Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

Bild:
<< vorherige Seite

Gewiß schwere Leydens-Tage, welche Fleisch und Blut vor recht
unglückliche Tage zu halten pfleget. Allein wie denen, die GOTT lie-
ben, alle Dinge zum besten dienen müssen; also wurden auch diese Ley-
dens-Tage
der Wohlseeligen in der That zu glückseeligen Tagen. Denn
Sie stand als eine rechte Christiana in der allerschönsten Verfassung, und
wandte Sie zu einer Christlichen Zubereitung zum seeligen Sterbe an. A-
pulejus
hat schon vor Zeiten geschrieben: Sola virtus fortunatisfimos pot-
est facere.
D. i. allein die Tugend kan recht beglückte Leute machen.
Das traff an unserer Wohlseeligen richtig ein. Wer mit Jhr umge-
gangen ist, dem kan überhaupt nicht unbekannt seyn, daß Sie zwar eine
aufgeweckte und muntere, aber dabey tugendhaffte, modeste, züchtige
und gottseelige Jungfer gewesen, welche GOTT und sein Wort geliebet,
die Catechismus-Examina und schönen GOttes-Dienste des HERRN
fleißig besuchet, Jhre Fehler und Schwachheiten demüthigst erkennet, dar-
wider in JESU ihrem Erlöser Hülffe gesuchet, und bey dessen heiligen
Liebes-Mahle mit Busse und Glauben sich wohlbereitet eingestellet, welches
auch am grünen Donnerstage, bey der gewöhnlichen Andacht der hiesigen
Schule, zum letzten mahl geschehen ist. Und ob Sie wohl in der letzten
Zeit ihres Lebens über ihrer bevorstehenden Versorgung sehr vergnügt
war, und sichs vor ein Glück schätzte, daß Sie ihren lieben Eltern, so
nahe bleiben solte: so redete Sie doch mit unter vom Sterben, gleich als
wenn es Jhr ahnte, daß Sie in der Welt nicht lange mehr leben würde;
wie Sie denn besonders am Char-Freytage sich vernehmen lassen: Wer
weiß, ob ich meine Hochzeit erleben werde!
So bald Sie von der letzten
Kranckheit überfallen wurde, stellte Sie sich den Tod vor Augen, und war
dazu auch willig, so daß Sie Jhr alles gleich gelten ließ: welche Gelassen-
heit bey einer so jungen, und in der schönsten Blüthe ihres Glückes stehen-
den Person ihrer viele befremdete, und ihnen Anlaß gab, daraus eine Vor-
bedeutung ihres Todes zu machen. Als Sie in der Nacht vor dem 14ten
April so gar hefftig geblutet hatte, und ihr darüber sehr bestürtzter Herr
Vater
beym Aufstehen Sie erinnerte, daß Kranckheiten als Vorbothen
des Todes anzusehen wären, und Sie also Ursache, wohl in sich zu gehen,
und ihr Leben vor GOttes heiligem Angesichte zu prüfen hätte, weil wir
doch alle wie die Unreinen, und unsere Gerechtigkeit wie ein blutiges Kleid
wäre; wobey Sie aber ihre Zuflucht zu dem HErrn Christo, welcher sich

vor
C 2

Gewiß ſchwere Leydens-Tage, welche Fleiſch und Blut vor recht
ungluͤckliche Tage zu halten pfleget. Allein wie denen, die GOTT lie-
ben, alle Dinge zum beſten dienen muͤſſen; alſo wurden auch dieſe Ley-
dens-Tage
der Wohlſeeligen in der That zu gluͤckſeeligen Tagen. Denn
Sie ſtand als eine rechte Chriſtiana in der allerſchoͤnſten Verfaſſung, und
wandte Sie zu einer Chriſtlichen Zubereitung zum ſeeligen Sterbe an. A-
pulejus
hat ſchon vor Zeiten geſchrieben: Sola virtus fortunatisfimos pot-
eſt facere.
D. i. allein die Tugend kan recht begluͤckte Leute machen.
Das traff an unſerer Wohlſeeligen richtig ein. Wer mit Jhr umge-
gangen iſt, dem kan uͤberhaupt nicht unbekannt ſeyn, daß Sie zwar eine
aufgeweckte und muntere, aber dabey tugendhaffte, modeſte, zuͤchtige
und gottſeelige Jungfer geweſen, welche GOTT und ſein Wort geliebet,
die Catechismus-Examina und ſchoͤnen GOttes-Dienſte des HERRN
fleißig beſuchet, Jhre Fehler und Schwachheiten demuͤthigſt erkennet, dar-
wider in JESU ihrem Erloͤſer Huͤlffe geſuchet, und bey deſſen heiligen
Liebes-Mahle mit Buſſe und Glauben ſich wohlbereitet eingeſtellet, welches
auch am gruͤnen Donnerſtage, bey der gewoͤhnlichen Andacht der hieſigen
Schule, zum letzten mahl geſchehen iſt. Und ob Sie wohl in der letzten
Zeit ihres Lebens uͤber ihrer bevorſtehenden Verſorgung ſehr vergnuͤgt
war, und ſichs vor ein Gluͤck ſchaͤtzte, daß Sie ihren lieben Eltern, ſo
nahe bleiben ſolte: ſo redete Sie doch mit unter vom Sterben, gleich als
wenn es Jhr ahnte, daß Sie in der Welt nicht lange mehr leben wuͤrde;
wie Sie denn beſonders am Char-Freytage ſich vernehmen laſſen: Wer
weiß, ob ich meine Hochzeit erleben werde!
So bald Sie von der letzten
Kranckheit uͤberfallen wurde, ſtellte Sie ſich den Tod vor Augen, und war
dazu auch willig, ſo daß Sie Jhr alles gleich gelten ließ: welche Gelaſſen-
heit bey einer ſo jungen, und in der ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Gluͤckes ſtehen-
den Perſon ihrer viele befremdete, und ihnen Anlaß gab, daraus eine Vor-
bedeutung ihres Todes zu machen. Als Sie in der Nacht vor dem 14ten
April ſo gar hefftig geblutet hatte, und ihr daruͤber ſehr beſtuͤrtzter Herr
Vater
beym Aufſtehen Sie erinnerte, daß Kranckheiten als Vorbothen
des Todes anzuſehen waͤren, und Sie alſo Urſache, wohl in ſich zu gehen,
und ihr Leben vor GOttes heiligem Angeſichte zu pruͤfen haͤtte, weil wir
doch alle wie die Unreinen, und unſere Gerechtigkeit wie ein blutiges Kleid
waͤre; wobey Sie aber ihre Zuflucht zu dem HErrn Chriſto, welcher ſich

vor
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsPersonalia" n="2">
          <pb facs="#f0019" n="19"/>
          <p>Gewiß <hi rendition="#fr">&#x017F;chwere Leydens-Tage,</hi> welche Flei&#x017F;ch und Blut vor recht<lb/>
unglu&#x0364;ckliche Tage zu halten pfleget. Allein wie denen, die GOTT lie-<lb/>
ben, alle Dinge zum be&#x017F;ten dienen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; al&#x017F;o wurden auch <hi rendition="#fr">die&#x017F;e Ley-<lb/>
dens-Tage</hi> der <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eeligen</hi> in der That <hi rendition="#fr">zu glu&#x0364;ck&#x017F;eeligen Tagen.</hi> Denn<lb/>
Sie &#x017F;tand als eine rechte <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tiana</hi> in der aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Verfa&#x017F;&#x017F;ung, und<lb/>
wandte Sie zu einer Chri&#x017F;tlichen Zubereitung zum &#x017F;eeligen Sterbe an. <hi rendition="#aq">A-<lb/>
pulejus</hi> hat &#x017F;chon vor Zeiten ge&#x017F;chrieben: <hi rendition="#aq">Sola virtus fortunatisfimos pot-<lb/>
e&#x017F;t facere.</hi> D. i. <hi rendition="#fr">allein die Tugend kan recht beglu&#x0364;ckte Leute machen.</hi><lb/>
Das traff an un&#x017F;erer <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eeligen</hi> richtig ein. Wer mit Jhr umge-<lb/>
gangen i&#x017F;t, dem kan u&#x0364;berhaupt nicht unbekannt &#x017F;eyn, daß Sie zwar eine<lb/>
aufgeweckte und muntere, aber dabey tugendhaffte, <hi rendition="#aq">mode&#x017F;t</hi>e, zu&#x0364;chtige<lb/>
und gott&#x017F;eelige Jungfer gewe&#x017F;en, welche GOTT und &#x017F;ein Wort geliebet,<lb/>
die <hi rendition="#aq">Catechismus-Examina</hi> und &#x017F;cho&#x0364;nen GOttes-Dien&#x017F;te des HERRN<lb/>
fleißig be&#x017F;uchet, Jhre Fehler und Schwachheiten demu&#x0364;thig&#x017F;t erkennet, dar-<lb/>
wider in JESU ihrem Erlo&#x0364;&#x017F;er Hu&#x0364;lffe ge&#x017F;uchet, und bey de&#x017F;&#x017F;en heiligen<lb/>
Liebes-Mahle mit Bu&#x017F;&#x017F;e und Glauben &#x017F;ich wohlbereitet einge&#x017F;tellet, welches<lb/>
auch am gru&#x0364;nen Donner&#x017F;tage, bey der gewo&#x0364;hnlichen Andacht der hie&#x017F;igen<lb/>
Schule, zum letzten mahl ge&#x017F;chehen i&#x017F;t. Und ob Sie wohl in der letzten<lb/>
Zeit ihres Lebens u&#x0364;ber ihrer bevor&#x017F;tehenden Ver&#x017F;orgung &#x017F;ehr vergnu&#x0364;gt<lb/>
war, und &#x017F;ichs vor ein Glu&#x0364;ck &#x017F;cha&#x0364;tzte, daß Sie ihren <hi rendition="#fr">lieben Eltern,</hi> &#x017F;o<lb/>
nahe bleiben &#x017F;olte: &#x017F;o redete Sie doch mit unter vom Sterben, gleich als<lb/>
wenn es Jhr ahnte, daß Sie in der Welt nicht lange mehr leben wu&#x0364;rde;<lb/>
wie Sie denn be&#x017F;onders am Char-Freytage &#x017F;ich vernehmen la&#x017F;&#x017F;en: <hi rendition="#fr">Wer<lb/>
weiß, ob ich meine Hochzeit erleben werde!</hi> So bald Sie von der letzten<lb/>
Kranckheit u&#x0364;berfallen wurde, &#x017F;tellte Sie &#x017F;ich den Tod vor Augen, und war<lb/>
dazu auch willig, &#x017F;o daß Sie Jhr alles gleich gelten ließ: welche Gela&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit bey einer &#x017F;o jungen, und in der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Blu&#x0364;the ihres Glu&#x0364;ckes &#x017F;tehen-<lb/>
den Per&#x017F;on ihrer viele befremdete, und ihnen Anlaß gab, daraus eine Vor-<lb/>
bedeutung ihres Todes zu machen. Als Sie in der Nacht vor dem 14ten<lb/>
April &#x017F;o gar hefftig geblutet hatte, und ihr daru&#x0364;ber &#x017F;ehr be&#x017F;tu&#x0364;rtzter <hi rendition="#fr">Herr<lb/>
Vater</hi> beym Auf&#x017F;tehen Sie erinnerte, daß Kranckheiten als Vorbothen<lb/>
des Todes anzu&#x017F;ehen wa&#x0364;ren, und Sie al&#x017F;o Ur&#x017F;ache, wohl in &#x017F;ich zu gehen,<lb/>
und ihr Leben vor GOttes heiligem Ange&#x017F;ichte zu pru&#x0364;fen ha&#x0364;tte, weil wir<lb/>
doch alle wie die Unreinen, und un&#x017F;ere Gerechtigkeit wie ein blutiges Kleid<lb/>
wa&#x0364;re; wobey Sie aber ihre Zuflucht zu dem HErrn Chri&#x017F;to, welcher &#x017F;ich<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">C 2</fw><fw type="catch" place="bottom">vor</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0019] Gewiß ſchwere Leydens-Tage, welche Fleiſch und Blut vor recht ungluͤckliche Tage zu halten pfleget. Allein wie denen, die GOTT lie- ben, alle Dinge zum beſten dienen muͤſſen; alſo wurden auch dieſe Ley- dens-Tage der Wohlſeeligen in der That zu gluͤckſeeligen Tagen. Denn Sie ſtand als eine rechte Chriſtiana in der allerſchoͤnſten Verfaſſung, und wandte Sie zu einer Chriſtlichen Zubereitung zum ſeeligen Sterbe an. A- pulejus hat ſchon vor Zeiten geſchrieben: Sola virtus fortunatisfimos pot- eſt facere. D. i. allein die Tugend kan recht begluͤckte Leute machen. Das traff an unſerer Wohlſeeligen richtig ein. Wer mit Jhr umge- gangen iſt, dem kan uͤberhaupt nicht unbekannt ſeyn, daß Sie zwar eine aufgeweckte und muntere, aber dabey tugendhaffte, modeſte, zuͤchtige und gottſeelige Jungfer geweſen, welche GOTT und ſein Wort geliebet, die Catechismus-Examina und ſchoͤnen GOttes-Dienſte des HERRN fleißig beſuchet, Jhre Fehler und Schwachheiten demuͤthigſt erkennet, dar- wider in JESU ihrem Erloͤſer Huͤlffe geſuchet, und bey deſſen heiligen Liebes-Mahle mit Buſſe und Glauben ſich wohlbereitet eingeſtellet, welches auch am gruͤnen Donnerſtage, bey der gewoͤhnlichen Andacht der hieſigen Schule, zum letzten mahl geſchehen iſt. Und ob Sie wohl in der letzten Zeit ihres Lebens uͤber ihrer bevorſtehenden Verſorgung ſehr vergnuͤgt war, und ſichs vor ein Gluͤck ſchaͤtzte, daß Sie ihren lieben Eltern, ſo nahe bleiben ſolte: ſo redete Sie doch mit unter vom Sterben, gleich als wenn es Jhr ahnte, daß Sie in der Welt nicht lange mehr leben wuͤrde; wie Sie denn beſonders am Char-Freytage ſich vernehmen laſſen: Wer weiß, ob ich meine Hochzeit erleben werde! So bald Sie von der letzten Kranckheit uͤberfallen wurde, ſtellte Sie ſich den Tod vor Augen, und war dazu auch willig, ſo daß Sie Jhr alles gleich gelten ließ: welche Gelaſſen- heit bey einer ſo jungen, und in der ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Gluͤckes ſtehen- den Perſon ihrer viele befremdete, und ihnen Anlaß gab, daraus eine Vor- bedeutung ihres Todes zu machen. Als Sie in der Nacht vor dem 14ten April ſo gar hefftig geblutet hatte, und ihr daruͤber ſehr beſtuͤrtzter Herr Vater beym Aufſtehen Sie erinnerte, daß Kranckheiten als Vorbothen des Todes anzuſehen waͤren, und Sie alſo Urſache, wohl in ſich zu gehen, und ihr Leben vor GOttes heiligem Angeſichte zu pruͤfen haͤtte, weil wir doch alle wie die Unreinen, und unſere Gerechtigkeit wie ein blutiges Kleid waͤre; wobey Sie aber ihre Zuflucht zu dem HErrn Chriſto, welcher ſich vor C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542451/19
Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/19>, abgerufen am 29.03.2024.