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Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704].

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Abdanckungs-Rede.
kauffen? Wer hat sie thenrer bezahlet/ als Gott mit seinem
theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten lassen?
Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf-
fet: Gib mir dein Hertz?
Wollen wir uns die Liebe ab-
zwingen lassen? Wer dringet und zwinget kräfftiger/ denn
der uns durch Paulum sagen läst: So jemand den Her-
ren JEsum nicht lieb hat/ der ist verbannt.
GOtt ist
ja die Liebe selbst. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott
hat uns zu erst geliebet: Darum billich/ daß wir ihn
wider lieben/
wie Johannes in der verwichenen Sonntags-
Epistel
erinnert. Ein Licht zündet das ander an: Eine
Liebe gebühret die ander. GOtt ist unser Wolthäter: Wie
viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun
in diesem und jenem Leben. Wer wolte seinen Wolthäter
nicht lieben? Anbey aber müssen wir unsre Liebes-Lampe
brennen lassen gegen dem Nechsten. Denn dazu verbindet
uns das Gebot GOttes: Du solt deinen Nechsten lie-
ben/ als dich selbst.
Dazu verbindet uns das Gesetz der
Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechste
thun soll/ das sollen wir ihme auch thun.
Dazu ver-
bindet uns die Beschaffenheit des Nechsten; denn er ist uns
in Adam so nahe/ als unser eigen Fleisch: Niemand aber
hat jemals sein eigen Fleisch gehasset.
Und diese Liebe
ist überall behülfflich. Sie ist gegen jedermann züchtig/ in
der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beständig/
in allerley Bedienung sinnreich; gegen die Höhern ehrerbie-
tig/ gegen die Gleichständigen verträglich/ gegen die Niedri-
gen demüttig; in Worten heylsam/ in Wercken fruchtbar:
Sie ist gegen die Unwissenden lehrhafftig/ gegen die Jrren-

den

Abdanckungs-Rede.
kauffen? Wer hat ſie thenrer bezahlet/ als Gott mit ſeinem
theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten laſſen?
Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf-
fet: Gib mir dein Hertz?
Wollen wir uns die Liebe ab-
zwingen laſſen? Wer dringet und zwinget kraͤfftiger/ denn
der uns durch Paulum ſagen laͤſt: So jemand den Her-
ren JEſum nicht lieb hat/ der iſt verbañt.
GOtt iſt
ja die Liebe ſelbſt. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott
hat uns zu erſt geliebet: Darum billich/ daß wir ihn
wider lieben/
wie Johannes in der verwichenen Soñtags-
Epiſtel
erinnert. Ein Licht zuͤndet das ander an: Eine
Liebe gebuͤhret die ander. GOtt iſt unſer Wolthaͤter: Wie
viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun
in dieſem und jenem Leben. Wer wolte ſeinen Wolthaͤter
nicht lieben? Anbey aber muͤſſen wir unſre Liebes-Lampe
brennen laſſen gegen dem Nechſten. Denn dazu verbindet
uns das Gebot GOttes: Du ſolt deinen Nechſten lie-
ben/ als dich ſelbſt.
Dazu verbindet uns das Geſetz der
Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechſte
thun ſoll/ das ſollen wir ihme auch thun.
Dazu ver-
bindet uns die Beſchaffenheit des Nechſten; deñ er iſt uns
in Adam ſo nahe/ als unſer eigen Fleiſch: Niemand aber
hat jemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet.
Und dieſe Liebe
iſt uͤberall behuͤlfflich. Sie iſt gegen jedermañ zuͤchtig/ in
der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beſtaͤndig/
in allerley Bedienung ſiñreich; gegen die Hoͤhern ehrerbie-
tig/ gegen die Gleichſtaͤndigen vertraͤglich/ gegen die Niedri-
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Sie iſt gegen die Unwiſſenden lehrhafftig/ gegen die Jrren-

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[12/0012] Abdanckungs-Rede. kauffen? Wer hat ſie thenrer bezahlet/ als Gott mit ſeinem theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten laſſen? Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf- fet: Gib mir dein Hertz? Wollen wir uns die Liebe ab- zwingen laſſen? Wer dringet und zwinget kraͤfftiger/ denn der uns durch Paulum ſagen laͤſt: So jemand den Her- ren JEſum nicht lieb hat/ der iſt verbañt. GOtt iſt ja die Liebe ſelbſt. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott hat uns zu erſt geliebet: Darum billich/ daß wir ihn wider lieben/ wie Johannes in der verwichenen Soñtags- Epiſtel erinnert. Ein Licht zuͤndet das ander an: Eine Liebe gebuͤhret die ander. GOtt iſt unſer Wolthaͤter: Wie viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun in dieſem und jenem Leben. Wer wolte ſeinen Wolthaͤter nicht lieben? Anbey aber muͤſſen wir unſre Liebes-Lampe brennen laſſen gegen dem Nechſten. Denn dazu verbindet uns das Gebot GOttes: Du ſolt deinen Nechſten lie- ben/ als dich ſelbſt. Dazu verbindet uns das Geſetz der Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechſte thun ſoll/ das ſollen wir ihme auch thun. Dazu ver- bindet uns die Beſchaffenheit des Nechſten; deñ er iſt uns in Adam ſo nahe/ als unſer eigen Fleiſch: Niemand aber hat jemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet. Und dieſe Liebe iſt uͤberall behuͤlfflich. Sie iſt gegen jedermañ zuͤchtig/ in der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beſtaͤndig/ in allerley Bedienung ſiñreich; gegen die Hoͤhern ehrerbie- tig/ gegen die Gleichſtaͤndigen vertraͤglich/ gegen die Niedri- gen demuͤttig; in Worten heylſam/ in Wercken fruchtbar: Sie iſt gegen die Unwiſſenden lehrhafftig/ gegen die Jrren- den

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Zitationshilfe: Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392456/12>, abgerufen am 29.03.2024.