Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677.

Bild:
<< vorherige Seite

Christliche Leich-Predigt.
sich unsere Hertzen. Den Ersten fühlen unsere Sinnen/ den An-
dern bestrahlen unsere Augen/ den Dritten ergreifft unsere Hoff-
nung. Jn dem Ersten arbeiten und Athmen wir/ den andern
sehen wir an mit Verwunderung/ in dem Dritten haben wir eine
Beylage und ewigen Schatz. Der unterste Himmel vergön-
net uns auff eine kleine weile die Wallfarth/ der mittelste auff ei-
nen Augenblick die Durchfarth/ der dritte eine Stadt/ Hauß und
ewige Wohnung. Welcher unter diesen dreyen Himmeln dün-
cket Euch nun der beste zu seyn?

Schlagen wir aber unsere Augen unterwerts auff die Erde?
So ist Sie unsere fruchtbare Mutter. Jhr Eh-Mann ist im
Himmel. Wenn Er Sie einmal umbarmet/ so bringet Sie aller-
hand Geburthen hervor zur Erhaltung der Menschen. Die
Poeten heissen sie Cybelen, Magnam Matrem, Titanis Con-
jugem.
Jhre Form ist rund/ ihr Grund feste. Jhre Materie
schwer/ ihr Vermögen reich. Sie ist eine Herberge der strei-
tenden Kirchen. Ein Repositorium und Behaltnüß unser tod-
ten Körper. Eine Materie, aus welcher wir gemacht sind.
Beyde diese grosse Corpora, Himmel und Erden sind doch un-
ser. Und wenn wir sie zusammen mengen/ so machen wir keine
Confusion. Die Himmlische Kunst lehret uns einen Griff/ wie
wir den Himmel auff die Erde/ und die Erde in den Himmel
bringen; eines in das andere versetzen und beydes geniessen kön-
nen. Das ist eine grosse Wissenschafft. Jch glaube wol Jhr
wünschet Euch dieselbe zu erlangen/ und die Kunst zu wissen.
Wer unsern Leich-Text/ und so des HERRN JESU Worte
des Lebens darinn verstehet/ und dieselben Jhm weiß wol zu nutze
zu machen/ der wird die Kunst wissen. Er wird den Himmel
auff Erden/ die Erde in dem Himmel und so alles haben: Denn
Er wird bey CHRJSTO im Himmel/ und CHRJSTUS
bey Jhm hier auff Erden seyn. Wir wollen aber den Text in

seiner

Chriſtliche Leich-Predigt.
ſich unſere Hertzen. Den Erſten fuͤhlen unſere Sinnen/ den An-
dern beſtrahlen unſere Augen/ den Dritten ergreifft unſere Hoff-
nung. Jn dem Erſten arbeiten und Athmen wir/ den andern
ſehen wir an mit Verwunderung/ in dem Dritten haben wir eine
Beylage und ewigen Schatz. Der unterſte Himmel vergoͤn-
net uns auff eine kleine weile die Wallfarth/ der mittelſte auff ei-
nen Augenblick die Durchfarth/ der dritte eine Stadt/ Hauß und
ewige Wohnung. Welcher unter dieſen dreyen Himmeln duͤn-
cket Euch nun der beſte zu ſeyn?

Schlagen wir aber unſere Augen unterwerts auff die Erde?
So iſt Sie unſere fruchtbare Mutter. Jhr Eh-Mann iſt im
Himmel. Wenn Er Sie einmal umbarmet/ ſo bringet Sie aller-
hand Geburthen hervor zur Erhaltung der Menſchen. Die
Poeten heiſſen ſie Cÿbelen, Magnam Matrem, Titanis Con-
jugem.
Jhre Form iſt rund/ ihr Grund feſte. Jhre Materie
ſchwer/ ihr Vermögen reich. Sie iſt eine Herberge der ſtrei-
tenden Kirchen. Ein Repoſitorium und Behaltnuͤß unſer tod-
ten Koͤrper. Eine Materie, aus welcher wir gemacht ſind.
Beyde dieſe groſſe Corpora, Himmel und Erden ſind doch un-
ſer. Und wenn wir ſie zuſammen mengen/ ſo machen wir keine
Confuſion. Die Him̃liſche Kunſt lehret uns einen Griff/ wie
wir den Himmel auff die Erde/ und die Erde in den Himmel
bringen; eines in das andere verſetzen und beydes genieſſen koͤn-
nen. Das iſt eine groſſe Wiſſenſchafft. Jch glaube wol Jhr
wuͤnſchet Euch dieſelbe zu erlangen/ und die Kunſt zu wiſſen.
Wer unſern Leich-Text/ und ſo des HERRN JESU Worte
des Lebens darinn verſtehet/ und dieſelben Jhm weiß wol zu nutze
zu machen/ der wird die Kunſt wiſſen. Er wird den Himmel
auff Erden/ die Erde in dem Himmel und ſo alles haben: Denn
Er wird bey CHRJSTO im Himmel/ und CHRJSTUS
bey Jhm hier auff Erden ſeyn. Wir wollen aber den Text in

ſeiner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsExordium" n="2">
          <p><pb facs="#f0009" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Chri&#x017F;tliche Leich-Predigt.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ich un&#x017F;ere Hertzen. Den Er&#x017F;ten fu&#x0364;hlen un&#x017F;ere Sinnen/ den An-<lb/>
dern be&#x017F;trahlen un&#x017F;ere Augen/ den Dritten ergreifft un&#x017F;ere Hoff-<lb/>
nung. Jn dem Er&#x017F;ten arbeiten und Athmen wir/ den andern<lb/>
&#x017F;ehen wir an mit Verwunderung/ in dem Dritten haben wir eine<lb/>
Beylage und ewigen Schatz. Der unter&#x017F;te Himmel vergo&#x0364;n-<lb/>
net uns auff eine kleine weile die Wallfarth/ der mittel&#x017F;te auff ei-<lb/>
nen Augenblick die Durchfarth/ der dritte eine Stadt/ Hauß und<lb/>
ewige Wohnung. Welcher unter die&#x017F;en dreyen Himmeln du&#x0364;n-<lb/>
cket Euch nun der be&#x017F;te zu &#x017F;eyn?</p><lb/>
          <p>Schlagen wir aber un&#x017F;ere Augen unterwerts auff die Erde?<lb/>
So i&#x017F;t Sie un&#x017F;ere fruchtbare Mutter. Jhr Eh-Mann i&#x017F;t im<lb/>
Himmel. Wenn Er Sie einmal umbarmet/ &#x017F;o bringet Sie aller-<lb/>
hand Geburthen hervor zur Erhaltung der Men&#x017F;chen. Die<lb/>
Poeten hei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie <hi rendition="#aq">Cÿbelen, Magnam Matrem, Titanis Con-<lb/>
jugem.</hi> Jhre Form i&#x017F;t rund/ ihr Grund fe&#x017F;te. Jhre <hi rendition="#aq">Materie</hi><lb/>
&#x017F;chwer/ ihr Vermögen reich. Sie i&#x017F;t eine Herberge der &#x017F;trei-<lb/>
tenden Kirchen. Ein <hi rendition="#aq">Repo&#x017F;itorium</hi> und Behaltnu&#x0364;ß un&#x017F;er tod-<lb/>
ten Ko&#x0364;rper. Eine <hi rendition="#aq">Materie,</hi> aus welcher wir gemacht &#x017F;ind.<lb/>
Beyde die&#x017F;e gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Corpora,</hi> Himmel und Erden &#x017F;ind doch un-<lb/>
&#x017F;er. Und wenn wir &#x017F;ie zu&#x017F;ammen mengen/ &#x017F;o machen wir keine<lb/><hi rendition="#aq">Confu&#x017F;ion.</hi> Die Him&#x0303;li&#x017F;che Kun&#x017F;t lehret uns einen Griff/ wie<lb/>
wir den Himmel auff die Erde/ und die Erde in den Himmel<lb/>
bringen; eines in das andere ver&#x017F;etzen und beydes genie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Das i&#x017F;t eine gro&#x017F;&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft. Jch glaube wol Jhr<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chet Euch die&#x017F;elbe zu erlangen/ und die Kun&#x017F;t zu wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Wer un&#x017F;ern Leich-Text/ und &#x017F;o des HERRN JESU Worte<lb/>
des Lebens darinn ver&#x017F;tehet/ und die&#x017F;elben Jhm weiß wol zu nutze<lb/>
zu machen/ der wird die Kun&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en. Er wird den Himmel<lb/>
auff Erden/ die Erde in dem Himmel und &#x017F;o alles haben: Denn<lb/>
Er wird bey CHRJSTO im Himmel/ und CHRJSTUS<lb/>
bey Jhm hier auff Erden &#x017F;eyn. Wir wollen aber den Text in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;einer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0009] Chriſtliche Leich-Predigt. ſich unſere Hertzen. Den Erſten fuͤhlen unſere Sinnen/ den An- dern beſtrahlen unſere Augen/ den Dritten ergreifft unſere Hoff- nung. Jn dem Erſten arbeiten und Athmen wir/ den andern ſehen wir an mit Verwunderung/ in dem Dritten haben wir eine Beylage und ewigen Schatz. Der unterſte Himmel vergoͤn- net uns auff eine kleine weile die Wallfarth/ der mittelſte auff ei- nen Augenblick die Durchfarth/ der dritte eine Stadt/ Hauß und ewige Wohnung. Welcher unter dieſen dreyen Himmeln duͤn- cket Euch nun der beſte zu ſeyn? Schlagen wir aber unſere Augen unterwerts auff die Erde? So iſt Sie unſere fruchtbare Mutter. Jhr Eh-Mann iſt im Himmel. Wenn Er Sie einmal umbarmet/ ſo bringet Sie aller- hand Geburthen hervor zur Erhaltung der Menſchen. Die Poeten heiſſen ſie Cÿbelen, Magnam Matrem, Titanis Con- jugem. Jhre Form iſt rund/ ihr Grund feſte. Jhre Materie ſchwer/ ihr Vermögen reich. Sie iſt eine Herberge der ſtrei- tenden Kirchen. Ein Repoſitorium und Behaltnuͤß unſer tod- ten Koͤrper. Eine Materie, aus welcher wir gemacht ſind. Beyde dieſe groſſe Corpora, Himmel und Erden ſind doch un- ſer. Und wenn wir ſie zuſammen mengen/ ſo machen wir keine Confuſion. Die Him̃liſche Kunſt lehret uns einen Griff/ wie wir den Himmel auff die Erde/ und die Erde in den Himmel bringen; eines in das andere verſetzen und beydes genieſſen koͤn- nen. Das iſt eine groſſe Wiſſenſchafft. Jch glaube wol Jhr wuͤnſchet Euch dieſelbe zu erlangen/ und die Kunſt zu wiſſen. Wer unſern Leich-Text/ und ſo des HERRN JESU Worte des Lebens darinn verſtehet/ und dieſelben Jhm weiß wol zu nutze zu machen/ der wird die Kunſt wiſſen. Er wird den Himmel auff Erden/ die Erde in dem Himmel und ſo alles haben: Denn Er wird bey CHRJSTO im Himmel/ und CHRJSTUS bey Jhm hier auff Erden ſeyn. Wir wollen aber den Text in ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/354523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/354523/9
Zitationshilfe: Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/354523/9>, abgerufen am 28.03.2024.