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Rehefeldt, Tobias: Mori lucrum. Leipzig, 1615.

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Christliche
Alle ding sind durch das Wort/ das ist den Herren Chri-
stum gemacht/ vnd ohn dasselbe ist nichts gemacht/ was gema-
chet ist. Vnd Col. 1. sagt Paulus: durch jhn ist alles geschaf-
Col. 1.fen/ was im Himmel vnd auff erden ist/ das sichtbare vnd vn-
sichtbare/ vnd abermal sagt Paulus: Act. 17. in jhm leben/
Act. 17.
Occupa-
weben vnd sind wir. Nu ist es zwar an dem/ daß das natürliche
Leben allen Menschen gemein ist/ den vngleubigen so wol als
den Gleubigen den Bösen so wol als den Frommen: Gleich-
wol aber können wir nicht in Abrede seyn/ daß es ein solch
kleinod sey/ welches wir der H. Dreyfaltigkeit nimmermehr
gnugsam verdancken können. Denn hette vnser HErr Gott
nicht ja so bald einen Ochsen oder Esel/ eine Schlange oder
Kröte aus mir vnd dir machen können/ als einen vernunffti-
gen Menschen? Ja freylich wol. Je haben wir nun solches
nicht erkennet/ vnd vnserm Schöpffer dafür gedancket/ das
müste ja schande vnd aber schande seyn.

Historia
von zweyen
Cardinälen.
Man lieset in den Historien von zweyen Cardinälen/
als dieselben auffs Concilium gen Costnitz ziehen/ treffen sie
vnterwegens ein armes Schaffhirtlein an/ das liegt im freyen
Felde auff seinen Knien/ hebet seine Hände auff gen Himmel
vnnd weinet/ das jmmer ein Zehren den anderen schlägt.
Was geschicht? der eine Cardinal reitet zu jhm zu vnd fraget
jhn: Was sein Anliegen sey/ vnd warumb er so bitterlich wei-
ne? Ach lieber Herr/ sagt er/ sol ich nicht weinen/ ich sehe hie
für meinen Augen eine grewliche vnd abschewliche Kröte/
welche auch eine Creatur Gottes ist/ daß mich nu mein lieber
Gott nicht auch ein solches Vngeziefer werden lassen/ son-
dern zu einem vernünfftigen Menschen erschaffen hat/ das

erken-

Chriſtliche
Alle ding ſind durch das Wort/ das iſt den Herren Chri-
ſtum gemacht/ vnd ohn daſſelbe iſt nichts gemacht/ was gema-
chet iſt. Vnd Col. 1. ſagt Paulus: durch jhn iſt alles geſchaf-
Col. 1.fen/ was im Himmel vnd auff erden iſt/ das ſichtbare vnd vn-
ſichtbare/ vnd abermal ſagt Paulus: Act. 17. in jhm leben/
Act. 17.
Occupa-
weben vnd ſind wir. Nu iſt es zwar an dem/ daß das natuͤrliche
Leben allen Menſchen gemein iſt/ den vngleubigen ſo wol als
den Gleubigen den Boͤſen ſo wol als den Frommen: Gleich-
wol aber koͤnnen wir nicht in Abrede ſeyn/ daß es ein ſolch
kleinod ſey/ welches wir der H. Dreyfaltigkeit nimmermehr
gnugſam verdancken koͤnnen. Denn hette vnſer HErr Gott
nicht ja ſo bald einen Ochſen oder Eſel/ eine Schlange oder
Kroͤte aus mir vnd dir machen koͤnnen/ als einen vernunffti-
gen Menſchen? Ja freylich wol. Je haben wir nun ſolches
nicht erkennet/ vnd vnſerm Schoͤpffer dafuͤr gedancket/ das
muͤſte ja ſchande vnd aber ſchande ſeyn.

Hiſtoria
von zweyen
Cardinaͤlen.
Man lieſet in den Hiſtorien von zweyen Cardinaͤlen/
als dieſelben auffs Concilium gen Coſtnitz ziehen/ treffen ſie
vnterwegens ein armes Schaffhirtlein an/ das liegt im freyen
Felde auff ſeinen Knien/ hebet ſeine Haͤnde auff gen Himmel
vnnd weinet/ das jmmer ein Zehren den anderen ſchlaͤgt.
Was geſchicht? der eine Cardinal reitet zu jhm zu vnd fraget
jhn: Was ſein Anliegen ſey/ vnd warumb er ſo bitterlich wei-
ne? Ach lieber Herr/ ſagt er/ ſol ich nicht weinen/ ich ſehe hie
fuͤr meinen Augen eine grewliche vnd abſchewliche Kroͤte/
welche auch eine Creatur Gottes iſt/ daß mich nu mein lieber
Gott nicht auch ein ſolches Vngeziefer werden laſſen/ ſon-
dern zu einem vernuͤnfftigen Menſchen erſchaffen hat/ das

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[[14]/0014] Chriſtliche Alle ding ſind durch das Wort/ das iſt den Herren Chri- ſtum gemacht/ vnd ohn daſſelbe iſt nichts gemacht/ was gema- chet iſt. Vnd Col. 1. ſagt Paulus: durch jhn iſt alles geſchaf- fen/ was im Himmel vnd auff erden iſt/ das ſichtbare vnd vn- ſichtbare/ vnd abermal ſagt Paulus: Act. 17. in jhm leben/ weben vnd ſind wir. Nu iſt es zwar an dem/ daß das natuͤrliche Leben allen Menſchen gemein iſt/ den vngleubigen ſo wol als den Gleubigen den Boͤſen ſo wol als den Frommen: Gleich- wol aber koͤnnen wir nicht in Abrede ſeyn/ daß es ein ſolch kleinod ſey/ welches wir der H. Dreyfaltigkeit nimmermehr gnugſam verdancken koͤnnen. Denn hette vnſer HErr Gott nicht ja ſo bald einen Ochſen oder Eſel/ eine Schlange oder Kroͤte aus mir vnd dir machen koͤnnen/ als einen vernunffti- gen Menſchen? Ja freylich wol. Je haben wir nun ſolches nicht erkennet/ vnd vnſerm Schoͤpffer dafuͤr gedancket/ das muͤſte ja ſchande vnd aber ſchande ſeyn. Col. 1. Act. 17. Occupa- Man lieſet in den Hiſtorien von zweyen Cardinaͤlen/ als dieſelben auffs Concilium gen Coſtnitz ziehen/ treffen ſie vnterwegens ein armes Schaffhirtlein an/ das liegt im freyen Felde auff ſeinen Knien/ hebet ſeine Haͤnde auff gen Himmel vnnd weinet/ das jmmer ein Zehren den anderen ſchlaͤgt. Was geſchicht? der eine Cardinal reitet zu jhm zu vnd fraget jhn: Was ſein Anliegen ſey/ vnd warumb er ſo bitterlich wei- ne? Ach lieber Herr/ ſagt er/ ſol ich nicht weinen/ ich ſehe hie fuͤr meinen Augen eine grewliche vnd abſchewliche Kroͤte/ welche auch eine Creatur Gottes iſt/ daß mich nu mein lieber Gott nicht auch ein ſolches Vngeziefer werden laſſen/ ſon- dern zu einem vernuͤnfftigen Menſchen erſchaffen hat/ das erken- Hiſtoria von zweyen Cardinaͤlen.

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Zitationshilfe: Rehefeldt, Tobias: Mori lucrum. Leipzig, 1615. , S. [14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/523844/14>, abgerufen am 18.04.2024.