Traugott Bromme's Hand = und Reisebuch
für Auswanderer nach den Vereinigten Staaten
von Nordamerika, Texas, Ober = und Unter = Canada,
Neu = Braunschweig, Neu = Schottland, Santo Tho-
mas in Guatemala und den Musquitoküsten. Fünfte
vermehrte und verbesserte Auflage. Mit einer Karte
der Verein. Staaten von Nordamerika. Bayreuth,
1848. Verlag der Buchner'schen Buchhandl.1 1 / 3 Rl.
Die große Verbreitung und beifällige Aufnahme, welche
dieses zu den besten Werken über Amerika gehörende Hand = und
Reisebuch überall gefunden hat, werden uns entschuldigen, wenn
wir die fünfte Auflage desselben einer etwas ausführlicheren Be-
sprechung unterwerfen, als uns der Raum dieser Blätter für andere
ähnliche Werke gestattet.
Folgen wir in der Prüfung des Jnhalts genau der für das
Werk gewählten Reihenfolge, so finden wir als Einleitung eine
treffliche Abhandlung über Auswanderung im Allgemeinen, in
welcher der Verf. seine umfangreichen Kenntnisse und großen Er-
fahrungen in dem von ihm behandelten Gegenstande in blühender
Sprache an den Tag legt. Wir können uns nicht enthalten,
unsern Lesern mitzutheilen, was der Verf. über die Classen der
Deutschen sagt, welche er vorzüglich zum Auswandern geeignet
findet, und welcher Vortheile dieselben in Nordamerika gewärtig
sein dürfen.
„Wir können die Geeigneten in drei Classen theilen. Die
erste enthält eine Menge armer, fleißiger, aber dürftig geborener
Menschen, welche zu ewiger Armuth verdammt, entweder auf
allen Lebensgenuß verzichten müssen, oder durch ihre augenblick-
lichen Begierden getrieben, zu Verbrechen gezwungen sind, welche
daher durch ihre Auswanderung nicht nur die Geschäfte der Ge-
richtshöfe vermindern, und die Lasten der Armenpflegen erleichtern,
sondern auch den Augen ihrer Mitbürger den beständigen Anblick
des menschlichen Elendes entziehen würden. Diese finden in
einem neuen Lande für sich und ihre oft zahlreichen Familien
Alles, was ihnen hier fehlt: Arbeit, Brod, mit der Zeit Eigen-
thum, und, wenn der Himmel ihren Fleiß segnet, selbst Wohl-
stand. Neun Zehntel der Verbrechen, welche von Mitgliedern
dieser Classe fast täglich vor unsern Augen begangen werden,
entspringen aus Mangel an nöthigen Subsistenz = Mitteln, und
daher ist es gewiß Pflicht eines Jeden, dahin zu wirken, die Un-
glücklichen, welche aus Mangel und Armuth in fast unwidersteh-
liche Versuchung gerathen, unschädlich zu machen, und in eine
Lage zu versetzen, aus welcher sie in physischer und moralischer
Hinsicht gebessert hervorgehen. Nur soll man nicht einigen süd-
deutschen Gemeinden nachahmen, die ihre Armen ausbannten und
zwar die Reisekosten für sie bezahlten, sie aber rath = und schutzlos
und entblößt von allen Mitteln, in Amerika ans Ufer setzten.
Jn die zweite Classe Derer, denen die Auswanderung nach
einem neuen Niederlassungsorte anzurathen wäre, gehört die große
Anzahl fleißiger, wohlhabender, redlicher und sonst vernünftiger,
nur etwas empfindlicher Leute, welche nicht Phlegma und Geduld
genug besitzen, einige Schwächen der alten Welt zu übersehen,
sondern welche jenseits des Weltmeers, in unangefochtenem Besitz
ihrer Menschenrechte, ruhig, sicher und ungestört ihr Dasein, bei
billigen Beiträgen zur Erhaltung des Ganzen, genießen wollen;
und endlich drittens: die unruhigen Geister, die nirgends ihre
Wünsche befriedigt finden, die nach Willkür bald die Fahne der
Aristokratie, bald der Demokratie aufstecken, die es aber bei Arbeit
nirgends lange aushalten, nur in einer monarchischen Verfassung
leben zu können glauben, gleichwohl aber dem monarchischen Prin-
cip abhold, ihm oder wenigstens den herrschenden Dynastien sich
feindlich gegenüber gestellt haben; Feuerköpfe, welche, mit ihren
Beschwerdeschriften abgewiesen, der neuen Welt zuwandern, um
dort ihren Kummer und ihre Thatkraft in die Ausrottung von
Wäldern und Urbarmachung neuen Landes zu versenken. -- Aus
Vorstehendem ergibt sich, welche Personen den meisten Erfolg bei
der Auswanderung zu erwarten haben. Nicht allein Landleute
und Taglöhner, auch Handwerker aller Art, vorzüglich aber solche,
deren Arbeitsproducte von unmittelbarer Nothwendigkeit. sind, Ar-
beiter in den gemeinen, gröberen und einfachen, mechanischen
Künsten, werden dort immer Arbeit und Verdienst finden, und
dürfen nie um Unterkommen verlegen sein; auch Personen, welche
des Landbaues nicht kundig sind, können dennoch zur Auswanderung
sich eignen, sobald sie thätig und der Arbeitslast gewachsen sind,
ein mäßiges Capital und arbeitsfähige Kinder haben. Die Haupt-
regeln des Ackerbaues sind daheim vor der Abreise theoretisch
und praktisch leicht zu erlernen; in den neuen Niederlassungen,
wo das Land in Menge vorhanden und wohlfeil ist, wird der
unerfahrene Landmann, dem ohnehin in anderem Klima und auf
anderem Boden die alte Weise nicht ausreicht, weniger Gefahr
laufen als in der Heimath, wo der hohe Pachtzins und die
schweren Abgaben nur mittelst großer Geschicklichkeit, bedeutender
Betriebscapitale und vieler Erfahrungen gewonnen werden können.
Ohnehin muß der Auswanderer mehr an die Seinigen, als an
sich selbst denken; hatte er bereits bei seiner Auswanderung ein
kleines Capital, so werden Fleiß und Sparsamkeit ihn in wenig
Jahren dahin bringen, daß er jedem seiner Kinder ein Eigenthum
erwirbt; diese erst genießen dann die Vortheile der Auswanderung,
ohne deren Beschwerden zu empfinden; der Emigrant selbst aber
wird seine Mühen durch den jährlich wachsenden Wohlstand der
Seinigen hinlänglich belohnt sehen. Jn seinem Vaterlande halfen
ihm seine Rüstigkeit, sein kleines Vermögen, die strengste Spar-
samkeit wenig; täglich sank er immer tiefer, und mit ihm kümmerten
die Seinigen, ja, sie beschleunigten seinen Fall. Seine Gesund-
heit litt durch immerwährende Sorge, durch Uebermaß von An-
strengung und schlechte Nahrung; sein kleines Vermögen schwand
immer mehr, und er erschöpfte sich in nutzlosen Versuchen, den
Lauf seines traurigen Geschicks aufzuhalten. Wie anders gestaltet
sich in der Regel die Lage und die Zukunft des besonnenen und
vernünftigen Auswanderers, -- denn der Unvernünftige geht ja
überall zu Grunde: seine Familie, statt ihm Last und Sorgen zu
machen, wird die Quelle seines Wohlstandes! -- Jn seiner neuen
Heimat kann er Land für ein Geringes kaufen; dort bleibt der
Ertrag desselben ihm ganz; denn der Staatsschatz macht keinen
Anspruch an seinen Erwerb, und die unbedeutende Landtaxe,1 1 / 2
Dollar für hundert Acres, verdient keine Erwähnung. Er spart
sein Capital, und wenn er auch nur wenig zurücklegen kann, so
ist dieß Wenige doch viel; denn sobald seine Söhne fähig sind
einem Haushalte vorzustehen, reicht eine Kleinigkeit zur Ein-
richtung desselben hin. Dieß sind die Vortheile, deren die
bezeichneten Classen der Auswanderer theilhaft zu werden stets
gewiß sind, oder die nur durch eigene Schuld ihnen fehlen
können.“ --
Der nächste Abschnitt gibt eine Uebersicht derjenigen Länder,
nach welchen Auswanderer vorzugsweise ihre Schritte
lenken. Von diesen Ländern stellt der Verf. die Verein. Staaten
von Nordamerika, als das wichtigste für deutsche Auswanderer,
obenan, und gibt uns eine genaue Beschreibung von ihrer Lage,
vom Boden, Klima, von den Naturproducten, den Einwohnern,
dem Städtewesen, den Verbindungswegen, von der Staatsver-
fassung und Verwaltung, von den Münzen, Maßen, Gewichten ec.;
der diesen Abschnitt schließende Zolltarif aber ist falsch.
Es scheint uns, daß Hr. Bromme noch den am 1. December
vor. J. außer Kraft getretenen, der uns augenblicklich nicht zur
Hand ist, brachte. Der, seit dem 1. Dec. 1846 gültige, und
noch bestehende Zolltarif für die Ver. Staaten, Texas inbe-
griffen, ist genau mit dem von uns in No. 25 d. Bl. gebrachten
übereinstimmend. Wir machen, zur Vermeidung bitterer Täu-
schungen, auf diesen Jrrthum in dem Bromme'schen Hand = und
Reisebuche aufmerksam.
Aus dem folgenden Abschnitte, der uns den sittlichen
und wissenschaftlichen Charakter der Amerikaner
schildert, erlauben wir uns, von dem allgemeinen Jnteresse über-
zeugt, den derselbe hat, besonders auch deßwegen einen kleinen
Auszug zu bringen, weil dadurch zugleich unser früher in diesen
Blättern abgegebenes Urtheil über Schmähschriften, wie die des
Prinzen von Solms=Braunfels, Vulpius und Anderer, auf
das glänzendste gerechtfertigt erscheinen wird. Wir wollen nur
jenes Theils hier gedenken, wo von dem National = Charakter des
Nordamerikaners die Rede ist. Den Stolz des Amerikaners findet
der Verf. wohl begründet in dem Gefühle, einer Nation anzu-
gehören, deren glänzende Thaten auf dem Kriegsschauplatze, wie
in der Politik, im Handel wie in Künsten und Gewerben, die
Welt in Erstaunen setzten. Ein zweiter Charakterzug, der Ernst,
der den Amerikaner auf den ersten Blick ungesellig erscheinen läßt,
während doch die edelste Geselligkeit, die des häuslichen Lebens,
nirgends so zu finden ist, wie in Nordamerika, entspringt daraus,
daß der Amerikaner von Jugend auf an Nachdenken für sein
eigenes Wohl, wie über das des Staates gewöhnt ist. Die ge-
schäftige Unruhe, die dem Europäer auffällt, bildet den Haupt-
grund zur Zufriedenheit des Amerikaners. „Die Amerikaner“,
sagt der Verf., den wir jetzt selbst reden lassen wollen, „haben
keine Zeit, unglücklich zu sein, und dieses ist das größte Lob ihrer
Verfassung und ihres Volkslebens. Republikanern sind nothwen-
digerweise schwerere Pflichten auferlegt, als den Bürgern monar-
chischer Staaten, aber ihre Erfüllung ist erfreulich und beruhigend,
weil sie an das Bewußtsein von Macht geknüpft ist. Die Ameri-
kaner wünschen sich nicht den Frieden der Europäer, und am
allerwenigsten würde ihnen das stille Glück ( ? ) der Deutschen
genügen. Ruhe findet der Amerikaner nur in seinem Hause, im
Kreise seiner Familie, seiner Kinder; alles außer demselben ist
fortwährendes Wirken und Treiben, in der Politik wie im Handel,
auf den Straßen und Canälen wie in den Wäldern des Westens.
So verschieden auch die Elemente sind, aus denen die Bewohner
der Vereinigten Staaten zusammengesetzt sind, und unter wie ver-
schiedenen Verhältnissen sie auch leben, dennoch herrscht eine ge-
wisse Einheit der Gesinnungen unter ihnen, eine Ruhe des Cha-
rakters, die man nicht leicht wieder so trifft, vielleicht eben der
Mischung und der Heterogenität der Theile wegen, indem kein
Element das andere herrschend werden läßt. Alle haben etwas
Gemeinschaftliches in ihrem Wesen, das sie zu Verwandten macht;
in ihrem Umgange zeigt sich etwas, wodurch sie nicht mehr Eng-
länder, Deutsche, Franzosen, sondern etwas Anderes sind. Durchs
ganze Land, durch alle Classen hindurch ist eine gewisse Sitten-
feinheit, ein Gefühl für das Anständige und Edle verbreitet,
das aus dem Bewußtsein des eigenen Rechts und aus Achtung
der Menschheit entspringt. Selbst die Einwanderer schleifen in
Amerika bald ihre rohen Kastenvorurtheile ab; die stolze Leutseligkeit
des Vornehmen, die Rangseligkeit des spießbürgerlichen Klein-
städters, die unbehülfliche Steifheit des Handwerkers, die unter-
thänige Kriecherei und patzige Frechheit des Herrendieners in
Europa findet sich hier nicht wieder. Der Mensch gilt dort nur
als Mensch etwas; nur Thätigkeit macht Ehre, und nur da, wo
das ist, ist echter Menschenadel. Man fragt nicht, was der Mensch
ist, wer seine Eltern waren, sondern was er kann, was er zu
leisten, zu schaffen vermag. Es findet in Amerika kein
Vorrang, kein Ständeunterschied statt. Jeder fühlt sich frei und
unabhängig, und äußert sich auch nach diesem Gefühl. Selbst
der Dienende ist ein freier Mann, der wohl seine Dienste, aber
nicht sein ganzes Wesen vermiethet hat. -- Man ist höflich, aber
feine, nichtssagende Complimente werden weder gemacht, noch er-
wartet; Keiner kümmert sich oder genirt sich um den Andern.
Jn der amerikanischen Gesellschaft findet daher auch nur wenig
Zwang statt doch herrscht allenthalben, vorzüglich im Umgang
mit dem weiblichen Geschlechte, der größte Anstand, und in keinem
Lande der Welt erfreuen sich die Frauen einer solchen Achtung,
als in den Verein. Staaten. Jmmer auf sich selbst gestützt, ist
der Amerikaner offen, freimüthig und ohne Rückhalt in seinem
Umgange. Die große Masse hat Kenntniß und Geist, obgleich
weniger wissenschaftliche Bildung als in Europa, und ein hoher
Grad von Jntelligenz durchdringt selbst die niedrigsten Classen,
die deßhalb mit der Masse der europäischen Bevölkerung einen
sonderbaren Gegensatz bilden. Nicht die höheren Zweige der
Wissenschaften, welche man von Gelehrten fordert, sondern die
große Masse nützlicher Kenntnisse, welche auf den Glückszustand
der Menschen einen unmittelbaren Einfluß ausübt, ist es, durch
welche sich die Amerikaner vor andern Völkern vortheilhaft aus-
zeichnen, und für deren Erwerbung sie bessere Vorkehrungen ge-
troffen haben, als vielleicht irgend ein anderes Volk. Noch zu
sehr mit dem Nöthigsten und Wichtigsten beschäftigt, sind sie ge-
zwungen, die höhere Ausbildung der Sorgfalt und Großmuth
einzelner Personen zu überlassen. Ein Hinblick auf die Summen
aber, welche jährlich auf die Einrichtung und Erhaltung von
Schulen und Universitäten verwendet werden, wird hinreichen,
sich von der Liberalität zu überzeugen, mit der man in den Ver.
Staaten für die sittliche Erziehung des Volkes sorgt. Man schätzt
das Wissen aber nur nach seiner Nützlichkeit und Anwendbarkeit
im Leben, und beurtheilt es auch danach, so daß ein geschickter
Gerber mehr gilt als ein gelehrter Pedant. Reichthum, und
gar Reichthum mit Thätigkeit und Vielseitigkeit ver-
bunden, wird höher geschätzt, als Gelehrsamkeit, und Gast-
freiheit, Vaterlandsliebe und Toleranz, Jeden denken
und glauben zu lassen, was er will, sind allgemeine Eigenschaften.
So ermangelt den Vereinigten Staaten nichts zur Erlangung
einer wahren bürgerlichen und gesellschaftlichen Freiheit, wenn
auch die Mittel dazu dort, eben so wie bei uns, nicht
immer richtig erkannt und verstanden werden, und
dort, wie bei uns, die Menschen eben so schwach
sind, das Gute lieber ihrem Verstande und ihren
Tugenden beizumessen, als dem Glücke und der Natur,
welche letztere, wenn man sie unparteiisch betrachtet, die Basis
des physischen Glückes der Amerikaner ist; was aber das
moralische Glück des amerikanischen Bürgers ausmacht, ist,
daß dort das Familienleben vorherrscht, und diesem das,
was öffentliches Leben und Staat heißt, untergeordnet ist!
Zwar sind die amerikanischen Staatsmänner in denselben Jrrthümern
befangen, wie die europäischen, welche von jeher daran gewöhnt sind,
das Gedeihen der Völker ohne sie für unmöglich zu halten,
und leben auch in dem Glauben, daß das Heil ihrer Heimath
lediglich von ihnen herrührt, von ihren Theorien und ihren
Regierungskünsten; aber doch lehrt das flüchtigste Nachdenken, daß,
wenngleich weise Gesetze weit mehr über das Glück der Menschen
vermöchten, als sie vermögen, man dennoch dort das Glück nicht
vorzugsweise von weisen Gesetzen ableiten dürfe, wo das Volks-
und Familienleben sich so selbst überlassen ist; soll aber einmal
schlechterdings das Glück der Amerikaner von dieser Seite her-
geleitet werden, so ist verständiger, anzunehmen, daß gerade
die Befreiung von dem, was in der neueren Cultur
bisher für tiefe Staatsweisheit gegolten hat, der
Grund sei. Jn dem Familienleben und der durch dasselbe be-
gründeten Promulgation des allgemeinen Rechtes auf Lebensglück
liegt der Kern des amerikanischen Gedeihens, nicht aber in dem
so oft mißverstandenen Worte „Freiheit“, das bei der Menge,
an sich hohl, oft die traurigsten Bewegungen her-
vorzubringen vermag, und überall, wo die Armuth nur
auf Kosten der Reichen zu heben ist, mit jenen Ansprüchen
auf Lebensglück verbunden, unvermeidlich zu Angriffen gegen die
Wohlhabenden reizt. Die äußere Natur tritt in Amerika dem
Streben nach Lebensglück und Wohlstand eben so günstig entgegen,
als sie ihm in Europa feindlich den Rücken kehrt. Die äußere
Lage bedingt das Gedeihen der Nordamerikaner, und wäre es
möglich die Bewohner Mittel = Europas in dieselbe äußere Lage
zu versetzen, würden sie ebenso gedeihen, als diese. Nicht
die Wunderkraft nackter Gesetzgebung ist es, welche das Lebens-
glück eines Volkes befördert, und wie gut die amerikanischen Ge-
setze an sich, wie gut auch ihre Vollziehung sein mag: davon,
ohne jene äußere Lage, läßt sich das Gedeihen von Millionen
glücklicher Bürger nicht ableiten, wenn man bedenkt, wie wenig
überhaupt Gesetze über die meisten Beschwerden des Lebens ver-
mögen. Was hilft denn dem armen Taglöhner die
beste Gesetzgebung, wenn er stets im Schweiße des
Angesichts sein Brod ißt? -- was hilft die politische
Freiheit dem, der wegen der dringendsten Bedürfnisse
in beständiger häuslicher Abhängigkeit lebt, wie z. B.
in der Abhängigkeit von einem Fabrikbesitzer oder von einem
Gutsherrn? -- was nützt sie einem gedrückten Schreiber,
einem Beamten, dem die Sonne bloß über die Acten
leuchtet, wenn sie ihn nicht von häuslichen Sorgen
befreit, die seinen Geist in größerer Beklemmung
halten, als den eines Dienstboten, der doch die Be-
ruhigung hat, bald in einem neuen Dienste finden zu
können, was der alte ihm versagt? Wo sich durch mäßige
Anstrengung von der Natur selbst erringen läßt, was von
äußeren Gütern zum Lebensglück gerechnet zu werden pflegt: dort
werden die Menschen immer gedeihen, immer Un-
abhängig keit erringen; weil aber in Europa nicht Jeder,
der Glieder hat, sich zu rühren, im Wohlstande leben kann, und
die Armen nur zum Wohlstande gelangen können, wenn die Wohl-
habenden arm werden: darin besteht eine Quelle ewigen Haders,
die man vergebens seit Jahrhunderten mit Sprüchen der Religion
und Moral bekämpft hat. Dieser Vorzug ist den Nordamerika-
nern beschieden, und zwar von nichts Anderem, als un-
mittelbar von der Natur ihres Landes. Statt daß sich
in Europa die Menschen, im Drange nach Verbesserung ihrer Lage,
gegen einander wenden, einander anfeinden, wenden sich die Ame-
rikaner an die Natur! Eine gesunde Entwickelung sucht die
Hauptquelle ihrer Entwickelung im Privat = und Familienleben;
wo aber für diese Richtung sich nicht mehr Vorschub findet, als
in Europa, da darf es nicht befremden, wenn auch ohne Mit-
wirkung falscher Ehrliebe, das Entgegengesetzte geschieht, und die
steigenden Schwierigkeiten, als Privatmann zu bestehen, den
Europäer zwingen, sich mehr und mehr dem öffentlichen Leben
wegen Rücksichten zuzukehren, die ihm zum Heil der Mensch-
heit immer fremd bleiben sollten. Achtung daher dem National-
stolze, der Nationaleitelkeit der Amerikaner, die nichts anderes sind,
als nationelles Selbstgefühl, verstärkt und vergrößert durch ihre
republikanische Verfassung!“
So spricht sich Bromme, der Jahrelang in Amerika lebte
und fast alle Staaten der Union besuchte, über den National-
Charakter der Amerikaner aus. Man vergleiche sein Urtheil mit
den grundlosen, verleumderischen Schmähungen eines phantastischen
Prinzen, der wenige Monate im Lande war, und durch Benehmen
und Tracht gegen die gute Sitte eines Landes verstieß, dessen
größtes Gebrechen, nach seinen Jdeen, darin bestehen mochte, daß
es ein freies Land ist, welches den Menschen und nicht seiren
vermoderten Stammbaum, oder gar seine Flitterkrone mit abgötti
scher Scheu verehrt.
Doch, kehren wir zum Gegenstande unserer Besprechung, zu
erquicklicheren Dingen zurück. Nachdem der geehrte Hr. Verf.
uns hiernach noch die trefflichsten Nachrichten über Ackerbau,
Viehzucht, Handel ec. gegeben, läßt er eine Uebersicht der einzel-
nen Staaten der Union folgen, die sich in ihrer Gediegenheit dem
Vorhergehenden würdig anreiht und den Schluß seiner Beschreibung
der Ver. Staaten bildet.
Von den englischen Kolonieen in Nordamerika empfiehlt der
Verf. besonders Ober = Canada zur Ansiedelung für Deutsche und
gibt die genauesten Aufschlüsse über Alles, was Auswanderungs-
lustigen zu wissen wünschenswerth sein kann.
Minder zuverlässig ist die hiernach folgende Beschreibung
von Texas, und sind die Jrrthümer, denen wir begegnen, auch
nicht sehr erheblich zu nennen, so sind sie doch jedenfalls der Art,
daß wir der Vermuthung Raum geben müssen, der Verf. habe
diesen Staat, der jetzt zur Union gehört, und deßhalb, beiläufig
gesagt, füglich mit den übrigen Staaten hätte zusammengestellt
werden müssen, nicht aus eigner Anschauung kennen gelernt. Ein
Mann mit so richtigem Blick wie Hr. Bromme hätte sonst nicht
schreiben können, es gedeihe in Texas der Kaffee, die kostbare
Vanille gehöre zu den Erzeugnissen dieses Landes ec.
Die beiden nächsten Abschnitte sind der Schilderung des
Districtes Santo Thomas im Staate Guatemala, wo die
belgische Kolonie scheiterte, und den Musquito-Küsten gewidmet,
von woher die traurigsten Nachrichten über die dorthin gerichtete
Expedition preußischer Auswanderer einliefen.
Hiermit schließt die erste Haupt = Abtheilung des Buches; die
zweite bildet ein empfehlenswerther Leitfaden für Auswan-
derer, der in drei Theile zerfällt: „Wer soll und darf aus-
wandern?“ -- „Wie soll man auswandern?“ -- und „ Vor-
schriften für Einwanderer.“ Möchte doch der Jnhalt dieser drei
Abschnitte von auswanderungslustigen Lesern beherziget, und in
den Warnungen des Verf. nicht, wie es leider so häufig geht,
von Denen, die sie angehen, eine übertriebene Aengstlichkeit des
warnenden Freundes erblickt werden! Je mehr wir uns aber
dem Hrn Verf. für diesen Leitfaden dankbar verpflichtet fühlen,
desto größer ist unser Erstaunen darüber, daß er Ottomar
von Behrs Schrift über Nordamerika empfiehlt; eine Schrift,
in welcher Jrrthümer auf Jrrthümer gehäuft sind, von denen wir
in No. 33 eine kleine Auswahl brachten. Auch Duden's Briefe
hätten wir gern unter den empfohlenen Auswanderungsschriften
vermißt. Enthalten sie auch durchaus nichts Unwahres, so schildern
sie doch das Gute, was der Emigrant in Missouri zu erwarten
hat, mit übertrieben glänzenden Farben und streuen die vielen
Nachtheile, welche dieser Staat vor anderen hat, so unter die
lockenden Schilderungen, daß sie einem nicht sehr aufmerksamen
Leser ganz entgehen, oder doch als unerheblich erscheinen müssen.
Zu den „ nur empfehlenswerthen Handbüchern“ hätte Hr. Bromme
doch wohl das von F. Grund und einigen Anderen zählen müssen,
denen er durch sein Nichterwähnen Unrecht thut.
Statt des Anhanges, in welchem die Jnlands = Passage=Preise
angegeben sind, welche wahrscheinlich schon nicht mehr als Norm
dienen konnten, als das Werk noch unter der Presse war, hätten
wir lieber ein Register gefunden, in welchem die im Handbuche
vorkommenden Städte, Stadtschaften ec. alphabetisch geordnet und
mit der Zahl der Buchseite bezeichnet gewesen wären.
Werfen wir schließlich noch einen Blick auf das vorstehend
Gesagte zurück, so finden wir, daß der an dem Brommeschen
Handbuche gerügten Mängel nur wenige und unbedeutende, daß
seine Vorzüge vor der großen Menge ähnlicher Werke aber so
zahlreich sind, daß wir es jedem Auswanderer als treuen Führer
und Rathgeber bestens empfehlen dürfen.
Die dem Werke beigegebene Karte der Vereinigten Staaten,
welche auch getrennt von demselben für 12 Ngr. zu haben ist,
zeichnet sich durch Correctheit, saubere Ausführung und Billig-
keit aus. R.