Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten .
Rendsburg, 7. August. Ueber die Entstehung
der Explosion hört man, daß schon vor einigen
Tagen hier Aeußerungen geschehen sind, Rends-
burg werde bald in die Luft fliegen. Ein Unter-
offizier, der erst kurz als Freiwilliger eintrat,
wurde deßwegen arretirt. Bei näherer Untersu-
chung ergab sich, daß seine Papiere falsch und er
ein Däne ist, der noch in Dienst steht. Er wird
seinen Lohn erhalten. Auch ein anderer dem ähn-
lichen Fall ereignete sich. Ein hier in Diensten
gestandener dänischer Knecht wurde vor 4 Tagen
wegen feindseliger Aeußerungen aus der Festung
transportirt und heute fand man ihn gegenüber
dem Laboratorium zerschmettert auf dem Walle lie-
gen. Diese Beiden waren in den letzten Tagen
in einer Kneipe zusammen gesehen worden.
Schleswig=Holstein, 8. August. Als Ergänz-
ung meiner früheren Mittheilung gebe ich Jhnen
einige Notizen über die Gagen= und Pensionsver-
hältnisse der schleswig=holsteinischen Armee. --
Für die Offiziere ist die Gage höher, als in je-
der andern deutschen Armee. Für die niederen
Chargen beträgt sie täglich: für den Feldwebel
13 Schilling, für den Unteroffizier 1. Klasse10 1 / 2
Sch., für den Unteroffizier 2. Klasse9 1 / 2 Sch.,
für den Gemeinen5 1 / 2 Sch. ( 1 Sch. ist == 9
Pfennig preuß. Kurant oder2 5 / 8 kr. rheinisch ) ,
und dazu kommt noch Speise in Natura oder,
wenn diese nicht geliefert wird,3 1 / 2 Schilling
( 2 1 / 2 Sgr. oder7 7 / 8 Kreuzer ) täglich für Ver-
pflegung. -- Die Pension kann jährlich betragen
für den
Oberlieutenant | bis zu 1200 M. | ( 480 Thl. od. 840fl. ) |
Lieutenant | „ „ 900 „ | ( 360 „ „ 630„ ) |
Oberfeldwebel | „ „ 640 „ | ( 256 „ „ 448„ ) |
Feldwebel | „ „ 400 „ | ( 160 „ „ 280„ ) |
Unteroffiz. 1 Kl. | „ „ 250 „ | ( 100 „ „ 175„ ) |
„2 Kl. | „ „ 225 „ | ( 90 „ „157 1 / 2 ) |
Gemeinen | „ „ 200 „ | ( 80 „ „ 140fl. ) |
Außerdem erhalten Unteroffiziere 20 Thlr. ( 35fl. )
Reisegeld, und bei ihrenvollen Abschied 20 Thlr.
zur Rückreise.
( K. Z. )
Rendsburg, 9. August. Bei Sorgbrück er-
öffneten die Dänen gegen 7 Uhr des Morgens
ein starkes Artilleriefeuer, das unsere Truppen we-
nig incommodirte. Nur ein Offizier wurde von
einer Stückkugel am Ellbogen getroffen. Unsere
Artillerie warf aus zwei Geschützen Shrapnells
unter den Feind, die ihm so sehr zu Leibe zu ge-
hen schienen, daß er sich rasch zurückzog. Unsere
Truppen folgten nicht, vermuthlich weil es nicht
im Plane des Commando's lag Rur Dragoner-
patrouillen wurden dem zurückziehenden Feinde
nachgeschickt, der auf solche insolirte und schwer
zu treffende Patrouillen mit Kanonen so heftig
zufeuerte, als gelte es eine Schlacht. Vielleicht
hofften die Dänen mit diesem Lärm eine andere
Recognoscirung zu maskiren, die sie weiter ober-
halb an der Sorge bei der Stentener Mühle und
Duvenstedt auszuführen suchten. Dort entwickel-
ten sie plötzlich gegen unsere Feldwacht ein starke
Macht. Unsere Vorposten zogen sich im ersten
Augenblick auf stärkere Posten in ihrem Rücken
zurück, zu denen alsbald Succurs vorgeschoben
wurde. Nun kam es zu einem starken Jnfanterie-
feuer, darauf machten unsere Truppen eine herrliche
Attaque mit dem Bajonnet und warfen den Feind
weit zurück. Sein Rückzug war so eilig, daß er
eine ziemliche Anzahl Todte auf der Straße zu-
rückließ, während die Dänen sonst einen eigen-
thümlichen Eifer und eine seltsame Bravour da-
rauf verwenden, ihre Todten wegzuschleppen. Wirk-
lich trafen unsere Truppen eine Anzahl langer
Leitern auf dem Wege, zum Theil bereits mit
gefallenen Dänen belegt, die wahrscheinlich eben
fortgebracht werden sollten, als die Dänen das
Feld über Hals und Kopf räumen mußten. Der
Zweck ihrer Recognoscirung ist jedenfalls durch
den raschen und kräftigen Widerstand von unserer
Seite vollkommen vereitelt. Unsere Truppen zeig-
ten eine überraschende Frische und Kriegeslust.
Jch sage überraschend, weil man wohl berechtigt
war anzunehmen, daß das erschütternde Ereigniß
vom Tage zuvor deprimirend gewirkt haben könnte.
Aber unsere Kerndeutschen haben Nerven von
Stahl und Seelen von Eisen. Der kommandi-
rende General war draußen im Felde und wurde,
wie ich selbst gesehen, wo er vorüberkam, mit
bestem Zutrauen begrüßt. Der Zuruf der Trup-
pen konnte auch dem General sagen, wie sehr die
Armee über den wieder beginnenden Kampf er-
freut sei, der ihr Gelegenheit gibt, unser geliebtes
Schleswig v. den tyrannischen Fremdlingen zu befreien.
Wenn Sie hören, daß Friedrichstadt von den
Dänen besetzt sei, so legen Sie nicht viel Ge-
wicht darauf. Hauptmann Schöning, der die
Truppenabtheilung bei Friedrichstadt befehligte,
hat sich ehrenvoll mehrere Stunden gegen einen
dreifach überlegenen Feind gehalten. Die Dänen
hatten dort um 7 Uhr angegriffen. Gegen 10
Uhr zog sich Hauptmann Schöning, seinen be-
stimmten Jnstruktionen gehorchend, auf Südersta-
pel zurück, stets jenseits der Eider. Nur ein klei-
ner Theil seiner Mannschaft ging über die Eider
nach St. Annen, wo sie zur Observation stehen
geblieben.
( Beil. d. Hamb. Nachr. )
Ueber das Vorpostengefecht bei Duvenstedt
melden die „H. N.“ noch aus Rendsburg, 9.
August: Die Dänen waren mit 13 Bataillonen
und 2 Feldbatterien vorgerückt, vor denen eine
kleine, bei der Sentener Mühle postirte Abthei-
lung des 2. Jägercorps sich auf ihr Repli zu-
rückzog; dieselbe ergriff indeß mit den übrigen
Compagnien des Corps und Einigen vom 3. Jä-
gercorps sofort wieder die Offensive, warf den
Feind mit Leichtigkeit und verfolgte ihn mit so
großer Energie bis weit in die Hüttener Berge
hinein, daß er seine Todten und einen Theil der
Verwundeten im Stiche liese. Der Feind hat
durch Breckendorff 93 ( oder 67 ) Verwundete,
darunter einen Oberst, der unterwegs verschied,
transportirt. Der Verlust auf schleswig=holstei-
nischer Seite beträgt nur wenige Todte und Ver-
wundete. -- Heute ist nichts von Ergebenheit
passirt; die Brücke über die Sorge ist von den
Unsrigen gesprengt worden.
Kiel, 9. Aug. Durch einen Armeebefehl des
General v. Willisen vom 3. Aug. werden 94 Sub-
alterne für die am 24. und 25. v. M. an den
Tag gelegte Bravour durch ausnahmsweise Be-
förderung zu den nächst höheren Chargen ( bis zum
Secondelieutenant einschließlich ) ernannt.
Rendsburg, 9. August. Die „N. L. Ztg.“
bringt folgenden V. Armeebericht des Obergene-
rals an die Statthalterschaft über das neuliche
Gefecht an der Sorglinie: Nachdem der Feind
schon am Abend des 7. August eine unserer vor-
geschobenen Abtheilungen aus Friedrichstadt ver-
drängt hatte, hat er gestern den größten Theil der
Sorglinie angegriffen. Bei Sorgbrück und den
Uebergängen zwischen Stendter=Mühle und dem
Bissensee gegenüber zeigte er starke Colonnen von
allen drei Waffen. Während er sich aber Sorg-
brück gegenüber darauf beschränkte, mit einigen
Tirailleurs zu plänkeln und eine schwache Kaval-
leriepatrouille mit Artillerie zu beschießen, unter-
nahm er auf den östlichen Theil der Stellung ei-
nen ernsthafteren Angriff. Das 2. Jägercorps
ließ hier die feindlichen Tirailleurs bis dicht an
einen Verhau dringen; als sie sich hier stärker
engagirt hatten, wurden sie von dem 2. und
3. Jägercorps gemeinschaftlich mit dem Bajonnet
angegriffen, worauf der Feind in Eile bis über
den Langenberg, nördlich Ahlefeld, zurückwich. Hier
wurde unsern Jägern der Befehl, mit der Ver-
folgung inne zu halten. Der Feind scheint im
Ganzen mit einer Stärke von neun bis zwölf
Bataillonen und einiger Artillerie und Kaval-
lerie recognoscirt zu haben; etwa fünf bis sechs
Bataillone waren in das Gefecht selbst ver-
wickelt. Bei Sorgbrück hat der Feind nur einige
Verwundete gehabt; bei Stendter=Mühle hat er
20 Todte und 8 zum Theil verwundete Gefan-
gene in unseren Händen gelassen. Einen Offizier
von Rang wollen unsere Jäger fallen gesehen ha-
ben. Der Gesammtverlust des Feindes auf die-
sem Punkte soll sehr bedeutend gewesen sein; die
weggeführten Verwundeten werden von Augenzeu-
gen auf einige und neunzig angegeben, so daß die
Summe des feindlichen Verlustes etwa 100 Mann
betragen hat. Unsererseits ist der Verlust von 2
Todten und etwa 18 Verwundeten zu beklagen,
unter letzteren ein Offizier ( Lieutenant Grund vom
10. Bataillon leicht verwundet ) . Jch selbst war
Augenzeuge des Gefechtes und habe mich gefreut
zu bemerken, daß der Unfall von Jdstedt die Sol-
daten nur zu vermehrter Energie angefeuert hat.
Die vereinte Attaque des 2. und 3. Jägercorps
ward musterhast ausgeführt, wie sie denn auch
von einem rapiden Erfolge begleitet war. Jnso-
fern der Feind die Absicht gehabt haben sollte,
sich der Sorgübergänge zu bemächtigen, ist diese
Absicht gänzlich vereitelt worden. Hauptquartier
Rendsburg, am 9. August 1850. Der comman-
dirende General v. Willisen.“
Altona, 9. August. Heute Morgen wurde
Carl Bruhn, der sich seit längerer Zeit hier auf-
gehalten, von der Polizei verhaftet.
( N. fr. Pr. )
Altona, 9. August. Auch der bekannte Theo-
dor Bracklow sollte gestern verhaftet werden, wurde
aber nicht zu Hause getroffen. Seine Papiere
wurden aber mit Beschlag belegt.
( D. R. )
Altona, 10. August. Die Dänen sollen ihre
äußersten Vorposten wieder zurückgezogen haben.
Der Bahnzug brachte heute Vormittag wieder 30
und einige, bei Jdstedt zu Gefangenen gemachte
Dänen, größtentheils leicht Verwundete mit. --
Tönningen soll von den Dänen besetzt worden
sein.
( H. B.=H. )
Frankfurt, 10. August. Nachdem der engere
Rath der Bundesversammlung nun einberufen ist
und demnächst zusammentreten wird, dürften jetzt
die Uebernahme der Gewalt von der bisherigen
Bundescentralcommission, dann die auf die Ver-
handlungen in Betreff des Friedens mit Däne-
mark zu thuenden Schritte zuerst in Berathung
gezogen werden. Auch für diesen Punkt ist na-
türlich vorerst Mittheilung der Akten der Bun-
descentralcommission nöthig. Der erste Schritt
dürfte wohl in der Absendung eines Bundescom-
missars nach Holstein bestehen, und bereits wird
ein hannover'scher Staatsmann als der für diese
Mission ausersehene Mann bezeichnet. Man ver-
sichert, daß die Absendung eines Corps von Bun-
destruppen nach Holstein zum Schutze der Rechte
des deutschen Bundes gegen jeden Uebergriff von
Seite Dänemarks beabsichtigt werde, u. es dürfte
keinem Zweifel unterliegen, daß Oesterreich diese
Gelegenheit ergreifen wird, mit der That voran-
zugehen und sich selbst bei dieser Sendung zu be-
theiligen und sich an die Spitze zu stellen. Das
rasche und kräftige Auftreten der Bundesversamm-
lung in dieser Sache kann ihr nur Vertrauen ge-
winnen.
( N. M. Z. )
Stuttgart, 9. Aug. Der „Staatsanzeiger“
begleitet die österr. Erklärung über den Kasseler
Zolltag vom 21. Juli mit folgenden Sätzen:
Die Vortheile, welche Deutschland und Preußen
selbst von einer ganz Oesterreich und ganz Deutsch-
land umfassenden Zolleinigung zu hoffen hat, kön-
nen nicht hoch genug angeschlagen werden: der sich
öffnende große Markt; die sich gegenseitig ergän-
zende, stärkende und aneifernde Jndustrie; die
größere Macht und das noch größere Ansehen
nach Außen; die vervielfältigten Schifffahrtsver-
bindungen; der lohnende überseeische Handel; die
geistige Einheit; die gleiche Zoll= und Handels-
gesetzgebung; die gemeinsame Leitung aller dieser
Angelegenheiten; der ungehemmte innere Verkehr
und die Gleichheit der Jnteressen; die Befriedi-
gung der gerechten und dringenden Bedürfnisse der
deutschen Volksstämme, denen alle Vortheile der
deutschen Einheit ohne die von letzterer gefürchte-
ten Nachtheile für örtliche Berechtigungen gewährt
werden. Auch wird der Augenblick nicht leicht
wiederkehren, welche der Verwirklichung dieser
österreichisch=deutschen Zolleinigung günstiger, als
der gegenwärtige ist, wo das Streben nach größe-
rer Einigung noch immer so lebendig sich kund
gibt, daß widerkämpfende Sonderinteressen leicht
überwunden werden, und wo die Ereignisse der
Jahre 1848--49 alles Bestehende in Fluß ge-
bracht und neuen Formen schmiegsam gemacht
haben.
Hannover, 10. August. Vor einigen Ta-
gen ist der österr. Feldzeugmeister Frhr. von
Haynau auf der Durchreise nach England, in Be-
gleitung zweier Adjutanten, hier eingetroffen; er
ist noch jetzt hier anwesend und hat die Zeit zur
Besichtigung der hiesigen militärischen Etablisse-
ments benutzt. Auch andere Sehenswürdigkeiten
hat der General in Augenschein genommen und
dadurch ein großes Jnteresse an Hannover an den
Tag gelegt. Der König soll ihn mit großer
Auszeichnung empfangen haben. Der gestrige Tag
war gerade ein sehr bedeutungsvoller -- der erste
Jahrestag der Einnahme der Festung Temeswar,
eine der größten Heldenthaten des Generals, die
mit der siegreichen Unterwerfung Ungarns endig-
ten. Der König gab am gestrigen Tage zu Ehren
des Generals ein militärisches Diner und brachte
dabei dem Vernehmen nach einen Toast auf den
General aus, welcher in Anerkennung des großen
weltgeschichtlichen Ruhmes, den dieser sich erwor-
ben, die lebhafteste Theilnahme gefunden haben
soll. Der General soll darauf mit sichtlicher
Rührung und innerer Bewegung geantwortet und
für die ihm vom Könige gewordene auszeichnende
Anerkennung seinen Dank ausgsprochen haben. H. Z.
Wien, 6. August. Gestern wurde die Secte
der Neuevangelisten oder Salemiten bei einer ih-
rer Versammlungen überrascht, in dem Augenblicke,
als ihr Prediger Franz Kölmel eben eine Rede
hielt, welche statt der Religion, das politisch=so-
ciale Streben der Gegenwart zum Gegenstande
hatte. Hr. Kölmel wurde sofort verhaftet und
die Namen und Wohnungen der Anwesenden no-
tirt, worauf sich die Letzteren frei entfernen durf-
ten, noch steht zu erwarten, daß auch gegen sie
eine Untersuchung eingeleitet wird.
Berlin, 9. Aug. Dem Vernehmen nach hat
die Unterredung des Prinzen von Preußen mit
Hrn. v. Radowitz zu dem Resultat geführt, daß
der Letztere ein schriftliches Promemoria überreichte.
Man versichert, daß dasselbe die Zustimmung des
Prinzen erhalten habe. -- Die Handelsbeziehun-
gen zwischen Preußen und Belgien werden durch
die Kündigung des bisher bestandenen Vertrags
nicht unterbrochen werden, indem, falls bis zum
Ablaufstermin kein neuer Vertrag zu Stande ge-
kommen sein sollte, interimistische Bestimmungen
gelten sollen.
( N. Pr. Z. )
Berlin, 10. August. Wie sich die Lage der
Dinge in Preußen wirklich verhalte, mag durch
das Schreiben angedeutet werden, welches Mini-
ster v. Schleinitz an den General v. Radowitz
geschrieben hat. Es lautet: Ew. Excellenz ersuche
ich ergebenst, in der heute stattfindenden Sitzung
des provisor. Fürstencollegiums die hier abschrift-
lich beigefügten beiden Erlasse an den königl. Ge-
sandten zu Wien vom 4. und 5. d. M. durch
vertrauliche Vorlesung zur Kenntniß der Mitglie-
der zu bringen. Eine förmliche Mittheilung für
das Protokoll glaube ich mir für den Augenblick
vorbehalten zu sollen, wo uns über die Ausfüh-
rung der dem Grafen v. Bernstorff ertheilten Auf-
träge eine wenigstens vorläufige Anzeige zugekom-
men sein wird. Allein es dürfte Ew. Excellenz
nicht unerwünscht sein, schon jetzt den unirten Re-
gierungen durch das Fürstencollegium einen neuen
Beweis davon zu geben, daß in vollster Ueberein-
stimmung mit Jhnen die k. Regierung entschlossen
ist, die eigene Ehre und Würde zu wahren und
ihre Pflicht gegen Deutschland zu erfüllen. Der
vollsten Uebereinstimmung mit Ew. Excellenz bei
dieser Gelegenheit ausdrücklich zu gedenken, ist mir
um so mehr ein Anliegen, je mehr ich beklage,
daß der Mann, welcher mit größter Beharrlichkeit
bemüht ist, die deutsche Sache in jedem Stadium
ihrer Entwickelung ernst und kräftig zu vertreten,
wieder und wieder zum Gegenstand einer ebenso
gehässigen, als grundlosen Verdächtigung zahlloser
Organe der öffentlichen Meinung in verschiedenen
Theilen von Deutschland gemacht wird.
Berlin,
den 9. August 1850. ( gez. ) v. Schleinitz.
Berlin, 10. August. Wenn wir gut unter-
richtet sind, wie wir hoffen dürfen ( berichtet die
„C. Z.“ ) , so ist das Entlassungsgesuch des Hrn.
v. Manteuffel nicht nur erneuert worden -- und
zwar zugleich mit dem des Hrn. v. Stockhausen,
sondern beide Minister hätten auch ihr Verbleiben
im Amt an eine folgenreiche Entschließung über
den Gang der Politik Preußens geknüpft. Die
Regierung Sr. Maj. würde dieser Entscheidung
gemäs zu sofortiger definitiver Constituirung der
Union, zur baldigsten Berufung des Reichstags
und zur Wahrnehmung der Jnteressen Schleswig-
Holsteins im Sinne der Union schreiten und die-
sen Beschlüssen den Nachdruck der ganzen Kraft
Preußens geben. Ein theilweiser Wechsel der Per-
sonen des Kabinets würde mit dem des Systems
zusammenhängen, doch glaubt man, daß der Mi-
nisterpräsident für diese Combination würde er-
halten werden. ( Privatnachrichten aus Berlin
vom 11. August besagen, daß Hr. v. Manteuffel
nicht viel Aussicht habe, mit diesen seinen Forde-
rungen durchzudringen. )
Frankreich.
C Paris. Proudhon hat seinen guten Freun-
den in London, den Bürgern Ledru=Rollin, Char-
les Delescluse, Martin Bernard und Consorten
( nach dem Ausdruck der „Patrie“ ) „die präch-
tigste Ruthe gegeben, die je einen demagogischen
Rücken geliebkost hat.“ Es ist bekannt, daß diese
Bürger unhöflich genug waren, ihn einen stolzen,
heillosen Geist, einen Renommisten zu nennen.
Dafür führt nun der Bürger Proudhon in der
zweiten Nummer des „Peuple“ eine heftige Po-
lemik gegen sie. „Sehen wir,“ sagt er ihnen,
„welche großen Jdeen, welche erhabene Politik
ihr dem französischen Volk beibringt, dieser euro-
päischen Demokratie, deren Organe ihr euch nennt.
Euer Programm zerfällt gleich dem Dekalog in
zwei Theile. Jhr wollt das Recht zur Arbeit,
sagt er ihnen. Eine schöne Sache. Wer streng
sein wollte, könnte sagen, daß das Recht zur Ar-
beit, ohne Erklärung, nichts als ein Köder poli-
tischer Charlatane, eine wahrhaft demagogische
Mystifikation ist. Jhr wollt die freiwillige Asso-
ciation. Was für Association? Die Bürger und
die Arbeiter haben es nöthig, dieß zu wissen; die
Pariser=Associationen, welche in große Schwierig-
keiten verwickelt sind, fragen das mit großem Ge-
schrei. Und ihr antwortet ihnen, wie Marphorius
dem Sganarelle: Associirt euch, wenn ihr wollt;
associirt euch nicht, wenn ihr nicht wollt. Jhr
seid doch mächtige Reformatoren! Jhr wollt eine
einzige, verhältnißmäßige, progressive Steuer.
Wisset doch wenigstens, was ihr sagt. Jhr seid
so sehr gewohnt zu sprechen, ohne zu überlegen,
daß ihr jeden Augenblick die erbärmlichsten Fehl-
griffe macht. Wie habt ihr nur vergessen können,
daß Proportionalität u. Progression in der Steuer
widersprechende Ausdrücke sind, die sich einander
ausschließen? Und diesen schönen Begriffen zu
Liebe ruft ihr das Volk zu den Waffen auf. --
Das Volk zu den Waffen aufrufen! Aber wißt
ihr denn noch nicht, warum euer Manifest vom
13. Juni nicht zum Zweck geführt hat, nicht zum
Zweck führen konnte? Wisset denn, der Aufstand
trägt trotz allen demagogischen Erklärungen und
Glorifikationen, wie der Krieg und das Verbre-
chen, etwas mißliebiges mit sich; etwas, das be-
wirkt, daß das Gewissen des Volkes sich wider
den Aufstand sträubt, und die Bürger nur wider
Willen daran theilnehmen. Jch predige da keine
Doctrin, ich bestätige nur eine Thatsache. Der
Aufstand ist nur dann von Erfolg, wenn er sich
einen legalen Anschein zu geben weiß. Man könnte
sagen, daß das Volk selbst in der gerechtesten
Sache vor der Revolte erröthet. Die Revolution
vom Jahre 1830 fand statt unter dem Rufe:
Vive la charte! die des Jahres 1848 unter
dem Rufe: Vive la réforme! Diese Rufe wa-
ren nicht nur nicht insurrectionell, sondern noch
ein Protest gegen die Jnsurrection. Leidenschaft
kann eine anfangs nur friedliche und legale Be-
wegung in eine Revolution umwandeln; nie ist
eine Revolution vom Volke gleich als solche ein-
gestanden worden. Euer Aufrus zu den Waffen,
den ihr von der Tribüne aus erlassen, hat die
Jnsurrection unmöglich gemacht am 13. Juni
1849, unmöglich am 31. Mai 1850, unmög-
lich vielleicht noch für viele Jahre. -- Ferner
dürfet ihr euch nicht verhehlen, daß das Volk,
wie die Bourgeoisie, zu euch gar kein Ver-
trauen hat. Das Volk lacht über eure politischen
und socialen Pasquinaden; es hat euch bei Euren
Thaten erkannt, es hat die Macht eurer Mittel
und die Fruchtbarkeit eurer Quellen beurtheilt; es
hat unter eurer Jnitiative die Reaction aufkeimen
gesehen, welche ihr heute verdammt, deren Princip
aber in euren Herzen immer lebt; es hat gefühlt,
daß ihr, die ihr immer von revolutionärer Tradi-
tion sprechet, den Faden dieser Tradition verloren
habt; indem es eure Manifeste liest, überzeugt es
sich alle Tage, daß ihr seinen Wünschen völlig
fremd, seine Jnteressen gar nicht kennet; es weiß
endlich, daß ihr nur Menschen der Autorität und
der Macht seid, und um keinen Preis der Welt
wird es sein Geschick zum Zweitenmal in eure
Hände legen. „Beruhigt euch also, und was im-
mer geschehen möge, zerbrechet euch nicht den
Kopf, erhitzt eure Galle nicht, nehmet die Ruhe
im Exil mit Resignation hin, und merket es euch
wohl: wenn ihr nicht einen ganz andern Geist,
einen ganz andern Charakter, eine ganz andere
Jntelligenz bekommet, so ist eure Rolle ansge-
spielt. Begebet euch eurer Phrasen, ruft er ih-
nen zum Schlusse zu, werfet den alten Plunder
des Jakobinismus fort, studirt die Philosophie der
Geschichte, der politischen Oeconomie und des
Rechts. Mit all' euren großen Worten von
Krieg gegen die Könige und Brüderlichkeit der
Völker, mit all' euren revolutionären Paraden
seid ihr bisher nichts als Prahlhänse gewesen.“
Jtalien.
Rom, 15. Juli. Nachträglich berühren wir
noch eine Sache, welche -- mitgetheilt von meh-
reren auch deutschen Blättern -- einiges Aufsehen
gemacht haben mag: wir meinen die Audienz des
anglicanischen Canonicus von Durham, Dr. Jown-
send, bei dem heil. Vater, wo derselbe ein Pro-
Memoria überreichte mit dem Vorschlag zu einer
Vereinigung aller protestantischen Parteien mit der
Kirche, vermöge einer allgemeinen Versammlung
unter Vorsitz des Pabstes. Das Factum ist rich-
tig, aber die Consequenzen nicht, welche man viel-
leicht protestantischer Seits daraus ziehen möchte.
Man weiß, wie sehr die Reformen des h. Vaters
in politischer Beziehung einst verkannt wurden;
man weiß aber auch, wie sehr jede aus dieser
Verkennung entsprungene Hoffnung enttäuscht wor-
den ist. -- Der h. Vater nahm den Dr. Jown-
send liebevoll auf und sprach seine Freude darü-
ber aus, daß man in England das Bedürfniß ei-
nes Bessern fühle und immer noch fest auf posi-
tivem Boden halte. Jn einer spätern Audienz
äußerte sich aber auch der h. Vater über densel-
ben Punkt gegen einen hochgestellten Geistlichen
dahin, daß diese besonders in England lebendige
Jdee einer Art von Transaction doch eine voll-
ständige Verkennung des Wesens der Kirche sei.
-- Einige in der vorigen Woche vorgekommene
Verhaftungen, von denen wir nähere Kunde ha-
ben, werfen ein merkwürdiges Licht auf die jetzige
Wirksamkeit der Radikalen und ihre Verbindun-
gen. Mehrere Polizeicommissäre ließen sich vom
Eigenthümer eines Hauses die innere Thüre eines
Zimmers öffnen, das von einem jungen Menschen
in Miethe genommen und auch mit der Straße
in Verbindung gesetzt war. Obwohl spät am
Abend, war der junge Mann noch abwesend; aber
die Vorbereitungen zu einem großen Mahle zeig-
ten, daß in der Nacht auf viel Besuch zu rechnen
war. Endlich trat Jener, ohne Verdacht zu schö-
pfen, von der Straße durch eine kleine Treppe
ein; die Karabiniere forderten ihn auf, sich ruhig
zu halten und auf jedes Klopfen von Außen
„herein“ zu rufen. Man fand bei ihm einen
Brief nach einer Stadt in der Lombardei, worin
gesagt war, daß seit längerer Zeit die Polizei ihn
stets im Auge behalte und deßwegen zu furchten
sei, daß die an ihn gerichteten Briefe kassirt wür-
den. Man möge deßhalb poste restante an
einen fingirten Namen, den er nannte, schreiben.
-- Bald nachher trat leisen Schritts ein Zwei-
ter ein. Bei ihm fand sich ein in geheimen Cha-
rakteren geschriebener Brief und zudem ein ganzes
derartiges, in Kupferstäbchen geschnittenes Alpha-
bet. Noch ein Dritter wurde auf diese Weise
arretirt, der jedoch weniger gravirt sein soll. Jm
Zimmer fanden sich Waffen verschiedener Art ver-
borgen. Die Uebrigen, deren Besuch zu erwarten
war, scheinen Verdacht geschöpft zu haben und
ließen sich nicht blicken. -- Hierdurch ist die fort-
währende Verbindung der hiesigen Radikalen mit
Piemont, der Lombardei und weiter außer Zwei-
fel gesetzt.
( D. Volksh. )
Eine vom 31. Juli dat. Correspondenz aus
Rom im „Univers“ enthält nachträglich noch ei-
nige Notizen über den jüngst vom hl. Vater zu
seinem Kammerherrn ernannten Msgr. Talbot.
Der Vater desselben, Graf Talbot, so wie seine
ganze Familie gehören der protestantischen Con-
fession an. Der junge Talbot kehrte vor unge-
fähr 6 Jahren in den Schooß der katholischen
Kirche zurück, und erhielt im Jahre 1847 nach
langen und gründlichen Studien die heilige Prie-
sterweihe. Seine Bekehrung verdankt man einem
Besuche der Catacomben, wo der damals noch
anglikanische Minister die Beweise und die augen-
scheinlichen Zeugnisse gerade für diejenigen Dog-
men fand, welche von der Heresie bestritten und
geleugnet werden.