollständiges die ganze Halbinsel umfassendes System von Fe-
stungswerken ausgearbeitet. Die Ausführung des ganzen Systems würde
eine Gesammtausgabe erfordern welche weit über die gegenwärtigen Kräfte
der Staatsfinanzen geht; sie ist auf 350 Millionen veranschlagt. Die
Regierung will sich aber für jetzt begnügen mit einer auf 3 bis 4 Jahre
zu vertheilenden Summe von 150 Millionen, für welche sie die als am
dringlichsten erkannten Werke auszuführen gedenkt. Diese Werke sind:
die Befestigung der Alpenübergänge, die Ausdehnung der Befestigungen
von Alessandria, die Befestigung der Häfen von La Spezia und Civita-
vecchia, endlich die Befestigung von Rom, für welch letztere allein 40 bis
50 Millionen verwendet werden sollen. Gegen die Befestigung von Rom
erheben sich indeß zahlreiche Stimmen.
Verschiedenes.
: München, 10 März. Der hiesige Frauenverein hatte bis zum
Schlusse vorigen Monats eine Einnahme von 108,414 fl.; die Ausgaben be-
liefen sich auf 105,969 fl. Die großartigen Leistungen dieses Vereins erhellen
wenn wir beispielsweise anführen daß von Ende Juli bis letzten December
vorigen Jahrs allein 20,892 Hemden und 16,521 Beinkleider in dem Vereine
gefertigt und abgeliefert wurden.
Bonn, 9 März. Die „Bonner Ztg.“ veröffentlicht folgendes Schrei-
ben Sr. Maj. des Deutschen Kaisers an den Legationsrath v. Reu-
mont in Bonn: „ Ferrières, 8 März. Erst jetzt, nachdem der Friede
gesichert ist, vermag Jch Jhnen Meinen aufrichtigen Dank für Jhr Glückwunsch-
schreiben auszusprechen. Großes, kaum geträumtes, ist errungen: was dem
Bruder nicht beschieden war zu erreichen, was er als eine Lebensaufgabe
betrachtete und was Jch in Demuth hinnehme, war Gottes Wille.“
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Berlin, 9 März. Die Börse war zwar auf internationalem Gebiete fest,
zum Theil auch höher, blieb aber ohne Anregung; in Franzosen, Lombarden,
Credit wurde zwar am meisten gehandelt, doch sind auch sie nicht eigentlich belebt
zu nennen; Rumänier wurden in Posten gehandelt, waren aber niedriger. Ziem-
lich fest bei stillem Verkehr waren Eisenbahnen; Schweizer Westbahn belebt und
höher, auch Warschau Wiener belebt. Banken tendenzlos. Jnländische und deutsche
Fonds waren mäßig belebt. Jnländische Prioritäten fest, 5proc., 4 und4 1 / 2 proc.
in gutem Verkehr; neu an den Markt kamen zu 89 bis 90 Thüringer 5. Em.,
und giengen in Posten um; im ganzen erhielt sich auch gute Nachfrage nach den
Prioritäten, namentlich waren die bisher vernachlässigt gewesenen 5proc. ostpreu-
ßische Lit. B. gesucht, und wurden 1 / 2 höher bezahlt. Oesterreichische und russische
still; amerikanische matt. Oldenburger Prämienanleihe37 3 / 8 Geld. Ungarische
Loose 51 Br. Von russischen Fonds waren neue Prämienanleihe ausgeboten und
blieben zur Ziehung übrig; alte gefragt; neue Bodencredit und 1870er englische
sehr belebt; neue Anleihe war stark über dem Emissionscurs gefragt. Wechsel
waren ziemlich belebt und großentheils höher.
Frankfurt a. M., 10 März. Württ. 5proc. Oblig 100 bez.;4 1 / 2 proc.
94 3 / 8 bez.; 4proc.87 1 / 4 G.;3 1 / 2 proc. 84 G.; bad. 5proc. Obl. 100 bez.;
4 1 / 2 proc.94 3 / 4 bez.; 4proc.88 1 / 2 bez.;3 1 / 2 proc.83 1 / 4 G.; pf. Max=B111 1 / 2 bez.;
4proc. hess. Ludwigs=B. 142 G.; bad. 35fl=L. 60 bez.; kurh. 40Thlr.=L.64 1 / 2 bez.;
nass. 25fl.=L.37 1 / 4 bez.; gr. hess. 50fl=L.169 1 / 2 P.; 25fl.=L. 49 P.; Ausbach-
Gunzenh. 7fl=L.12 1 / 8 G; Pistolen fl. 9 45--47; doppelte fl 9.46--48; preuß.
Friedrichsd'or fl 958 1 / 2 --59 1 / 2; holl. 10fl.=St. fl. 9.54--56; Ducaten fl. 5 36--38;
Ducaten al marco fl. 5 37--39; Napoleonsd'or fl. 926 1 / 2 --27 1 / 2; engl. Sover.
fl. 11.53--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgen. )
Brüsseler Loose von 1862. Ziehung. 1 März Haupttreffer: Nr. 172,211
à 40,000 Fr. Nr. 222,135 à 5000 Fr. Nr. 18,499, 114,314, 235,534
à 1000 Fr. Nr. 42,607, 45,429, 46,620, 97,671, 160,169, 164,652, 189,530,
247,288 à 500 Fr. Nr. 40,671 à 231 Fr.
Rumänische Eisenbahn=Coupons. Die von der rumänischen Kammer
eingesetzte Enqu ê te=Commission in Augelegenheiten des fälligen rumänischen Eisen-
bahn=Coupons erklärt nach einer der „B. B.=Z.“ zugegangenen Depesche in ihrem
Bericht: „Die Ernennung Ambronns zum Regierungscommissär sei illegal ge-
wesen; der Text auf den Obligationen sei nicht conform mit der Concessions-
Urkunde; die Regierung habe keinerlei directe Verbindlichkeit gegen die Obligations-
Besitzer, solange sie noch nicht die vollendeten Bahnstrecken übernommen, und sei
daher auch nicht zur Zahlung des Januar Conpons verpflichtet.“
Neueste Posten.
Bordeaux, 8 März. Ein Decret der Regierung genehmigt den
Fortbestand der seit der Veröffentlichung des Decrets vom 5 Oct. 1870
neugebildeten noch bestehenden 7 Marschregimenter. Ein anderes Decret
verfügt die Auflösung der Stäbe der Nordarmee, der Vogesen=Armee, der
zweiten Armee, des 25. Armeecorps, des in Havre stehenden Armeecorps,
der in der Bretagne, dem Departement Aisne und Savoyen befindlichen
Truppenkörper, sowie aller Jnstructions= und strategischen Lager. ( T. N. )
Bordeaux, 8 März. Jn der Versammlung beantragt Tolain die
Abschaffung der Art. 291 und 292 des Strafgesetzbuchs, sowie die des Ge-
setzes von 1834 über die Associationen, indem er anführt daß die Ver-
sammlung der Jnternationale kürzlich zu Bordeaux verboten worden ist.
Er fragt: was die Absicht der Regierung in dieser Beziehung sei? Jules
Simon antwortete: die Regierung habe gemäß den bestehenden Gesetzen
gehandelt, welche die Versammlung allein abändern oder aufheben könne.
Floquet ist erstaunt über diese Antwort; er habe geglaubt die Regierung
habe in Theorie und Praxis sich von solchen Gesetzen losgesagt. Er meint:
es könne über solche imperialistische Maßregeln kein Zweifel sein, und führt
die von der Regierung der Nationalvertheidigung als praktisch erklärte
Doctrin an. Dufaure gibt die Theorie Floquets nicht zu; die Haltung der
Regierung während der Belagerung habe in keiner Weise ein Verlassen
der formellen Gesetze vorausgesetzt. Tolain bestätigt: es sei notorisch daß die
Regierung der Nationalvertheidigung wiederholtermaßen erklärt habe die
fraglichen Artikel seien abgeschafft. Jn Beantwortung der Anfrage von Ger-
main läugnet Thiers daß die Regierung von Anleihen bei der Bank lebe.
Die gegenwärtige Regierung habe nur einen Vertrag mit der Bank schon
vor zwei Monaten über 400 Millionen gemacht, welche baldigst emittirt
werden würden. Es werde fernerhin nichts ohne Zustimmung und Mit-
wirkung der Versammlung geschehen. Thiers drängt darauf daß das Gesetz
über die Verlängerung der commerciellen Verfalltermine auf die Tages-
ordnung komme, weil es von äußerster Dringlichkeit sei. ( T. N. )
Lille, 9 März. Die Arbeitseinstellung in Roubaix dauert fort.
Heute wurden einige Gewaltthätigkeiten verübt, und die Gendarmen mit
Steinen angegriffen. ( T. N. )
Madrid, 8 März. Bei den heutigen Wahlen erhielten bei Bildung
der Wahlbureaux zu Madrid die Ministeriellen die Mehrheit; nach vor-
läufiger Schätzung dürfte, mit Ausnahme der Antillen, das Gesammt-
ergebniß 250 Ministerielle und 120 Oppositionelle betragen. ( T. N. )
Madrid, 9 März, Die Bildung der Wahlbureaux, soweit be-
kannt, hat ergeben: von den Präsidenten in den Provinzen sind 1080 ministe-
riell und 648 oppositionell, von den Secretären 4227 ministeriell und 2612
oppositionell. Jn Madrid sind 77 Präsidenten und 240 Secretäre mini-
steriell, 23 Präsidenten und 160 Secretäre oppositionell. ( T. N. )
Florenz, 9 März. Die Königin von Spanien hat sich gestern
Abends von Oneglia nach Spanien eingeschifft. Die Kammer hat heute
die Verhandlungen über das päpstliche Garantiegesetz wieder aufgenom-
men. ( T. N. )
PROSPECTUS.
Kaiserlich Russisches
Staats-Anlehen.
Emission von Zwölf Millionen Pfd. Sterl. Nominal=Capital
in 5procent. consolidirten Obligationen vom Jahre 1871.
Seine Majestät der Kaiser von Rußland haben durch Ukas vom { 17 Februar-1 März } 1871 die kaiserliche
Staatsregierung zur Gründung und Emission dieser 5procentigen Obligationen ermächtigt, zum Zwecke der Verstärkung
des Eisenbahnfonds für die Vollendung und den Ausbau der Staats=Eisenbahnen, wie auch zur künftigen Ent-
wicklung des Eisenbahn=Netzes des Kaiserthums in Gemäßheit der den nachbenannten Eisenbahn = Gesellschaften,
nämlich: Moskau=Brest, Riga=Bolderad, Poti=Tiflis und Tambow=Saratow=Odessa, ertheilten Concessionen.
Die Bankhäuser N. M. Rothschild & Söhne in London und Gebrüder v. Rothschild in Paris
sind von der kaiserl. russischen Staatsregierung zur Negociation des Verkaufs der besagten Obligationen ermächtigt.
Die Obligationen lauten auf den Jnhaber in Stücken von Pfd. Sterl. 50, Pfd. St. 100, Pfd. St. 500
und Pfd. St. 1000; eine jede derselben ist mit halbjährigen Zinsabschnitten versehen, fällig am 1 September und
1 März neuen Styls in jedem Jahre, und bei den Bankhäusern
N. M. Rothschild & Söhne zu London, in Pfund Sterling, )
Gebrüder v. Rothschild zu Paris, ) zu den Tagescursen
M. A. v. Rothschild & Söhne zu Frankfurt a. M. ) der Wechsel auf
und den später zu bezeichnenden Bankhäusern zu Berlin und Amsterdam, ) London.
in St. Petersburg bei der Staatsbank )
zahlbar gestellt.
Die Heimzahlung der Obligationen erfolgt al pari während 81 Jahren durch einen Tilgungsfonds, mittelst
jährlicher Verloosungen. Die erste Verloosung findet am 1 März 1873 statt, die Rückzahlung 6 Monate nachher.
Der Emissionspreis ist81 1 / 2 Procent ( Pfd. St.81 1 / 2 für jede Pfd. St. 100 Capital ) zahlbar
wie folgt:
5 Procent bei der Anmeldung,
15„„ „ Zutheilung,
15„am 15 April 1871,
15„am 2 Juni 1871,
15„am 25 Juli 1871,
16 1 / 2 „am 3 October 1871.
-----
81 1 / 2 Procent.
Der Coupon für die erste Zinsrate, fällig am 1 September 1871, wird dem Jnterimschein selbst bei-
gefügt sein.
Wer nicht die sämmtlichen Terminzahlungen leistet, wird aller schon bezahlten Raten verlustig.
Die Unterzeichner können die noch zu entrichtenden Ratenzahlungen an jedem der ausgeschriebenen Einzah-
lungstermine mit Abzug von 4 Procent per Annum Disconto anticipiren.
Bei den Anmeldungen ( welche in der hier unten angegebenen Form eingereicht werden müssen ) für Obli-
gationen dieses Anlehens ist eine Caution von 5 Procent des Nominalbetrages der Anmeldungssumme zu hinter-
legen. Erfordert die Zutheilung nicht den ganzen Betrag des Depositums, so wird der Ueberschuß zurückgegeben;
wäre das Depositum unzureichend für die erste Einzahlung auf den zugetheilten Betrag, so ist das Fehlende unver-
züglich nachzuzahlen.
Ueber die Einzahlungen werden Jnterim = Certificate ausgestellt welche nach erfolgter letzten Einzahlung
gegen die definitiven Obligationen umgetauscht werden sobald die kaiserliche Regierung die letzteren zu Handen
gestellt hat.
Die Unterzeichnung wird gleichzeitig in London, Frankfurt a. M., Berlin und Brüssel eröffnet.
Das unterzeichnete Bankhaus beehrt sich demzufolge anzuzeigen daß in seinem Bureau die Anmeldungen bis
zum Dienstag den 14 Märzc., Nachmittags 5 Uhr, entgegengenommen werden -- doch behält sich dasselbe vor die
Subscription auf dieses Anlehen auch schon vor Ablauf dieses Zeitraums zu schließen.
Frankfurt a. M., im März 1871.
M. A. v. Rothschild & Söhne.
Subscriptions - Anmeldung.
Auf Grund des vorstehenden Prospectus subscrib............... d........... Unterzeichnete.............................. * )
von den bei dem Bankhause M. A. v. Rothschild & Söhne in Frankfurt a. M. aufgelegten 5procentigen consolidir-
ten Obligationen von 1871 des kaiserlich russischen Staats - Anlehens von Zwölf Millionen Pfund Sterling den
Nominal = Betrag von
L. Sterling
und verpflichte....... sich demgemäß zu deren Abnahme oder zu der Abnahme desjenigen geringeren Betrages
welcher............... von Seiten des Bankhauses M. A. v. Rothschild & Söhne auf Grund............... Anmeldung
zugetheilt werden wird.
-------------------------------, denMärz 1871.
* ) Name und Wohnort deutlich zu schreiben. ( 2211--12 )