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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster
und finsterer um die Seele, -- nur die Eltern schwammen in
überschwenglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag
rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der
Vorabend war da -- ich konnte kaum mehr athmen. Ich
hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte
die zwölfte Stunde heran. -- Sie schlug. --

Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerich-
tet, die Sekunden, die Minuten zählend, wie Dolchstiche.
Bei jedem Lärm, der sich regte, fuhr ich auf, der Tag brach
an. Die bleiernen Stunden verdrängten einander, es ward
Mittag, Abend, Nacht; es rückten die Zeiger, welkte die Hoff-
nung; es schlug eilf, und nichts erschien, die letzten Minuten
der letzten Stunde fielen, und nichts erschien, es schlug der
erste Schlag, der letzte Schlag der zwölften Stunde, und ich
sank hoffnungslos in unendlichen Thränen auf mein Lager
zurück. Morgen sollt' ich -- auf immer schattenlos, um die
Hand der Geliebten anhalten; ein banger Schlaf drückte mir
gegen den Morgen die Augen zu.



Nun fand ich ſie öfters in Thränen; mir ward’s finſter
und finſterer um die Seele, — nur die Eltern ſchwammen in
überſchwenglicher Glückſeligkeit; der verhängnißvolle Tag
rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der
Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich
hatte vorſorglich einige Kiſten mit Gold angefüllt, ich wachte
die zwölfte Stunde heran. — Sie ſchlug. —

Nun ſaß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerich-
tet, die Sekunden, die Minuten zählend, wie Dolchſtiche.
Bei jedem Lärm, der ſich regte, fuhr ich auf, der Tag brach
an. Die bleiernen Stunden verdrängten einander, es ward
Mittag, Abend, Nacht; es rückten die Zeiger, welkte die Hoff-
nung; es ſchlug eilf, und nichts erſchien, die letzten Minuten
der letzten Stunde fielen, und nichts erſchien, es ſchlug der
erſte Schlag, der letzte Schlag der zwölften Stunde, und ich
ſank hoffnungslos in unendlichen Thränen auf mein Lager
zurück. Morgen ſollt’ ich — auf immer ſchattenlos, um die
Hand der Geliebten anhalten; ein banger Schlaf drückte mir
gegen den Morgen die Augen zu.



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[34/0052] Nun fand ich ſie öfters in Thränen; mir ward’s finſter und finſterer um die Seele, — nur die Eltern ſchwammen in überſchwenglicher Glückſeligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorſorglich einige Kiſten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. — Sie ſchlug. — Nun ſaß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerich- tet, die Sekunden, die Minuten zählend, wie Dolchſtiche. Bei jedem Lärm, der ſich regte, fuhr ich auf, der Tag brach an. Die bleiernen Stunden verdrängten einander, es ward Mittag, Abend, Nacht; es rückten die Zeiger, welkte die Hoff- nung; es ſchlug eilf, und nichts erſchien, die letzten Minuten der letzten Stunde fielen, und nichts erſchien, es ſchlug der erſte Schlag, der letzte Schlag der zwölften Stunde, und ich ſank hoffnungslos in unendlichen Thränen auf mein Lager zurück. Morgen ſollt’ ich — auf immer ſchattenlos, um die Hand der Geliebten anhalten; ein banger Schlaf drückte mir gegen den Morgen die Augen zu.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/52>, abgerufen am 24.04.2024.