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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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Du warst dem Bräutigam biß in den Tod getreu;
Allein sein Messer schnitt diß feste Band entzwey.
Dein Seidel mußte sich in GOttes Willen schicken,
Dir mit getreuer Hand die Augen zu zudrücken.

So geht es, daß wir meist das Liebste sterben sehn;
Jedoch ein Christ bedenckt, daß es von GOtt geschehn.
Dahero soll man sich nicht übermäßig grämen,
Und nicht durch Traurigkeit sich selbst das Leben nehmen.
Die Liebe sieht zwar wohl auf diß Verhängniß scheel;
Denn ihre Rechnung schlägt dem meisten Menschen fehl;
Natur und auch Vernunfft weiß zwar nicht zu begreiffen,
Warum die Menschen offt so früh zum Tode reiffen;
Warum GOtt siebenmahl den Eltern Wunden schlägt;
Warum man eine Braut so jung zu Grabe trägt,
Und Jhren Bräutigam mit Thränen hinterlassen;
Diß, sag' ich, kan der Mensch kaum mit Verstande fassen.
Allein Sie fassen sich bey aller dieser Noth!
Jn kurtzem sind wir auch wie Theodore todt;
Es war des Himmels Schluß, daß hier Jhr Leib erkalte,
Und Sie dargegen dort im Himmel Hochzeit halte.
Jhr Seelen Bräutigam begehrte Sie zu sich,
Und diesen liebte Sie gantz ausserordentlich;
Er hatte Sie sich selbst zu Seiner Braut erlesen;
Daher Sie Jhm getreu biß in den Tod gewesen.
Den Braut-Schmuck, welchen Sie in Himmel mit gebracht,
Hat Tugend, Gottesfurcht und Heiligkeit gemacht.
Und also steht Sie nun mit Freuden ohne Mängel,
Vor GOttes Angesicht als ein verklärter Engel.
Daselbsten findet Sie jetzt Jhren Ehren-Saal;
Darauf geneust Sie nun Jhr frohes Hochzeit-Mahl;
Daselbst erhält Sie auch vor Jhre Treu zum Lohne
Von jenem Bräutigam die schönste Lebens-Crone!
Dahero fordert gleich Jhr allzufrühes Grab
Den Hinterbliebenen die Schuld der Thränen ab,
Weil

Du warſt dem Braͤutigam biß in den Tod getreu;
Allein ſein Meſſer ſchnitt diß feſte Band entzwey.
Dein Seidel mußte ſich in GOttes Willen ſchicken,
Dir mit getreuer Hand die Augen zu zudruͤcken.

So geht es, daß wir meiſt das Liebſte ſterben ſehn;
Jedoch ein Chriſt bedenckt, daß es von GOtt geſchehn.
Dahero ſoll man ſich nicht uͤbermaͤßig graͤmen,
Und nicht durch Traurigkeit ſich ſelbſt das Leben nehmen.
Die Liebe ſieht zwar wohl auf diß Verhaͤngniß ſcheel;
Denn ihre Rechnung ſchlaͤgt dem meiſten Menſchen fehl;
Natur und auch Vernunfft weiß zwar nicht zu begreiffen,
Warum die Menſchen offt ſo fruͤh zum Tode reiffen;
Warum GOtt ſiebenmahl den Eltern Wunden ſchlaͤgt;
Warum man eine Braut ſo jung zu Grabe traͤgt,
Und Jhren Braͤutigam mit Thraͤnen hinterlaſſen;
Diß, ſag’ ich, kan der Menſch kaum mit Verſtande faſſen.
Allein Sie faſſen ſich bey aller dieſer Noth!
Jn kurtzem ſind wir auch wie Theodore todt;
Es war des Himmels Schluß, daß hier Jhr Leib erkalte,
Und Sie dargegen dort im Himmel Hochzeit halte.
Jhr Seelen Braͤutigam begehrte Sie zu ſich,
Und dieſen liebte Sie gantz auſſerordentlich;
Er hatte Sie ſich ſelbſt zu Seiner Braut erleſen;
Daher Sie Jhm getreu biß in den Tod geweſen.
Den Braut-Schmuck, welchen Sie in Him̃el mit gebracht,
Hat Tugend, Gottesfurcht und Heiligkeit gemacht.
Und alſo ſteht Sie nun mit Freuden ohne Maͤngel,
Vor GOttes Angeſicht als ein verklaͤrter Engel.
Daſelbſten findet Sie jetzt Jhren Ehren-Saal;
Darauf geneuſt Sie nun Jhr frohes Hochzeit-Mahl;
Daſelbſt erhaͤlt Sie auch vor Jhre Treu zum Lohne
Von jenem Braͤutigam die ſchoͤnſte Lebens-Crone!
Dahero fordert gleich Jhr allzufruͤhes Grab
Den Hinterbliebenen die Schuld der Thraͤnen ab,
Weil
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[[66]/0066] Du warſt dem Braͤutigam biß in den Tod getreu; Allein ſein Meſſer ſchnitt diß feſte Band entzwey. Dein Seidel mußte ſich in GOttes Willen ſchicken, Dir mit getreuer Hand die Augen zu zudruͤcken. So geht es, daß wir meiſt das Liebſte ſterben ſehn; Jedoch ein Chriſt bedenckt, daß es von GOtt geſchehn. Dahero ſoll man ſich nicht uͤbermaͤßig graͤmen, Und nicht durch Traurigkeit ſich ſelbſt das Leben nehmen. Die Liebe ſieht zwar wohl auf diß Verhaͤngniß ſcheel; Denn ihre Rechnung ſchlaͤgt dem meiſten Menſchen fehl; Natur und auch Vernunfft weiß zwar nicht zu begreiffen, Warum die Menſchen offt ſo fruͤh zum Tode reiffen; Warum GOtt ſiebenmahl den Eltern Wunden ſchlaͤgt; Warum man eine Braut ſo jung zu Grabe traͤgt, Und Jhren Braͤutigam mit Thraͤnen hinterlaſſen; Diß, ſag’ ich, kan der Menſch kaum mit Verſtande faſſen. Allein Sie faſſen ſich bey aller dieſer Noth! Jn kurtzem ſind wir auch wie Theodore todt; Es war des Himmels Schluß, daß hier Jhr Leib erkalte, Und Sie dargegen dort im Himmel Hochzeit halte. Jhr Seelen Braͤutigam begehrte Sie zu ſich, Und dieſen liebte Sie gantz auſſerordentlich; Er hatte Sie ſich ſelbſt zu Seiner Braut erleſen; Daher Sie Jhm getreu biß in den Tod geweſen. Den Braut-Schmuck, welchen Sie in Him̃el mit gebracht, Hat Tugend, Gottesfurcht und Heiligkeit gemacht. Und alſo ſteht Sie nun mit Freuden ohne Maͤngel, Vor GOttes Angeſicht als ein verklaͤrter Engel. Daſelbſten findet Sie jetzt Jhren Ehren-Saal; Darauf geneuſt Sie nun Jhr frohes Hochzeit-Mahl; Daſelbſt erhaͤlt Sie auch vor Jhre Treu zum Lohne Von jenem Braͤutigam die ſchoͤnſte Lebens-Crone! Dahero fordert gleich Jhr allzufruͤhes Grab Den Hinterbliebenen die Schuld der Thraͤnen ab, Weil

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. [66]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/66>, abgerufen am 28.03.2024.