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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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wicht haben oder von mir mit genügendem Material nicht belegt wer-
den können. So im Falle des Diabetes, dessen hereditäre Bedeutung
allgemein anerkannt ist. Auch die Konstatierung einer Minderwertigkeit
der Bauchspeicheldrüse respektive ihres nervösen Anteiles in der Me-
dulla oblongata dürfte auf geringen Widerspruch stoßen. Wichtiger er-
scheint mir die prinzipielle Feststellung, daß in Diabetikerfamilien der
Ernährungstrakt minderwertig geraten ist, was bei den einzelnen Fa-
milienmitgliedern nicht immer am Pankreas, sondern an den verschie-
densten Stellen dieses Apparates und seiner zugehörigen Teile, an
Mund, Zähnen, Rachen, Magen, Leber, Darm, After in verschiedenster
Stärke zum Ausdruck kommen kann. In diesem Zusammenhange
halte ich es für nötig, auf die häufigen Magendarmbeschwerden
bei Diabetikern hinzuweisen, als insbesondere auf den häufigen Mangel
des Gaumenreflexes, die eine tiefgreifende Veränderung des ganzen
Ernährungstraktes beweisen. Die Zusammenhänge des Diabetes mit
Fettleibigkeit, Gicht und Cholelithiasis, das alternierende Auftreten
dieser Erkrankungen in einzelnen Familien bestehen nur auf der ge-
meinsamen Grundlage einer Minderwertigkeit des Magendarmapparates.
Andere Gruppierungen, wie Tuberkulose, Gefäßerkrankungen, Haut-
affektionen, Nierenveränderungen, Morbus Basedow, Neurosen, die sich
bei Diabetikern nicht selten finden, werden wir als den Ausdruck der
gleichzeitigen Minderwertigkeit eines zweiten Organes betrachten, das
durch die diabetische Stoffwechselstörung mehr oder minder belastet
sein kann.

0. C. erkrankte im 13. Lebensjahre an schwerem Diabetes. In
der frühen Kindheit bis zum 5. Lebensjahre litt er an unfreiwilligem
Stuhlabgang, späterhin an Obstipation und Diarrhöen. Im 12. Lebens-
jahre trat eine heftige Furunkulose auf, die den Verdacht auf Diabetes
erweckte. Der Vater litt in jüngeren Jahren an Cholelithiasis, neigt zu
Fettleibigkeit und ist seit vielen Jahren von hartnäckiger Obstipation
geplagt. Die Mutter zeigt häufige Rezidiven von Urticaria. Eine Schwester
leidet an Hysterie. Die Analyse des Falles ergibt sich aus dem vor-
herigen. Die Minderwertigkeit des Darmapparates stammt von der
väterlichen Linie, die sich ganz allgemein durch Fettleibigkeit aus-
zeichnete. Dazu liefert die Mutter die unterwertige Haut, die den Boden
der Furunkulose abgibt. Keines der 4 Familienmitglieder zeigt einen
Gaumenreflex, der Rachenreflex ist nur schwer zu erzielen.

Eine Theorie des Diabetes muß sich auf die Annahme einer
minderwertigen Bauchspeicheldrüse stützen. Die mangelhaften patholo-
gischen Befunde bei dieser Erkrankung sprechen für eine vorwiegend

wicht haben oder von mir mit genügendem Material nicht belegt wer-
den können. So im Falle des Diabetes, dessen hereditäre Bedeutung
allgemein anerkannt ist. Auch die Konstatierung einer Minderwertigkeit
der Bauchspeicheldrüse respektive ihres nervösen Anteiles in der Me-
dulla oblongata dürfte auf geringen Widerspruch stoßen. Wichtiger er-
scheint mir die prinzipielle Feststellung, daß in Diabetikerfamilien der
Ernährungstrakt minderwertig geraten ist, was bei den einzelnen Fa-
milienmitgliedern nicht immer am Pankreas, sondern an den verschie-
densten Stellen dieses Apparates und seiner zugehörigen Teile, an
Mund, Zähnen, Rachen, Magen, Leber, Darm, After in verschiedenster
Stärke zum Ausdruck kommen kann. In diesem Zusammenhange
halte ich es für nötig, auf die häufigen Magendarmbeschwerden
bei Diabetikern hinzuweisen, als insbesondere auf den häufigen Mangel
des Gaumenreflexes, die eine tiefgreifende Veränderung des ganzen
Ernährungstraktes beweisen. Die Zusammenhänge des Diabetes mit
Fettleibigkeit, Gicht und Cholelithiasis, das alternierende Auftreten
dieser Erkrankungen in einzelnen Familien bestehen nur auf der ge-
meinsamen Grundlage einer Minderwertigkeit des Magendarmapparates.
Andere Gruppierungen, wie Tuberkulose, Gefäßerkrankungen, Haut-
affektionen, Nierenveränderungen, Morbus Basedow, Neurosen, die sich
bei Diabetikern nicht selten finden, werden wir als den Ausdruck der
gleichzeitigen Minderwertigkeit eines zweiten Organes betrachten, das
durch die diabetische Stoffwechselstörung mehr oder minder belastet
sein kann.

0. C. erkrankte im 13. Lebensjahre an schwerem Diabetes. In
der frühen Kindheit bis zum 5. Lebensjahre litt er an unfreiwilligem
Stuhlabgang, späterhin an Obstipation und Diarrhöen. Im 12. Lebens-
jahre trat eine heftige Furunkulose auf, die den Verdacht auf Diabetes
erweckte. Der Vater litt in jüngeren Jahren an Cholelithiasis, neigt zu
Fettleibigkeit und ist seit vielen Jahren von hartnäckiger Obstipation
geplagt. Die Mutter zeigt häufige Rezidiven von Urticaria. Eine Schwester
leidet an Hysterie. Die Analyse des Falles ergibt sich aus dem vor-
herigen. Die Minderwertigkeit des Darmapparates stammt von der
väterlichen Linie, die sich ganz allgemein durch Fettleibigkeit aus-
zeichnete. Dazu liefert die Mutter die unterwertige Haut, die den Boden
der Furunkulose abgibt. Keines der 4 Familienmitglieder zeigt einen
Gaumenreflex, der Rachenreflex ist nur schwer zu erzielen.

Eine Theorie des Diabetes muß sich auf die Annahme einer
minderwertigen Bauchspeicheldrüse stützen. Die mangelhaften patholo-
gischen Befunde bei dieser Erkrankung sprechen für eine vorwiegend

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[21/0033] wicht haben oder von mir mit genügendem Material nicht belegt wer- den können. So im Falle des Diabetes, dessen hereditäre Bedeutung allgemein anerkannt ist. Auch die Konstatierung einer Minderwertigkeit der Bauchspeicheldrüse respektive ihres nervösen Anteiles in der Me- dulla oblongata dürfte auf geringen Widerspruch stoßen. Wichtiger er- scheint mir die prinzipielle Feststellung, daß in Diabetikerfamilien der Ernährungstrakt minderwertig geraten ist, was bei den einzelnen Fa- milienmitgliedern nicht immer am Pankreas, sondern an den verschie- densten Stellen dieses Apparates und seiner zugehörigen Teile, an Mund, Zähnen, Rachen, Magen, Leber, Darm, After in verschiedenster Stärke zum Ausdruck kommen kann. In diesem Zusammenhange halte ich es für nötig, auf die häufigen Magendarmbeschwerden bei Diabetikern hinzuweisen, als insbesondere auf den häufigen Mangel des Gaumenreflexes, die eine tiefgreifende Veränderung des ganzen Ernährungstraktes beweisen. Die Zusammenhänge des Diabetes mit Fettleibigkeit, Gicht und Cholelithiasis, das alternierende Auftreten dieser Erkrankungen in einzelnen Familien bestehen nur auf der ge- meinsamen Grundlage einer Minderwertigkeit des Magendarmapparates. Andere Gruppierungen, wie Tuberkulose, Gefäßerkrankungen, Haut- affektionen, Nierenveränderungen, Morbus Basedow, Neurosen, die sich bei Diabetikern nicht selten finden, werden wir als den Ausdruck der gleichzeitigen Minderwertigkeit eines zweiten Organes betrachten, das durch die diabetische Stoffwechselstörung mehr oder minder belastet sein kann. 0. C. erkrankte im 13. Lebensjahre an schwerem Diabetes. In der frühen Kindheit bis zum 5. Lebensjahre litt er an unfreiwilligem Stuhlabgang, späterhin an Obstipation und Diarrhöen. Im 12. Lebens- jahre trat eine heftige Furunkulose auf, die den Verdacht auf Diabetes erweckte. Der Vater litt in jüngeren Jahren an Cholelithiasis, neigt zu Fettleibigkeit und ist seit vielen Jahren von hartnäckiger Obstipation geplagt. Die Mutter zeigt häufige Rezidiven von Urticaria. Eine Schwester leidet an Hysterie. Die Analyse des Falles ergibt sich aus dem vor- herigen. Die Minderwertigkeit des Darmapparates stammt von der väterlichen Linie, die sich ganz allgemein durch Fettleibigkeit aus- zeichnete. Dazu liefert die Mutter die unterwertige Haut, die den Boden der Furunkulose abgibt. Keines der 4 Familienmitglieder zeigt einen Gaumenreflex, der Rachenreflex ist nur schwer zu erzielen. Eine Theorie des Diabetes muß sich auf die Annahme einer minderwertigen Bauchspeicheldrüse stützen. Die mangelhaften patholo- gischen Befunde bei dieser Erkrankung sprechen für eine vorwiegend

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/33>, abgerufen am 20.04.2024.