Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

untersucht wird. Herr Schwager es ist kein Spaß,
warum ich hier bin, es handelt sich um Ihre Existenz."

Der Geheimrath war zusammengefahren wie die
Sinnpflanze bei der menschlichen Berührung. Sein
Gesicht war blaß, seine Vollmondswangen schienen
wie welk herabgesunken. Er öffnete die Lippen und
wollte sprechen, aber die Zähne, die in eine unwill¬
kürliche Berührung geriethen, stammelten nur die
Formel: "Mein allerdurchlauchtigster König, mein
allergnädigster König und Herr!"

"Ist eine Natur, die wir Alle eigentlich noch
nicht kennen, aber in gewissen Dingen hat er sich
außerordentlich streng gezeigt." So sagte die Ge¬
heimräthin Schwägerin, die ruhig vor dem Zerknick¬
ten stand.

Der Geheimrath stammelte noch etwas von ge¬
heimen Feinden und nachdem er einige Schritte
gethan, fiel er auf seinen Armsessel.

"Von Feinden weiß ich nichts, sagte die Schwä¬
gerin, im Gegentheil Sie haben sich viele Freunde
durch Ihre Dine's gemacht, und es trifft sich nur
sehr unglücklich, daß Lombard nach Frankreich ist.
Aber sich in den Sorgenstuhl zu werfen, ist nicht
Zeit, mon beau-frere! Ihre Freunde können wenig,
Sie müssen selbst etwas thun, und auf der Stelle.
Ihr Zopf ist noch gut, die Frisur passirt für den
Abend. Werfen Sie sich in Ihr Habillement."

"Mein Gott doch nicht zu Seiner Majestät!"
rief er aufspringend und rang die Hände.

unterſucht wird. Herr Schwager es iſt kein Spaß,
warum ich hier bin, es handelt ſich um Ihre Exiſtenz.“

Der Geheimrath war zuſammengefahren wie die
Sinnpflanze bei der menſchlichen Berührung. Sein
Geſicht war blaß, ſeine Vollmondswangen ſchienen
wie welk herabgeſunken. Er öffnete die Lippen und
wollte ſprechen, aber die Zähne, die in eine unwill¬
kürliche Berührung geriethen, ſtammelten nur die
Formel: „Mein allerdurchlauchtigſter König, mein
allergnädigſter König und Herr!“

„Iſt eine Natur, die wir Alle eigentlich noch
nicht kennen, aber in gewiſſen Dingen hat er ſich
außerordentlich ſtreng gezeigt.“ So ſagte die Ge¬
heimräthin Schwägerin, die ruhig vor dem Zerknick¬
ten ſtand.

Der Geheimrath ſtammelte noch etwas von ge¬
heimen Feinden und nachdem er einige Schritte
gethan, fiel er auf ſeinen Armſeſſel.

„Von Feinden weiß ich nichts, ſagte die Schwä¬
gerin, im Gegentheil Sie haben ſich viele Freunde
durch Ihre Diné's gemacht, und es trifft ſich nur
ſehr unglücklich, daß Lombard nach Frankreich iſt.
Aber ſich in den Sorgenſtuhl zu werfen, iſt nicht
Zeit, mon beau-frère! Ihre Freunde können wenig,
Sie müſſen ſelbſt etwas thun, und auf der Stelle.
Ihr Zopf iſt noch gut, die Friſur paſſirt für den
Abend. Werfen Sie ſich in Ihr Habillement.“

„Mein Gott doch nicht zu Seiner Majeſtät!“
rief er aufſpringend und rang die Hände.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="28"/>
unter&#x017F;ucht wird. Herr Schwager es i&#x017F;t kein Spaß,<lb/>
warum ich hier bin, es handelt &#x017F;ich um Ihre Exi&#x017F;tenz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Geheimrath war zu&#x017F;ammengefahren wie die<lb/>
Sinnpflanze bei der men&#x017F;chlichen Berührung. Sein<lb/>
Ge&#x017F;icht war blaß, &#x017F;eine Vollmondswangen &#x017F;chienen<lb/>
wie welk herabge&#x017F;unken. Er öffnete die Lippen und<lb/>
wollte &#x017F;prechen, aber die Zähne, die in eine unwill¬<lb/>
kürliche Berührung geriethen, &#x017F;tammelten nur die<lb/>
Formel: &#x201E;Mein allerdurchlauchtig&#x017F;ter König, mein<lb/>
allergnädig&#x017F;ter König und Herr!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t eine Natur, die wir Alle eigentlich noch<lb/>
nicht kennen, aber in gewi&#x017F;&#x017F;en Dingen hat er &#x017F;ich<lb/>
außerordentlich &#x017F;treng gezeigt.&#x201C; So &#x017F;agte die Ge¬<lb/>
heimräthin Schwägerin, die ruhig vor dem Zerknick¬<lb/>
ten &#x017F;tand.</p><lb/>
        <p>Der Geheimrath &#x017F;tammelte noch etwas von ge¬<lb/>
heimen Feinden und nachdem er einige Schritte<lb/>
gethan, fiel er auf &#x017F;einen Arm&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von Feinden weiß ich nichts, &#x017F;agte die Schwä¬<lb/>
gerin, im Gegentheil Sie haben &#x017F;ich viele Freunde<lb/>
durch Ihre Din<hi rendition="#aq">é</hi>'s gemacht, und es trifft &#x017F;ich nur<lb/>
&#x017F;ehr unglücklich, daß Lombard nach Frankreich i&#x017F;t.<lb/>
Aber &#x017F;ich in den Sorgen&#x017F;tuhl zu werfen, i&#x017F;t nicht<lb/>
Zeit, <hi rendition="#aq">mon beau-frère</hi>! Ihre Freunde können wenig,<lb/>
Sie mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t etwas thun, und auf der Stelle.<lb/>
Ihr Zopf i&#x017F;t noch gut, die Fri&#x017F;ur pa&#x017F;&#x017F;irt für den<lb/>
Abend. Werfen Sie &#x017F;ich in Ihr Habillement.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott doch nicht zu Seiner Maje&#x017F;tät!&#x201C;<lb/>
rief er auf&#x017F;pringend und rang die Hände.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0042] unterſucht wird. Herr Schwager es iſt kein Spaß, warum ich hier bin, es handelt ſich um Ihre Exiſtenz.“ Der Geheimrath war zuſammengefahren wie die Sinnpflanze bei der menſchlichen Berührung. Sein Geſicht war blaß, ſeine Vollmondswangen ſchienen wie welk herabgeſunken. Er öffnete die Lippen und wollte ſprechen, aber die Zähne, die in eine unwill¬ kürliche Berührung geriethen, ſtammelten nur die Formel: „Mein allerdurchlauchtigſter König, mein allergnädigſter König und Herr!“ „Iſt eine Natur, die wir Alle eigentlich noch nicht kennen, aber in gewiſſen Dingen hat er ſich außerordentlich ſtreng gezeigt.“ So ſagte die Ge¬ heimräthin Schwägerin, die ruhig vor dem Zerknick¬ ten ſtand. Der Geheimrath ſtammelte noch etwas von ge¬ heimen Feinden und nachdem er einige Schritte gethan, fiel er auf ſeinen Armſeſſel. „Von Feinden weiß ich nichts, ſagte die Schwä¬ gerin, im Gegentheil Sie haben ſich viele Freunde durch Ihre Diné's gemacht, und es trifft ſich nur ſehr unglücklich, daß Lombard nach Frankreich iſt. Aber ſich in den Sorgenſtuhl zu werfen, iſt nicht Zeit, mon beau-frère! Ihre Freunde können wenig, Sie müſſen ſelbſt etwas thun, und auf der Stelle. Ihr Zopf iſt noch gut, die Friſur paſſirt für den Abend. Werfen Sie ſich in Ihr Habillement.“ „Mein Gott doch nicht zu Seiner Majeſtät!“ rief er aufſpringend und rang die Hände.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/42
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/42>, abgerufen am 19.04.2024.