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Vogelhaupt, Nicolaus: Coelicum profligandae mortis Alexipharmacum. Guben, 1673.

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Abdanckungs Rede.

Aber gleichwohl etwas genauer angesehen den Stand;
etwas bescheidener betrachtet das Alter; in und bey welchem
manche Person auß der menschlichen Gemeinschafft entrücket wird/
kan es nicht allerdinges und allezeit in gemein so dahin gestellet
seyn/ daß man bey etlichen Todesfällen/ nicht etwa ein besonder
Leid empfinden/ und mit Verwunderung auch einen Kummer darü-
ber nicht schöpffen solte. Zwar dieß Alter angesehen/ wenn etwa
gar junge Kinder in der ersten zarten Blüthe dahin sterben/ da
hat man sich so wenig zu verwundern/ als daß man siehet/ daß
zarte/ neugepflantzte Bäumlin leicht verderben/ und plötzlich unter-
gehen; oder auch als wenn man siehet/ daß bey der Blüthe der Bäu-
me/ sehr viel derselben abfället/ und vor der gewüntschten Voll-
kommenheit zu nichte wird. Desto minder hat man sich auch über
solcherley Abgang zu betrüben/ je mißlicher die Hoffnung bey der
zarten Jugend zu seyn pfleget: daß etwas tüchtiges und tapfres
endlich daraus möchte erzogen werden. Denn obschon Eheleute
wenn Sie Gott segnet bald bey der Geburt das beste zu hoffen pfle-
gen/ so fehlet es doch leider sehr/ und verkehret sich die Hoffnung
des besten/ gar vielmahl in eine ersolgung/ und nachmahlige
schmertzhaffte Empfindung des bösesten: maassen wir sehen daß es
unsrer ersten Mutter der Eva wiederfahren/ die da bey der Ge-
Cen. 4.
v.
1. 8.
burt jhres ersten Sohnes des Cains vermeinte/ sie hätte nun einen
rechten GOttes Mann/ oder gar einen Heyland erlanget: aber es
ward folgender Zeit hernach zu jhren grossen Hertzen-Betrübniß
ein GOttes-Gehässiger/ ruchloser Bruder-Mörder aus jhm.
Angesehen das Alter/ da ein Mensch seine Zeit gelebet hat/ und
nun so weit in seinen Tagen und Jahren kommen ist/ daß er des
Lebens sat und üb erdrüssig worden; da darff es denn eben so we-
nig wunderns/ wenn eine solche Person durch den Todt erbleichet/
als wenn man siehet/ daß ein gar alter Baum endlich verdorret und
dahin fället. Wie es denn auch bey so verlebten Leuten minder
Betrübniß daher zu setzen pfleget/ weil man offte befindet/ daß sie
Alters und Ohnmächtigkeit halben/ jhnen selbsten/ und zugleich

auch
Abdanckungs Rede.

Aber gleichwohl etwas genauer angeſehen den Stand;
etwas beſcheidener betrachtet das Alter; in und bey welchem
manche Perſon auß der menſchlichen Gemeinſchafft entruͤcket wird/
kan es nicht allerdinges und allezeit in gemein ſo dahin geſtellet
ſeyn/ daß man bey etlichen Todesfaͤllen/ nicht etwa ein beſonder
Leid empfinden/ und mit Verwunderung auch einen Kummer daruͤ-
ber nicht ſchoͤpffen ſolte. Zwar dieß Alter angeſehen/ weñ etwa
gar junge Kinder in der erſten zarten Bluͤthe dahin ſterben/ da
hat man ſich ſo wenig zu verwundern/ als daß man ſiehet/ daß
zarte/ neugepflantzte Baͤumlin leicht verderben/ und ploͤtzlich unter-
gehen; oder auch als weñ man ſiehet/ daß bey der Bluͤthe der Baͤu-
me/ ſehr viel derſelben abfaͤllet/ und vor der gewuͤntſchten Voll-
kommenheit zu nichte wird. Deſto minder hat man ſich auch uͤber
ſolcherley Abgang zu betruͤben/ je mißlicher die Hoffnung bey der
zarten Jugend zu ſeyn pfleget: daß etwas tuͤchtiges und tapfres
endlich daraus moͤchte erzogen werden. Denn obſchon Eheleute
weñ Sie Gott ſegnet bald bey der Geburt das beſte zu hoffen pfle-
gen/ ſo fehlet es doch leider ſehr/ und verkehret ſich die Hoffnung
des beſten/ gar vielmahl in eine erſolgung/ und nachmahlige
ſchmertzhaffte Empfindung des boͤſeſten: maaſſen wir ſehen daß es
unſrer erſten Mutter der Eva wiederfahren/ die da bey der Ge-
Cen. 4.
v.
1. 8.
burt jhres erſten Sohnes des Cains vermeinte/ ſie haͤtte nun einen
rechten GOttes Mann/ oder gar einen Heyland erlanget: aber es
ward folgender Zeit hernach zu jhren groſſen Hertzen-Betruͤbniß
ein GOttes-Gehaͤſſiger/ ruchloſer Bruder-Moͤrder aus jhm.
Angeſehen das Alter/ da ein Menſch ſeine Zeit gelebet hat/ und
nun ſo weit in ſeinen Tagen und Jahren kommen iſt/ daß er des
Lebens ſat und uͤb erdruͤſſig worden; da darff es denn eben ſo we-
nig wunderns/ wenn eine ſolche Perſon durch den Todt erbleichet/
als wenn man ſiehet/ daß ein gar alter Baum endlich verdorret und
dahin faͤllet. Wie es denn auch bey ſo verlebten Leuten minder
Betruͤbniß daher zu ſetzen pfleget/ weil man offte befindet/ daß ſie
Alters und Ohnmaͤchtigkeit halben/ jhnen ſelbſten/ und zugleich

auch
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Zitationshilfe: Vogelhaupt, Nicolaus: Coelicum profligandae mortis Alexipharmacum. Guben, 1673, S. [10]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358773/82>, abgerufen am 28.03.2024.