Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Um zehn Uhr war's bestellt, und es ist ein Viertel
auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten."

Bovillard fiel ihm in den Arm: "Bleiben Sie,
laßt sie glücklich sein, wir sind's ja auch. Glückliche
Menschen machen, was giebt es Schöneres unterm
Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen
über Lafontaines neuesten Roman: Kriegen sie sich
nicht? frage ich. -- Nein, schluchzt sie, er ist so grau¬
sam. -- Pfui! sage ich. -- Er ist erst am Ende des
ersten Bandes, sagt sie. -- Er muß! sage ich. --
Wie kannst Du's? -- Da klopft es. Wer tritt ein?
Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich
zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das ist Ihr
Werk; können Sie's ruhig ansehen? Eine Thräne der
Rührung, eine Thräne der Versöhnung. -- Er küßte
ihre Hand. -- Sie sollen sich kriegen, Madame! --
Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren,
dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt,
und nach acht Tagen kriegte sie die ersten des zwei¬
ten Theils. Schon im ersten Kapitel hatten sie sich
gekriegt. -- Den Jammer sparte er nachher für die
Ehe -- zwei Bände voll!"

"Das nenne ich einen exemplarischen Ehemann!"
sagte Wandel.

"Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!"
bemerkte St. Real.

"Eine gute That belohnt die andre."

Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine
klopfen ließ, hatte man ein starkes Pochen an der

Um zehn Uhr war's beſtellt, und es iſt ein Viertel
auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.“

Bovillard fiel ihm in den Arm: „Bleiben Sie,
laßt ſie glücklich ſein, wir ſind's ja auch. Glückliche
Menſchen machen, was giebt es Schöneres unterm
Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen
über Lafontaines neueſten Roman: Kriegen ſie ſich
nicht? frage ich. — Nein, ſchluchzt ſie, er iſt ſo grau¬
ſam. — Pfui! ſage ich. — Er iſt erſt am Ende des
erſten Bandes, ſagt ſie. — Er muß! ſage ich. —
Wie kannſt Du's? — Da klopft es. Wer tritt ein?
Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich
zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das iſt Ihr
Werk; können Sie's ruhig anſehen? Eine Thräne der
Rührung, eine Thräne der Verſöhnung. — Er küßte
ihre Hand. — Sie ſollen ſich kriegen, Madame! —
Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren,
dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt,
und nach acht Tagen kriegte ſie die erſten des zwei¬
ten Theils. Schon im erſten Kapitel hatten ſie ſich
gekriegt. — Den Jammer ſparte er nachher für die
Ehe — zwei Bände voll!“

„Das nenne ich einen exemplariſchen Ehemann!“
ſagte Wandel.

„Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!“
bemerkte St. Real.

„Eine gute That belohnt die andre.“

Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine
klopfen ließ, hatte man ein ſtarkes Pochen an der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0320" n="310"/>
        <p>Um zehn Uhr war's be&#x017F;tellt, und es i&#x017F;t ein Viertel<lb/>
auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bovillard fiel ihm in den Arm: &#x201E;Bleiben Sie,<lb/>
laßt &#x017F;ie glücklich &#x017F;ein, wir &#x017F;ind's ja auch. Glückliche<lb/>
Men&#x017F;chen machen, was giebt es Schöneres unterm<lb/>
Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen<lb/>
über Lafontaines neue&#x017F;ten Roman: Kriegen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nicht? frage ich. &#x2014; Nein, &#x017F;chluchzt &#x017F;ie, er i&#x017F;t &#x017F;o grau¬<lb/>
&#x017F;am. &#x2014; Pfui! &#x017F;age ich. &#x2014; Er i&#x017F;t er&#x017F;t am Ende des<lb/>
er&#x017F;ten Bandes, &#x017F;agt &#x017F;ie. &#x2014; Er muß! &#x017F;age ich. &#x2014;<lb/>
Wie kann&#x017F;t Du's? &#x2014; Da klopft es. Wer tritt ein?<lb/>
Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich<lb/>
zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das i&#x017F;t Ihr<lb/>
Werk; können Sie's ruhig an&#x017F;ehen? Eine Thräne der<lb/>
Rührung, eine Thräne der Ver&#x017F;öhnung. &#x2014; Er küßte<lb/>
ihre Hand. &#x2014; Sie &#x017F;ollen &#x017F;ich kriegen, Madame! &#x2014;<lb/>
Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren,<lb/>
dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt,<lb/>
und nach acht Tagen kriegte &#x017F;ie die er&#x017F;ten des zwei¬<lb/>
ten Theils. Schon im er&#x017F;ten Kapitel hatten &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gekriegt. &#x2014; Den Jammer &#x017F;parte er nachher für die<lb/>
Ehe &#x2014; zwei Bände voll!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das nenne ich einen exemplari&#x017F;chen Ehemann!&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Wandel.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!&#x201C;<lb/>
bemerkte St. Real.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine gute That belohnt die andre.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine<lb/>
klopfen ließ, hatte man ein &#x017F;tarkes Pochen an der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0320] Um zehn Uhr war's beſtellt, und es iſt ein Viertel auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.“ Bovillard fiel ihm in den Arm: „Bleiben Sie, laßt ſie glücklich ſein, wir ſind's ja auch. Glückliche Menſchen machen, was giebt es Schöneres unterm Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen über Lafontaines neueſten Roman: Kriegen ſie ſich nicht? frage ich. — Nein, ſchluchzt ſie, er iſt ſo grau¬ ſam. — Pfui! ſage ich. — Er iſt erſt am Ende des erſten Bandes, ſagt ſie. — Er muß! ſage ich. — Wie kannſt Du's? — Da klopft es. Wer tritt ein? Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das iſt Ihr Werk; können Sie's ruhig anſehen? Eine Thräne der Rührung, eine Thräne der Verſöhnung. — Er küßte ihre Hand. — Sie ſollen ſich kriegen, Madame! — Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren, dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt, und nach acht Tagen kriegte ſie die erſten des zwei¬ ten Theils. Schon im erſten Kapitel hatten ſie ſich gekriegt. — Den Jammer ſparte er nachher für die Ehe — zwei Bände voll!“ „Das nenne ich einen exemplariſchen Ehemann!“ ſagte Wandel. „Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!“ bemerkte St. Real. „Eine gute That belohnt die andre.“ Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine klopfen ließ, hatte man ein ſtarkes Pochen an der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/320
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/320>, abgerufen am 23.04.2024.