Karoline kam aus der Seitenkammer und drückte die Thür leise zu: "Er ist eingeschlafen." -- "Wenn er nur nicht aufwacht bis ma chere tante in die Komödie fährt," sagte Jülli, die durchs Schlüssel¬ loch sah.
"Er verdiente es schon, meinte Karoline. Ich liebe es gar nicht, wenn die Herren betrunken vom Frühstück kommen und glauben, sie thun uns noch eine Ehre an, wenn sie in ein anständig Haus pol¬ tern. Schmeißt sich da mir nichts, dir nichts, aufs Sopha, gähnt, und eh' man sichs versieht, ist er ein¬ geschlafen. Da soll man sich wohl aus der Conver¬ sation bilden! Ma chere tante hat gut Reden."
"Die vornehmen jungen Herren thuns Alle so," warf Jülli ein.
"Und er hat nie kein Geld, sagt ma chere tante, fuhr die Andre fort, und wenn sie nur gewußt, wie er mit seinem Vater steht, der ein sehr anständiger und vornehmer Herr ist, hätte sie ihn auch gar nicht
I. 18
Siebzehntes Kapitel. Der rothe Shawl.
Karoline kam aus der Seitenkammer und drückte die Thür leiſe zu: „Er iſt eingeſchlafen.“ — „Wenn er nur nicht aufwacht bis ma chère tante in die Komödie fährt,“ ſagte Jülli, die durchs Schlüſſel¬ loch ſah.
„Er verdiente es ſchon, meinte Karoline. Ich liebe es gar nicht, wenn die Herren betrunken vom Frühſtück kommen und glauben, ſie thun uns noch eine Ehre an, wenn ſie in ein anſtändig Haus pol¬ tern. Schmeißt ſich da mir nichts, dir nichts, aufs Sopha, gähnt, und eh' man ſichs verſieht, iſt er ein¬ geſchlafen. Da ſoll man ſich wohl aus der Conver¬ ſation bilden! Ma chère tante hat gut Reden.“
„Die vornehmen jungen Herren thuns Alle ſo,“ warf Jülli ein.
„Und er hat nie kein Geld, ſagt ma chère tante, fuhr die Andre fort, und wenn ſie nur gewußt, wie er mit ſeinem Vater ſteht, der ein ſehr anſtändiger und vornehmer Herr iſt, hätte ſie ihn auch gar nicht
I. 18
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Siebzehntes Kapitel.
Der rothe Shawl.
Karoline kam aus der Seitenkammer und drückte
die Thür leiſe zu: „Er iſt eingeſchlafen.“ — „Wenn
er nur nicht aufwacht bis ma chère tante in die
Komödie fährt,“ ſagte Jülli, die durchs Schlüſſel¬
loch ſah.
„Er verdiente es ſchon, meinte Karoline. Ich
liebe es gar nicht, wenn die Herren betrunken vom
Frühſtück kommen und glauben, ſie thun uns noch
eine Ehre an, wenn ſie in ein anſtändig Haus pol¬
tern. Schmeißt ſich da mir nichts, dir nichts, aufs
Sopha, gähnt, und eh' man ſichs verſieht, iſt er ein¬
geſchlafen. Da ſoll man ſich wohl aus der Conver¬
ſation bilden! Ma chère tante hat gut Reden.“
„Die vornehmen jungen Herren thuns Alle ſo,“
warf Jülli ein.
„Und er hat nie kein Geld, ſagt ma chère tante,
fuhr die Andre fort, und wenn ſie nur gewußt, wie
er mit ſeinem Vater ſteht, der ein ſehr anſtändiger
und vornehmer Herr iſt, hätte ſie ihn auch gar nicht
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. [273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/287>, abgerufen am 13.10.2024.
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