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Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

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§. 11.

Was düncket dir nun, christlicher Leser, wenn ein Sterbender
sich selbst mit denen Grund-Worten des Heiligen Geistes aufrich-
tet, wenn der andere vor dem Bette sitzet und die angegebenen Ma-
terien weiter durchführet, wenn ein Licht gleichsam das andere
entzündet, und wenn die herrlichsten Kernsprüche des göttlichen
Wortes in der bündigsten Application so durchgearbeitet werden,
ob da nicht auf beyden Seiten das gröste Vergnügen verursachet
worden? Der Sterbende konte das seine nicht läugnen, denn sein
Angesicht war wie eines Engels Angesicht, sein Mund war voll
lachens, und seine Zunge voll rühmens. Folglich sind ihm seine
letzte Kampf-Stunden wahrhaftige Freuden-Stunden gewesen.
Jch, meines geringen Ortes, gestehe, daß ich diesem Sterbenden mit
viel Vergnügen beygestanden, und daß dieses mich, da ich sonst
Sterbenden beyzustehen nicht gewohnt bin, sehr ermuntert hat.
Jch dancke GOtt hertzlich für den Segen, welchen er auf meine
ehemaligen Lehren geleget, so daß ich davon die allerherrlichsten
Früchte gespüret. Jch preise ihn, daß mein Haus gewürdiget
worden, diesen treuen Lehrer aufzunehmen, und daß die Meinigen
dieses schöne Ende mitansehen können. GOtt gebe, daß wir alle
diesem Exempel nachfolgen, und dereinst frölich und selig sterben.

§. 12.

Jch könte mehr dergleichen vorbringen: Wie man sich denn
wohl vorstellen kan, daß innerhalb 5. bis 6. Stunden viel schöne Ge-
spräche vorgefallen: Allein, es mag an diesen genug seyn. Denn
ich muß mich in die Zeit schicken, welche mein Amt und die übrigen
Verrichtungen wegnehmen, und dem Leser unsers Seligen rühm-
lich geführten und Christlich vollendeten Lebenslauf nicht länger vor-
enthalten. Man wird aus der folgenden Erzehlung wahrnehmen,
daß die vortrefflichsten Kernsprüche der heiligen Schrift vorge-
kommen, bey welchen der hebräische und griechische Text nicht viel
weggelassen, welches ich aber alles nur in die Kürtze fassen werde.
Jndessen hoffe ich, daß ich meinen Satz, wie nemlich die gründ-
liche Untersuchung des göttlichen Wortes zum frölichen Sterben
das ihrige beytrage, mit einigen Exempeln sattsam erwiesen habe.
Jch gehe nun weiter, und werde meine Bemühung diese seyn las-

sen,
§. 11.

Was duͤncket dir nun, chriſtlicher Leſer, wenn ein Sterbender
ſich ſelbſt mit denen Grund-Worten des Heiligen Geiſtes aufrich-
tet, wenn der andere vor dem Bette ſitzet und die angegebenen Ma-
terien weiter durchfuͤhret, wenn ein Licht gleichſam das andere
entzuͤndet, und wenn die herrlichſten Kernſpruͤche des goͤttlichen
Wortes in der buͤndigſten Application ſo durchgearbeitet werden,
ob da nicht auf beyden Seiten das groͤſte Vergnuͤgen verurſachet
worden? Der Sterbende konte das ſeine nicht laͤugnen, denn ſein
Angeſicht war wie eines Engels Angeſicht, ſein Mund war voll
lachens, und ſeine Zunge voll ruͤhmens. Folglich ſind ihm ſeine
letzte Kampf-Stunden wahrhaftige Freuden-Stunden geweſen.
Jch, meines geringen Ortes, geſtehe, daß ich dieſem Sterbenden mit
viel Vergnuͤgen beygeſtanden, und daß dieſes mich, da ich ſonſt
Sterbenden beyzuſtehen nicht gewohnt bin, ſehr ermuntert hat.
Jch dancke GOtt hertzlich fuͤr den Segen, welchen er auf meine
ehemaligen Lehren geleget, ſo daß ich davon die allerherrlichſten
Fruͤchte geſpuͤret. Jch preiſe ihn, daß mein Haus gewuͤrdiget
worden, dieſen treuen Lehrer aufzunehmen, und daß die Meinigen
dieſes ſchoͤne Ende mitanſehen koͤnnen. GOtt gebe, daß wir alle
dieſem Exempel nachfolgen, und dereinſt froͤlich und ſelig ſterben.

§. 12.

Jch koͤnte mehr dergleichen vorbringen: Wie man ſich denn
wohl vorſtellen kan, daß innerhalb 5. bis 6. Stunden viel ſchoͤne Ge-
ſpraͤche vorgefallen: Allein, es mag an dieſen genug ſeyn. Denn
ich muß mich in die Zeit ſchicken, welche mein Amt und die uͤbrigen
Verrichtungen wegnehmen, und dem Leſer unſers Seligen ruͤhm-
lich gefuͤhrten und Chriſtlich vollendeten Lebenslauf nicht laͤnger vor-
enthalten. Man wird aus der folgenden Erzehlung wahrnehmen,
daß die vortrefflichſten Kernſpruͤche der heiligen Schrift vorge-
kommen, bey welchen der hebraͤiſche und griechiſche Text nicht viel
weggelaſſen, welches ich aber alles nur in die Kuͤrtze faſſen werde.
Jndeſſen hoffe ich, daß ich meinen Satz, wie nemlich die gruͤnd-
liche Unterſuchung des goͤttlichen Wortes zum froͤlichen Sterben
das ihrige beytrage, mit einigen Exempeln ſattſam erwieſen habe.
Jch gehe nun weiter, und werde meine Bemuͤhung dieſe ſeyn laſ-

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[10/0010] §. 11. Was duͤncket dir nun, chriſtlicher Leſer, wenn ein Sterbender ſich ſelbſt mit denen Grund-Worten des Heiligen Geiſtes aufrich- tet, wenn der andere vor dem Bette ſitzet und die angegebenen Ma- terien weiter durchfuͤhret, wenn ein Licht gleichſam das andere entzuͤndet, und wenn die herrlichſten Kernſpruͤche des goͤttlichen Wortes in der buͤndigſten Application ſo durchgearbeitet werden, ob da nicht auf beyden Seiten das groͤſte Vergnuͤgen verurſachet worden? Der Sterbende konte das ſeine nicht laͤugnen, denn ſein Angeſicht war wie eines Engels Angeſicht, ſein Mund war voll lachens, und ſeine Zunge voll ruͤhmens. Folglich ſind ihm ſeine letzte Kampf-Stunden wahrhaftige Freuden-Stunden geweſen. Jch, meines geringen Ortes, geſtehe, daß ich dieſem Sterbenden mit viel Vergnuͤgen beygeſtanden, und daß dieſes mich, da ich ſonſt Sterbenden beyzuſtehen nicht gewohnt bin, ſehr ermuntert hat. Jch dancke GOtt hertzlich fuͤr den Segen, welchen er auf meine ehemaligen Lehren geleget, ſo daß ich davon die allerherrlichſten Fruͤchte geſpuͤret. Jch preiſe ihn, daß mein Haus gewuͤrdiget worden, dieſen treuen Lehrer aufzunehmen, und daß die Meinigen dieſes ſchoͤne Ende mitanſehen koͤnnen. GOtt gebe, daß wir alle dieſem Exempel nachfolgen, und dereinſt froͤlich und ſelig ſterben. §. 12. Jch koͤnte mehr dergleichen vorbringen: Wie man ſich denn wohl vorſtellen kan, daß innerhalb 5. bis 6. Stunden viel ſchoͤne Ge- ſpraͤche vorgefallen: Allein, es mag an dieſen genug ſeyn. Denn ich muß mich in die Zeit ſchicken, welche mein Amt und die uͤbrigen Verrichtungen wegnehmen, und dem Leſer unſers Seligen ruͤhm- lich gefuͤhrten und Chriſtlich vollendeten Lebenslauf nicht laͤnger vor- enthalten. Man wird aus der folgenden Erzehlung wahrnehmen, daß die vortrefflichſten Kernſpruͤche der heiligen Schrift vorge- kommen, bey welchen der hebraͤiſche und griechiſche Text nicht viel weggelaſſen, welches ich aber alles nur in die Kuͤrtze faſſen werde. Jndeſſen hoffe ich, daß ich meinen Satz, wie nemlich die gruͤnd- liche Unterſuchung des goͤttlichen Wortes zum froͤlichen Sterben das ihrige beytrage, mit einigen Exempeln ſattſam erwieſen habe. Jch gehe nun weiter, und werde meine Bemuͤhung dieſe ſeyn laſ- ſen,

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Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/10>, abgerufen am 16.04.2024.