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Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.

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salems/ als nachmal/ auch da sie zu Babel gewesen/und in ihrer unbuß-
fertigkeit verharret sind/ da sie fast an Gottes künfftiger hülffe verzagten.
Sonderlich schicket sichs auff die erste am besten/ und möchte man gern
dabey bleiben/ daß er rede von der zeit/ da er/ der Prophet/ gelebet/und die
nach ihm gewähret/ bis auff die verstöhrung der stadt; Dann da ließ
Gott viele fromme nacheinander dahingehen und sterben/ welches die
andere nicht erkanten/ einen vorboten zu seyn des bald folgenden völligen
untergangs. Es mangelt aber auch nicht an solchen auslegern/ die da-
vor halten/ daß der Prophet weiter hinaus sehe/ auff die zeiten des Neuen
Testaments und zwar absonderlich auff die zeit der Antichristischen
macht/ da diese also überhand genommen/ daß die gerechte und heilige da-
hingegangen/ theils die sich gar zum abfall verführen lassen/ theils die das
thier hingerichtet/ theils die Gott selbst weggerafft/ daß man kaum eini-
ge mehr sehen können.Wir bleiben aber lieber bey dem vorigen/ oder se-
hen es vielmehr insgemein an/ als eine wahrheit/ die nicht bloß auff eine
zeit gehet/ sondern mit dero es zu aller zeit sich also verhält. Wie dann ein
text wol aus gewisser absonderlicher gelegenheit mag geschrieben werden/
der doch nachmal auch einen allgemeinen verstand an sich selbs hat :
Jn welchem wir auch diese worte erwegen/ und darinnen bestehen wol-
len/

Der frommen abschied/ der gottlosen sicherheit/ und
der seeligen ruhe.
Justorum obitus, securitas malorum, beatorum quies.

1. Was nun betrifft der frommen abschied : so wird 1. zu
besehen seyn/ von wem der Prophet rede; die heissen nun gerechte/ hei-
lige leute/ die richtig vor sich gewandelt haben. (1) Ge-
rechte
: in seiner sprache stehet in singulari , der gerechte. Daher
mehrere der Altväter darunter Christum verstehen/ welcher freylich nicht
nur ein gerechter/ 1. Joh. 2/ 1. sondern die gerechtigkeit selbs ist/
der Herr der unsere gerechtigkeit/ Jer. 23/ 6. ist. Nun könten
die meiste wort wol von unserm liebsten Heiland verstanden werden/
dann er kam freylich um/ und ward aus dem lande der lebendigen ge-
rissen/ und zwar vor dem unglück/ vor der schröcklichen zerstörung


salems/ als nachmal/ auch da sie zu Babel gewesen/und in ihrer unbuß-
fertigkeit verharret sind/ da sie fast an Gottes kuͤnfftiger huͤlffe verzagten.
Sonderlich schicket sichs auff die erste am besten/ und moͤchte man gern
dabey bleiben/ daß er rede von der zeit/ da er/ der Prophet/ gelebet/und die
nach ihm gewaͤhret/ bis auff die verstoͤhrung der stadt; Dann da ließ
Gott viele fromme nacheinander dahingehen und sterben/ welches die
andere nicht erkanten/ einen vorboten zu seyn des bald folgenden voͤlligen
untergangs. Es mangelt aber auch nicht an solchen auslegern/ die da-
vor halten/ daß der Prophet weiter hinaus sehe/ auff die zeiten des Neuen
Testaments und zwar absonderlich auff die zeit der Antichristischen
macht/ da diese also uͤberhand genommen/ daß die gerechte und heilige da-
hingegangen/ theils die sich gar zum abfall verfuͤhren lassen/ theils die das
thier hingerichtet/ theils die Gott selbst weggerafft/ daß man kaum eini-
ge mehr sehen koͤnnen.Wir bleiben aber lieber bey dem vorigen/ oder se-
hen es vielmehr insgemein an/ als eine wahrheit/ die nicht bloß auff eine
zeit gehet/ sondern mit dero es zu aller zeit sich also verhaͤlt. Wie dann ein
text wol aus gewisser absonderlicher gelegenheit mag geschrieben werden/
der doch nachmal auch einen allgemeinen verstand an sich selbs hat :
Jn welchem wir auch diese worte erwegen/ und darinnen bestehen wol-
len/

Der frommen abschied/ der gottlosen sicherheit/ und
der seeligen ruhe.
Justorum obitus, securitas malorum, beatorum quies.

1. Was nun betrifft der frommen abschied : so wird 1. zu
besehen seyn/ von wem der Prophet rede; die heissen nun gerechte/ hei-
lige leute/ die richtig vor sich gewandelt haben. (1) Ge-
rechte
: in seiner sprache stehet in singulari , der gerechte. Daher
mehrere der Altvaͤter darunter Christum verstehen/ welcher freylich nicht
nur ein gerechter/ 1. Joh. 2/ 1. sondern die gerechtigkeit selbs ist/
der Herr der unsere gerechtigkeit/ Jer. 23/ 6. ist. Nun koͤnten
die meiste wort wol von unserm liebsten Heiland verstanden werden/
dann er kam freylich um/ und ward aus dem lande der lebendigen ge-
rissen/ und zwar vor dem ungluͤck/ vor der schroͤcklichen zerstoͤrung

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[160/0008] salems/ als nachmal/ auch da sie zu Babel gewesen/und in ihrer unbuß- fertigkeit verharret sind/ da sie fast an Gottes kuͤnfftiger huͤlffe verzagten. Sonderlich schicket sichs auff die erste am besten/ und moͤchte man gern dabey bleiben/ daß er rede von der zeit/ da er/ der Prophet/ gelebet/und die nach ihm gewaͤhret/ bis auff die verstoͤhrung der stadt; Dann da ließ Gott viele fromme nacheinander dahingehen und sterben/ welches die andere nicht erkanten/ einen vorboten zu seyn des bald folgenden voͤlligen untergangs. Es mangelt aber auch nicht an solchen auslegern/ die da- vor halten/ daß der Prophet weiter hinaus sehe/ auff die zeiten des N. Testaments und zwar absonderlich auff die zeit der Antichristischen macht/ da diese also uͤberhand genommen/ daß die gerechte und heilige da- hingegangen/ theils die sich gar zum abfall verfuͤhren lassen/ theils die das thier hingerichtet/ theils die Gott selbst weggerafft/ daß man kaum eini- ge mehr sehen koͤnnen.Wir bleiben aber lieber bey dem vorigen/ oder se- hen es vielmehr insgemein an/ als eine wahrheit/ die nicht bloß auff eine zeit gehet/ sondern mit dero es zu aller zeit sich also verhaͤlt. Wie dann ein text wol aus gewisser absonderlicher gelegenheit mag geschrieben werden/ der doch nachmal auch einen allgemeinen verstand an sich selbs hat : Jn welchem wir auch diese worte erwegen/ und darinnen bestehen wol- len/ Der frommen abschied/ der gottlosen sicherheit/ und der seeligen ruhe. Justorum obitus, securitas malorum, beatorum quies. 1. Was nun betrifft der frommen abschied : so wird 1. zu besehen seyn/ von wem der Prophet rede; die heissen nun gerechte/ hei- lige leute/ die richtig vor sich gewandelt haben. (1) Ge- rechte : in seiner sprache stehet in singulari , der gerechte. Daher mehrere der Altvaͤter darunter Christum verstehen/ welcher freylich nicht nur ein gerechter/ 1. Joh. 2/ 1. sondern die gerechtigkeit selbs ist/ der Herr der unsere gerechtigkeit/ Jer. 23/ 6. ist. Nun koͤnten die meiste wort wol von unserm liebsten Heiland verstanden werden/ dann er kam freylich um/ und ward aus dem lande der lebendigen ge- rissen/ und zwar vor dem ungluͤck/ vor der schroͤcklichen zerstoͤrung

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/3490624_6/8>, abgerufen am 29.03.2024.