VOn denen bisherigen ordentlichen Neu-Jahrs-Zetteln
haben wir in voriger Woche gehandelt; es sind aber
die ausserordentlichen Todten-Zettel des Kriegs
noch übrig, welchen man mit gutem Fug die Aufschrifft
setzen könte: Quicquid delirant reges, plectuntur Achivi. Lud-
wig der Grosse, der sich durch seine Eroberungen die Ehre erwor-
ben, daß er den eitlen Titul eines Conqueranten bekommen, giebt
uns davon ein überzeugendes Exempel. Jn dem Spanischen Suc-
ceſſions-Krieg hat er die ausserordentlichen Todten-Zettel sei-
ner eigenen Unterthanen mit einer gantzen Million vermehrt;
und wenn wir ihn recht abmahlen solten, so dörffen wir nur auf den
Ryßwickischen Friedens-Schluß, als das Ende seiner Triumphe,
gehen, da wir beweisen können, daß er mehr verlohren als erwor-
ben; damahls hatte er unrechtmäßiger Weise nur den 3ten Theil
von Flandern an sich gezogen, und besaß also auch nur den 3ten
Theil von Unterthanen, welcher ihm in dem genannten Friedens-
Schluß bestätiget worden. Es sind aber etwas über 100. Jahr,
da man nach genauer Ausrechnung 750000. Seelen in gantz Flan-
dern angetroffen, die sich wegen der darinn vorgefallenen Verwü-
stung, übel hausenden Armeen und verfallenen Handlung, zweifels-
ohne nicht stärcker werden vermehrt haben. Also hat dieser grosse
Monarch mit dem 3ten Theil Landes nur 250000. neue Unter-
thanen gewinnen können. Hingegen machen die 2. andern Drit-
tel dieser Provintz, ihre Lage, Fruchtbarkeit und gute Handlung
gantz wohl glaubend, daß diese letztern allen andern Allerchristl.
Conqueten gleichen. Dieses vorausgesetzt, kan er in allen nicht
mehr als 750000. Unterthanen groß und klein gewonnen haben.
Nun wollen wir auch den Schaden mit dem Nutzen zusammen
halten; Uns dünckt hier, daß er niemahls weniger als 200000.
Mann, die Besatzungen ohngerechnet, auf denen Beinen gehabt,
die doch am Ende des jährlichen Feldzugs kaum noch 80000.
Mann ausgetragen, obgleich weder Belagerung noch Bataille vor-
gefallen. Die Kriege bis auf den Ryßwickischen Frieden haben
beynahe 20. Jahre gedauert; wenn man nun nur den 5ten Theil
als Abgang seiner Armee nimmt, und solches mit 20. multiplici-
ret, so sehen wir, daß er nicht weniger als 800000. seiner alten
Unterthanen, lauter brave Leute, verlohren, welches die Anzahl sei-
ner conquetirten Unterthanen weit übersteigt. Jedoch der Verlust
gehet noch weiter: Bey so vielen umgekommenen Männern sind
eben so viel Weibs-Personen übrig blieben, die beyderseits das Jh-
rige zur Zeugung der Kinder hätten beytragen können; nothwen-
dig müssen auch nach so vielen Jahren überdiß alles viele Unver-
heyrathete gestorben seyn, andere zu spät geheyrathet, und also oh-
ne Kinder ihr Leben beschlossen haben. Also hat Ludwig der Grosse
bey Eroberung 250000. Unterhanen 1600000. Menschen einge-
büsset. Also sehen unsere Leser, daß dieses der Grosse Ludwig,
der unüberwindliche Monarch, der durch so viele eroberte Länder
berühmte Held ist, welcher jeden neuen Unterthan mit drey von
seinen alten erkaufft: Jn wie weit unsere Gedancken noch heuti-
ges Tages Einfluß haben könten, werden unsere Leser am besten
wissen, die Neu-Jahrs-Zettel haben uns nur dahin gebracht, so et-
was zu dencken.
Neuigkeiten von Teutschland.
Es will verlauten, daß gewisse Jnstructions-Puncte in geheim
unter einigen Gesandten communiciret würden, die der Oe-
sterreichische Directorial-Gesandte, Herr Baron von Palm, von
seiner Königl. Principalin überkommen hat. Geschiehet dieses, so
dörfften wir, unserm Bedüncken nach, dem Ende der Dictatur-
Sache bald entgegen sehen.
Jn Bayern wird der Hr. General Berenclau nicht mehr com-
mandiren, sondern Se. Exeellentz der Hr. Graf Bathiani, General
von der Cavallerie. Er hat auch schon den 16. Dec. zum ersten-
mahl seinen Sitz in dem Administrations-Rath genommen.
Das Vermählungs-Fest Sr. Königl. Hoheit Printz Carls,
wird in Hoffnung eines fallenden Schnees mit einer prächtigen
Schlitten- Cavalcade ſolenniſirt werden. Jns besondere sind vom
Fürst von Lichtenstein und Graf von Harrach so prächtige Schlit-
ten angefriemt worden, daß einige davon mit dem Zeug 7. bis
8000. fl. kosten. Den 7. Januarii soll das Beylager geschehen;
den 8. wird die Opera Pimeſtra gespielt werden, die auf 100000.
fl. zu stehen kommt; den 9. soll im Königl. Saal magnifiquer Ball
seyn; den 10. und 11. ist Galla zu Schönbrunn; den 12. oder 13.
verfügen sich die hohen Herrschafften entweder auf Kutschen oder
Schlitten, jedoch en Maſque, wieder in die Stadt ein, fahren durch
dieselbe hin und wieder, und begeben sich endlich in die mit viel 100.
Spiegeln, kostbaren Heng-Leuchtern und mit 200000. Wachs-
Lichtern illuminirte Königl. Reit-Schule, woselbst man sich mit
Englischen Ballets und Tantzen belustiget. Mehreres ist zur Zeit
nicht bekannt worden.
Wie hoch der Preußische Augustus sowohl die Kriegs- als
Friedens-Künste schätzet, davon haben Höchst-Dieselbe besondere
Merckmahle kurtz vor Weynachten zu Tage gelegt: Denn Sie ha-
ben nicht nur der Königl. Academie der Wissenschafften eine jähr-
liche Rente von 200000. Rthlr. zugelegt, um die Künste und Wis-
senschafften in bessern Flor zu bringen; Sondern Sie haben auch
alle zur Berlinischen Besatzung gehörige Officiers zu sich ruffen las-
sen, denenselben verschiedene Abrisse von Vestungen gezeigt, und
Jhr Vergnügen bezeigt, wenn sie sich während diesen Winter be-
fleißigen wolten, eine Erkäntniß von Belager- und Vertheidigung
einer Vestung zu erlangen.
Die Böhmischen Stände haben beschlossen, der Printzeßin
Maria Anna ein Präsent von 6000. Ducaten, dem Printz Carl
aber von 4000. Duc. zu machen, welchem Exempel die übrigen
Erblande ohne Zweifel nachfolgen.
Der Hr. Obriste Mentzel hat sich in einem Schreiben an den
Hrn. Baron von Jaxtheim, Ungarischen Minister zu Hannover,
mocquirt, daß seine Feinde ihn ins Reich der Todten bey lebendi-
gem Leibe verwiesen. Es wäre noch gar nicht an dem; sondern er
wolte in künfftiger Campagne zeigen, wie viel seiner Feinde Haare
lassen, und ihm erstlich Quartier in denen Elyseischen Feldern ma-
chen solten.
Unter der Hand verlautet, daß dem Englischen Parlament ein
Commercien-Tractat zwischen Groß-Brittannien und Ungarn vor-
gelegt worden, welcher die Excludirung der Frantzösischen Waaren
betrifft; der Hafen Triest aber solte frey, und zu einem depoſitorio
derer inländischen Waaren erklärt werden. Hingegen würde die
Einfuhre in die Oesterreichischen Lande aller Englischen Waaren,
ausgenommen den Cattun, frey gestattet. Wir wollen die Wahr-
heit in der Wiederhohlung dieser Nachricht erwarten, bis dahin
sind wir aber sehr schwer-glaubig, daß es wohl angehen oder von
Bestand seyn dörffte.
Der Ungarische Reſident, Hr. von Penckler, hat zu Constan-
tinopel wichtige Entdeckungen der Frantzösischen entamirten Un-
terhandlungen gemacht, die er alle mit Urkunden und Briefen an
die Königin von Ungarn überschickt, der Marquis Castellane, Fran-
tzösischer Ambassadeur an der Ottomannischen Pforte, hat so gar ei-
nen Griechischen Brief-Wechsel mit denen 2. vornehmsten Sultanin
zu unterhalten gewußt. Jedoch der beste Mann im Spiel hat ge-
fehlt. Und das Triebwerck hört nun auf, da der bestochene Groß-
Vezier seiner Würde entsetzet. Die gantze Depeche aus Constan-
tinopel wird ins Latein- nnd Frantzösische übersetzt, um sie ehistens
zu einer besondern Rechtfertigung zu brauchen.
Die Schwäbischen Stände haben wegen der Frantzosen Be-
schwerung auf dem Reichs-Tag geführt, in dem vornemlichen Jn-
halt: „Wie der Vorwand, daß solches nur zu eigener Sicherheit
„geschähe, keinesweges gültig wäre, denn aus eben der Ursache
„könte Franckreich auch die Gräntz-Vestungen des Römischen Reichs
„wegnehmen. Ja es liesse sich mit keinem Scheine von Recht be-
„haupten, daß man zu seiner eigenen Sicherheit, gegen Friedens-
„Schlüsse mit einem Staat, von dem man nichts zu befürchten
„hat, handeln dörffte, und zwar um einen Feind, den man
„selbst gegen sich gereitzet, von einem Einbruch in sein Land
„abzuhalten.„ Wir haben in Teutscher Sprache lange nichts
aufrichtigers als dieses gelesen.
Der Hr. Baron von Palm, Oesterreichischer Gesandte, ließ
gleich nach seiner Ankunfft zu Franckfurth dieselbe allen Comitial-
Gesandten wissen, und hernach gab er dem Chur-Hannoverischen
Gesandten, Hrn. von Hugo, die Visite. Er sucht im Fürsten-
Collegio zu Führung der Stimmen von Oesterreich und Burgund
admittirt zu werden, der Kayserl. Hof aber setzt sich mit aller
Macht darwider.
Holland.
Des Baron von Reischach Memorial an die Herren Staaten,
wegen des Frantzösischen Ubergangs, ist sehr bündig. Er sagt
unter andern darinn: Daß Franckreich nach allen Proben
der üblen Gesinnung wider die Königin von Ungarn, das
Haus Oesterreich wo möglich zu vernichten, annoch das
Werck damit bekrönen wolle, daß es einen Theil seiner Ar-
meen wieder über den Rhein gehen lassen, um sich der dasi-
gen Oesterreichischen Staaten zu bemächtigen. Wenn alle
diese zeitherige Kunst-Griffe der Crone Franckreich denen
Puissantzen von Europa noch bis ietzo kein Aufmercken er-
weckt, so würde dieses letztere die Augen eröffnen müssen,
daß sie sähen, wie wenig Franckreich sein Versprechen hiel-
te, ob es schon seine Neigung zum Frieden immer überall
hoch herausstreichen wolte. Die Frantzosen hielten zwar
ihren Endzweck des Ubergangs verborgen; man sage aber,
was man wolle, so ziele doch alles auf üble Absichten: sich
nemlich des Passes übern Rhein, und also eines beständigen
offenen Passes ins Reich zu versichern.
Franckreich.
Die Frantzosen haben bereits Nizza auf dem Papier und mit
Mund und Feder belagert, bis ihnen künfftig Früh-Jahr der
Englische Neptunus Mathews aus complaisance erlauben möchte,
solches in der That zu bewerckstelligen.
Den 21. Dec. ist der Herr Marquis von Fenelon zu Paris
angelangt, Tags darauf hat er beym König zu Versailles, in Ge-
genwart des Herrn Amelots, 2. Stunden lang Audientz-mäßige
Aufwartung gehabt.
Der Hertzog von Chartres soll binnen 14. Tagen nach Spa-
nien reisen, um sich die Jnfante Braut, Nahmens des Dauphins,
antrauen zu lassen.
Das Parlament hat 14. Königl. Edicte registrirt, wegen de-
nen 3. übrigen thut es noch starcke Vorstellungen; bey denen ein-
geregistrirten sollen auch schon von 19. Millionen Livr. 7. erlassen
seyn.
Amaryllis und Coridon sind zu Paris letzthin in grossem Schre-
cken gewesen. Jn der Nacht zwischen den 17. und 18ten Decembr.
entstund im Palais des Cardinals Tencin in dem Apartement der
Marquise von Chastelet ein gäher Brand, wobey die Gefahr und
Schrecken so groß war, daß der bey ihr sich aufhaltende Poet Vol-
taire im blossen Hembde denen Flammen entspringen muste.
England.
Der grosse Proceß zwischen dem Ritter Jacob Annesley und
dem Grafen von Anglesea, ist zu Dublin den 6. Decembr.
nach 13. Sitzen unter einer sogenannten Juris, zum Vortheil des
erstern ausgefallen, wodurch er ein Capital von 400000. Pf. Ster-
linge und die Jrrländische Pairschafft gewinnt. Der Casus ist
notable und ein ächtes Muster unpartheyischer Gerechtigkeit; Er
verhält sich also: Der Graf von Anglesea wolte gern des Ritters
Güther haben, daher erdachte er folgendes: Er war des jungen
Annesly Vormund, schickte ihn in denen Kinder-Jahren nach
West-Jndien, woselbst er auferzogen worden, und es so weit brach-
te, daß er mit Gunst ein Matrose werden konte; doch er wurde
endlich erkandt vor denjenigen, der er würcklich war. Er kam des-
halber nach Jrrland, sagte wer er sey; aber der Graf wolte ihn
davor nicht erkennen; ergo muste die Wahrheit per modum Pro-
ceſſus ausgemacht werden. Zwölff der redlichsten Richter von der
gantzen Welt, derer Vermögen zusammen über 1. Million Pf.
Sterl. sich belief, haben die Sache so geurtheilt, wie Gerechtigkeit,
Gewissen und ein gut Exempel zur Nachfolge erfordert. Nichts
blendete sie, weder Ansehen, Freundschafft noch Geld, denn der
Graf von Anglesea hat jeden 1500. Pf. Sterl. gebothen, und 6.
davon waren gar des Grafens Anverwandte; aber hier hatte die Lie-
be zur Gerechtigkeit mit der Unpartheylichkeit eine allzu genaue
Freundschafft gemacht. Uber diese Vorfallenheit hat die gantze
Stadt Dublin ein Hussa-Geschrey erschallen lassen, die Glocken
sind geläutet worden, und die Music hat sich beynahe auf allen Gas-
sen dieserhalb hören lassen. Je mehr wir dabey nachdencken, je
lebhaffter stellen wir uns die alte Römische Ehrlichkeit und Gerech-
tigkeit vor. O cedro digniſſimum Exemplum!
Es heißt zwar der General Wade werde die Englischen Troup-
pen en Chef auf künfftiges Frühjahr commandiren, die mehresten
aber wollen solches abermahls dem vortrefflichen Stairs aufgetra-
gen wissen, und vielleicht dieses nicht ohne Grund.
Jtalien.
Der König in Franckreich hat durch den Herrn Amelot denen
Herren Genuesern wegen Final einen schlechten Trost gege-
ben, nemlich: Weil sie Se. Allerchristl. Maj. nicht darzu genom-
men, als sie die Convention mit dem Kayser Carl VI. gemacht; so
könten Höchst-Dieselbe sich auch weder directe noch indirecte mit
dieser Affaire meliren. So heißt es noch zur Zeit: Artzt hilff dir
selber! und das wollen sie auch thun. Denn wie man gewiß sa-
gen will, sind sie im Begriff 40000. Mann Land-Volck aufzubie-
then, das dem Verlaut nach sehr wohl mit Gewehr umzugehen
weiß.
Rußland.
Der Jnhalt Rußischer Garantie wegen Schlesien geht dahin:
Daß die Kayserin dem König von Preussen, Schlesien
in dem Stand, wie Jhm solches die Königin von Ungarn
abgetreten, garantire, und verspricht hochgedachten Fürsten
darinn zu unterstützen, und mit hinlänglicher Macht Bey-
stand zu leisten, wenn es der Fall erfordert, die Würckung
dieser Garantie zu verschaffen. Zu desto mehrerer Solenni-
sirung haben Kayserl. Maj. solches in die Protocollen des Senats
einzeichnen lassen.
Pohlen.
Der Primas Regni hat durch einen Starosten in beweglichen
Terminis an Jhro Königl. Majest. ein Schreiben geschickt,
darinn er vorstellt: „die zeither in dem Königreich entstandene Zwi-
„stigkeiten der vornehmsten Häuser, wären schon so weit gekommen,
„daß nichts als ein allgemeiner Aufstand im Königreich zu besor-
„gen stünde, Falls nicht durch Königl. Maj. Gegenwart das in der
„Asche glimmende Feuer gedämpffet würde; daher Höchst-Diesel-
„be Jhre Reise nicht weiter verschieben würden.
Schweden.
Von einem neuen Reichs-Tag ist nun alles wieder still. Hinge-
gen sollen die Vacanzen bey denen Regimentern, welche nach
dem letztern Reichs-Tags-Schluß unbesetzt bleiben solten, gleich
im Anfang dieses Jahrs completirt werden, und die von denen
Reichs-Ständten bewilligte Geld-Mittel in Cassa kommen.
Schweitz.
Die Schweitzer wissen auch, daß sie Männer beym Europäischen
Staats-Systemate sind. Als den 11. Dec. grosser Rath zu.
Bern gehalten worden, kam die Frage vor, ob man leiden wolte,
daß Franckreich, ohne vorherige Frage wegen Erlaubniß, noch 4.
Compagnien werben dörffte? Nach langen Wort-Wechsel wurde
mit 92. Stimmen gegen 17. beschlossen, solches nicht zuzulassen,
weil es eine Kränckung der Schweitzerischen Ununter-
worffenheit sey.