Vermischte Nachrichten.
„Drei Elemente, innig gesellt, bilden die Go-
tha=Frankfurter Welt.“ -- Oder prosaisch aus-
gedrückt: Drei Hauptkorrespondenten sind es, die
den vereinigten Organen der Redakteure Brügge-
mann, Ahrens, Baumgarten und Hartmeyer das
tägliche Futter auf die Krippe schütten: nemlich
Hr. Aegidi in Berlin, Hr. J. Mendelssohn in
Hamburg und Hr. Zchoch in Frankfurt a. M.
Die Correspondenz=Kunststücke unseres journalisti-
schen Tom Pouce, an dem die schwarz=roth=gol-
deue Kokarde das Größte ist, sind bereits gewür-
digt. Der constitutionelle Clubb war die hohe
Schule seiner Politik; die Uebung bei der früher
von ihm besorgten Parlamentskorrespondenz machte
ihn zum Meister im Lithographiren und zum ge-
fährlichsten Concurrenten des diplomatischen En-
tenpapa 's, einen gewissen offiziellen Pli, das sog.
Decker'sche „Jn=den=Stand=gesetzt=Sein,“ hat er
noch von seiner Mitwirkung an der frühern „Dtsch.
Reform.“ -- Das ist die eine Säule des Go-
thaer Ruhmestempels. Der andere Tragpfeiler,
Hr. Zchoch, soll die Nadel mit der Feder ver-
tauscht und sich vordem mehr um Fingerhüte, als
um Pickelhauben bekümmert haben. Kein Wun-
der also, wenn ihm jetzt, als wohlconditionirten
Unionskorrespondenten, selten der Faden ausgeht.
Die dritte Stütze endlich, Hr. J. Mendelssohn,
ist dem Vernehmen nach früher Schriftsetzer ge-
wesen und hat als solcher der Literatur ohne Zwei-
fel mehr genützt, als jetzt durch sein Schriftstel-
lern und resp. durch sein korrespondirendes Go-
thaer Wurststopfen. Wie wir hören, beabsichtigen
diese Zeitungs=Jndustriellen zum Besten Geistig-
Verwahrloster nächstens eine Wohlthätigkeits=Vor-
stellung zu geben; sie haben dazu Angely's „Fest
der Handwerker“ ausgesucht und Jeder will darin
seine ursprüngliche, natürliche Rolle wieder einmal
durchführen. Da namentlich Hr. Mendelssohn un-
ter Anderem auch Theaterrecensionen betreibt, so
wird er in obigen Organen gewiß nach Verdienst
belobt werden, und noch dazu gratis. Es ist aber
auch Zeit, daß wenigstens Kleindeutschland endlich
anfängt, seinen verkannten Genies gebührend Rech-
nung zu tragen.
Neuestes.
* Würzburg, 31. August. Gestern Abend 5
Uhr kam Se. königl. Hoheit Prinz Luitpold hier
an und wurden im Gasthofe zum Kronprinz von
Baiern von den Civil= und Militär=Autoritäten
hiesiger Stadt feierlichst empfangen. Die Jnspek-
tion des hiesigen zweiten Artillerie=Regiments hat
heute bereits begonnen und wird die nächste Woche
noch 5 bis 6 Tage in Anspruch nehmen.
* Würzburg, 31. August. Jn einigen Ta-
gen werden von den 4 nach Aschaffenburg beor-
derten Jnfant.=Bataillonen zwei hier eintreffen. --
Nach eingetroffener Marschordre werden am 2. Sept.
l. J. 2 Escadronen des k. bay. 6. Chevauxlegers-
Regiments Herzog v. Leuchtenberg, von Kitzingen
kommend, hier eintreffen und am 3. d. über Es-
selbach nach Aschaffenburg abmarschiren.
* Arnstein, 31. August. Gestern hatten wir
die ersten Einguartirungen einer Abtheilung Jn-
fanterie, welche auf dem Marsche nach Aschaffen-
burg begriffen ist, und heute werden mehrere Es-
kadronen vom 6. Chevauxleger=Regiment, welche,
von Bamberg kommend, an denselben Bestim-
mungsort abgehen, hier eintreffen.
Bamberg, 30. August. Zwei Eskadronen des
hiesigen 6. Chev.=Reg. nebst dem Stabe werden
morgen früh von hier ab und nach Aschaffenburg
marschiren. Zu gleicher Zeit treten auch die in
Neustadt a/A. liegenden beiden Eskadronen des-
selben Regiments den Marsch nach Aschaffenburg
an.
( B. Z. )
Freiburg, 28. August. Es bestätigt sich, daß
auf Anlaß des Geburtsfestes des Groß-
herzogs zahlreiche Begnadigungen ausgespro-
chen sind. Allein von den vom Freiburger
Hofgericht verurtheilten politischen Verbrechern
sind 38 Personen, gegen welche theilweise eine
Strafe bis zu 3 und 4 Jahr Zuchthaus erkannt
war, der Haft entlassen: bekannte Namen sind da-
runter nicht, wohl aber ein Frauenzimmer, Rosa
Müller von Freiburg, verurtheilt, „wegen versuch-
ter Verleitung württembergischer Soldaten zum
Bruch des Fahneneides.“
( D. Z. )
Stuttgart, 28. August. Gegen das neueste
Gebahren der Salonpietisten enthält heute die
„Ulmer Schnellpost“ folgenden bemerkenswerthen
Artikel: Zu welchem Umfang der Pietismus in
Schwaben aufgewachsen ist, dafür mögen folgende
Thatsachen sprechen, die wir zwei theologischen
Journalen entnehmen. Die Gebrüder Paulus
und Chr. Hoffmann vom Salon bei Ludwigsburg
bereisen in neuerer Zeit das Land, zumal das
pietistische, besuchen die Gemeinschaften, Stunden,
Stundenhalter und Einzelne, reden und beten vor
und mit ihnen, und verkehren unter sich „in der
Sprache Kanaans“ mit dem vertraulichen „du“.
Sie gründen überall „Gebetvereine“ und erneuern
sie insbesondere durch Erzählungen von Märtyrern
im Hinblick auf die bald möglich werdenden Be-
zeugungen des Bekenntnisses mit Blut und Tod.
Ueber 220 solcher Gebetvereine, namentlich auf
der rauhen Alp und dem Schwarzwald, auch im
Stroh= und Zabergäu, haben sich ihnen angeschlos-
sen. Jhre Reiseprediger werden „Evangelisten“
genannt. Es befinden sich frühere Schulsteister
unter ihnen, die ihren Urlaub genommen haben,
und, wie ich höre, sich bei diesem Geschäft besser
stellen, als auf ihren früheren Schulstellen, indem
ihr Einkommen als „Evangelisten“ 600 fl. betra-
gen soll. Das neueste evangelische „Kirchenblatt“
beklagt sich bereits, daß die „Evangelisten“ taufen
und das Abendmal austheilen, und die neuesten
Artikel der „Süddeutschen Warte“ athmen eine
sehr feindseliche Stimmung dieser Partei gegen
die evangelische Landeskirche. So ziehen die Män-
ner des Salons ein umfassendes Netz mitten durch
das pietistische Land hin, um, wenn die Zeit er-
füllt ist, die Fäden zusammenzuziehen, und eine
neue Kirche zu gründen.
Gotha, 25. Aug. Der Landtag hat seinen
Beschluß, die Besteuerung des Privatvermögens
des Herzogs betr., wieder zurückgenommen, nach-
dem die Staatsregierung Protest dagegen erhoben
hatte. Nur die äußerste Linke versuchte durch ihre
Stimmen den Beschluß aufrecht zu erhalten.
( C. Z. )
Dresden, 27. August. Die zweite Kammer
hat die Forterhebung der gesammten Steuern bis
Ende des Jahres genehmigt.
Von der Elbe, 21. Aug. Die „H. B.=H.“
bringt folgendes Nähere über die Verheirathung
des Königs von Dänemark: Die Fräulein Ras-
mussen ist nicht zur Baronesse, sondern zur Gräfin
v. Danner erhoben. Zugleich hat sie den Rang
über den Frauen der dänischen Staatsminister er-
halten. Die beiden Gräfinnen, welche der Trauung
in der Schloßkirche beizuwohnen befohlen waren,
sind die Gräfin v. Ahlefeld, Gemahlin des Ober-
ceremonienmeisters, und die Gräfin v. Knuth. Der
Oberhofmarschall v. Lewetzau führte die Braut an
den Altar. Die Trauung geschah in Gegenwart
des ganzen Hofstaats, der sich in Gala befand.
Nach der Trauung war große Tafel im Schlosse.
Der Erbprinz Ferdinand führte die Gräfin Dan-
ner zur Tafel und der König die Gräfin v. Ahle-
feld. Einige Tage später soll der König mit der
Gräfin v. Danner einen unerwarteten Besuch bei
seiner Stiefmutter, der Königin Karoline Amalie,
gemacht haben. Die ältere Königin, Wittwe Fried-
rich VI., soll sich einen ähnlichen ihr zugedachten Be-
such verbeten haben. Ganz Kopenhagen, insbesondere
die dortige Damenwelt, ist hierüber in großer Auf-
regung; alle Damen, die Zutritt bei Hofe haben, be-
fürchten, den Befehl zu erhalten, der Gräfin von
Danner die Aufwartung zu machen. Diese Furcht
ist um so größer, als man weiß, daß die genannte
Dame erklärt haben soll, ihre größte Freude und
ihr größter Stolz würde sein, wenn alle die Da-
men, als sie Putzhändlerin war, zu ihren Kunden
gehörten, jetzt ihr die Aufwartung machen wür-
den. Die Entrüstung in den höheren Kreisen
Kopenhagens soll groß und allgemein sein. Dieser
Hofscandal paßt aber vollkommen zu dem Stra-
ßenscandal, durch welchen der Kopenhagener Pö-
bel die glorreiche Märzrevolution von 1848 durch-
führte. -- Se. Ercellenz der Hr. Berling ist nicht
alleiniger, sondern nur Miteigenthümer der Ber-
ling 'schen Zeitung, die Eigenthum der ganzen Fa-
milie ist. Derselbe wurde im verflossenen Jahre
zum kgl. Kammerherrn ernannt. Er ist zugleich
Jntendant der Civilliste, die, wie man sich erin-
nern wird, vor kurzem ein bedeutendes Defizit
hatte, welches vom Reichstage auf Antrag des
Ministeriums gedeckt wurde. Sein Einfluß bei
Hofe als Favorit des Königs und der Gräfin v.
Danner soll ein unbedingter sein.
Hamburg, 28. August, Nachmittags 3 Uhr.
Die gestern mitgetheilte Nachricht von einer Lan-
dung 5 dänischer Schiffe bei Grönwald hat sich
nicht bestätigt.
( Berl. telegr. Bur. )
Ludwigsburg, 27. August. Verhandlungs des
Schwuregrichtshofs gegen den Buchdrucker Gül-
dig von Heilbronn, wegen Herabwürdigung der
Religion. Vertheidiger: Rechtsconsulent Georgii
von Stuttgart, Redakteur des Turnblatts. Cle-
ricus Clericum non decimat, ein Redakteur
vertheidigt den andern. Der incriminirte Artikel
erschien in Nro. 33 des Neckardampfschiffes vom
9. Febr. d. J. betitelt: Die Schöpfung der Erde:
Jm Anfang schuf Gott Himmel und Erde und
den Kaiser von Rußland. Und es war anständig
finster, wie in einer Schatzkammer und der Geist
Metternichs schwebte über den Wassern. Und
Gott war destructiv und schuf das Licht und der
Staatsanwalt leitete damals noch keine Klage ein,
und Gott schied das Licht von der Finsterniß und
der Churfürst von Kassel mußte es sich gefallen
lassen ec. Jn diesem Tone geht es fort. Die
Haltung des Artikels ist darauf berechnet, dem
Pöbel die socialen Zustände so darzustellen, als
ob Gott die Welt nur für die hohen Herrschaf-
ten und den Adel erschaffen hätte und als müß-
ten die übrigen Menschen von dem leben, was die
hohen Herrschaften übrig lassen. Die Anklage
geht dahin, daß die Gottheit herabgewürdiget sei
durch die Darstellung, als hätte sie sich durch
Anregung verächtlich geschilderter Personen bestim-
men lassen, Alles nur zum Wohle der Vorneh-
men und der Fürsten einzuleiten. Gleich in der
Voruntersuchung gab der Angeklagte einen ecla-
tanten Beweis von dem Bewußtsein seiner Schuld,
indem er angab, daß sein Setzer in seiner Ab-
wesenheit den Aufsatz ohne sein Wissen aus der
Neuen Deutschen Zeitung abgedruckt habe, was
der Setzer anfangs auch bestätigte; als er aber
seine Angabe beschwören sollte, gestand der Setzer,
daß Güldig ihn veranlaßt habe, das Gericht zu
seinen Gunsten zu belügen. Uebrigens beharrt
der Angeklagte auch heute wieder, obgleich er zu-
gibt, daß er an jenem Tage nicht verreist war,
auf der Behauptung, der Artikel sei aus Verse-
hen ohne sein Wissen abgedruckt worden, ob er
gleich in der Voruntersuchung bereits zugestanden
hatte, daß er selbst den Abdruck des Artikels an-
geordnet habe. Auch benimmt sich derselbe
mit solcher Frechheit, daß er z. B. behauptet, er
könne sich's durchaus nicht gefallen lassen, daß
man ihn einer Lüge beschuldige, er bitte den Hof
zur Sache selbst überzugehen und nicht immer bei
diesem einzigen Punkt stehen zu bleiben. Natür-
lich, so was ist unbequem, wenn man vor aller
Welt Rechenschaft geben soll, warum man das
Gericht belogen habe, da man ja nicht sagen will
und darf, man habe gelogen, um seine Schuld zu
verdecken, denn man bekennt sich nicht schuldig;
man hat in dem incriminirten Artikel keine Her-
abwürdigung der Neligion, sondern blos eine Sa-
tyre auf die politischen Zustände erblickt. Uebri-
gens setzt die Frage des Präsidenten: Glauben
Sie, daß man zur Satyre Alles benützen darf,
den Angeklagten in große Verlegenheit; er läßt
sich auf eine Beantwortung dieser Frage nicht ein,
sondern entschuldigt sich damit, daß er vorbringt,
der Aufsatz sei in dem komischen Volkskalender
erschienen, welcher in Preußen, wo doch die Re-
ligion am meisten „gehandhabt“ ( sic! ) werde, in
20,000 Exemplaren verbreitet sei. Dieser Ent-
schuldigung setzt der Präsident die in jeder Be-
ziehung treffende Frage entgegen: Glauben Sie,
daß wir uns das, was in Preußen geschieht, zum
Muster nehmen müssen? Güldig verwickelt in
solche Widersprüche, daß dieses einfältige, ächt
demokratische Läugnen Einem ordentlich wehe thut.
Die Begründung der Anklage ist natürlich leicht.
Man braucht, bemerkte der Staatsanwalt, den
Artikel nur zu lesen, um von Eckel über den gan-
zen Jnhalt desselben erfüllt zu werden. Allerdings
ist der Zweck desselben zunächst der einer politi-
schen Satyre. Allein die Anklage gründet sich
auf das Mittel, welches zur Erreichung dieses
Zweckes angewendet wurde, es sind hiezu die
Worte der heil. Schrift gebraucht worden, um
Lachen zu erregen, und wenn man die hl. Schrift
und Person Gottes mißbraucht, um Lachen zu
erregen, so ist das eine Herabwürdigung der Re-
ligion und der Gottheit. Gott wird hier als der
gehorsame Diener der hohen Herrschaften darge-
stellt, der sich beeilt, ihre Launen, auch die wider-
sinnigsten, zu erfüllen. ( Schluß folgt. )
Berlin, 25. Aug. ( Schluß der in der gestri-
gen Nummer abgebrochenen Aktenstücke aus dem
„ Preuß. Staatsanzeiger. “ ) Es bedarf wohl
kaum der Erwähnung, daß, wenn auch das
einzusetzende Schiedsgericht nach den im § 6 der
mit dem 1. Mai ds. Js. erloschenen Ueberein-
kunft vom 30. September v. Js. enthaltenen
Bestimmungen zusammengesetzt wird und die durch
dasselbe zu entscheidenden Fragen zu Verhand-
lungen in Beziehung stehen, welche im Schooße
der gleichfalls nicht mehr in allgemein anerkannter
und rechtlich begründeter Wirksamkeit stehenden
Bundeskommission eröffnet worden sind, hieraus
eben so wenig irgend welche Forderungen auf eine
längere oder erneuerte Geltung der Uebereinkunft
vom 30. September, als auf die Rechtmäßigkeit
oder Nothwendigkeit eines ferneren Bestandes der
Bundeskommission abgeleitet zu werden vermöch-
ten. Nicht minder dürfte es sich von selbst ver-
stehen, daß vor erfolgter schiedsrichterlicher Ent-
scheidung, bezüglich der von Preußen in seiner
Depesche vom 4. d. angeregten und im gegenwär-
tigen Erlasse aufgezählten Fragen, von keiner
Seite und in keiner Weise einseitig vorangegangen
oder etwas verfügt und unternommen werden könne,
was mit diesen Fragen in Verbindung steht. Wir
hoffen, daß das königlich preußische Kapinet auf-
richtig die Hand dazu bieten wird, damit der Weg,
welchen es uns selbst vorgeschlagen hat, zur Aus-
gleichung führe. Demgemäß müssen wir aber
auch wünschen, daß die gereizte Stimmung, welche
sich in den letzten Mittheilungen des Berliner
Hofes kund gibt, einer ruhigen, besonnenen und
unbefangenen Erwägung der Verhältnisse weichen
möge. Ew. ec. haben dem Freiherrn von Schlei-
nitz eine Abschrift gegenwärtiger Depesche, so wie
der hier mitfolgenden, die Beziehungen des dama-
ligen Vicegouverneurs der Bundesfestung Mainz
zu seinem Hofe betreffenden Denkschrift mitzuthei-
len und mir die Jhnen hierauf zugehende Erwi-
derung mit thunlichster Beschleunigung zugehen zu
machen. 2 ) Ew. Hochgeboren übersende ich an-
liegende Abschrift einer Depesche des k. k. Mini-
sterpräsidenten an den Freiherrn v. Prokesch=Osten,
d. d. Wien, 12. August, welche der Letztere mir
mitzutheilen beauftragt worden, und welche die
Erwiderung auf unsere unterm 4. d. M. in Be-
treff des Durchzuges der großherzoglich badischen
Truppen durch Mainz enthält. Es ist nicht meine
Absicht, im gegenwärtigen Zeitpunkt auf die ein-
zelnen in dieser Depesche zur Widerlegung der
von uns aufgestellten Grundsätze beigebrachten Ent-
gegnungen einzugehen. Es genügt die Bemerkung,
daß das k. k. Kabinet auf dem in seiner Circu-
lardepesche an die k. k. Missionen in Deutschland
vom Juli eingenommenen Standpunkt beharrt,
und daß wir auch in den jetzigen Aeußerungen
desselben keine Argumente zu entdecken vermögen,
welche unsere Ansichten über den Rechtspunkt der
Frage im Allgemeinen verändern könnten. Dage-
gen erklärt das k. k. Kabinet sich bereit, das dar-
gebotene Schiedsgericht anzunehmen und dasselbe
über die von uns angeregten Fragen erkennen zu
lassen. Jndem wir diese Erklärung der Annahme
unseres Vorschlags mit Befriedigung entgegenneh-
men, halten wir es für Pflicht, zugleich von vorn
herein jeder mißverständlichen Auffassung vorzu-
beugen, welche über die Bedeutung, wie wir die-
sem Schiedsgericht beilegen, entstehen könnte. Es
handelt sich nemlich in dieser Angelegenheit um
zwei ganz verschiedene Fragen: einmal um die
Verlegung der badischen Truppen und die mit
dem Großherzogthum darüber abgeschlossene Con-
vention überhaupt, andererseits um den Durch-
marsch dieser Truppen durch die Bundesfestung
Mainz. Die erstere Frage unterliegt für uns
durchaus keinem Zweifel, den wir einer rechtlichen
Entscheidung zu unterziehen hätten. Wir haben
hierüber, wie aus dem Wortlaut meiner Jnstruk-
tion vom 4. d. M. hervorgeht, auf kein Schieds-
gericht angetragen, und können keines annehmen,
weil wir keinem Bundesgliede das Recht eines
Einspruchs gegen eine solche mit dem Großherzog-
thum Baden verabredete Maßregel zugestehen kön-
nen. Die fernere Verlegung der Truppen wird
daher nach unserm und dem Ermessen Badens
fortgesetzt werden, ohne daß die für den einzelnen
Punkt des Durchgangs durch die Bundesfestung
Mainz vorbehaltene Berufung auf einen schieds-
richterlichen Ausspruch einen über diesen Punkt
hinausgehenden Einfluß darauf ausüben dürfte.
Wir sind diese offene Erklärung sowohl uns und
dem Großherzogthum Baden, als dem k. k. Kabi-
ner schuldig, damit kein Zweifel über unsere Ab-
sichten stattfinde. Die zweite Frage ist es allein,
welche einer schiedsrichterlichen Entscheidung in
dem Falle unterworfen werden kann, daß in dem
Schooße der Bundescentralcommission, als der al-
lein zur Ertheilung betreffender Weisungen an den
Gouverneur der Bundesfestung berechtigten Be-
hörde, keine Einigung über die zu erlassenden
Weisungen erzielt werde. Wir können auch nicht
anders annehmen, als daß das k. k. Kabinet eben
diesen Punkt ins Auge gefaßt und unsern Vor-
schlag hierauf bezogen habe, da wir in dem
Schreiben vom 4. d. M. ausdrücklich gesagt ha-
ben: „Sollte daher dem bereits vorliegenden Be-
schlusse der Bundescentralcommission vom 17. v.
M. bei seiner Fassung nicht die Bedeutung bei-
gelegt worden sein, daß er für alle noch zu er-
wartenden Durchzüge badischer Truppen nach
Preußen Geltung haben solle, so wird auf die
verfassungsmäßige schiedsrichterliche Entscheidung
recurrirt werden müssen.“ Der Gang, den wir
im Auge gehabt und noch jetzt im Auge haben
müssen, ist hierdurch auf die einfachste Weise vor-
gezeichnet. Wenn die Bundescommission jenen
Beschluß nicht auf den damals vorliegenden ein-
zelnen Fall beschränkt, sondern auch auf die noch
zu erwartenden Durchzüge ausgedehnt wissen wollte,
so würde kein Anlaß zu einer schiedsrichterlichen
Entscheidung vorhanden sein und der Gouverneur
der Bundesfestung würde einfach nach jener Jn-
struktion zu handeln haben, ohne weitere Weisun-
gen zu erwarten. Daß das Festungsgouvernement
von Mainz den Beschluß der Bundescommission
vom 17. Juli in diesem Sinne ausgelegt habe,
geht aus dem Schreiben des Festungsgouverneurs
an das großherzoglich badische Kriegsministerium
vom 24. desselben Monats hervor, worin derselbe
das letztere auffordert, bei etwa weiter bevorstehen-
den solchen Durchzügen das diesfällige Aviso et-
was früher hieher ( nach Mainz ) gelangen zu las-
sen, damit nicht nur dem Durchzuge kein Hinder-
niß in den Weg gelegt, sondern das Festungsgou-
vernement in die Lage gesetzt werde, die nöthigen
Voreinleitungen zu treffen, um den durchziehenden
Bundestruppen auch die etwa erforderliche Unter-
stützung angedeihen lassen zu können. Wenn da-
gegen bei regelmäßiger Anmeldung weiterer Durch-
züge das Festungsgouvernement von Mainz sich
durch weitere, ihm selbst anheimgegebene Erwä-
gungen bemüßigt sehen wollte, einer anderen Auf-
fassung Raum zu geben und den Durchzug nicht
zu gestatten; wenn ferner die Bundescommission,
auf welche in diesem Falle recurrirt werden müßte,
sich nicht in der Lage fühle, weder ihrem früheren
Beschlusse die angedeutete Auslegung einer Aus-
dehnung auf künftige Fälle zu geben, noch einen
als nothwendig werdenden neuen Beschluß ein-
stimmig zu fassen, wie dies in dem resp. von uns
und von der k. k. Regierung eingenommenen Stand-
punkte und den danach voraussetzlich an die bei-
derseitigen Mitglieder der Commission ertheilten
Jnstruktionen anzunehmen ist, so tritt alsdann der
Fall der schiedsrichterlichen Entscheidung für die
Frage ein, ob die Commission den früheren Be-
schluß auch für die nachfolgenden Fälle aufrecht
zu erhalten habe; ein Weg, welchen wir als den
einzigen vertragsmäßigen bezeichnet haben, und
welchen zu gehen wir bereit sind. Jndem wir
daher ein Eingehen auf die rechtliche Ausführung
über unsere Auffassung der in Frage kommenden
Bundesgesetze und Reglements uns für die des-
fallsign Verhandlung vorbehalten, wiederholen wir
hiermit unsere Erklärung, daß wir für diesen Fall
und für diesen genau bezeichneten Punkt die schieds-
richterliche Entscheidung annehmen. -- Jn erwie-
derung auf die Erklärung des k. k. Kabinets über
die Wahl der königlich bayerischen Regierung be-
merken wir, daß wir unsererseits die großherzog-
lich oldenburgische Regierung ersuchen werden, das
Schiedsrichteramt zu übernehmen, und, sobald der
bezeichnete Fall eingetreten ist, sich mit der könig-
lich bayerischen Regierung in Verbindung zu setzen,
um sich über die Wahl des dritten Mitgliedes zu
einigen. Wir glauben, daß auch das k. k. Kabi-
net nicht verkennen werde, wie dies der natur-
und vertragsmäßige Weg sei, auf welchem der
verschiedenen Auffassung dieser Angelegenheit die
zu praktischen Verwickelungen und Conflicten füh-
rende Spitze gebrochen werden könne, und wir be-
zweifeln nicht, daß dasselbe in bundesfreundlicher
Gesinnung diesen Weg betreten werde, um für
die weitere Verständigung die Aussicht offen zu
erhalten. Je mehr wir uns bewußt sind, in die-
ser ganzen Angelegenheit nicht von selbstsüchtigen
Motiven, sondern nur von dem wahrhaften Jnte-
resse an der Wohlfahrt eines befreundeten Bun-
deslandes und der dadurch bedingten Kraft und
Sicherheit des ganzen Bundes geleitet zu sein:
um so mehr müssen wir hoffen, daß die k. k. Re-
gierung, welche auch bei verschiedener Auffassung
der Fragen von denselben Gesinnungen beseelt ist,
bei näherer und eingehender Erwägung sich davon
überzeugen werde, daß wir nur im wahren Jnte-
resse des Bundes handeln, und daß auf auf öster-
reichischer Seite kein specielles Jnteresse vorhanden
kein könne, der Ausführung der begonnenen Maß-
regel Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg
zu legen. Ew. ec. wollen dem k. k. Ministerprä-
sikenten unser vollständiges Vertrauen auf diese
bundesfreundliche Gesinnung aussprechen und un-
ter Mittheilung einer Abschrift dieser Depesche
denselben um eine baldige Eröffnung seiner Ab-
sichten ersuchen.
Berlin, 19. August 1850. ( gez. )
von Schleinitz. An den königlichen Gesandten
ec. Herrn Grafen von Bernstorff Hochgeboren
zu Wien.