wie er getreu in seiner vorigen Erzählung des Mannes erwähnt, nach dem er sich erkundigt. --
"Unglücklicher!" schrie ich händeringend, "das war er ja selbst!" und ihm fiel es wie Schup- pen von den Augen. -- "Ja, er war es, war es wirklich!" rief er erschreckt aus, "und ich Ver- blendeter, Blödsinniger habe ihn nicht erkannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!"
Er brach, heiß weinend, in die bittersten Vorwürfe gegen sich selber aus, und die Ver- zweiflung, in der er war, mußte mir selber Mit- leiden einflößen. Ich sprach ihm Trost ein, ver- sicherte ihn wiederholt, ich setzte keinen Zweifel in seine Treue, und schickte ihn alsbald nach dem Hafen, um, wo möglich, die Spuren des selt- samen Mannes zu verfolgen. Aber an diesem selben Morgen waren sehr viele Schiffe, die wi- drige Winde im Hafen zurückgehalten, ausgelau- fen, alle nach anderen Weltstrichen, alle nach an- deren Küsten bestimmt, und der graue Mann war spurlos wie ein Schatten verschwunden.
wie er getreu in ſeiner vorigen Erzählung des Mannes erwähnt, nach dem er ſich erkundigt. —
«Unglücklicher!» ſchrie ich händeringend, «das war er ja ſelbſt!» und ihm fiel es wie Schup- pen von den Augen. — «Ja, er war es, war es wirklich!» rief er erſchreckt aus, «und ich Ver- blendeter, Blödſinniger habe ihn nicht erkannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!»
Er brach, heiß weinend, in die bitterſten Vorwürfe gegen ſich ſelber aus, und die Ver- zweiflung, in der er war, mußte mir ſelber Mit- leiden einflößen. Ich ſprach ihm Troſt ein, ver- ſicherte ihn wiederholt, ich ſetzte keinen Zweifel in ſeine Treue, und ſchickte ihn alsbald nach dem Hafen, um, wo möglich, die Spuren des ſelt- ſamen Mannes zu verfolgen. Aber an dieſem ſelben Morgen waren ſehr viele Schiffe, die wi- drige Winde im Hafen zurückgehalten, ausgelau- fen, alle nach anderen Weltſtrichen, alle nach an- deren Küſten beſtimmt, und der graue Mann war ſpurlos wie ein Schatten verſchwunden.
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wie er getreu in ſeiner vorigen Erzählung des
Mannes erwähnt, nach dem er ſich erkundigt. —
«Unglücklicher!» ſchrie ich händeringend, «das
war er ja ſelbſt!» und ihm fiel es wie Schup-
pen von den Augen. — «Ja, er war es, war
es wirklich!» rief er erſchreckt aus, «und ich Ver-
blendeter, Blödſinniger habe ihn nicht erkannt,
ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!»
Er brach, heiß weinend, in die bitterſten
Vorwürfe gegen ſich ſelber aus, und die Ver-
zweiflung, in der er war, mußte mir ſelber Mit-
leiden einflößen. Ich ſprach ihm Troſt ein, ver-
ſicherte ihn wiederholt, ich ſetzte keinen Zweifel
in ſeine Treue, und ſchickte ihn alsbald nach dem
Hafen, um, wo möglich, die Spuren des ſelt-
ſamen Mannes zu verfolgen. Aber an dieſem
ſelben Morgen waren ſehr viele Schiffe, die wi-
drige Winde im Hafen zurückgehalten, ausgelau-
fen, alle nach anderen Weltſtrichen, alle nach an-
deren Küſten beſtimmt, und der graue Mann war
ſpurlos wie ein Schatten verſchwunden.
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/51>, abgerufen am 29.05.2023.
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