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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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verhindern, dass man Theroigne in dem Teich des Parkes ertränkte, und sie retteten ihr das Leben. Aber hiess das sie retten? Die grausame Behandlung hatte ihre Nerven angegriffen, die Verletzung ihrer Schamhaftigkeit hatte ihren Geist getrübt. Theroigne de Mericourt war wahnsinnig geworden und erlangte nie wieder ihr klares Bewusstsein. In einer Zwangsjacke eng eingeschnürt, war sie im Irrenhaus Saint-Marceau, später in der Salpetriere interniert, sie sprach nur mehr völlig unverständliche Worte, sie bewegte unaufhörlich ihre Arme, als würde sie zum Kampfe anfeuern, und lebte so, in ihren wirren Phantasien befangen, noch ein Vierteljahrhundert lang im Irrenhaus. Die arme Theroigne glich den abgeschiedenen Schatten, von denen Vergil spricht, sie schien sich anzustrengen, ihr vergangenes Leben in die Erinnerung zurückzurufen, aber vergebens. Wie sehr ist sie nun verschieden, diese arme lallende, gebrochene um den Verstand gekommene Theroigne von jener stolzen, die in den Klubs begeisternde Reden hielt, die von allen bewundert wurde.

Die schöne Theroigne war dem Schaffott entgangen, auf dem so viele berühmte Menschen ihrer Zeit das Leben geendet hatten. Eine grausamere Strafe war ihr vorbehalten, sie erlitt in ihren Wahnvorstellungen hunderterlei schreckliche Tode!

Beim Klange von tausenden von Trompeten, die die Erlösung feierten, als man 3000 Vögel in Freiheit auffliegen liess, die Zettel um den Hals befestigt hatten, worauf geschrieben stand: "Wir sind frei, ahmt uns nach", die der Welt verkünden sollten, dass Frankreich frei ist, kämpfte die "Amazone der Revolution" in ihrer einsamen Zelle den aussichtslosen Kampf mit ihren Phantomen, gehasst, verkannt, verachtet, den Geist für immer getrübt.

Arme Anna Terwagne! Warum musstest du dein friedliches Dorf, deine Wälder und Fluren verlassen! Dort hättest du weder die Wonnen des Triumphes, noch die Schmerzen der Niederlage kennen gelernt. Dein Leben wäre bloss eine liebliche Idylle gewesen. Welch innerer Trieb hat dich in die wilden Wogen der Revolution gestossen?

verhindern, dass man Théroigne in dem Teich des Parkes ertränkte, und sie retteten ihr das Leben. Aber hiess das sie retten? Die grausame Behandlung hatte ihre Nerven angegriffen, die Verletzung ihrer Schamhaftigkeit hatte ihren Geist getrübt. Théroigne de Méricourt war wahnsinnig geworden und erlangte nie wieder ihr klares Bewusstsein. In einer Zwangsjacke eng eingeschnürt, war sie im Irrenhaus Saint-Marceau, später in der Salpétrière interniert, sie sprach nur mehr völlig unverständliche Worte, sie bewegte unaufhörlich ihre Arme, als würde sie zum Kampfe anfeuern, und lebte so, in ihren wirren Phantasien befangen, noch ein Vierteljahrhundert lang im Irrenhaus. Die arme Théroigne glich den abgeschiedenen Schatten, von denen Vergil spricht, sie schien sich anzustrengen, ihr vergangenes Leben in die Erinnerung zurückzurufen, aber vergebens. Wie sehr ist sie nun verschieden, diese arme lallende, gebrochene um den Verstand gekommene Théroigne von jener stolzen, die in den Klubs begeisternde Reden hielt, die von allen bewundert wurde.

Die schöne Théroigne war dem Schaffott entgangen, auf dem so viele berühmte Menschen ihrer Zeit das Leben geendet hatten. Eine grausamere Strafe war ihr vorbehalten, sie erlitt in ihren Wahnvorstellungen hunderterlei schreckliche Tode!

Beim Klange von tausenden von Trompeten, die die Erlösung feierten, als man 3000 Vögel in Freiheit auffliegen liess, die Zettel um den Hals befestigt hatten, worauf geschrieben stand: „Wir sind frei, ahmt uns nach“, die der Welt verkünden sollten, dass Frankreich frei ist, kämpfte die „Amazone der Revolution“ in ihrer einsamen Zelle den aussichtslosen Kampf mit ihren Phantomen, gehasst, verkannt, verachtet, den Geist für immer getrübt.

Arme Anna Terwagne! Warum musstest du dein friedliches Dorf, deine Wälder und Fluren verlassen! Dort hättest du weder die Wonnen des Triumphes, noch die Schmerzen der Niederlage kennen gelernt. Dein Leben wäre bloss eine liebliche Idylle gewesen. Welch innerer Trieb hat dich in die wilden Wogen der Revolution gestossen?

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verhindern, dass man Théroigne in dem Teich des Parkes ertränkte, und sie retteten ihr das Leben. Aber hiess das sie retten? Die grausame Behandlung hatte ihre Nerven angegriffen, die Verletzung ihrer Schamhaftigkeit hatte ihren Geist getrübt. Théroigne de Méricourt war wahnsinnig geworden und erlangte nie wieder ihr klares Bewusstsein. In einer Zwangsjacke eng eingeschnürt, war sie im Irrenhaus Saint-Marceau, später in der Salpétrière interniert, sie sprach nur mehr völlig unverständliche Worte, sie bewegte unaufhörlich ihre Arme, als würde sie zum Kampfe anfeuern, und lebte so, in ihren wirren Phantasien befangen, noch ein Vierteljahrhundert lang im Irrenhaus. Die arme Théroigne glich den abgeschiedenen Schatten, von denen Vergil spricht, sie schien sich anzustrengen, ihr vergangenes Leben in die Erinnerung zurückzurufen, aber vergebens. Wie sehr ist sie nun verschieden, diese arme lallende, gebrochene um den Verstand gekommene Théroigne von jener stolzen, die in den Klubs begeisternde Reden hielt, die von allen bewundert wurde.</p>
        <p>Die schöne Théroigne war dem Schaffott entgangen, auf dem so viele berühmte Menschen ihrer Zeit das Leben geendet hatten. Eine grausamere Strafe war ihr vorbehalten, sie erlitt in ihren Wahnvorstellungen hunderterlei schreckliche Tode!</p>
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[25/0042] verhindern, dass man Théroigne in dem Teich des Parkes ertränkte, und sie retteten ihr das Leben. Aber hiess das sie retten? Die grausame Behandlung hatte ihre Nerven angegriffen, die Verletzung ihrer Schamhaftigkeit hatte ihren Geist getrübt. Théroigne de Méricourt war wahnsinnig geworden und erlangte nie wieder ihr klares Bewusstsein. In einer Zwangsjacke eng eingeschnürt, war sie im Irrenhaus Saint-Marceau, später in der Salpétrière interniert, sie sprach nur mehr völlig unverständliche Worte, sie bewegte unaufhörlich ihre Arme, als würde sie zum Kampfe anfeuern, und lebte so, in ihren wirren Phantasien befangen, noch ein Vierteljahrhundert lang im Irrenhaus. Die arme Théroigne glich den abgeschiedenen Schatten, von denen Vergil spricht, sie schien sich anzustrengen, ihr vergangenes Leben in die Erinnerung zurückzurufen, aber vergebens. Wie sehr ist sie nun verschieden, diese arme lallende, gebrochene um den Verstand gekommene Théroigne von jener stolzen, die in den Klubs begeisternde Reden hielt, die von allen bewundert wurde. Die schöne Théroigne war dem Schaffott entgangen, auf dem so viele berühmte Menschen ihrer Zeit das Leben geendet hatten. Eine grausamere Strafe war ihr vorbehalten, sie erlitt in ihren Wahnvorstellungen hunderterlei schreckliche Tode! Beim Klange von tausenden von Trompeten, die die Erlösung feierten, als man 3000 Vögel in Freiheit auffliegen liess, die Zettel um den Hals befestigt hatten, worauf geschrieben stand: „Wir sind frei, ahmt uns nach“, die der Welt verkünden sollten, dass Frankreich frei ist, kämpfte die „Amazone der Revolution“ in ihrer einsamen Zelle den aussichtslosen Kampf mit ihren Phantomen, gehasst, verkannt, verachtet, den Geist für immer getrübt. Arme Anna Terwagne! Warum musstest du dein friedliches Dorf, deine Wälder und Fluren verlassen! Dort hättest du weder die Wonnen des Triumphes, noch die Schmerzen der Niederlage kennen gelernt. Dein Leben wäre bloss eine liebliche Idylle gewesen. Welch innerer Trieb hat dich in die wilden Wogen der Revolution gestossen?

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/42>, abgerufen am 28.03.2024.