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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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III.

Was hülfen Flügel dem in eisernen Ketten fest Angeschmie-
deten? Er müßte dennoch, und schrecklicher, verzweifeln.
Ich lag, wie Faffner bei seinem Hort, fern von jedem mensch-
lichen Zuspruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte
nicht das Herz nach ihm, sondern ich fluchte ihm, um dessent-
willen ich mich von allem Leben abgeschnitten sah. Bei mir
allein mein düst'res Geheimniß hegend, fürchtete ich mich vor
dem letzten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte;
denn er hatte einen Schatten, er durfte sich sehen lassen in
der Sonne. Ich vertrauerte einsam in meinen Zimmern die
Tag' und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen.

Noch Einer härmte sich unter meinen Augen ab, mein
treuer Bendel hörte nicht auf, sich mit stillen Vorwürfen
zu martern, daß er das Zutrauen seines gütigen Herrn betro-
gen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeschickt war,
und mit dem er mein trauriges Schicksal in enger Verflech-
tung denken mußte. Ich aber konnte ihm keine Schuld geben,
ich erkannte in dem Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbe-
kannten.

Nichts unversucht zu lassen, schickt' ich einst Bendel mit
einem kostbaren brillantenen Ring zu dem berühmtesten Maler
der Stadt, den ich, mich zu besuchen, einladen ließ. Er kam,
ich entfernte meine Leute, verschloß die Thür, setzte mich zu
dem Mann, und, nachdem ich seine Kunst gepriesen, kam
ich mit schwerem Herzen zur Sache, ich ließ ihn zuvor das
strengste Geheimniß geloben.

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III.

Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten feſt Angeſchmie-
deten? Er müßte dennoch, und ſchrecklicher, verzweifeln.
Ich lag, wie Faffner bei ſeinem Hort, fern von jedem menſch-
lichen Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte
nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte ihm, um deſſent-
willen ich mich von allem Leben abgeſchnitten ſah. Bei mir
allein mein düſt’res Geheimniß hegend, fürchtete ich mich vor
dem letzten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte;
denn er hatte einen Schatten, er durfte ſich ſehen laſſen in
der Sonne. Ich vertrauerte einſam in meinen Zimmern die
Tag’ und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen.

Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen ab, mein
treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit ſtillen Vorwürfen
zu martern, daß er das Zutrauen ſeines gütigen Herrn betro-
gen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war,
und mit dem er mein trauriges Schickſal in enger Verflech-
tung denken mußte. Ich aber konnte ihm keine Schuld geben,
ich erkannte in dem Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbe-
kannten.

Nichts unverſucht zu laſſen, ſchickt’ ich einſt Bendel mit
einem koſtbaren brillantenen Ring zu dem berühmteſten Maler
der Stadt, den ich, mich zu beſuchen, einladen ließ. Er kam,
ich entfernte meine Leute, verſchloß die Thür, ſetzte mich zu
dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt geprieſen, kam
ich mit ſchwerem Herzen zur Sache, ich ließ ihn zuvor das
ſtrengſte Geheimniß geloben.

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[[17]/0035] III. Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten feſt Angeſchmie- deten? Er müßte dennoch, und ſchrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner bei ſeinem Hort, fern von jedem menſch- lichen Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte ihm, um deſſent- willen ich mich von allem Leben abgeſchnitten ſah. Bei mir allein mein düſt’res Geheimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letzten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte ſich ſehen laſſen in der Sonne. Ich vertrauerte einſam in meinen Zimmern die Tag’ und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen. Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit ſtillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zutrauen ſeines gütigen Herrn betro- gen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und mit dem er mein trauriges Schickſal in enger Verflech- tung denken mußte. Ich aber konnte ihm keine Schuld geben, ich erkannte in dem Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbe- kannten. Nichts unverſucht zu laſſen, ſchickt’ ich einſt Bendel mit einem koſtbaren brillantenen Ring zu dem berühmteſten Maler der Stadt, den ich, mich zu beſuchen, einladen ließ. Er kam, ich entfernte meine Leute, verſchloß die Thür, ſetzte mich zu dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt geprieſen, kam ich mit ſchwerem Herzen zur Sache, ich ließ ihn zuvor das ſtrengſte Geheimniß geloben. 2

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/35>, abgerufen am 19.04.2024.