Oesterrich und Preußen.
Eine der vornehmsten Ursachen von Oester-
reichs Einfluß in Deutschland besteht in der Zu-
versicht der deutschen Regierungen zu der Redlich-
keit seiner Absichten. Die Thatsache läßt sich nicht
ableugnen, daß die deutschen Staaten in demsel-
ben Grade Preußen mißtrauen, wie sie Oesterreich
vertrauen. Die Ursache dieser Erscheinung ist nicht
eine vorübergehende, sie ist eine permanente. Sie
liegt nicht in dem Charakter einzelner Persönlich-
keiten; sie ist in den innersten Zuständen der bei-
den Großstaaten begründet. Oesterreich und Preu-
ßen sind während der letzten dreißig Monate nicht
Rivale in Deutschland gewesen, denn Preußen hat
ein Ziel angestrebt, welches Oesterreich gar nicht
erreichen wollte. Preußen wollte seinen Einfluß
in Deutschland vermehren, Oesterreich wünschte
den seinen nur zu erhalten. Preußen wollte wach-
sen, erobern, herrschen. Es wollte Staaten me-
diatisiren, ohne den Namen Mediatisirung zu ge-
brauchen, ihre Truppen durch Militärconventionen
an sich ziehen, ihre Politik durch seine Gesandten
vertreten, das heißt, beherrschen, und den Rest
von Macht, der ihnen dann übrig geblieben, durch
ein Unions=Parlament neutralisiren, in welchem
seine Unterthanen die große Mehrheit der Stim-
men gehabt hätten. Oesterreich hatte solche Pläne
nicht. -- Es würde nicht sehr schwer sein, Preu-
ßen davon zu überzeugen, daß die Franzosen ihr
Augenmerk auf das linke Rheinufer jenes Staates
gerichtet haben, und es gern bei einer günstigen
Gelegenheit an sich zu reißen suchen werden. Keine
Beredsamkeit in der Welt wird aber irgend einen
Preußen zu dem Glauben bewegen können, daß
man in London beabsichtige, Köln oder Koblenz
zu englischen Städten zu machen. Die Anwen-
dung dieser Sätze auf deutsche Verhältnisse ist nicht
schwer zu finden. Welcher König auch in Preu-
ßen herrsche, welches Ministerium auch dort re-
giere, welche Politik dort auch befolgt werde, im-
merhin werden andere deutsche Staaten sich der
Besorgniß nicht erwehren können, daß Preußen
ihre Selbstständigkeit bedrohen werde, ja müsse.
Bedarf Frankreich des deutschen linken Rheinufers,
um wie unendlich näher liegt nicht Preußen das
Gelüste, ja das Bedürfniß, Braunschweig, Ham-
burg, Hannover, Hessen, Sachsen, Oldenburg,
Holstein und noch eine große Anzahl anderer deut-
scher Staaten an sich zu bringen. Diese und an-
dere deutsche Länder werden aber nicht einen ähn-
lichen Vergrößerungstrieb von Seiten Oesterreichs
voraussetzen, weil sie wissen, daß das Vergröße-
rungsbedürfniß nicht da ist. -- Diese thatsächliche
Lage der Dinge hat dem preußischen Vierkönigs-
bündniß drei Könige abwendig gemacht, und vier
Könige Oesterreich als Alliirte zugeführt. Die
Union scheiterte einfach an der Unmöglichkeit, den
deutschen Mittelstaaten ein Zutrauen zu Preußen
und seinen Absichten einzuflößen. Der Bundestag
in Frankfurt konnte darum zu Stande kommen,
weil von der Eider bis zur Donau das Vertrauen
zu der österreichischen Erhaltungspolitik im Gegen-
satze zu Preußens Vergrößerungspolitik fest be-
gründet war. Diese moralische Ursache hat Oe-
sterreich stark in Deutschland gemacht. -- Die
preußischen Politiker haben dieses Faktum wohl
erkannt, und wir können es ihnen von ihrem
Standpunkte aus kaum verargen, wenn sie sich
bemühen, Oesterreich aus der starken Position,
welche es jetzt einnimmt, hinauszudrängen. Sie
wollen nichts Anderes, als daß Oesterreich selbst
das natürliche Vertrauen, welches es den deutschen
Regierungen einflößt, entwurzele. Die ministeri-
elle Presse Preußens schreibt die Schuld an dem
Zerwürfnisse in Deutschland hauptsächlich auf den
„Ehrgeiz“ der Mittelstaaten, welche sie ja so weit
treibt, ihre eigene Unabhängigkeit sicher zu stellen.
Besonders ist Bayern derselben ein Dorn im
Auge. Wenn die Mittelstaaten nicht wären, heißt
es in Berlin, so würde eine Aussöhnung zwischen
den beiden Großstaaten nicht mehr schwer herzu-
stellen sein. Man gibt Oesterreich nicht undeut-
lich zu verstehen, daß man die Herrschaft über
Deutschland, da man sie nicht allein hat erringen
können, jetzt gerne mit demselben theilen wolle,
unter den Bedingungen jedoch, daß kein Dritter
an derselben Theil habe. -- Oesterreich ist zu
ehrlich, um seine Hand zu der Erreichung eines
solchen Dualismus in Deutschland zu bieten. Aber
es ist auch zu weise, um es zu thun. Dieser
Dualismus würde Preußen freie Hand im Nor-
den geben, wo gerade die kleineren Staaten sich
befinden, welche, wenn Oesterreich sie verläßt,
hilflos in die Gewalt ihres mächtigen Nachbars
fallen müssen. Er würde dann das Mißtrauen
der größeren süddeutschen Staaten weit heftiger
gegen Oesterreich, als gegen Preußen entstehen
lassen. Oesterreichs jetzige treue Verbündete wür-
den sich dann voll gerechten Zornes über das
Spiel, welches dasselbe mit ihnen getrieben, gegen
dieses rüsten und sich nöthigenfalls an das neu
arrondirte und mit einer stärkeren „Taille“ ver-
sehene Preußen anschließen, um zu verhindern, daß
Oesterreich im Süden das thue, was Preußen be-
reits im Norden gethan hätte. Oesterreich, wenn
es Lust hat, das Gagern'sche Programm zu einer
Wahrheit zu machen, braucht blos einen Treu-
bruch gegen die Mittelstaaten zu begehen. -- Der
in Berlin projektirte Dualismus ist nur ein kur-
zer Umweg zu der auch in Berlin projektirten
unitarischen Beherrschung Deutschlands. Oester-
reich wird diesen Vorschlag zur Güte von der
Hand weißen müssen. Oesterreich will seine Macht
in Deutschland nur auf der Basis der Verträge,
des Rechts und der Redlichkeit ruhen lassen. Es
will seinen Einfluß in jenem Lande nicht durch
unbefugte Uebergriffe verkürzen, noch durch recht-
lose Vortheile vermehren lassen.
Die Ereignisse in Kurhessen.
Kassel, 2. Nov. Heute um 10 Uhr Vor-
mittags rückte königl. preußisches Militär zum
holländischen Thore, auf der Straße von Marburg
her, hier ein. Die Truppen haben in der letzten
Nacht um 12 Uhr Marschbefehl erhalten und die
ganze Nacht hindurch marschirt. Voran befand
sich General v. Tiezen mit seinem Stabe; ihm
folgte das 12. Husarenregiment, das 18. Linien-
infanterieregiment ( jede Compagnie 180 Mann
stark ) und ein dazu gehöriges Füsilierbataillon
ferner eine Batterie Artillerie. General v. Tiezen
reichte beim Einmarsch am Thore mehreren Bür-
gern die Hand u. sprach mit den freundlichsten Worten
die Versicherung aus, daß er und sein Corps als
Freunde kämen, und deßhalb um eine freundliche
Aufnahme bäten. Hierauf ist ihm erwidert wor-
den, daß er mit solchen Ansichten den Bewohnern
willkommen sei. Die preußischen Truppen beziehen
die leer stehenden Kasernen nicht, sondern werden
bei den Bürgern einquartiert. Ebenso besetzen
dieselben außer den Thoren keine Wachen inner-
halb der Stadt. -- Gegen Mittag werden wei-
tere Zuzüge preußischer Truppen in der Richtung
von Eisenach her erwartet, ebenso ist bereits ein
Kürassierregiment angemeldet, welches um 1 Uhr
von Ossendorf und dessen Umgegend her hier ein-
treffen soll. Die Begegnung zwischen Militär
und den hiesigen Bewohnern ist freundlich. Meh-
rere höhere preußische Offiziere haben dem noch
hier verweilenden hessischen Commandanten, Oberst
von Stark, die Versicherung der freundschaftlichsten
Gesinnungen ausgedrückt. Die Bürgergarde be-
zieht die Wachen in der Stadt und wird für
Aufrechthaltung der inneren Ruhe und Ordnung
Sorge tragen.
( F. O.=Z. )
Fulda, 2. Nov. Jn diesem Augenblicke ist
die preußische Avantgarde dahier eingezogen, be-
stehend aus ungefähr 1600 Mann Husaren, Jn-
fanterie, Jäger und Artillerie. Die Generäle v.
d. Gröben, Radzivill und Katte befindet sich hier.
Morgen werden diese Truppen hier bleiben, aber
auch neue Massen eintreffen. Unsere Bezirksdirek-
tion hat heute von Wilhelmsbad Ordre erhalten,
für die Unterkunft einrückender Bayern und Oe-
sterreicher Sorge zu tragen und über die Ankunft
der letzteren zu berichten; dagegen hat nun die
Bezirksbehörde den Einmarsch der Preußen per
Estafette berichtet. Die Bayern sind auch von
der Röhn in einige kurhessische Dörfer eingerückt.
Auf einer Anhöhe vor der Stadt sind preußische
Husaren aufgestellt. Die Thore der Stadt sind
besetzt.
( F. J. )
Gelnhausen, 2. Nov. Gestern wurden wir
hier plötzlich von dem Einmarsch der Bayern über-
rascht. Die Truppen betrugen sich sehr gut. Jhre
Mannszucht ist eben so tüchtig, als ihr Aussehen
und ihre Haltung vortrefflich. Jn der ganzen
Gegend herrscht übrigens tiefe Ruhe, da die Ein-
wohner überhaupt nur wenig Theil an der Be-
wegung nehmen. Man hätte die Steuern gern
bezahlt, erbot sich auch hierzu, wenn sie die Be-
amten nur angenommen hätten. Diejenigen, welche
solches über uns gebracht, tragen große Verant-
wortlichkeit. Mögen wir nur wenigstens mit ei-
nem Kriege verschont bleiben; dann wollen wir
gern noch Alles ertragen. -- Heute traf nun das
Hauptquartier Sr. Durchl. des Fürsten v. Thurn
und Taxis bei uns ein, mit dem Civilkommissär
des Bundes, Graf Rechberg und dem kurh. Ci-
vilkommissär Staatsrath Scheffer. Wie man hört,
ziehen die Truppen morgen weiter nach Schlüch-
tern und gegen Fulda. Sie sind voller Kriegs-
muth, wir aber wünschen, daß ein blutiger Con-
flikt, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären, vermie-
den werden möge! Preußen wird ein solch Unglück
nicht über das deutsche Vaterland bringen, Gott
wolle es verhüten. Es würde eine enorme Verant-
wortung auf sich laden, wenn es sich den deut-
schen Bundestruppen widersetzen wollte, welche sich
vollkommen auf dem Boden des Rechts bewegen,
während die Preußen, die niemand rief, gegen
deren Einmischung vielmehr der Landesfürst förm-
lich protestirte, nicht das mindeste Recht haben,
in die kurhessische Angelegenheit sich zu mengen.
Wir hoffen darum noch immer auf einen fried-
lichen Ausgang. Mitten unter den einziehenden
bayerischen Truppen sehen wir heute ganze Schaa-
ren beurlaubter kurhessischer Soldaten, ein recht
schmerzlicher Anblick für uns; jene, trotz des
mühsamen Marsches auf den durch den Regen
grundlos gewordenen Straßen, munter voll krie-
gerischen Eifers und guter Haltung, ihrer ern-
sten Bestimmung, deren Ausgang noch jedem un-
bekannt, entgegenziehend; diese still und in sich
gekehrt, den Stab in der Hand, der Heimat zu-
wandern!
( K. Z. )
Aus dem Hauptquartier an der eisenach=hes-
sischen Grenze, 2. Nov. Gestern Abends ist die
Ordre zum Einrücken in Kurhessen und zwar zu-
nächst in Fulda eingetroffen. Jn Folge dessen ist
das in Eisenach stationirte Bataillon sammt dem
Generalstabe heute früh mittelst Extrazuges nach
Gerstungen, um von da noch heute bis Hünfeld
zu gehen und morgen in Fulda einzutreffen. Zu
ihm wird der größere Theil der auf der Linie
von Gerstungen bis Geisa stationirten Truppen
stoßen. -- Der Eilmarsch bezweckt den heranrü-
ckenden Bayern zuvorzukommen. Doch zweifeln
die HH. vom Generalstabe selbst, ob sie Befehl
zum Zurückdrängen derselben erhalten würden, wie
denn auch die Bayern noch keinen zum Angriff
erhalten haben.
Kassel, 3. Nov. Jm Ganzen befinden sich
gegenwärtig, mit den gestern eingerückten Truppen,
wenigstens 8000 Mann hier. Das Kommando
führt General v. Tiezen und Generalmajor v.
Koch.
Hanau, 3. Nov. Jn Folge des ergangenen
Befehls, bis heute Nachmittag um 2 Uhr die
Waffen ec. abzuliefern, wurde eine größere Zahl
derselben nach dem Neustädtischen Rathhause ge-
bracht und daselbst in Empfang genommen. Nach-
mittags stellte sich ein Theil der hiesigen königl.
bayerischen Besatzung, Jnfanterie und Cavallerie,
auf dem Markte auf. Die Kanonen wurden be-
spannt und ziemlich starke Jnfanterie= und Ca-
valleriepatrouillen durchzogen die verschiedenen Stra-
ßen der Stadt, während kleinere Pikets vor den-
jenigen Häusern sich aufstellten, in denen die Con-
trole wegen Ablieferung der Waffen vorgenommen
wurde, was der Reihe nach in allen Straßen
theils schon geschah, theils noch geschehen wird.
Durch diese militärische Bewegung kam eine grö-
ßere Lebhaftigkeit in die sonst am Sonntag ziem-
lich stillen Straßen unserer Stadt. Da gestern
bereits ein Theil von den hier verbliebenen Trup-
pen weiter marschirt ist, wonach die hiesige Be-
satzung nur noch aus etwa 2300 Mann besteht,
wurden theilweise Umquartierungen, resp. Ver-
minderungen einzelner Einquartierungen vorge-
nommen. Die Hauptwache ist mit 60 bis 70
Mann, der Bahnhof mit 30 bis 40 Mann und
die Wachen der Hauptthore verhältnißmäßig be-
setzt. Jm übrigen waltet die größte Ruhe und
die Wirthschaftslocale sind ebenso stark als ge-
wöhnlich am Sonntage besucht.
( F. O.=Z. )
Hanau, 3. Nov. Das hiesige Obergerecht
hat seine Auflehnung gegen die Gesetze auch auf
die Anordnungen der Bundesbehörde ausgedehnt,
und auf den Befehl des Bundeskommissärs wegen
sofortiger Erhebung der Stempel durch das Ober-
gericht und die Untergerichte, ablehnend verfügt,
und sich nur dazu bequemt, jenen Befehl den Un-
tergerichten „nachrichtlich“ mitzutheilen. Jn der
Nichtberechtigung des Commissärs und der den
Befehl zersetzenden Verfügung des Obergerichts,
die wir auch von anderer Seite bestätigt finden,
ist zugleich wieder jene, unsern faulen Zuständen
eigene rabulistische Zweideutigkeit zu erkennen,
welche um jede Widerspänstigkeit ein quasilegales
Mäntelchen zu hängen sucht.
( K. Z. )
Fulda, 3. Nov. Das preußische Militär ver-
schiedener Waffen, welches von gestern auf heute
übernachtet hat ist heute Morgen bis auf eine halbe
Stunde vor Neuhof ( 3 Stunden von hier nach
Hanau zu ) vorgerückt und andere Truppen, preu-
ßische Jnfanterie, Kuirassiere und Artillerie, sind
wieder eingerückt. Wie freundlich die Preußen
gesinnt sind, kann man daraus ermessen, daß sie
nicht nur die Thüren der hiesigen Jnfanterieca-
serne, sondern sogar auch die des Marstalls im
hiesigen kurfürstlichen Schlosse mit Aerten einge-
schmissen und sich in Besitz dieser Räumlichkeiten
gesetzt haben. Die Truppenmasse, welche im Au-
genblick zwischen Hünfeld und Neuhof sich bewegt,
mag nach einem ungefähren Ueberschlag an 8000
Mann betragen. Die Bayern sind heute in Neu-
hof eingerückt. Cheveanrlegers bilden ihre äußerste
Spitze und grüne Husaren die der Preußen. Zwi-
schen beiden Truppen liegt eine Distanze von kaum
einer halben Stunde.
( K. Z. )
Hanau, 4. Nov. Es haben uns jetzt alle
bayer. Truppen verlassen, um zu der Hauptmacht
bei Schlüchtern zu stoßen, blos 2 Bat. Fußvolk,
1 Schwadron Reiter und eine halbe Batterie sind
im Augenblick noch hier, indeß werden stündlich
neue Truppen, darunter auch Oesterreicher, von
Würzburg und Heilbronn her erwartet.
Frankfurt, 4. Nov. Wie wir vernehmen,
hat General v. d. Gröben, nachdem er in Hessen
eingerückt, an die kurfürstl. Regierung ein Schrei-
ben gerichtet, in welchem er in den höflichsten
Ausdrücken diesen Einmarsch anzeigt, und als
Zweck desselben die Besetzung der Preußen zuste-
henden Etappenstraße angibt, sowie beifügt, daß
er sich in keinerlei Weise in die innern Angele-
genheiten des Kurstaates mischen werde. Auf die-
ses Schreiben und die Nachrichten hin, daß Kassel
und Fulda wirklich durch preußische Truppen be-
setzt seien, hat die kurfürstliche Regierung sofort
feierliche Verwahrung gegen einen solch gewalt-
thätigen Eingriff in die Unabhängigkeit des Staa-
tes und in die Selbstständigkeit der kurfürstlichen
Regierung erhoben, und ihrem Gesandten in Ber-
lin den Befehl gegeben, sofort diese Stadt zu
verlassen, auch hat sie sogleich alle Verbindungen
mit dem bei der kurfürstlichen Regierung beglau-
bigten kgl. preußischen Gesandten förmlich abge-
brochen. Ferner vernimmt man, daß die kurfürst-
liche Regierung sich gestern noch an den deut-
schen Bund um Schutz und Hilfe gewandt hat.
( K. Z. )
Frankfurt, 4. Nov. Der kurhessische Ge-
sandte in Berlin, Herr v. Dörnberg, ist abbern-
fen. Die Verwahrung lautet wie folgt: Die kgl.
preuß. Regierung hat durch kgl. preuß. Truppen
die Grenzen des Kurfürstenthums Hessen über-
schritten und am heutigen Tage Kassel, die Haupt-
und Residenzstadt Sr. kgl. Hoheit des Kurfürsten
von Hessen, militärisch besetzen lassen und durch
das abschriftlich anliegende Schreiben des k. preuß.
kommandirenden Generals, Grafen von der Grö-
ben, der kurfürstl. Staatsregierung hiervon Kennt-
niß gegeben. Ebenso hat ein Einmarsch königl.
preuß. Truppen in die Provinz Fulda stattgefun-
den. -- Sowohl dieser Einmarsch königl. preuß.
Truppen, als auch die Besatzung kurhessischer Ge-
bietstheile durch dieselben, hat ungeachtet der durch
die Note des kurfürstlichen Ministeriums des Aeu-
ßern vom 23. Sept. dieses Jahres dem königl.
preußischen Ministerium des Aeußern ausgespro-
chenen vorläufigen Verwahrung, ohne eine deß-
halbige Requisition seitens der kurfürstlichen Re-
gierung und gegen deren Willen stattgefunden.
Durch diese Handlungsweise der königl. preußischen
Regierung ist die Unabhängigkeit und Unverletz-
barkeit des Kurfürstenthums, welche demselben
durch das deutsche Bundesrecht, als einem deut-
schen Bundesstaate, gewährleistet ist, beeinträch-
tigt worden. -- Jm Auftrag und im Namen
Sr. königl. Hoheit des Kurfürsten von Hessen er-
klärt das kurfürstl. Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten, daß es allerhöchstdenselben zu-
stehende Rechte gewahrt wissen will, legt gegen
die Verletzung der Souveränetät Sr. königl.
Hoheit des Kurfürsten hiermit feierliche Verwah-
rung ein und beruft sich auf die Vertretung und
den Schutz des durchlauchtigsten deutschen Bun-
des.
Wilhelmsbad, den 2. Nov. 1850. Kur-
fürstl. Hessisches Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten ( gez. ) Baumbach. Deutschland.
Frankfurt, 30. Okt. Man ist durchaus im
Ungewissen darüber, wie das neue hannöv. Mi-
nisterium sich zur Bundesfrage stellen werde. Den
Premierminister v. Münchhausen hält man für
entschieden und treu; ebenso den Kriegsminister,
General Jakobi. Dagegen befürchtet man, daß
Lindemann und Mayer nur noch im erhöhten
Maße die Bedenklichkeit theilen werden, welche
Stüve der Ausführung des Bundehbeschlusses in
Bezug auf Kurhessen entgegengesetzt hat. Der
hannöv. Bundestagsgesandte Detmold ist in einer
höchst unangenehmen Situation. Er hatte sich
nach einem heftigen Kampfe der Meinung der
übrigen Bundestagsgesandten gefügt, und auf ei-
gene Verantwortlichkeit Namens Hannovers seine
Zustimmung zu dem Bundesbeschlusse gegeben.
Die Nothwendigkeit desselben hatte er auch gewiß
nicht verkannt; wohl aber mochte es ihm nicht
unbekannt sein, wie sehr die Popularität seines
Freundes und Vorgesetzten Stüve durch ein Zu-
rückziehen auf den Bundesbeschluß vom 28. Juni
1832 gefährdet.
Frankfurt, 3. Nov., Nachmittags 3 Uhr.
So eben treffen die Quartiermacher des seither
in Karlsruhe stehenden k. preußischen 28. Jnf. -
Regiments hier ein und verkünden uns für mor-
gen die Ankunft zweier Bataillone und für über-
morgen des 3. Bataillons des genannten Regi-
ments. Auch 2 Schwadronen vom 6. Uhlanen-
regiment sind bereits angekündigt. Wie es heißt,
sollen aus Baden überhaupt in diesen Tagen 4000
Mann preuß. Truppen hier eintreffen. Die Be-
stimmung dieser Truppen ist noch ganz unbekannt;
man sagt jedoch, sie würden theils hier, theils in
den Ortschaften unserer Umgebung einquartiert
werden.
( F. J. )
Frankfurt, 3. Nov. Abends. Nach den,
dem hiesigen Quartieramte heute Nachmittag zu-
gegangenen Anzeigen sollen die morgen und in
den nächsten Tagen hier aus Baden eintreffenden
preußischen Truppenabtheilungen angeblich nur ei-
nen Tag hier verbleiben und sodann in das Kur-
hessische einrücken. Das Quartieramt hat aber
gegen die unserer Stadt zugedachte Eiquartierung
protestirt und bis heute Abend gegen 6 Uhr war
von ihm dieselbe noch nicht bewilligt. Auch die
heute Nachmittag 3 Uhr angekommenen circa 20
Mann des morgen hier eintreffenden 28 preußi-
schen Regiments standen noch gegen 7 Uhr auf
dem Main=Neckar Eisenbahnhof, ohne Ouartier-
billets erhalten zu haben. Auf die vom Ouar-
tieramt erhobene Protestation gegen die Einquar-
tierung soll ein preußischer Offizier geantwortet
haben, daß er dann die Mannschaften auf eigene
Autorität einquartieren werde. -- Heute Abend
7 Uhr kamen zwei schwer mit Waffen beladene
Wagen mit österreichischem Vorspann und starker
bayrischer Bedeckung, in der Richtung von Hanau
kommend, hier durch nach Sachsenhausen in's Deutsch-
ordenshaus, in welchem sich bekanntlrch die Kaserne
eines bayerischen Bataillons befindet. Die Waf-
fen werden wahrscheinlich morgen weiter noch Mainz
transportirt werden.
( F. J. )
Frankfurt, 4. Nov. Von den seit mehreren
Tagen aus Baden angesagten preußischen Trup-
pen ist heute ein Bataillon des 28. Regiments,
das bisher in Durlach gelegen, auf der Main-
Neckar=Bahn hierher gekommen, und nachdem die
Einquartierung in der Stadt durch die hiesigen
Behörden abgelehnt worden war, auf der Straße
nach Oberursel im Nassauischen weiter gezogen.
Heute Abend oder morgen kommt aus Baden ein
zweites Bataillon von demselben Regiment, nach
ihm das dreißigste Regiment und so fort, bis, wie
es heißt, das dortige preuß. Corps auf 6000 M.
vermindert ist.
( K. Z. )
Frankfurt, 4. Nov. Die Besetzung der Etap-
penstraßen in Kurhessen durch Preußen nimmt ei-
nen ernsten Charakter an; doch ist noch Hoffnung
zur Erhaltung des Friedens, da Radowitz entlas-
sen. Sollte das Verhaltniß es aber anders wol-
len, und unsere Hoffnung getäuscht werden, sollte
der Vater der Union nur in den Hintergrund ge-
schoben sein, um durch neue Unwahrheiten zu er-
reichen, was durch das alte Blendwerk nimmer-
mehr erlangt wird; sollte die Theorie von den
Etappenstraßen jetzt die Aufgabe erhalten, dem in
Dunst aufgelösten Unionsgedanken wieder eine
körperliche Hülle zu verleihen, und sollte das schöne
Kattenland mit seinen lieblichen Wiesengründen
und waldumsäumten Hügelreihen der großpreußi-
schen Krone durch Besetzung aller Wege und Stege
eingeflochten werden wollen, -- dann freilich, dann
sind wir am Ende, und des Schicksals eiserne
Würfel mögen ferner entscheiden! Ehe ein Preu-
ßen war, war Deutschland, und ehe der schwarze
Adler an den Gestaden der Ostsee seine Fittiche
ausbreitete, kämpften die hochgewachsenen Söhne
der Lahn und der Fulda für die Unabhängigkeit
unseres Vaterlandes. Der Name der Hessen war
unter den ersten, als es galt, die Anmaßungen
römischer Cäsaren niederzuwerfen; die hess. Bauern
standen im vordersten Gliede, als dem Corsen das
Urtheil gesprochen wurde, und wahrlich Der, wel-
cher die Theorie von der Besetzung der Etappen-
straßen erfunden hat, streicht im Jahre 1850 das
Kattenvolk noch nicht aus der Geschichte! Merk-
würdige Jdee, diese Etappentheorie! Um von Ei-
senach nach Wetzlar, von Paderborn nach Erfurt
gelangen zu können, wird das ganze Land
besetzt, von Kassel bis nach Fulda, und
werden die Bewohner mit einer Einquartie-
rung von zehn und zwanzig, ja gar noch mehr
Tausenden von Soldaten heimgesucht. Vergebens
sieht man sich um nach dem Grunde zu einer
solchen Maßregel, nach dem Rechte zu einem
solchen Gewaltschritte. Jn den Etappenconven-
tionen erhält Preußen eine derartige Befugniß
nicht; auch war noch nirgends davon die Rede,
daß dem Durchmarsche preußischer Truppen durch
Kurhessen auf der festgesetzten Route jetzt oder
in Zukunft irgend ein Hinderniß in den Weg ge-
legt werden solle. Die Bundestruppen sind in
den Kurstaat eingerückt, zur Wiederherstellung der
gesetzlichen Ordnung, und nicht als Feinde
Preußens, es müßte denn das Unmögliche mög-
lich sein, daß trotz aller Verwahrung man
in Berlin dennoch in tiefster Brust den Ge-
danken nährte, je nach Umständen auch einmal
für die ungesetzliche Ordnung in die Schran-
ken treten zu wollen. Die von den Gothaern mit
großer Geschäftigkeit in all ihren Blättern ver-
kündete Mähr von der Ernennung des Königs-
berger Simsons zum preußischen Unterstaatssecre-
tär hätte mit diesem Gedanken in Zusammenhang
gebracht werden dürfen, wenn nicht der energische
Entschluß des Königs das Gewebe der Lüge und
der Untreue zerrissen und durch die Entlassung
des Generals v. Radowitz dem schlimmen Spiele
ein plötzliches Ende bereitet hätte.
( K. Z. )
Meiningen, 4. Nov. Heute rückte ein preu-
ßisches Jägerbataillon unter dem Commando des
Majors v. Peez hier ein, und zwar so unerwar-
tet, daß die Staatsregierung und der Magistrat
nicht eher Nachricht hiervon erhielten, als bis die
Truppen sich auf dem Markte aufgestellt hatten
und ihre Einquartierungsbillete verlangten. Zwi-
schen dem Herzogthum Meiningen und dem Kö-
nigreich Preußen besteht gar keine Durchmarsch-
und Etappenconvention und es hätte daher um
förmliche Erlaubniß zu diesem bewaffneten Durch-
zug nachgesucht werden müssen. Daß dies unter-
lassen wurde, ist wohl nicht bloß auf Rechnung
der Eile zu bringen.
Wien, 1. Nov. Gestern ist ein Aufruf des
Kaisers „an seine treuen Grenzer“ zur neuen
wiederholten Kraftanstrengung abgegangen, und
wurde von einer schwunghaften Proclamation ih-
res hier weilenden Bans begleitet. Beide Do-
cumente sollen von dem vertrauten Freund des
Bans, General Denkstein, überbracht werden.
Aus der heutigen Wiener Ztg. werden Sie er-
sehen haben, daß der Kaiser den Marschall Ra-
detzky mittelst Telegraphen hierher berufen hat.
Die Auflegung des lombardisch=venezianischen
Zwanganlehens hat bereits stattgefunden. Man
erwartet nächster Tage schon ein kaiserliches Ma-
nifest bei Gelegenheit der großen Recrutirungs-
ausschreibung. -- Der preußische Gesandte Graf
Bernstorff hat heute Wien verlassen, wie einige
sagen, um durch seine persönliche Anwesenheit in
Berlin versöhnend zu wirken, wie andere meinen,
um nicht mehr zurückzukehren. Leider ist die letzte
Meinung vorwaltend, weil die Erzherzogin Sophie
mit der Königin von Preußen dieser Tage eine
Zusammenkunft in Dresden haben sollte, und
diese nun nicht stattfinden wird.
Berlin, 1. Nov. Jch kann die weitere Nach-
richt nicht verschweigen, daß Hr. v. Manteuffel
auf dem Austritt der HH. v. Radowitz und v. d.
Heydt bestand und, von dem König aufgefordert
ein bestimmt formulirtes Programm einzureichen,
dieß in einer Weise that, daß Preußen seine bis-
herige Politik nach außen aufgeben und nach in-
nen durch liberale Jnstitutionen vorangehen sollte.
Als Nachfolger der beiden genannten Minister
wurden Hr. v. Bodelschwingh und Hr. v. Patow
bezeichnet. Dies ist der alte Widerstreit des „ prak-
tischen Verstandes“ gegen die „Jdeen“; -- daß der
König mitten inne zwischen beiden Richtungen
steht, weiß man; auf welche Seite aber zuletzt
sein Gemüth sich neigt, ist leicht zu errathen.
( A. Z. )
Berlin, 1. Nov. Man hörte hin und wie-
der auch von den Aeußerungen des Kaisers v. Ruß-
land die außerordentlichsten Dinge. Gutheißung
des Bregenzer Vertrages zur Aufrechthaltung des
Bundestages und zur Durchführung der Execu-
tion gegen Kurhessen hatten in Warschau statt-
gefunden. Jn Schleswig sollte Rußland positiv
die bewaffnete Jntervention des Bundestages un-
terstützen. Von Preußen sollte überdieß die Her-
stellung mehr geordneter und sicherer Zustände
im eigenen Lande verlangt worden sein!
( A. Z. ) Frankreich.
Paris, 26. Okt. Der neue Kriegsminister,
General Schramm, hat beim Antritt seines Am-
tes folgenden Tagsbefehl an die Armee erlassen;
„Soldaten! Durch das Vertrauen des Präsiden-
ten der Republik zum Kriegsministerium berufen,
habe ich den vollen Umfang der Pflichten erkannt,
die mir diese wichtige und delikate Sendung auf-
erlegt, und ich habe sie nur mit den festen Ent-
schluß angenommen, sie mit Sorgfalt für die Ar-
mee, Achtung für unsere Jnstitutionen, Ergeben-
heit und Treue gegen das Staatsoberhaupt zu
erfüllen. Aus diesen Gründen bin ich berechtigt,
auf die Mitwirkung der Generale zu zählen, die
an eurer Spitze stehen, und die durch ihre ruhm-
vollen Dienste, wie durch die unablässige Sorg-
falt, mit der sie sich mit eurem Wohle beschäftigen,
eurer vollen Achtung und aller eurer Sympathien
würdig sind. Sie werden mich bei meinen Bemühun-
gen, eure Jnteressen zu vertheidigen, die Dienste, die
ihr dem Lande leistet, geltend zu machen, und ih-
nen den gerechten Lohn zu sichern, unterstützen.
Fahret demnach fort, euch um eure Chefs zu schaa-
ren, die euer Vertrauen in so hohem Grade recht-
fertigen. Sie haben gelernt, wie ich es selbst in
einer militärischen Laufbahn von fünfundvierzig
Jahren gelernt habe, eben so zu gehorchen, wie
zu befehlen, und sie werden euch wie mir das
Beispiel der Achtung für die hierarchische Autori-
tät geben, der sie, wie sie wissen, alle ihre Er-
folge verdanken, und die, indem sie die Aufrecht-
haltung der Disziplin sichert, die Stärke der Ar-
meen ausmacht. Paris, 25. Oktbr. 1850. Der
Kriegsminister de Schramm.“