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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Himmel-Schlüssel.
Gedancken über einen grossen Wind-Sturm
und gesunckenen Berg.
Wo soll ich hin?
Der rauhe Sturm der ungeheuren Winde
Erregt das ungestüme Meer/
Rauscht über das bestürzte Feld/
Wirfft nieder/ was sich ihm entgegen stellt/
Und streut mit Zweigen hin und her:
Hier liegt die Eiche/ dort die Linde/
Hier kracht die Tanne/ dort die Buche/
Es knackt und reist das feste Dach/
Manch harter Stoß wiegt das Gemach/
Darinn ich feste Zuflucht suche:
Wo ist ein Ort/ an dem ich sicher bin?
Wo soll ich hin?
Wo soll ich hin?
Ich schaue selbst der Hügel Haubt zerrissen/
Der Boden sinckt wo Bäume stehn/
Es schält sich von der Mutter Schooß
Die Schaar der schweren Steine loß/
Man muß auff Ritz und Brüchen gehn.
Ein stiller Pfuhl entsteht für unsern Füssen/
Die Verge rauchen/ Thürne zittern.
Hier fliegen Steine durch die Lufft/
Dort spürt man eine neue Grufft/
Gebäue prasseln/ Häuser splittern:
Wo ist ein Ort/ an dem ich sicher bin?
Wo soll ich hin?
Bleib Seele feste stehn/
Sagt nicht der HErr/ dem Meer und Windt/
Dem Erd und Himmel dienstbar seyn:
Entwerffen sich der Berge Gründe/
Verfällt die hohe Spitz' ins Thal/
Und brechen stoltze Hügel ein/
Bedro-
Himmel-Schluͤſſel.
Gedancken uͤber einen groſſen Wind-Sturm
und geſunckenen Berg.
Wo ſoll ich hin?
Der rauhe Sturm der ungeheuren Winde
Erregt das ungeſtuͤme Meer/
Rauſcht uͤber das beſtuͤrzte Feld/
Wirfft nieder/ was ſich ihm entgegen ſtellt/
Und ſtreut mit Zweigen hin und her:
Hier liegt die Eiche/ dort die Linde/
Hier kracht die Tanne/ dort die Buche/
Es knackt und reiſt das feſte Dach/
Manch harter Stoß wiegt das Gemach/
Darinn ich feſte Zuflucht ſuche:
Wo iſt ein Ort/ an dem ich ſicher bin?
Wo ſoll ich hin?
Wo ſoll ich hin?
Ich ſchaue ſelbſt der Huͤgel Haubt zerriſſen/
Der Boden ſinckt wo Baͤume ſtehn/
Es ſchaͤlt ſich von der Mutter Schooß
Die Schaar der ſchweren Steine loß/
Man muß auff Ritz und Bruͤchen gehn.
Ein ſtiller Pfuhl entſteht fuͤr unſern Fuͤſſen/
Die Verge rauchen/ Thuͤrne zittern.
Hier fliegen Steine durch die Lufft/
Dort ſpuͤrt man eine neue Grufft/
Gebaͤue praſſeln/ Haͤuſer ſplittern:
Wo iſt ein Ort/ an dem ich ſicher bin?
Wo ſoll ich hin?
Bleib Seele feſte ſtehn/
Sagt nicht der HErr/ dem Meer und Windt/
Dem Erd und Himmel dienſtbar ſeyn:
Entwerffen ſich der Berge Gruͤnde/
Verfaͤllt die hohe Spitz’ ins Thal/
Und brechen ſtoltze Huͤgel ein/
Bedro-
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[109/0529] Himmel-Schluͤſſel. Gedancken uͤber einen groſſen Wind-Sturm und geſunckenen Berg. Wo ſoll ich hin? Der rauhe Sturm der ungeheuren Winde Erregt das ungeſtuͤme Meer/ Rauſcht uͤber das beſtuͤrzte Feld/ Wirfft nieder/ was ſich ihm entgegen ſtellt/ Und ſtreut mit Zweigen hin und her: Hier liegt die Eiche/ dort die Linde/ Hier kracht die Tanne/ dort die Buche/ Es knackt und reiſt das feſte Dach/ Manch harter Stoß wiegt das Gemach/ Darinn ich feſte Zuflucht ſuche: Wo iſt ein Ort/ an dem ich ſicher bin? Wo ſoll ich hin? Wo ſoll ich hin? Ich ſchaue ſelbſt der Huͤgel Haubt zerriſſen/ Der Boden ſinckt wo Baͤume ſtehn/ Es ſchaͤlt ſich von der Mutter Schooß Die Schaar der ſchweren Steine loß/ Man muß auff Ritz und Bruͤchen gehn. Ein ſtiller Pfuhl entſteht fuͤr unſern Fuͤſſen/ Die Verge rauchen/ Thuͤrne zittern. Hier fliegen Steine durch die Lufft/ Dort ſpuͤrt man eine neue Grufft/ Gebaͤue praſſeln/ Haͤuſer ſplittern: Wo iſt ein Ort/ an dem ich ſicher bin? Wo ſoll ich hin? Bleib Seele feſte ſtehn/ Sagt nicht der HErr/ dem Meer und Windt/ Dem Erd und Himmel dienſtbar ſeyn: Entwerffen ſich der Berge Gruͤnde/ Verfaͤllt die hohe Spitz’ ins Thal/ Und brechen ſtoltze Huͤgel ein/ Bedro-

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/529>, abgerufen am 25.04.2024.