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Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.

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gefangene gute mit ernst und eiffer bis ans ende fortsetzen. Diese sind allein
die hier gemeinete : Und können sich keine andere dessen/ was hier stehet/ annehmen.

2. Müssen wir nun sehen/ was von ihnen gesagt wird; und
zwar 1. was ihnen begegne. Da heißt es/ 1. Der gerechte kommt
um :
in seiner sprache/ er verdirbet/ oder wird verlohren. Womit
nichts anders als der zeitliche tod gemeint wird. Es möchte aber einer
sagen/ der gerechten tod ist ja kein verderben/ noch verlohren werden.
Antwort Freylich ists so/ wo die worte nach ihrer schärffe nach unserer
sprache gebraucht werden. Denn es ist ja der tod ein hingang zum frie-
de und ruhe/ nach unsren worten. Er mag aber diesen nahmen tragen
(1) Nach der einbildung der welt-kinder/ wie er nemlich ihnen vorkom-
met. So heist es nun/ Weißh. 3/ 2. 3. Vor den unverständigen
werden sie angesehen als stürben sie/ und ihr abschied wird für
eine pein gerechnet/ und ihre hinfahrt für ein verderben : aber
sie sind im friede.
Jene welt-kinder glauben/ es seye aus mit ihnen/
als die von der seligen ewigkeit wenig verstand haben. Sonderlich (2)
heißt es so/ daß sie verlohren werden/ nemlich von denen/ bey denen sie
gewest waren. Wie wir sagen/ wir haben diesen oder diesen Mann ver-
lohren : nicht/ daß er vor sich verlohren wäre/ sondern daß wir ihn ver-
lohren/ und nicht mehr haben/ noch ferner seiner geniessen können. Also
heisset es auch/ der gerechte kommet um/ oder wird verlohren/ weil ihn
Gott zu sich abfordert/ so kommt er von der welt weg/ die etwa sein nicht
wehrt war
/ Hebr. 11/ 38. Es ist darmit so fern aus/ da vorhin andre
nutzen von ihm gehabt/ von seinem gebet/ exempel/ rath und hülffe/ so hö-
ret mit seinem tode alles solches auff. Aber der schaden betrifft ihn nicht/
sondern andere/ die seiner bedorfften. Wo nun viele solche gerechte nach-
einander dahin gehen/ so ists auch eine art/ dadurch erfüllet wird/ was
David klagt Ps. 12/ 2. Hilff/ Herr/ die heiligen haben abgenom-
men/ und der gläubigen ist wenig unter den menschen kindern.
Und Mich.
c. 7/ 2 Die fromme leute sind weg in diesem lande/ und
die gerechte sind nicht mehr unter den leuten :
Nemlich unter an-
dern auch/ weil sie Gott etwa ehender als man altershalben oder sonsten
dencken sollen/ durch einen seligen abschied/ daß sie den jammer nicht mehr
ansehen dörffen/ abfodert.

Darmit man aber nicht dencken möge/ es seye ein solches umkom-
men oder verderben/ wie es die gottlose davor halten/ so wird in dem fol-
genden vers die erklärung hinzu gethan : Sie werden auffgerafft/
eigendlich/ sie werden versammlet. Es wird sonsten auch das wort
raffen von dem tode gebraucht/ als/ Ps. 16/ 9.Raffe meine seele


gefangene gute mit ernst und eiffer bis ans ende fortsetzen. Diese sind allein
die hier gemeinete : Und koͤnnen sich keine andere dessen/ was hier stehet/ annehmen.

2. Muͤssen wir nun sehen/ was von ihnen gesagt wird; und
zwar 1. was ihnen begegne. Da heißt es/ 1. Der gerechte kommt
um :
in seiner sprache/ er verdirbet/ oder wird verlohren. Womit
nichts anders als der zeitliche tod gemeint wird. Es moͤchte aber einer
sagen/ der gerechten tod ist ja kein verderben/ noch verlohren werden.
Antwort Freylich ists so/ wo die worte nach ihrer schaͤrffe nach unserer
sprache gebraucht werden. Denn es ist ja der tod ein hingang zum frie-
de und ruhe/ nach unsren worten. Er mag aber diesen nahmen tragen
(1) Nach der einbildung der welt-kinder/ wie er nemlich ihnen vorkom-
met. So heist es nun/ Weißh. 3/ 2. 3. Vor den unverstaͤndigen
werden sie angesehen als stuͤrben sie/ und ihr abschied wird fuͤr
eine pein gerechnet/ und ihre hinfahrt fuͤr ein verderben : aber
sie sind im friede.
Jene welt-kinder glauben/ es seye aus mit ihnen/
als die von der seligen ewigkeit wenig verstand haben. Sonderlich (2)
heißt es so/ daß sie verlohren werden/ nemlich von denen/ bey denen sie
gewest waren. Wie wir sagen/ wir haben diesen oder diesen Mann ver-
lohren : nicht/ daß er vor sich verlohren waͤre/ sondern daß wir ihn ver-
lohren/ und nicht mehr haben/ noch ferner seiner geniessen koͤnnen. Also
heisset es auch/ der gerechte kommet um/ oder wird verlohren/ weil ihn
Gott zu sich abfordert/ so kommt er von der welt weg/ die etwa sein nicht
wehrt war
/ Hebr. 11/ 38. Es ist darmit so fern aus/ da vorhin andre
nutzen von ihm gehabt/ von seinem gebet/ exempel/ rath und huͤlffe/ so hoͤ-
ret mit seinem tode alles solches auff. Aber der schaden betrifft ihn nicht/
sondern andere/ die seiner bedorfften. Wo nun viele solche gerechte nach-
einander dahin gehen/ so ists auch eine art/ dadurch erfuͤllet wird/ was
David klagt Ps. 12/ 2. Hilff/ Herr/ die heiligen haben abgenom-
men/ und der glaͤubigen ist wenig unter den menschen kindern.
Und Mich.
c. 7/ 2 Die fromme leute sind weg in diesem lande/ und
die gerechte sind nicht mehr unter den leuten :
Nemlich unter an-
dern auch/ weil sie Gott etwa ehender als man altershalben oder sonsten
dencken sollen/ durch einen seligen abschied/ daß sie den jammer nicht mehr
ansehen doͤrffen/ abfodert.

Darmit man aber nicht dencken moͤge/ es seye ein solches umkom-
men oder verderben/ wie es die gottlose davor halten/ so wird in dem fol-
genden vers die erklaͤrung hinzu gethan : Sie werden auffgerafft/
eigendlich/ sie werden versammlet. Es wird sonsten auch das wort
raffen von dem tode gebraucht/ als/ Ps. 16/ 9.Raffe meine seele

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[165/0013] gefangene gute mit ernst und eiffer bis ans ende fortsetzen. Diese sind allein die hier gemeinete : Und koͤnnen sich keine andere dessen/ was hier stehet/ annehmen. 2. Muͤssen wir nun sehen/ was von ihnen gesagt wird; und zwar 1. was ihnen begegne. Da heißt es/ 1. Der gerechte kommt um : in seiner sprache/ er verdirbet/ oder wird verlohren. Womit nichts anders als der zeitliche tod gemeint wird. Es moͤchte aber einer sagen/ der gerechten tod ist ja kein verderben/ noch verlohren werden. Antw. Freylich ists so/ wo die worte nach ihrer schaͤrffe nach unserer sprache gebraucht werden. Denn es ist ja der tod ein hingang zum frie- de und ruhe/ nach unsren worten. Er mag aber diesen nahmen tragen (1) Nach der einbildung der welt-kinder/ wie er nemlich ihnen vorkom- met. So heist es nun/ Weißh. 3/ 2. 3. Vor den unverstaͤndigen werden sie angesehen als stuͤrben sie/ und ihr abschied wird fuͤr eine pein gerechnet/ und ihre hinfahrt fuͤr ein verderben : aber sie sind im friede. Jene welt-kinder glauben/ es seye aus mit ihnen/ als die von der seligen ewigkeit wenig verstand haben. Sonderlich (2) heißt es so/ daß sie verlohren werden/ nemlich von denen/ bey denen sie gewest waren. Wie wir sagen/ wir haben diesen oder diesen Mann ver- lohren : nicht/ daß er vor sich verlohren waͤre/ sondern daß wir ihn ver- lohren/ und nicht mehr haben/ noch ferner seiner geniessen koͤnnen. Also heisset es auch/ der gerechte kommet um/ oder wird verlohren/ weil ihn Gott zu sich abfordert/ so kommt er von der welt weg/ die etwa sein nicht wehrt war/ Hebr. 11/ 38. Es ist darmit so fern aus/ da vorhin andre nutzen von ihm gehabt/ von seinem gebet/ exempel/ rath und huͤlffe/ so hoͤ- ret mit seinem tode alles solches auff. Aber der schaden betrifft ihn nicht/ sondern andere/ die seiner bedorfften. Wo nun viele solche gerechte nach- einander dahin gehen/ so ists auch eine art/ dadurch erfuͤllet wird/ was David klagt Ps. 12/ 2. Hilff/ Herr/ die heiligen haben abgenom- men/ und der glaͤubigen ist wenig unter den menschen kindern. Und Mich. c. 7/ 2 Die fromme leute sind weg in diesem lande/ und die gerechte sind nicht mehr unter den leuten : Nemlich unter an- dern auch/ weil sie Gott etwa ehender als man altershalben oder sonsten dencken sollen/ durch einen seligen abschied/ daß sie den jammer nicht mehr ansehen doͤrffen/ abfodert. Darmit man aber nicht dencken moͤge/ es seye ein solches umkom- men oder verderben/ wie es die gottlose davor halten/ so wird in dem fol- genden vers die erklaͤrung hinzu gethan : Sie werden auffgerafft/ eigendlich/ sie werden versammlet. Es wird sonsten auch das wort raffen von dem tode gebraucht/ als/ Ps. 16/ 9.Raffe meine seele

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/3490624_6/13>, abgerufen am 18.04.2024.