Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber der Capitain war ein Arrestat; die Wachtstube
sein Gefängniß.

"Ihre nächste Gage, Herr Bruder, gehört ja dem
Schneider," sagte der Wachthabende, der einzige unter
den Spielern, dessen Parüre in parademäßigem Zu¬
stande war. Das vielstündige Spiel hatte bei den
andern manche Manquements in der Adrettität zur
Folge gehabt.

"Den schmeißt er wieder zur Treppe runter,"
sagte der Cornet auf dem Schemel kippend.

"Und dann kommt der Ephraim und der Levi."

"Die bestellt er auf dieselbe Stunde, wie neulich,
und sie müssen warten, bis er raus rufen läßt: Einer
soll rein, denn Einer kann heut nur bezahlt werden.
Dann fallen sie sich in die Bärte, prügeln sich, und
er läßt sie wegen Ruhestörung arretiren. Onkel und
Herr von Kniewitz, schade daß Sie nicht dabei waren.
Es war ein capitales Stück. Ich sehe noch die blanken
Thaler und die Judengesichter, neu geprägt, auf dem
Tische; die Sonne schien drauf. Freilich der Regi¬
mentsquartiermeister stand dabei. Hatte sie ihm nur
auf eine Viertelstunde geliehen. Aber die Juden!
wie sie sie zu Gesicht kriegten; sie trauten zuerst ihren
Augen nicht. Nu einer dem andern vor, wie Wasser
aus 'ner Schleuse, und eh einer die Hand an den
Tisch gebracht, einer den andern zurück, an Brust
und Kragen, beide auf der Erde, kopfüber, das stram¬
pelte und schrie."

"Wenn sie sich nun vertragen und getheilt hätten?"

Aber der Capitain war ein Arreſtat; die Wachtſtube
ſein Gefängniß.

„Ihre nächſte Gage, Herr Bruder, gehört ja dem
Schneider,“ ſagte der Wachthabende, der einzige unter
den Spielern, deſſen Parüre in parademäßigem Zu¬
ſtande war. Das vielſtündige Spiel hatte bei den
andern manche Manquements in der Adrettität zur
Folge gehabt.

„Den ſchmeißt er wieder zur Treppe runter,“
ſagte der Cornet auf dem Schemel kippend.

„Und dann kommt der Ephraim und der Levi.“

„Die beſtellt er auf dieſelbe Stunde, wie neulich,
und ſie müſſen warten, bis er raus rufen läßt: Einer
ſoll rein, denn Einer kann heut nur bezahlt werden.
Dann fallen ſie ſich in die Bärte, prügeln ſich, und
er läßt ſie wegen Ruheſtörung arretiren. Onkel und
Herr von Kniewitz, ſchade daß Sie nicht dabei waren.
Es war ein capitales Stück. Ich ſehe noch die blanken
Thaler und die Judengeſichter, neu geprägt, auf dem
Tiſche; die Sonne ſchien drauf. Freilich der Regi¬
mentsquartiermeiſter ſtand dabei. Hatte ſie ihm nur
auf eine Viertelſtunde geliehen. Aber die Juden!
wie ſie ſie zu Geſicht kriegten; ſie trauten zuerſt ihren
Augen nicht. Nu einer dem andern vor, wie Waſſer
aus 'ner Schleuſe, und eh einer die Hand an den
Tiſch gebracht, einer den andern zurück, an Bruſt
und Kragen, beide auf der Erde, kopfüber, das ſtram¬
pelte und ſchrie.“

„Wenn ſie ſich nun vertragen und getheilt hätten?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="186"/>
Aber der Capitain war ein Arre&#x017F;tat; die Wacht&#x017F;tube<lb/>
&#x017F;ein Gefängniß.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihre näch&#x017F;te Gage, Herr Bruder, gehört ja dem<lb/>
Schneider,&#x201C; &#x017F;agte der Wachthabende, der einzige unter<lb/>
den Spielern, de&#x017F;&#x017F;en Parüre in parademäßigem Zu¬<lb/>
&#x017F;tande war. Das viel&#x017F;tündige Spiel hatte bei den<lb/>
andern manche Manquements in der Adrettität zur<lb/>
Folge gehabt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Den &#x017F;chmeißt er wieder zur Treppe runter,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte der Cornet auf dem Schemel kippend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dann kommt der Ephraim und der Levi.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die be&#x017F;tellt er auf die&#x017F;elbe Stunde, wie neulich,<lb/>
und &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en warten, bis er raus rufen läßt: Einer<lb/>
&#x017F;oll rein, denn Einer kann heut nur bezahlt werden.<lb/>
Dann fallen &#x017F;ie &#x017F;ich in die Bärte, prügeln &#x017F;ich, und<lb/>
er läßt &#x017F;ie wegen Ruhe&#x017F;törung arretiren. Onkel und<lb/>
Herr von Kniewitz, &#x017F;chade daß Sie nicht dabei waren.<lb/>
Es war ein capitales Stück. Ich &#x017F;ehe noch die blanken<lb/>
Thaler und die Judenge&#x017F;ichter, neu geprägt, auf dem<lb/>
Ti&#x017F;che; die Sonne &#x017F;chien drauf. Freilich der Regi¬<lb/>
mentsquartiermei&#x017F;ter &#x017F;tand dabei. Hatte &#x017F;ie ihm nur<lb/>
auf eine Viertel&#x017F;tunde geliehen. Aber die Juden!<lb/>
wie &#x017F;ie &#x017F;ie zu Ge&#x017F;icht kriegten; &#x017F;ie trauten zuer&#x017F;t ihren<lb/>
Augen nicht. Nu einer dem andern vor, wie Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
aus 'ner Schleu&#x017F;e, und eh einer die Hand an den<lb/>
Ti&#x017F;ch gebracht, einer den andern zurück, an Bru&#x017F;t<lb/>
und Kragen, beide auf der Erde, kopfüber, das &#x017F;tram¬<lb/>
pelte und &#x017F;chrie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nun vertragen und getheilt hätten?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0196] Aber der Capitain war ein Arreſtat; die Wachtſtube ſein Gefängniß. „Ihre nächſte Gage, Herr Bruder, gehört ja dem Schneider,“ ſagte der Wachthabende, der einzige unter den Spielern, deſſen Parüre in parademäßigem Zu¬ ſtande war. Das vielſtündige Spiel hatte bei den andern manche Manquements in der Adrettität zur Folge gehabt. „Den ſchmeißt er wieder zur Treppe runter,“ ſagte der Cornet auf dem Schemel kippend. „Und dann kommt der Ephraim und der Levi.“ „Die beſtellt er auf dieſelbe Stunde, wie neulich, und ſie müſſen warten, bis er raus rufen läßt: Einer ſoll rein, denn Einer kann heut nur bezahlt werden. Dann fallen ſie ſich in die Bärte, prügeln ſich, und er läßt ſie wegen Ruheſtörung arretiren. Onkel und Herr von Kniewitz, ſchade daß Sie nicht dabei waren. Es war ein capitales Stück. Ich ſehe noch die blanken Thaler und die Judengeſichter, neu geprägt, auf dem Tiſche; die Sonne ſchien drauf. Freilich der Regi¬ mentsquartiermeiſter ſtand dabei. Hatte ſie ihm nur auf eine Viertelſtunde geliehen. Aber die Juden! wie ſie ſie zu Geſicht kriegten; ſie trauten zuerſt ihren Augen nicht. Nu einer dem andern vor, wie Waſſer aus 'ner Schleuſe, und eh einer die Hand an den Tiſch gebracht, einer den andern zurück, an Bruſt und Kragen, beide auf der Erde, kopfüber, das ſtram¬ pelte und ſchrie.“ „Wenn ſie ſich nun vertragen und getheilt hätten?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/196
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/196>, abgerufen am 29.03.2024.