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Burckhard, Gottfried: Himmlische Johanna Elisabeth. Breslau, 1673.

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Die Aufferziehung befestigt ihren Selbst-Stand/
und hilfft der ohne diß herrlichen Natur treue Hand anle-
gen/ umb ein solches Bild zu formiren/ dessen innerliche
Schönheit/ offt der euserlichen vorgezogen werden muß.
Diese Tugend-Pflantze wurde ebenmässig durch schöne
Zucht und Auffacht Jhrer Fürstlichen Eltern fleissig ge-
wartet/ und in der noch zarten Kindheit/ dem Empfindnüß-
fähigem Wachs Jhres Verstandes/ die Tugend aller Tu-
genden/ die Heilige Liebe GOttes/ From-und Gottfürch-
tigkeit/ so glücklich eingedruckt/ daß selbtes hernach in zu-
nehmendem Wachsthum/ viel hundert Früchte löblicher
Tugenden getragen. Aber wie bald berührete der To-
des-Stachel diese blühende Rosen? Wie bald zersprang
der Christallin menschlicher Unbeständigkeit? Die selige
Frau hatte nur das vierdte Jahr angetreten/ als Jhre
liebste Frau Mutter/ auß unerforschlichem Rathschluß
Gottes Anno 1639 d. 16. Jul. zu Osterroda in Preus-
sen/ den Weg alles Fleisches gehen muste. Ein harter Zu-
fall vor ein zartes Kind! Ein beweglicher Verlust! Der
zwar damals wegen Wenigkeit der Jahre/ von der verlas-
senen Fürstl. Wayse nicht beklaget/ aber bey zunehmendem
Verstande nicht zur Gnüge konte beweinet werden. Das
Unglück fället uns mit Flügeln an/ und verlässet uns mit
Gicht-verlähmten Füssen! Wir meinen nach dessen Ab-
schied die Thüren zu verschliessen/ da doch schon ein anders
in unserm Zimmer ruhet. Ein Betrübnüß kommt selten
allein! Die Fäule hatte noch nicht mit ihrem Vermode-
rungs-Zahne die Baare dieser Fürstl. Gemahlin berüh-
ret; Als man schon die Todten-Glocken über dem Able-
ben Jhres hinterlassenen Ehe-Gemahls zusammen stim-
met. Die verlassene Tochter hatte kaum die liebste Frau
Mutter verlohren/ als noch selbten Jahres d. 25. Decemb.

dero

Die Aufferziehung befeſtigt ihren Selbſt-Stand/
und hilfft der ohne diß herrlichen Natur treue Hand anle-
gen/ umb ein ſolches Bild zu formiren/ deſſen innerliche
Schoͤnheit/ offt der euſerlichen vorgezogen werden muß.
Dieſe Tugend-Pflantze wurde ebenmaͤſſig durch ſchoͤne
Zucht und Auffacht Jhrer Fuͤrſtlichen Eltern fleiſſig ge-
wartet/ und in der noch zarten Kindheit/ dem Empfindnuͤß-
faͤhigem Wachs Jhres Verſtandes/ die Tugend aller Tu-
genden/ die Heilige Liebe GOttes/ From-und Gottfuͤrch-
tigkeit/ ſo gluͤcklich eingedruckt/ daß ſelbtes hernach in zu-
nehmendem Wachsthum/ viel hundert Fruͤchte loͤblicher
Tugenden getragen. Aber wie bald beruͤhrete der To-
des-Stachel dieſe bluͤhende Roſen? Wie bald zerſprang
der Chriſtallin menſchlicher Unbeſtaͤndigkeit? Die ſelige
Frau hatte nur das vierdte Jahr angetreten/ als Jhre
liebſte Frau Mutter/ auß unerforſchlichem Rathſchluß
Gottes Anno 1639 d. 16. Jul. zu Oſterroda in Preuſ-
ſen/ den Weg alles Fleiſches gehen muſte. Ein harter Zu-
fall vor ein zartes Kind! Ein beweglicher Verluſt! Der
zwar damals wegen Wenigkeit der Jahre/ von der verlaſ-
ſenen Fuͤrſtl. Wayſe nicht beklaget/ aber bey zunehmendem
Verſtande nicht zur Gnuͤge konte beweinet werden. Das
Ungluͤck faͤllet uns mit Fluͤgeln an/ und verlaͤſſet uns mit
Gicht-verlaͤhmten Fuͤſſen! Wir meinen nach deſſen Ab-
ſchied die Thuͤren zu verſchlieſſen/ da doch ſchon ein anders
in unſerm Zimmer ruhet. Ein Betruͤbnuͤß kommt ſelten
allein! Die Faͤule hatte noch nicht mit ihrem Vermode-
rungs-Zahne die Baare dieſer Fuͤrſtl. Gemahlin beruͤh-
ret; Als man ſchon die Todten-Glocken uͤber dem Able-
ben Jhres hinterlaſſenen Ehe-Gemahls zuſammen ſtim-
met. Die verlaſſene Tochter hatte kaum die liebſte Frau
Mutter verlohren/ als noch ſelbten Jahres d. 25. Decemb.

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[[66]/0066] Die Aufferziehung befeſtigt ihren Selbſt-Stand/ und hilfft der ohne diß herrlichen Natur treue Hand anle- gen/ umb ein ſolches Bild zu formiren/ deſſen innerliche Schoͤnheit/ offt der euſerlichen vorgezogen werden muß. Dieſe Tugend-Pflantze wurde ebenmaͤſſig durch ſchoͤne Zucht und Auffacht Jhrer Fuͤrſtlichen Eltern fleiſſig ge- wartet/ und in der noch zarten Kindheit/ dem Empfindnuͤß- faͤhigem Wachs Jhres Verſtandes/ die Tugend aller Tu- genden/ die Heilige Liebe GOttes/ From-und Gottfuͤrch- tigkeit/ ſo gluͤcklich eingedruckt/ daß ſelbtes hernach in zu- nehmendem Wachsthum/ viel hundert Fruͤchte loͤblicher Tugenden getragen. Aber wie bald beruͤhrete der To- des-Stachel dieſe bluͤhende Roſen? Wie bald zerſprang der Chriſtallin menſchlicher Unbeſtaͤndigkeit? Die ſelige Frau hatte nur das vierdte Jahr angetreten/ als Jhre liebſte Frau Mutter/ auß unerforſchlichem Rathſchluß Gottes Anno 1639 d. 16. Jul. zu Oſterroda in Preuſ- ſen/ den Weg alles Fleiſches gehen muſte. Ein harter Zu- fall vor ein zartes Kind! Ein beweglicher Verluſt! Der zwar damals wegen Wenigkeit der Jahre/ von der verlaſ- ſenen Fuͤrſtl. Wayſe nicht beklaget/ aber bey zunehmendem Verſtande nicht zur Gnuͤge konte beweinet werden. Das Ungluͤck faͤllet uns mit Fluͤgeln an/ und verlaͤſſet uns mit Gicht-verlaͤhmten Fuͤſſen! Wir meinen nach deſſen Ab- ſchied die Thuͤren zu verſchlieſſen/ da doch ſchon ein anders in unſerm Zimmer ruhet. Ein Betruͤbnuͤß kommt ſelten allein! Die Faͤule hatte noch nicht mit ihrem Vermode- rungs-Zahne die Baare dieſer Fuͤrſtl. Gemahlin beruͤh- ret; Als man ſchon die Todten-Glocken uͤber dem Able- ben Jhres hinterlaſſenen Ehe-Gemahls zuſammen ſtim- met. Die verlaſſene Tochter hatte kaum die liebſte Frau Mutter verlohren/ als noch ſelbten Jahres d. 25. Decemb. dero

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Zitationshilfe: Burckhard, Gottfried: Himmlische Johanna Elisabeth. Breslau, 1673, S. [66]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/511301/66>, abgerufen am 19.04.2024.