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Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

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GOTT zu seyn. Das heilige Wort GOttes, welches sie fleißig
lesen und betrachten, führet sie dahin, und giebt ihnen auch Kräf-
te dazu, welche die Natur nicht besitzet. Man findet dergleichen
nicht allein bey alten und verlebten Personen, sondern auch bey
jungen Kindern. Aber ein Gelehrter hat vor andern Christen doch
noch einigen Vorzug. Denn, wenn er sich auf die gründliche Un-
tersuchung des göttlichen Worts recht fleißig legt, so bekommt er
vieles, so zu sagen, aus der ersten Hand, welches andern, die in
Sprachen und dazu gehörigen Wissenschaften ungeübt sind, nicht
so wohl beywohnen kan.

§. 3.

Ein dergleichen Exempel hat GOTT mir in meinem Hause
zu erleben das Glück gegönnet in der Person
Herrn
Christoph Theodosii Walthers,
in die funfzehn Jahr gewesenen Königlichen Dänischen
Mißionarii zu Tranckenbar in Ost-
Jndien.

Dieser hat GOttes Wort von Jugend an fleißig studiret, und
mehr, als es unter denen, die von der lieben Theologie Profes-
sion machen, Mode ist. Solche seine Bemühung ward ihm gleich-
sam in seine Natur verwandelt, daß, wo er nur in Ost-Jndien
und sonst etwas sahe und hörte, er gleich dachte, wo er dasselbe zu
desto mehrer Erläuterung der heiligen Schrift hinbringen solte,
wie davon die Zeugnisse am Tage liegen. Es ward aber solches
Studiren in GOttes Wort bey ihm lebendig, so daß er nicht bey
der Litter kleben blieb, nicht einen heydnisch gesinnten Criticum
agirte, sich nicht mit der buchstäblichen Erkenntniß breit machte;
sondern er war bemühet dasjenige, was er aus GOttes Wort ge-
lernet, auch in die Ubung zu bringen, und sein Licht durch gute
Wercke leuchten zu lassen.

§. 4.

Nun ist es wahr, daß GOttes Wort uns vornehmlich unsers
wahrhaftigen Nutzens wegen gegeben ist; allein es hat auch hier-
nächst ein grosses Vergnügen bey sich. Daher sagt David Psalm

CXIX,

GOTT zu ſeyn. Das heilige Wort GOttes, welches ſie fleißig
leſen und betrachten, fuͤhret ſie dahin, und giebt ihnen auch Kraͤf-
te dazu, welche die Natur nicht beſitzet. Man findet dergleichen
nicht allein bey alten und verlebten Perſonen, ſondern auch bey
jungen Kindern. Aber ein Gelehrter hat vor andern Chriſten doch
noch einigen Vorzug. Denn, wenn er ſich auf die gruͤndliche Un-
terſuchung des goͤttlichen Worts recht fleißig legt, ſo bekommt er
vieles, ſo zu ſagen, aus der erſten Hand, welches andern, die in
Sprachen und dazu gehoͤrigen Wiſſenſchaften ungeuͤbt ſind, nicht
ſo wohl beywohnen kan.

§. 3.

Ein dergleichen Exempel hat GOTT mir in meinem Hauſe
zu erleben das Gluͤck gegoͤnnet in der Perſon
Herrn
Chriſtoph Theodoſii Walthers,
in die funfzehn Jahr geweſenen Koͤniglichen Daͤniſchen
Mißionarii zu Tranckenbar in Oſt-
Jndien.

Dieſer hat GOttes Wort von Jugend an fleißig ſtudiret, und
mehr, als es unter denen, die von der lieben Theologie Profeſ-
ſion machen, Mode iſt. Solche ſeine Bemuͤhung ward ihm gleich-
ſam in ſeine Natur verwandelt, daß, wo er nur in Oſt-Jndien
und ſonſt etwas ſahe und hoͤrte, er gleich dachte, wo er daſſelbe zu
deſto mehrer Erlaͤuterung der heiligen Schrift hinbringen ſolte,
wie davon die Zeugniſſe am Tage liegen. Es ward aber ſolches
Studiren in GOttes Wort bey ihm lebendig, ſo daß er nicht bey
der Litter kleben blieb, nicht einen heydniſch geſinnten Criticum
agirte, ſich nicht mit der buchſtaͤblichen Erkenntniß breit machte;
ſondern er war bemuͤhet dasjenige, was er aus GOttes Wort ge-
lernet, auch in die Ubung zu bringen, und ſein Licht durch gute
Wercke leuchten zu laſſen.

§. 4.

Nun iſt es wahr, daß GOttes Wort uns vornehmlich unſers
wahrhaftigen Nutzens wegen gegeben iſt; allein es hat auch hier-
naͤchſt ein groſſes Vergnuͤgen bey ſich. Daher ſagt David Pſalm

CXIX,
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[4/0004] GOTT zu ſeyn. Das heilige Wort GOttes, welches ſie fleißig leſen und betrachten, fuͤhret ſie dahin, und giebt ihnen auch Kraͤf- te dazu, welche die Natur nicht beſitzet. Man findet dergleichen nicht allein bey alten und verlebten Perſonen, ſondern auch bey jungen Kindern. Aber ein Gelehrter hat vor andern Chriſten doch noch einigen Vorzug. Denn, wenn er ſich auf die gruͤndliche Un- terſuchung des goͤttlichen Worts recht fleißig legt, ſo bekommt er vieles, ſo zu ſagen, aus der erſten Hand, welches andern, die in Sprachen und dazu gehoͤrigen Wiſſenſchaften ungeuͤbt ſind, nicht ſo wohl beywohnen kan. §. 3. Ein dergleichen Exempel hat GOTT mir in meinem Hauſe zu erleben das Gluͤck gegoͤnnet in der Perſon Herrn Chriſtoph Theodoſii Walthers, in die funfzehn Jahr geweſenen Koͤniglichen Daͤniſchen Mißionarii zu Tranckenbar in Oſt- Jndien. Dieſer hat GOttes Wort von Jugend an fleißig ſtudiret, und mehr, als es unter denen, die von der lieben Theologie Profeſ- ſion machen, Mode iſt. Solche ſeine Bemuͤhung ward ihm gleich- ſam in ſeine Natur verwandelt, daß, wo er nur in Oſt-Jndien und ſonſt etwas ſahe und hoͤrte, er gleich dachte, wo er daſſelbe zu deſto mehrer Erlaͤuterung der heiligen Schrift hinbringen ſolte, wie davon die Zeugniſſe am Tage liegen. Es ward aber ſolches Studiren in GOttes Wort bey ihm lebendig, ſo daß er nicht bey der Litter kleben blieb, nicht einen heydniſch geſinnten Criticum agirte, ſich nicht mit der buchſtaͤblichen Erkenntniß breit machte; ſondern er war bemuͤhet dasjenige, was er aus GOttes Wort ge- lernet, auch in die Ubung zu bringen, und ſein Licht durch gute Wercke leuchten zu laſſen. §. 4. Nun iſt es wahr, daß GOttes Wort uns vornehmlich unſers wahrhaftigen Nutzens wegen gegeben iſt; allein es hat auch hier- naͤchſt ein groſſes Vergnuͤgen bey ſich. Daher ſagt David Pſalm CXIX,

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Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/4>, abgerufen am 29.03.2024.