Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

Bild:
<< vorherige Seite

junger Wein pfleget zu brausen, und dadurch das unsaubere von sich und
über sich wirfft, so würde bey der Wohlseeligen die gantze Natur von den
Adern erreget, daß das unsaubere Wesen abgetrieben, und solcher Ge-
stalt die Natur gereiniget würde; allein alle diese gute Hoffnung war ver-
geblich und umsonst, ihr Seelen-Bräutigam hatte beschlossen, Sie vor der
Zeit an den Blattern hinweg zu nehmen, aus diesen Dornen solte Jhr der
Braut-Krantz geflochten werden, die köstlichsten Medicamenta wolten
nicht mehr anschlagen. Die lieben Eltern fleheten mit Jhr zu GOtt um
Gesundheit. Jm Kirchen-Gebethe wurde Sie GOtt emsig vorgetragen.
GOtt hatte ein anders beschlossen, er wolte an diesem Todes-Fall seine
Gerechtigkeit därstellen; Er fängt an dem frommen und grünen Holtze an,
damit die andern sollen klug werden, und gedencken, wie es ihnen werde
ergehen. Er wolte auch seine Gütte erweisen an diesem frühen Todes-Fall,
er wolte die Wohlseelige vor Unglücke wegraffen, solche Todes-Fälle
sind mehrentheils Vorbothen eines künfftigen Unglücks. Die wohlseeli-
ge Jungfer
so bald Sie die bößartigen Blattern an Jhr selber wahrnahm,
stellte sie alles in GOttes Willen, war geduldig und seufzete. Die zarten
Kräffte wurden geschwächt wieder alles Verhoffen. Sie merckte bald, daß
GOtt kein irrdisches Welt-Haus, sondern den Himmel zu ihrem Hoch-
zeit-Hause verordnet. Sie begab sich alles irrdischen. Was soll mir dieser
eitle Tand, dachte Sie, das Grab ist des Leibes, der Himmel der See-
len Braut-Kammer, mein JEsus hat sich mit mir vermählet, seine Liebe
ist brünstig, beständig, nun muß er mich völlig bey sich haben. Jch kan
besser nicht ausgestattet werden. Wie und wenn mein Bräutigam wil,
muß ich auch. Weg alles irrdische Hochzeit-Gepränge! Entweicht ihr
flüchtigen Braut-Kräntze. Todten-Cypressen sind meine Zierden. JE-
sus setzt mir auf eine unvergängliche Crone. Daß das alles ihre Gedan-
cken gewesen, ist aus ihren letzten Reden zu sehen. Betrachtete Sie den
von Blattern gantz überschütteten Leib und Angesichte: wie, dachte Sie,
solte ich JESU zu Ehren nicht solche Rubinen tragen? Hat er doch sein
Blut vor mich vergossen. Jch heisse Christiana, so muß ich auch eine
Cruciana seyn. Wil ich in Himmel, so muß es auf solche Weise gesche-
hen. Nicht die geringste Furcht war bey der Wohlseeligen vorm Tode.
Sie gläubte festiglich, Sie wäre mit dem vereiniget und verbunden, der
den Tod verschlungen in den Sieg, und er also keine Macht an Jhr habe.

Jhren
E 3

junger Wein pfleget zu brauſen, und dadurch das unſaubere von ſich und
uͤber ſich wirfft, ſo wuͤrde bey der Wohlſeeligen die gantze Natur von den
Adern erreget, daß das unſaubere Weſen abgetrieben, und ſolcher Ge-
ſtalt die Natur gereiniget wuͤrde; allein alle dieſe gute Hoffnung war ver-
geblich und umſonſt, ihr Seelen-Braͤutigam hatte beſchloſſen, Sie vor der
Zeit an den Blattern hinweg zu nehmen, aus dieſen Dornen ſolte Jhr der
Braut-Krantz geflochten werden, die koͤſtlichſten Medicamenta wolten
nicht mehr anſchlagen. Die lieben Eltern fleheten mit Jhr zu GOtt um
Geſundheit. Jm Kirchen-Gebethe wurde Sie GOtt emſig vorgetragen.
GOtt hatte ein anders beſchloſſen, er wolte an dieſem Todes-Fall ſeine
Gerechtigkeit daͤrſtellen; Er faͤngt an dem frommen und gruͤnen Holtze an,
damit die andern ſollen klug werden, und gedencken, wie es ihnen werde
ergehen. Er wolte auch ſeine Guͤtte erweiſen an dieſem fruͤhen Todes-Fall,
er wolte die Wohlſeelige vor Ungluͤcke wegraffen, ſolche Todes-Faͤlle
ſind mehrentheils Vorbothen eines kuͤnfftigen Ungluͤcks. Die wohlſeeli-
ge Jungfer
ſo bald Sie die boͤßartigen Blattern an Jhr ſelber wahrnahm,
ſtellte ſie alles in GOttes Willen, war geduldig und ſeufzete. Die zarten
Kraͤffte wurden geſchwaͤcht wieder alles Verhoffen. Sie merckte bald, daß
GOtt kein irrdiſches Welt-Haus, ſondern den Himmel zu ihrem Hoch-
zeit-Hauſe verordnet. Sie begab ſich alles irrdiſchen. Was ſoll mir dieſer
eitle Tand, dachte Sie, das Grab iſt des Leibes, der Himmel der See-
len Braut-Kammer, mein JEſus hat ſich mit mir vermaͤhlet, ſeine Liebe
iſt bruͤnſtig, beſtaͤndig, nun muß er mich voͤllig bey ſich haben. Jch kan
beſſer nicht ausgeſtattet werden. Wie und wenn mein Braͤutigam wil,
muß ich auch. Weg alles irrdiſche Hochzeit-Gepraͤnge! Entweicht ihr
fluͤchtigen Braut-Kraͤntze. Todten-Cypreſſen ſind meine Zierden. JE-
ſus ſetzt mir auf eine unvergaͤngliche Crone. Daß das alles ihre Gedan-
cken geweſen, iſt aus ihren letzten Reden zu ſehen. Betrachtete Sie den
von Blattern gantz uͤberſchuͤtteten Leib und Angeſichte: wie, dachte Sie,
ſolte ich JESU zu Ehren nicht ſolche Rubinen tragen? Hat er doch ſein
Blut vor mich vergoſſen. Jch heiſſe Chriſtiana, ſo muß ich auch eine
Cruciana ſeyn. Wil ich in Himmel, ſo muß es auf ſolche Weiſe geſche-
hen. Nicht die geringſte Furcht war bey der Wohlſeeligen vorm Tode.
Sie glaͤubte feſtiglich, Sie waͤre mit dem vereiniget und verbunden, der
den Tod verſchlungen in den Sieg, und er alſo keine Macht an Jhr habe.

Jhren
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsThanks" n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="37"/>
junger Wein pfleget zu brau&#x017F;en, und dadurch das un&#x017F;aubere von &#x017F;ich und<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich wirfft, &#x017F;o wu&#x0364;rde bey der <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eeligen</hi> die gantze Natur von den<lb/>
Adern erreget, daß das un&#x017F;aubere We&#x017F;en abgetrieben, und &#x017F;olcher Ge-<lb/>
&#x017F;talt die Natur gereiniget wu&#x0364;rde; allein alle die&#x017F;e gute Hoffnung war ver-<lb/>
geblich und um&#x017F;on&#x017F;t, ihr Seelen-Bra&#x0364;utigam hatte be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, Sie vor der<lb/>
Zeit an den Blattern hinweg zu nehmen, aus die&#x017F;en Dornen &#x017F;olte Jhr der<lb/>
Braut-Krantz geflochten werden, die ko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Medicamenta</hi> wolten<lb/>
nicht mehr an&#x017F;chlagen. Die <hi rendition="#fr">lieben Eltern</hi> fleheten mit Jhr zu GOtt um<lb/>
Ge&#x017F;undheit. Jm Kirchen-Gebethe wurde Sie GOtt em&#x017F;ig vorgetragen.<lb/>
GOtt hatte ein anders be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, er wolte an die&#x017F;em Todes-Fall &#x017F;eine<lb/>
Gerechtigkeit da&#x0364;r&#x017F;tellen; Er fa&#x0364;ngt an dem frommen und gru&#x0364;nen Holtze an,<lb/>
damit die andern &#x017F;ollen klug werden, und gedencken, wie es ihnen werde<lb/>
ergehen. Er wolte auch &#x017F;eine Gu&#x0364;tte erwei&#x017F;en an die&#x017F;em fru&#x0364;hen Todes-Fall,<lb/>
er wolte die <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eelige</hi> vor Unglu&#x0364;cke wegraffen, &#x017F;olche Todes-Fa&#x0364;lle<lb/>
&#x017F;ind mehrentheils Vorbothen eines ku&#x0364;nfftigen Unglu&#x0364;cks. Die <hi rendition="#fr">wohl&#x017F;eeli-<lb/>
ge Jungfer</hi> &#x017F;o bald Sie die bo&#x0364;ßartigen Blattern an Jhr &#x017F;elber wahrnahm,<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ie alles in GOttes Willen, war geduldig und &#x017F;eufzete. Die zarten<lb/>
Kra&#x0364;ffte wurden ge&#x017F;chwa&#x0364;cht wieder alles Verhoffen. Sie merckte bald, daß<lb/>
GOtt kein irrdi&#x017F;ches Welt-Haus, &#x017F;ondern den Himmel zu ihrem Hoch-<lb/>
zeit-Hau&#x017F;e verordnet. Sie begab &#x017F;ich alles irrdi&#x017F;chen. Was &#x017F;oll mir die&#x017F;er<lb/>
eitle Tand, dachte Sie, das Grab i&#x017F;t des Leibes, der Himmel der See-<lb/>
len Braut-Kammer, mein JE&#x017F;us hat &#x017F;ich mit mir verma&#x0364;hlet, &#x017F;eine Liebe<lb/>
i&#x017F;t bru&#x0364;n&#x017F;tig, be&#x017F;ta&#x0364;ndig, nun muß er mich vo&#x0364;llig bey &#x017F;ich haben. Jch kan<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er nicht ausge&#x017F;tattet werden. Wie und wenn mein Bra&#x0364;utigam wil,<lb/>
muß ich auch. Weg alles irrdi&#x017F;che Hochzeit-Gepra&#x0364;nge! Entweicht ihr<lb/>
flu&#x0364;chtigen Braut-Kra&#x0364;ntze. Todten-Cypre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind meine Zierden. JE-<lb/>
&#x017F;us &#x017F;etzt mir auf eine unverga&#x0364;ngliche Crone. Daß das alles ihre Gedan-<lb/>
cken gewe&#x017F;en, i&#x017F;t aus ihren letzten Reden zu &#x017F;ehen. Betrachtete Sie den<lb/>
von Blattern gantz u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;tteten Leib und Ange&#x017F;ichte: wie, dachte Sie,<lb/>
&#x017F;olte ich JESU zu Ehren nicht &#x017F;olche Rubinen tragen? Hat er doch &#x017F;ein<lb/>
Blut vor mich vergo&#x017F;&#x017F;en. Jch hei&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tiana,</hi> &#x017F;o muß ich auch eine<lb/><hi rendition="#aq">Cruciana</hi> &#x017F;eyn. Wil ich in Himmel, &#x017F;o muß es auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e ge&#x017F;che-<lb/>
hen. Nicht die gering&#x017F;te Furcht war bey der <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eeligen</hi> vorm Tode.<lb/>
Sie gla&#x0364;ubte fe&#x017F;tiglich, Sie wa&#x0364;re mit dem vereiniget und verbunden, der<lb/>
den Tod ver&#x017F;chlungen in den Sieg, und er al&#x017F;o keine Macht an Jhr habe.<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">E 3</fw><fw type="catch" place="bottom">Jhren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0037] junger Wein pfleget zu brauſen, und dadurch das unſaubere von ſich und uͤber ſich wirfft, ſo wuͤrde bey der Wohlſeeligen die gantze Natur von den Adern erreget, daß das unſaubere Weſen abgetrieben, und ſolcher Ge- ſtalt die Natur gereiniget wuͤrde; allein alle dieſe gute Hoffnung war ver- geblich und umſonſt, ihr Seelen-Braͤutigam hatte beſchloſſen, Sie vor der Zeit an den Blattern hinweg zu nehmen, aus dieſen Dornen ſolte Jhr der Braut-Krantz geflochten werden, die koͤſtlichſten Medicamenta wolten nicht mehr anſchlagen. Die lieben Eltern fleheten mit Jhr zu GOtt um Geſundheit. Jm Kirchen-Gebethe wurde Sie GOtt emſig vorgetragen. GOtt hatte ein anders beſchloſſen, er wolte an dieſem Todes-Fall ſeine Gerechtigkeit daͤrſtellen; Er faͤngt an dem frommen und gruͤnen Holtze an, damit die andern ſollen klug werden, und gedencken, wie es ihnen werde ergehen. Er wolte auch ſeine Guͤtte erweiſen an dieſem fruͤhen Todes-Fall, er wolte die Wohlſeelige vor Ungluͤcke wegraffen, ſolche Todes-Faͤlle ſind mehrentheils Vorbothen eines kuͤnfftigen Ungluͤcks. Die wohlſeeli- ge Jungfer ſo bald Sie die boͤßartigen Blattern an Jhr ſelber wahrnahm, ſtellte ſie alles in GOttes Willen, war geduldig und ſeufzete. Die zarten Kraͤffte wurden geſchwaͤcht wieder alles Verhoffen. Sie merckte bald, daß GOtt kein irrdiſches Welt-Haus, ſondern den Himmel zu ihrem Hoch- zeit-Hauſe verordnet. Sie begab ſich alles irrdiſchen. Was ſoll mir dieſer eitle Tand, dachte Sie, das Grab iſt des Leibes, der Himmel der See- len Braut-Kammer, mein JEſus hat ſich mit mir vermaͤhlet, ſeine Liebe iſt bruͤnſtig, beſtaͤndig, nun muß er mich voͤllig bey ſich haben. Jch kan beſſer nicht ausgeſtattet werden. Wie und wenn mein Braͤutigam wil, muß ich auch. Weg alles irrdiſche Hochzeit-Gepraͤnge! Entweicht ihr fluͤchtigen Braut-Kraͤntze. Todten-Cypreſſen ſind meine Zierden. JE- ſus ſetzt mir auf eine unvergaͤngliche Crone. Daß das alles ihre Gedan- cken geweſen, iſt aus ihren letzten Reden zu ſehen. Betrachtete Sie den von Blattern gantz uͤberſchuͤtteten Leib und Angeſichte: wie, dachte Sie, ſolte ich JESU zu Ehren nicht ſolche Rubinen tragen? Hat er doch ſein Blut vor mich vergoſſen. Jch heiſſe Chriſtiana, ſo muß ich auch eine Cruciana ſeyn. Wil ich in Himmel, ſo muß es auf ſolche Weiſe geſche- hen. Nicht die geringſte Furcht war bey der Wohlſeeligen vorm Tode. Sie glaͤubte feſtiglich, Sie waͤre mit dem vereiniget und verbunden, der den Tod verſchlungen in den Sieg, und er alſo keine Macht an Jhr habe. Jhren E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542451/37
Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/37>, abgerufen am 28.03.2024.