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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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vor uns so milde zu Tode geblutet hat, nehmen solte: hörete Sie diese Vor-
stellung mit solcher Bewegung und so getroster Antwort an, daß er sich
der Thränen nicht enthalten konte, und dadurch weiter fort zu fahren ge-
hindert wurde.

Jn der gantzen Kranckheit war Sie über die Massen geduldig, und
verbarg so gar ihre Schmertzen. Sie entdeckte dieses einsmahls der
Wärterin mit folgenden Worten: Mir ist wohl sehr schlimm, und ich
bin recht kranck; aber ich mag es nicht recht sagen, daß sich meine
liebe Eltern und mein lieber Herr Bräutigam nicht so sehr betrüben.

Sie hieß die, welche des Nachts bey Jhr wachten, so offt sie, was herzu-
holen mußten, sachte gehen, damit Jhre Eltern, die sich etwas zur Ru-
he begeben hatten, es nicht hören, nicht wieder aufstehen, und sich nicht
betrüben möchten. Sie tröstete auch die Jhrigen selbst, und bath, sie
möchten doch nicht weinen, GOTT würde es gut machen.
Als sich
über dieser Patientin grosse Geduld Jhr Herr Vater verwunderte, und
zu Jhr sagte: Jch hätte es nicht gedacht, daß du ein so geduldig Lämm-
chen wärest! so gab Sie zur Antwort: GOTT verleyhet mirs. Sehr
merckwürdig ist es auch, daß Sie mitten in Jhrer Kranckheit Jhre Frau
Mutter
gebethen, Sie möchte Jhr doch die letzten drey Capitel aus dem
Buche Hiob vollends vorlesen, weil Sie in ihrer Bibel-Lection biß dahin
kommen wäre; welches auch geschahe. An den biblischen Sprüchen und
geistlichen Liedern, welche Jhr theils selbst beyfielen, theils vorgesaget
wurden, ergötzte Sie sich recht inniglich, und wußte sich dieselben recht
wohl zu Nutze zu machen. Man hörete Sie z. E. die Worte hersagen:
Satan, zehl all meine Sünden, aber zehl auch Christi Blut, kanst
du den nicht überwinden, ey so wächst mir doch der Muth etc.
Deß-
gleichen: HERR wie du willt so schicks mit mir etc. Wie nicht weni-
ger: Ach Jerusalem du schöne, ach wie helle gläntzest du etc. welchen
Gesang-Versicul Sie in Jhrer Kranckheit, weil Sie ihre besondere Ver-
gnügung dran fand, sehr offt wiederholet hat. Als Sie in der letzten Nacht
bey brennender Hitze sehr schmachtete, richtete Sie sich aus einem Paßions-
Liede, welches am grünen Donnerstage abgesungen worden war, mit in-
nigster Bewegung ihres Hertzens auf, indem Sie sagte: Wer erqvickt
mein mattes Hertz? JEsus der gecreutzigte. Wer hilfft meines Lei-
bes Schmertz? JEsus der gecreutzigte.
Und darauf sagte Sie zur

Frau

vor uns ſo milde zu Tode geblutet hat, nehmen ſolte: hoͤrete Sie dieſe Vor-
ſtellung mit ſolcher Bewegung und ſo getroſter Antwort an, daß er ſich
der Thraͤnen nicht enthalten konte, und dadurch weiter fort zu fahren ge-
hindert wurde.

Jn der gantzen Kranckheit war Sie uͤber die Maſſen geduldig, und
verbarg ſo gar ihre Schmertzen. Sie entdeckte dieſes einsmahls der
Waͤrterin mit folgenden Worten: Mir iſt wohl ſehr ſchlimm, und ich
bin recht kranck; aber ich mag es nicht recht ſagen, daß ſich meine
liebe Eltern und mein lieber Herr Braͤutigam nicht ſo ſehr betruͤben.

Sie hieß die, welche des Nachts bey Jhr wachten, ſo offt ſie, was herzu-
holen mußten, ſachte gehen, damit Jhre Eltern, die ſich etwas zur Ru-
he begeben hatten, es nicht hoͤren, nicht wieder aufſtehen, und ſich nicht
betruͤben moͤchten. Sie troͤſtete auch die Jhrigen ſelbſt, und bath, ſie
moͤchten doch nicht weinen, GOTT wuͤrde es gut machen.
Als ſich
uͤber dieſer Patientin groſſe Geduld Jhr Herr Vater verwunderte, und
zu Jhr ſagte: Jch haͤtte es nicht gedacht, daß du ein ſo geduldig Laͤmm-
chen waͤreſt! ſo gab Sie zur Antwort: GOTT verleyhet mirs. Sehr
merckwuͤrdig iſt es auch, daß Sie mitten in Jhrer Kranckheit Jhre Frau
Mutter
gebethen, Sie moͤchte Jhr doch die letzten drey Capitel aus dem
Buche Hiob vollends vorleſen, weil Sie in ihrer Bibel-Lection biß dahin
kommen waͤre; welches auch geſchahe. An den bibliſchen Spruͤchen und
geiſtlichen Liedern, welche Jhr theils ſelbſt beyfielen, theils vorgeſaget
wurden, ergoͤtzte Sie ſich recht inniglich, und wußte ſich dieſelben recht
wohl zu Nutze zu machen. Man hoͤrete Sie z. E. die Worte herſagen:
Satan, zehl all meine Suͤnden, aber zehl auch Chriſti Blut, kanſt
du den nicht uͤberwinden, ey ſo waͤchſt mir doch der Muth ꝛc.
Deß-
gleichen: HERR wie du willt ſo ſchicks mit mir ꝛc. Wie nicht weni-
ger: Ach Jeruſalem du ſchoͤne, ach wie helle glaͤntzeſt du ꝛc. welchen
Geſang-Verſicul Sie in Jhrer Kranckheit, weil Sie ihre beſondere Ver-
gnuͤgung dran fand, ſehr offt wiederholet hat. Als Sie in der letzten Nacht
bey brennender Hitze ſehr ſchmachtete, richtete Sie ſich aus einem Paßions-
Liede, welches am gruͤnen Donnerſtage abgeſungen worden war, mit in-
nigſter Bewegung ihres Hertzens auf, indem Sie ſagte: Wer erqvickt
mein mattes Hertz? JEſus der gecreutzigte. Wer hilfft meines Lei-
bes Schmertz? JEſus der gecreutzigte.
Und darauf ſagte Sie zur

Frau
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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/20>, abgerufen am 25.04.2024.