Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

Bild:
<< vorherige Seite

dittere Klage geführet über den Tod seines Sohnes Absalon, der doch ein
ungerathener Bube war: wie vielmehr muß Jhnen, Hochbetrübte, das
Hertz verwunden, und die allerhöchsten Schmertzen verursachen, ihr ein-
tzige seelige Jungfer Tochter, die nicht noch am Leben, sondern wahr-
hafftig todt, die nicht eine unflätige Dina, sondern eine Hertz-fromme
Christiana, eine liebreiche Anna, eine andächtige Maria, eine vernünff-
tige Abigail, eine züchtige Rebecca, eine sorgfältige Martha, eine tugend-
same Esther, mit einem Worte eine wohlgezogene Tochter war, eine ver-
gnügte Braut, und muß so frühzeitig unausgestattet sterben. Wir hoff-
ten, klagen Sie, es solte uns daraus die größte Freude und Vergnügung
zuwachsen, wie bey dem Bethuel, da die tugendsame Rebecca dem Jsaac
ward übergeben, oder wie bey dem Raguel, als die Sara dem jungen Tobia
beygeleget war, aber dieser Freude werden wir beraubet, und wird uns
in lauter Leid verwandelt. Warum müssen uns denn alle Kinder sterben,
und gar keines beym Leben bleiben? Wahr ists, es gehet Jhnen recht wie
dem Hiob, der aller seiner Kinder beraubet seyn mußte: allein Sie lassen
sich solches nicht allzusehr betrüben, weil es GOtt so gefallen, wohl wis-
sende, daß Sie alle bey ihm besser in der frohen Ewigkeit, als hier bey Jh-
nen in der trübseligen Zeit aufgehoben seyn. GOtt hat sich hier seines ihm
zustehenden Vater-Rechts gebrauchet, wie können Sie sich darüber be-
trüben? Wo hatten Sie diese Jhre liebe Jungfer Tochter herbekommen?
Von niemanden anders, als von GOtt, der macht die unfruchtbare im
Hause zu einer frölichen Kinder-Mutter. Ps. 113, 9. Wie hat er Sie Jhnen
denn gegeben? nicht daß Sie Sie immer allein bey sich behalten solten, son-
dern nur auf eine gewisse Zeit zu haben, zu lieben und zu gebrauchen. Sie
war ja seine Gabe, daher Sie Sie mit dem denckwürdigen Nahmen
Theodora, GOttes Gabe benennen lassen, und Sie bey ihrer Geburth
als ein mutuum, ein gelehntes Guth, als ein Depositum, ein beygelegtes
Gut, das Jhnen auf gewisse Zeit aufzuheben beygelegt worden, ange-
nommen. Da er Sie nun itzo durch den Tod wieder abfordert, so nimmt er
ja nicht das, was Jhre alleine ist, sondern was seine ist: warum wolten
Sie ihm mit Unwillen, und nicht vielmehr mit willigem Danck folgen las-
sen, mit Hiob 1, 21. Der HErr hat Sie gegeben, der HErr hat Sie ge-

nommen,

dittere Klage gefuͤhret uͤber den Tod ſeines Sohnes Abſalon, der doch ein
ungerathener Bube war: wie vielmehr muß Jhnen, Hochbetruͤbte, das
Hertz verwunden, und die allerhoͤchſten Schmertzen verurſachen, ihr ein-
tzige ſeelige Jungfer Tochter, die nicht noch am Leben, ſondern wahr-
hafftig todt, die nicht eine unflaͤtige Dina, ſondern eine Hertz-fromme
Chriſtiana, eine liebreiche Anna, eine andaͤchtige Maria, eine vernuͤnff-
tige Abigail, eine zuͤchtige Rebecca, eine ſorgfaͤltige Martha, eine tugend-
ſame Eſther, mit einem Worte eine wohlgezogene Tochter war, eine ver-
gnuͤgte Braut, und muß ſo fruͤhzeitig unausgeſtattet ſterben. Wir hoff-
ten, klagen Sie, es ſolte uns daraus die groͤßte Freude und Vergnuͤgung
zuwachſen, wie bey dem Bethuel, da die tugendſame Rebecca dem Jſaac
ward uͤbergeben, oder wie bey dem Raguel, als die Sara dem jungen Tobia
beygeleget war, aber dieſer Freude werden wir beraubet, und wird uns
in lauter Leid verwandelt. Warum muͤſſen uns denn alle Kinder ſterben,
und gar keines beym Leben bleiben? Wahr iſts, es gehet Jhnen recht wie
dem Hiob, der aller ſeiner Kinder beraubet ſeyn mußte: allein Sie laſſen
ſich ſolches nicht allzuſehr betruͤben, weil es GOtt ſo gefallen, wohl wiſ-
ſende, daß Sie alle bey ihm beſſer in der frohen Ewigkeit, als hier bey Jh-
nen in der truͤbſeligen Zeit aufgehoben ſeyn. GOtt hat ſich hier ſeines ihm
zuſtehenden Vater-Rechts gebrauchet, wie koͤnnen Sie ſich daruͤber be-
truͤben? Wo hatten Sie dieſe Jhre liebe Jungfer Tochter herbekommen?
Von niemanden anders, als von GOtt, der macht die unfruchtbare im
Hauſe zu einer froͤlichen Kinder-Mutter. Pſ. 113, 9. Wie hat er Sie Jhnen
denn gegeben? nicht daß Sie Sie immer allein bey ſich behalten ſolten, ſon-
dern nur auf eine gewiſſe Zeit zu haben, zu lieben und zu gebrauchen. Sie
war ja ſeine Gabe, daher Sie Sie mit dem denckwuͤrdigen Nahmen
Theodora, GOttes Gabe benennen laſſen, und Sie bey ihrer Geburth
als ein mutuum, ein gelehntes Guth, als ein Depoſitum, ein beygelegtes
Gut, das Jhnen auf gewiſſe Zeit aufzuheben beygelegt worden, ange-
nommen. Da er Sie nun itzo durch den Tod wieder abfordert, ſo nimmt er
ja nicht das, was Jhre alleine iſt, ſondern was ſeine iſt: warum wolten
Sie ihm mit Unwillen, und nicht vielmehr mit willigem Danck folgen laſ-
ſen, mit Hiob 1, 21. Der HErr hat Sie gegeben, der HErr hat Sie ge-

nommen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsThanks" n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="40"/>
dittere Klage gefu&#x0364;hret u&#x0364;ber den Tod &#x017F;eines Sohnes Ab&#x017F;alon, der doch ein<lb/>
ungerathener Bube war: wie vielmehr muß Jhnen, <hi rendition="#fr">Hochbetru&#x0364;bte,</hi> das<lb/>
Hertz verwunden, und die allerho&#x0364;ch&#x017F;ten Schmertzen verur&#x017F;achen, ihr ein-<lb/>
tzige <hi rendition="#fr">&#x017F;eelige Jungfer Tochter,</hi> die nicht noch am Leben, &#x017F;ondern wahr-<lb/>
hafftig todt, die nicht eine unfla&#x0364;tige <hi rendition="#aq">Dina,</hi> &#x017F;ondern eine Hertz-fromme<lb/><hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tiana,</hi> eine liebreiche <hi rendition="#aq">Anna,</hi> eine anda&#x0364;chtige <hi rendition="#aq">Maria,</hi> eine vernu&#x0364;nff-<lb/>
tige <hi rendition="#aq">Abigail,</hi> eine zu&#x0364;chtige <hi rendition="#aq">Rebecca,</hi> eine &#x017F;orgfa&#x0364;ltige <hi rendition="#aq">Martha,</hi> eine tugend-<lb/>
&#x017F;ame <hi rendition="#aq">E&#x017F;ther,</hi> mit einem Worte eine <hi rendition="#fr">wohlgezogene Tochter</hi> war, eine ver-<lb/>
gnu&#x0364;gte Braut, und muß &#x017F;o fru&#x0364;hzeitig unausge&#x017F;tattet &#x017F;terben. Wir hoff-<lb/>
ten, klagen Sie, es &#x017F;olte uns daraus die gro&#x0364;ßte Freude und Vergnu&#x0364;gung<lb/>
zuwach&#x017F;en, wie bey dem <hi rendition="#aq">Bethuel,</hi> da die tugend&#x017F;ame <hi rendition="#aq">Rebecca</hi> dem J&#x017F;aac<lb/>
ward u&#x0364;bergeben, oder wie bey dem <hi rendition="#aq">Raguel,</hi> als die <hi rendition="#aq">Sara</hi> dem jungen <hi rendition="#aq">Tobia</hi><lb/>
beygeleget war, aber die&#x017F;er Freude werden wir beraubet, und wird uns<lb/>
in lauter Leid verwandelt. Warum mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns denn alle Kinder &#x017F;terben,<lb/>
und gar keines beym Leben bleiben? Wahr i&#x017F;ts, es gehet Jhnen recht wie<lb/>
dem Hiob, der aller &#x017F;einer Kinder beraubet &#x017F;eyn mußte: allein Sie la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;olches nicht allzu&#x017F;ehr betru&#x0364;ben, weil es GOtt &#x017F;o gefallen, wohl wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ende, daß Sie alle bey ihm be&#x017F;&#x017F;er in der frohen Ewigkeit, als hier bey Jh-<lb/>
nen in der tru&#x0364;b&#x017F;eligen Zeit aufgehoben &#x017F;eyn. GOtt hat &#x017F;ich hier &#x017F;eines ihm<lb/>
zu&#x017F;tehenden Vater-Rechts gebrauchet, wie ko&#x0364;nnen Sie &#x017F;ich daru&#x0364;ber be-<lb/>
tru&#x0364;ben? Wo hatten Sie die&#x017F;e Jhre liebe <hi rendition="#fr">Jungfer Tochter</hi> herbekommen?<lb/>
Von niemanden anders, als von GOtt, der macht die unfruchtbare im<lb/>
Hau&#x017F;e zu einer fro&#x0364;lichen Kinder-Mutter. <hi rendition="#aq">P&#x017F;.</hi> 113, 9. Wie hat er Sie Jhnen<lb/>
denn gegeben? nicht daß Sie Sie immer allein bey &#x017F;ich behalten &#x017F;olten, &#x017F;on-<lb/>
dern nur auf eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit zu haben, zu lieben und zu gebrauchen. Sie<lb/>
war ja &#x017F;eine Gabe, daher Sie Sie mit dem denckwu&#x0364;rdigen Nahmen<lb/><hi rendition="#fr">Theodora,</hi> GOttes Gabe benennen la&#x017F;&#x017F;en, und Sie bey ihrer Geburth<lb/>
als ein <hi rendition="#aq">mutuum,</hi> ein gelehntes Guth, als ein <hi rendition="#aq">Depo&#x017F;itum,</hi> ein beygelegtes<lb/>
Gut, das Jhnen auf gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit aufzuheben beygelegt worden, ange-<lb/>
nommen. Da er Sie nun itzo durch den Tod wieder abfordert, &#x017F;o nimmt er<lb/>
ja nicht das, was Jhre alleine i&#x017F;t, &#x017F;ondern was &#x017F;eine i&#x017F;t: warum wolten<lb/>
Sie ihm mit Unwillen, und nicht vielmehr mit willigem Danck folgen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, mit <hi rendition="#aq">Hiob</hi> 1, 21. <hi rendition="#fr">Der HErr hat Sie gegeben, der HErr hat Sie ge-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nommen,</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0040] dittere Klage gefuͤhret uͤber den Tod ſeines Sohnes Abſalon, der doch ein ungerathener Bube war: wie vielmehr muß Jhnen, Hochbetruͤbte, das Hertz verwunden, und die allerhoͤchſten Schmertzen verurſachen, ihr ein- tzige ſeelige Jungfer Tochter, die nicht noch am Leben, ſondern wahr- hafftig todt, die nicht eine unflaͤtige Dina, ſondern eine Hertz-fromme Chriſtiana, eine liebreiche Anna, eine andaͤchtige Maria, eine vernuͤnff- tige Abigail, eine zuͤchtige Rebecca, eine ſorgfaͤltige Martha, eine tugend- ſame Eſther, mit einem Worte eine wohlgezogene Tochter war, eine ver- gnuͤgte Braut, und muß ſo fruͤhzeitig unausgeſtattet ſterben. Wir hoff- ten, klagen Sie, es ſolte uns daraus die groͤßte Freude und Vergnuͤgung zuwachſen, wie bey dem Bethuel, da die tugendſame Rebecca dem Jſaac ward uͤbergeben, oder wie bey dem Raguel, als die Sara dem jungen Tobia beygeleget war, aber dieſer Freude werden wir beraubet, und wird uns in lauter Leid verwandelt. Warum muͤſſen uns denn alle Kinder ſterben, und gar keines beym Leben bleiben? Wahr iſts, es gehet Jhnen recht wie dem Hiob, der aller ſeiner Kinder beraubet ſeyn mußte: allein Sie laſſen ſich ſolches nicht allzuſehr betruͤben, weil es GOtt ſo gefallen, wohl wiſ- ſende, daß Sie alle bey ihm beſſer in der frohen Ewigkeit, als hier bey Jh- nen in der truͤbſeligen Zeit aufgehoben ſeyn. GOtt hat ſich hier ſeines ihm zuſtehenden Vater-Rechts gebrauchet, wie koͤnnen Sie ſich daruͤber be- truͤben? Wo hatten Sie dieſe Jhre liebe Jungfer Tochter herbekommen? Von niemanden anders, als von GOtt, der macht die unfruchtbare im Hauſe zu einer froͤlichen Kinder-Mutter. Pſ. 113, 9. Wie hat er Sie Jhnen denn gegeben? nicht daß Sie Sie immer allein bey ſich behalten ſolten, ſon- dern nur auf eine gewiſſe Zeit zu haben, zu lieben und zu gebrauchen. Sie war ja ſeine Gabe, daher Sie Sie mit dem denckwuͤrdigen Nahmen Theodora, GOttes Gabe benennen laſſen, und Sie bey ihrer Geburth als ein mutuum, ein gelehntes Guth, als ein Depoſitum, ein beygelegtes Gut, das Jhnen auf gewiſſe Zeit aufzuheben beygelegt worden, ange- nommen. Da er Sie nun itzo durch den Tod wieder abfordert, ſo nimmt er ja nicht das, was Jhre alleine iſt, ſondern was ſeine iſt: warum wolten Sie ihm mit Unwillen, und nicht vielmehr mit willigem Danck folgen laſ- ſen, mit Hiob 1, 21. Der HErr hat Sie gegeben, der HErr hat Sie ge- nommen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542451/40
Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/40>, abgerufen am 19.04.2024.