Zweites Kapitel. Die Geheimräthin mit den spitzen Fingern.
-- Als die Seitenthür aufging, und die Ge¬ heimräthin Schwägerin hereinrauschte.
Rauschte sage ich, denn ihr hellseidenes Kleid, obgleich die Schleppe abgeschnitten, bauschte noch immer in reichen Falten hinter ihr.
"Ich hoffe doch nicht zu derangiren," sagte die Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit aufsprang, und die Spanioldose auf die Erde fiel. Wenn Charlotte sich in Verlegenheit gefühlt, fand sie die Gelegenheit, sie zu verbergen, indem sie die Dose auflangte und mit dem zusammengefegten Taback in der Schürze das Zimmer verließ.
"Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich überraschen!" sagte der Ueberraschte.
"Die Ueberraschung ist nicht ganz meine Schuld, denn der Herr Schwager hörten in dem confiden¬ tiellen Gespräch, was ich zu meinem Bedauern stören mußte, nicht mein Klopfen. Da mußte ich endlich, ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn ich liebe nicht das Lauschen."
Zweites Kapitel. Die Geheimräthin mit den ſpitzen Fingern.
— Als die Seitenthür aufging, und die Ge¬ heimräthin Schwägerin hereinrauſchte.
Rauſchte ſage ich, denn ihr hellſeidenes Kleid, obgleich die Schleppe abgeſchnitten, bauſchte noch immer in reichen Falten hinter ihr.
„Ich hoffe doch nicht zu derangiren,“ ſagte die Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit aufſprang, und die Spanioldoſe auf die Erde fiel. Wenn Charlotte ſich in Verlegenheit gefühlt, fand ſie die Gelegenheit, ſie zu verbergen, indem ſie die Doſe auflangte und mit dem zuſammengefegten Taback in der Schürze das Zimmer verließ.
„Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich überraſchen!“ ſagte der Ueberraſchte.
„Die Ueberraſchung iſt nicht ganz meine Schuld, denn der Herr Schwager hörten in dem confiden¬ tiellen Geſpräch, was ich zu meinem Bedauern ſtören mußte, nicht mein Klopfen. Da mußte ich endlich, ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn ich liebe nicht das Lauſchen.“
<TEI><text><body><pbfacs="#f0029"n="[15]"/><divn="1"><head>Zweites Kapitel.<lb/><hirendition="#b">Die Geheimräthin mit den ſpitzen Fingern.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>— Als die Seitenthür aufging, und die Ge¬<lb/>
heimräthin Schwägerin hereinrauſchte.</p><lb/><p>Rauſchte ſage ich, denn ihr hellſeidenes Kleid,<lb/>
obgleich die Schleppe abgeſchnitten, bauſchte noch<lb/>
immer in reichen Falten hinter ihr.</p><lb/><p>„Ich hoffe doch nicht zu derangiren,“ſagte die<lb/>
Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit<lb/>
aufſprang, und die Spanioldoſe auf die Erde fiel.<lb/>
Wenn Charlotte ſich in Verlegenheit gefühlt, fand ſie<lb/>
die Gelegenheit, ſie zu verbergen, indem ſie die Doſe<lb/>
auflangte und mit dem zuſammengefegten Taback in<lb/>
der Schürze das Zimmer verließ.</p><lb/><p>„Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich<lb/>
überraſchen!“ſagte der Ueberraſchte.</p><lb/><p>„Die Ueberraſchung iſt nicht ganz meine Schuld,<lb/>
denn der Herr Schwager hörten in dem confiden¬<lb/>
tiellen Geſpräch, was ich zu meinem Bedauern ſtören<lb/>
mußte, nicht mein Klopfen. Da mußte ich endlich,<lb/>
ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn<lb/>
ich liebe nicht das Lauſchen.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[[15]/0029]
Zweites Kapitel.
Die Geheimräthin mit den ſpitzen Fingern.
— Als die Seitenthür aufging, und die Ge¬
heimräthin Schwägerin hereinrauſchte.
Rauſchte ſage ich, denn ihr hellſeidenes Kleid,
obgleich die Schleppe abgeſchnitten, bauſchte noch
immer in reichen Falten hinter ihr.
„Ich hoffe doch nicht zu derangiren,“ ſagte die
Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit
aufſprang, und die Spanioldoſe auf die Erde fiel.
Wenn Charlotte ſich in Verlegenheit gefühlt, fand ſie
die Gelegenheit, ſie zu verbergen, indem ſie die Doſe
auflangte und mit dem zuſammengefegten Taback in
der Schürze das Zimmer verließ.
„Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich
überraſchen!“ ſagte der Ueberraſchte.
„Die Ueberraſchung iſt nicht ganz meine Schuld,
denn der Herr Schwager hörten in dem confiden¬
tiellen Geſpräch, was ich zu meinem Bedauern ſtören
mußte, nicht mein Klopfen. Da mußte ich endlich,
ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn
ich liebe nicht das Lauſchen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. [15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/29>, abgerufen am 05.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.