Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Kapitel.
Man muß gelten wollen.

Die Vorbereitungen zu dieser Gesellschaft schienen
uns vorhin doch schon fertig; es mußte indeß nicht
so sein, wenn wir gegen Mittag eine Scene im
Speisesaal der Geheimräthin belauschen.

In der Mitte am Tische stand Adelheid vor
einem Salatnapf und neben ihr, mit prüfendem Blicke
jede ihrer Bewegungen beobachtend, die Geheimräthin.
Um Adelheids Augen war eine Binde geknüpft. Sie
übte sich, den Salat zu mischen, die Eier zu zer¬
drücken, Oel und Essig aufzugießen, ohne diese In¬
gredienzien zu sehen. Aber die Geheimräthin hatte
Flaschen und Eierteller an einen bestimmten Ort ge¬
stellt und wenn Adelheids Arm irrte, gab sie durch
leise Töne ihr ein Zeichen. Einige Schüsseln zur
Seite gesetzt, deuteten darauf, daß dies Experiment
schon mehrmals versucht war. Jetzt schien es zu
gelingen. Der Salat kräuselte sich im Napf, doch
verriethen Adelheids Bewegungen noch immer eine
innere Aengstlichkeit, und wer unter die Binde sehen

Drittes Kapitel.
Man muß gelten wollen.

Die Vorbereitungen zu dieſer Geſellſchaft ſchienen
uns vorhin doch ſchon fertig; es mußte indeß nicht
ſo ſein, wenn wir gegen Mittag eine Scene im
Speiſeſaal der Geheimräthin belauſchen.

In der Mitte am Tiſche ſtand Adelheid vor
einem Salatnapf und neben ihr, mit prüfendem Blicke
jede ihrer Bewegungen beobachtend, die Geheimräthin.
Um Adelheids Augen war eine Binde geknüpft. Sie
übte ſich, den Salat zu miſchen, die Eier zu zer¬
drücken, Oel und Eſſig aufzugießen, ohne dieſe In¬
gredienzien zu ſehen. Aber die Geheimräthin hatte
Flaſchen und Eierteller an einen beſtimmten Ort ge¬
ſtellt und wenn Adelheids Arm irrte, gab ſie durch
leiſe Töne ihr ein Zeichen. Einige Schüſſeln zur
Seite geſetzt, deuteten darauf, daß dies Experiment
ſchon mehrmals verſucht war. Jetzt ſchien es zu
gelingen. Der Salat kräuſelte ſich im Napf, doch
verriethen Adelheids Bewegungen noch immer eine
innere Aengſtlichkeit, und wer unter die Binde ſehen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0052" n="[42]"/>
      <div n="1">
        <head>Drittes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Man muß gelten wollen.</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die Vorbereitungen zu die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;chienen<lb/>
uns vorhin doch &#x017F;chon fertig; es mußte indeß nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ein, wenn wir gegen Mittag eine Scene im<lb/>
Spei&#x017F;e&#x017F;aal der Geheimräthin belau&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>In der Mitte am Ti&#x017F;che &#x017F;tand Adelheid vor<lb/>
einem Salatnapf und neben ihr, mit prüfendem Blicke<lb/>
jede ihrer Bewegungen beobachtend, die Geheimräthin.<lb/>
Um Adelheids Augen war eine Binde geknüpft. Sie<lb/>
übte &#x017F;ich, den Salat zu mi&#x017F;chen, die Eier zu zer¬<lb/>
drücken, Oel und E&#x017F;&#x017F;ig aufzugießen, ohne die&#x017F;e In¬<lb/>
gredienzien zu &#x017F;ehen. Aber die Geheimräthin hatte<lb/>
Fla&#x017F;chen und Eierteller an einen be&#x017F;timmten Ort ge¬<lb/>
&#x017F;tellt und wenn Adelheids Arm irrte, gab &#x017F;ie durch<lb/>
lei&#x017F;e Töne ihr ein Zeichen. Einige Schü&#x017F;&#x017F;eln zur<lb/>
Seite ge&#x017F;etzt, deuteten darauf, daß dies Experiment<lb/>
&#x017F;chon mehrmals ver&#x017F;ucht war. Jetzt &#x017F;chien es zu<lb/>
gelingen. Der Salat kräu&#x017F;elte &#x017F;ich im Napf, doch<lb/>
verriethen Adelheids Bewegungen noch immer eine<lb/>
innere Aeng&#x017F;tlichkeit, und wer unter die Binde &#x017F;ehen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[42]/0052] Drittes Kapitel. Man muß gelten wollen. Die Vorbereitungen zu dieſer Geſellſchaft ſchienen uns vorhin doch ſchon fertig; es mußte indeß nicht ſo ſein, wenn wir gegen Mittag eine Scene im Speiſeſaal der Geheimräthin belauſchen. In der Mitte am Tiſche ſtand Adelheid vor einem Salatnapf und neben ihr, mit prüfendem Blicke jede ihrer Bewegungen beobachtend, die Geheimräthin. Um Adelheids Augen war eine Binde geknüpft. Sie übte ſich, den Salat zu miſchen, die Eier zu zer¬ drücken, Oel und Eſſig aufzugießen, ohne dieſe In¬ gredienzien zu ſehen. Aber die Geheimräthin hatte Flaſchen und Eierteller an einen beſtimmten Ort ge¬ ſtellt und wenn Adelheids Arm irrte, gab ſie durch leiſe Töne ihr ein Zeichen. Einige Schüſſeln zur Seite geſetzt, deuteten darauf, daß dies Experiment ſchon mehrmals verſucht war. Jetzt ſchien es zu gelingen. Der Salat kräuſelte ſich im Napf, doch verriethen Adelheids Bewegungen noch immer eine innere Aengſtlichkeit, und wer unter die Binde ſehen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/52
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. [42]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/52>, abgerufen am 19.04.2024.