Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. -- Ich denke
in der That nicht so streng als Sie; ich handle blos,
wie Sie denken. Oder hab' ich Ihnen etwa irgend wann
den Daumen auf die Gurgel gedrückt, um Ihre wertheste
Seele, zu der ich einmal Lust habe, an mich zu bringen?
Hab' ich von wegen meines ausgetauschten Seckels einen
Diener auf Sie losgelassen? hab' ich Ihnen damit durch-
zugehen versucht?" Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern;
er fuhr fort: "Schon recht, mein Herr, schon recht!
Sie können mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl,
und verarge es Ihnen weiter nicht. Wir müssen scheiden,
das ist klar, und auch Sie fangen an, mir sehr langweilig
vorzukommen. Um sich also meiner ferneren beschämenden
Gegenwart völlig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch
einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab." -- Ich hielt
ihm den Seckel hin: "Um den Preis." -- "Nein!" --
Ich seufzte schwer auf und nahm wieder das Wort:
"Auch also. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns
scheiden, vertreten Sie mir länger nicht den Weg auf
einer Welt, die hoffentlich geräumig genug ist für uns
beide." Er lächelte und erwiederte: "Ich gehe, mein
Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir
klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem
unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur
Ihren Seckel zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke da-
rinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein
Jeder denkt auf seinen Vortheil in dieser Welt; Sie sehen,
daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne

Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. — Ich denke
in der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich handle blos,
wie Sie denken. Oder hab’ ich Ihnen etwa irgend wann
den Daumen auf die Gurgel gedruͤckt, um Ihre wertheſte
Seele, zu der ich einmal Luſt habe, an mich zu bringen?
Hab’ ich von wegen meines ausgetauſchten Seckels einen
Diener auf Sie losgelaſſen? hab’ ich Ihnen damit durch-
zugehen verſucht?〞 Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern;
er fuhr fort: 〟Schon recht, mein Herr, ſchon recht!
Sie koͤnnen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl,
und verarge es Ihnen weiter nicht. Wir muͤſſen ſcheiden,
das iſt klar, und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig
vorzukommen. Um ſich alſo meiner ferneren beſchaͤmenden
Gegenwart voͤllig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch
einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab.〞 — Ich hielt
ihm den Seckel hin: 〟Um den Preis.〞 — 〟Nein!〞 —
Ich ſeufzte ſchwer auf und nahm wieder das Wort:
〟Auch alſo. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns
ſcheiden, vertreten Sie mir laͤnger nicht den Weg auf
einer Welt, die hoffentlich geraͤumig genug iſt fuͤr uns
beide.〞 Er laͤchelte und erwiederte: 〟Ich gehe, mein
Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir
klingeln koͤnnen, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem
unterthaͤnigſten Knecht tragen ſollten: Sie brauchen nur
Ihren Seckel zu ſchuͤtteln, daß die ewigen Goldſtuͤcke da-
rinnen raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein
Jeder denkt auf ſeinen Vortheil in dieſer Welt; Sie ſehen,
daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eroͤffne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0095" n="307"/>
Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. &#x2014; Ich denke<lb/>
in der That nicht &#x017F;o &#x017F;treng als Sie; ich handle blos,<lb/>
wie Sie denken. Oder hab&#x2019; ich Ihnen etwa irgend wann<lb/>
den Daumen auf die Gurgel gedru&#x0364;ckt, um Ihre werthe&#x017F;te<lb/>
Seele, zu der ich einmal Lu&#x017F;t habe, an mich zu bringen?<lb/>
Hab&#x2019; ich von wegen meines ausgetau&#x017F;chten Seckels einen<lb/>
Diener auf Sie losgela&#x017F;&#x017F;en? hab&#x2019; ich Ihnen damit durch-<lb/>
zugehen ver&#x017F;ucht?&#x301E; Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern;<lb/>
er fuhr fort: &#x301F;Schon recht, mein Herr, &#x017F;chon recht!<lb/>
Sie ko&#x0364;nnen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl,<lb/>
und verarge es Ihnen weiter nicht. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheiden,<lb/>
das i&#x017F;t klar, und auch Sie fangen an, mir &#x017F;ehr langweilig<lb/>
vorzukommen. Um &#x017F;ich al&#x017F;o meiner ferneren be&#x017F;cha&#x0364;menden<lb/>
Gegenwart vo&#x0364;llig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch<lb/>
einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab.&#x301E; &#x2014; Ich hielt<lb/>
ihm den Seckel hin: &#x301F;Um den Preis.&#x301E; &#x2014; &#x301F;Nein!&#x301E; &#x2014;<lb/>
Ich &#x017F;eufzte &#x017F;chwer auf und nahm wieder das Wort:<lb/>
&#x301F;Auch al&#x017F;o. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns<lb/>
&#x017F;cheiden, vertreten Sie mir la&#x0364;nger nicht den Weg auf<lb/>
einer Welt, die hoffentlich gera&#x0364;umig genug i&#x017F;t fu&#x0364;r uns<lb/>
beide.&#x301E; Er la&#x0364;chelte und erwiederte: &#x301F;Ich gehe, mein<lb/>
Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir<lb/>
klingeln ko&#x0364;nnen, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem<lb/>
untertha&#x0364;nig&#x017F;ten Knecht tragen &#x017F;ollten: Sie brauchen nur<lb/>
Ihren Seckel zu &#x017F;chu&#x0364;tteln, daß die ewigen Gold&#x017F;tu&#x0364;cke da-<lb/>
rinnen ra&#x017F;&#x017F;eln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein<lb/>
Jeder denkt auf &#x017F;einen Vortheil in die&#x017F;er Welt; Sie &#x017F;ehen,<lb/>
daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich ero&#x0364;ffne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0095] Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. — Ich denke in der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich handle blos, wie Sie denken. Oder hab’ ich Ihnen etwa irgend wann den Daumen auf die Gurgel gedruͤckt, um Ihre wertheſte Seele, zu der ich einmal Luſt habe, an mich zu bringen? Hab’ ich von wegen meines ausgetauſchten Seckels einen Diener auf Sie losgelaſſen? hab’ ich Ihnen damit durch- zugehen verſucht?〞 Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern; er fuhr fort: 〟Schon recht, mein Herr, ſchon recht! Sie koͤnnen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl, und verarge es Ihnen weiter nicht. Wir muͤſſen ſcheiden, das iſt klar, und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig vorzukommen. Um ſich alſo meiner ferneren beſchaͤmenden Gegenwart voͤllig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab.〞 — Ich hielt ihm den Seckel hin: 〟Um den Preis.〞 — 〟Nein!〞 — Ich ſeufzte ſchwer auf und nahm wieder das Wort: 〟Auch alſo. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns ſcheiden, vertreten Sie mir laͤnger nicht den Weg auf einer Welt, die hoffentlich geraͤumig genug iſt fuͤr uns beide.〞 Er laͤchelte und erwiederte: 〟Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln koͤnnen, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthaͤnigſten Knecht tragen ſollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu ſchuͤtteln, daß die ewigen Goldſtuͤcke da- rinnen raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf ſeinen Vortheil in dieſer Welt; Sie ſehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eroͤffne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/95
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/95>, abgerufen am 24.04.2024.