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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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Madame Roland.

Im Gefängnis von Saint-Pelagie am 9. August 1793. "Tochter eines Künstlers, Frau eines Gelehrten, der Minister geworden und ein rechtschaffener Ehrenmann geblieben ist, heute Gefangene, vielleicht zu einem gewaltsamen Tode bestimmt, habe ich das Glück und die Trübsal kennen gelernt, ich habe den Ruhm von der Nähe gesehen und Ungerechtigkeit erduldet.

Aus niedrigem Stande, aber von ehrenwerten Eltern geboren, habe ich meine Jugend inmitten der schönen Künste verbracht, erfüllt vom Zauber des Studierens, ohne anderes Vorrecht als das des Verdienstes, noch andere Grösse als die der Tugend zu kennen.

Im Alter, wo man sich zum Ehestand entschliesst, habe ich die Aussichten auf ein Vermögen verloren, welches mir eine meiner Erziehung entsprechende Partie hätte verschaffen können. Die Verbindung mit einem ehrenwerten Manne schien diesen Schicksalsschlag wieder gut zu machen, sie bereitete mir neue.

Ein sanfter Charakter, eine starke Seele, ein tüchtiger Verstand, ein sehr zärtliches Herz, ein Aeusseres, das all das ankündigte, haben mich bei denen beliebt gemacht, die mich kennen. Die Stellung, in der ich mich befunden habe, hat mir Feinde gemacht, ich als Person habe keine; diejenigen, die das Schlechteste über mich sagen, haben mich nie gesehen.

Es ist wahr, dass die Dinge selten das sind, was sie zu sein scheinen, dass die Abschnitte meines Lebens, in denen ich die meiste Wonne genossen oder den meisten

Madame Roland.

Im Gefängnis von Saint-Pélagie am 9. August 1793. „Tochter eines Künstlers, Frau eines Gelehrten, der Minister geworden und ein rechtschaffener Ehrenmann geblieben ist, heute Gefangene, vielleicht zu einem gewaltsamen Tode bestimmt, habe ich das Glück und die Trübsal kennen gelernt, ich habe den Ruhm von der Nähe gesehen und Ungerechtigkeit erduldet.

Aus niedrigem Stande, aber von ehrenwerten Eltern geboren, habe ich meine Jugend inmitten der schönen Künste verbracht, erfüllt vom Zauber des Studierens, ohne anderes Vorrecht als das des Verdienstes, noch andere Grösse als die der Tugend zu kennen.

Im Alter, wo man sich zum Ehestand entschliesst, habe ich die Aussichten auf ein Vermögen verloren, welches mir eine meiner Erziehung entsprechende Partie hätte verschaffen können. Die Verbindung mit einem ehrenwerten Manne schien diesen Schicksalsschlag wieder gut zu machen, sie bereitete mir neue.

Ein sanfter Charakter, eine starke Seele, ein tüchtiger Verstand, ein sehr zärtliches Herz, ein Aeusseres, das all das ankündigte, haben mich bei denen beliebt gemacht, die mich kennen. Die Stellung, in der ich mich befunden habe, hat mir Feinde gemacht, ich als Person habe keine; diejenigen, die das Schlechteste über mich sagen, haben mich nie gesehen.

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[[49]/0068] Madame Roland. Im Gefängnis von Saint-Pélagie am 9. August 1793. „Tochter eines Künstlers, Frau eines Gelehrten, der Minister geworden und ein rechtschaffener Ehrenmann geblieben ist, heute Gefangene, vielleicht zu einem gewaltsamen Tode bestimmt, habe ich das Glück und die Trübsal kennen gelernt, ich habe den Ruhm von der Nähe gesehen und Ungerechtigkeit erduldet. Aus niedrigem Stande, aber von ehrenwerten Eltern geboren, habe ich meine Jugend inmitten der schönen Künste verbracht, erfüllt vom Zauber des Studierens, ohne anderes Vorrecht als das des Verdienstes, noch andere Grösse als die der Tugend zu kennen. Im Alter, wo man sich zum Ehestand entschliesst, habe ich die Aussichten auf ein Vermögen verloren, welches mir eine meiner Erziehung entsprechende Partie hätte verschaffen können. Die Verbindung mit einem ehrenwerten Manne schien diesen Schicksalsschlag wieder gut zu machen, sie bereitete mir neue. Ein sanfter Charakter, eine starke Seele, ein tüchtiger Verstand, ein sehr zärtliches Herz, ein Aeusseres, das all das ankündigte, haben mich bei denen beliebt gemacht, die mich kennen. Die Stellung, in der ich mich befunden habe, hat mir Feinde gemacht, ich als Person habe keine; diejenigen, die das Schlechteste über mich sagen, haben mich nie gesehen. Es ist wahr, dass die Dinge selten das sind, was sie zu sein scheinen, dass die Abschnitte meines Lebens, in denen ich die meiste Wonne genossen oder den meisten

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. [49]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/68>, abgerufen am 18.04.2024.