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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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Auch der ehrliche Bendel war mit Blumen be-
kränzt, und eilte mit freundlichem Gruße vorüber.
Viele sah ich noch, und wie mich dünkt, auch
Dich, Chamisso, im fernen Gewühl; ein hel-
les Licht schien, es hatte aber Keiner einen Schat-
ten, und was seltsamer ist, es sah nicht übel
aus, -- Blumen und Lieder, Liebe und Freude,
unter Palmenhainen. -- -- Ich konnte die be-
weglichen, leicht verwehten, lieblichen Gestalten
weder festhalten noch deuten; aber ich weiß, daß
ich gerne solchen Traum träumte und mich vor
dem Erwachen in Acht nahm; ich wachte wirklich
schon, und hielt noch die Augen zu, um die wei-
chenden Erscheinungen länger vor meiner Seele
zu behalten.

Ich öffnete endlich die Augen, die Sonne
stand noch am Himmel, aber im Osten; ich
hatte die Nacht verschlafen. Ich nahm es für
ein Zeichen, daß ich nicht nach dem Wirths-
hause zurückkehren sollte. Ich gab leicht, was ich
dort noch besaß, verloren, und beschloß, eine
Nebenstrasse, die durch den waldbewachsenen Fuß
des Gebirges führte, zu Fuß einzuschlagen, dem

Auch der ehrliche Bendel war mit Blumen be-
kränzt, und eilte mit freundlichem Gruße vorüber.
Viele ſah ich noch, und wie mich dünkt, auch
Dich, Chamiſſo, im fernen Gewühl; ein hel-
les Licht ſchien, es hatte aber Keiner einen Schat-
ten, und was ſeltſamer iſt, es ſah nicht übel
aus, — Blumen und Lieder, Liebe und Freude,
unter Palmenhainen. — — Ich konnte die be-
weglichen, leicht verwehten, lieblichen Geſtalten
weder feſthalten noch deuten; aber ich weiß, daß
ich gerne ſolchen Traum träumte und mich vor
dem Erwachen in Acht nahm; ich wachte wirklich
ſchon, und hielt noch die Augen zu, um die wei-
chenden Erſcheinungen länger vor meiner Seele
zu behalten.

Ich öffnete endlich die Augen, die Sonne
ſtand noch am Himmel, aber im Oſten; ich
hatte die Nacht verſchlafen. Ich nahm es für
ein Zeichen, daß ich nicht nach dem Wirths-
hauſe zurückkehren ſollte. Ich gab leicht, was ich
dort noch beſaß, verloren, und beſchloß, eine
Nebenſtraſſe, die durch den waldbewachſenen Fuß
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[104/0134] Auch der ehrliche Bendel war mit Blumen be- kränzt, und eilte mit freundlichem Gruße vorüber. Viele ſah ich noch, und wie mich dünkt, auch Dich, Chamiſſo, im fernen Gewühl; ein hel- les Licht ſchien, es hatte aber Keiner einen Schat- ten, und was ſeltſamer iſt, es ſah nicht übel aus, — Blumen und Lieder, Liebe und Freude, unter Palmenhainen. — — Ich konnte die be- weglichen, leicht verwehten, lieblichen Geſtalten weder feſthalten noch deuten; aber ich weiß, daß ich gerne ſolchen Traum träumte und mich vor dem Erwachen in Acht nahm; ich wachte wirklich ſchon, und hielt noch die Augen zu, um die wei- chenden Erſcheinungen länger vor meiner Seele zu behalten. Ich öffnete endlich die Augen, die Sonne ſtand noch am Himmel, aber im Oſten; ich hatte die Nacht verſchlafen. Ich nahm es für ein Zeichen, daß ich nicht nach dem Wirths- hauſe zurückkehren ſollte. Ich gab leicht, was ich dort noch beſaß, verloren, und beſchloß, eine Nebenſtraſſe, die durch den waldbewachſenen Fuß des Gebirges führte, zu Fuß einzuſchlagen, dem

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/134>, abgerufen am 29.03.2024.