sie empfinde, die sie und ihre Leiden verstehe, ihr Herz auszuschütten.
Die Fürstin wollte sich mit sich selbst beschäftigen, und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen Dingen, mit denen sie sich beschäftigt, in dem Augen¬ blick die allergleichgültigsten. Das schien wenigstens der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Brust sich Luft machte, aber sie drückte die Freundin mit sanfter Innigkeit an diese selbe Brust:
"Ach, glauben Sie mir, Leiden schickt der Him¬ mel denen, die er liebt."
"Aber nicht solche, rief die Schluchzende, wie mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's ist mir alles so klar wie was!"
"Was ist Ihnen klar, Liebe?"
"Nichts, sage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer gesagt, als ein Mißverständniß. Mein Mops ist mir jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber wer trennt sich gleich von solchem Thier! Er hat nun mal seinen Platz. 's ist die Gewohnheit, sagt mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn sie singt --"
"Ich verstehe Sie nicht." Die Fürstin verstand sie wirklich nicht.
"Ich weiß es, ich rede confus, ich verstehe mich ja selbst zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops war so gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor, er wußte nicht, daß er meiner war. Es sind boshafte Menschen dazwischen, die haben ihm das arme Thier
ſie empfinde, die ſie und ihre Leiden verſtehe, ihr Herz auszuſchütten.
Die Fürſtin wollte ſich mit ſich ſelbſt beſchäftigen, und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen Dingen, mit denen ſie ſich beſchäftigt, in dem Augen¬ blick die allergleichgültigſten. Das ſchien wenigſtens der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Bruſt ſich Luft machte, aber ſie drückte die Freundin mit ſanfter Innigkeit an dieſe ſelbe Bruſt:
„Ach, glauben Sie mir, Leiden ſchickt der Him¬ mel denen, die er liebt.“
„Aber nicht ſolche, rief die Schluchzende, wie mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's iſt mir alles ſo klar wie was!“
„Was iſt Ihnen klar, Liebe?“
„Nichts, ſage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer geſagt, als ein Mißverſtändniß. Mein Mops iſt mir jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber wer trennt ſich gleich von ſolchem Thier! Er hat nun mal ſeinen Platz. 's iſt die Gewohnheit, ſagt mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn ſie ſingt —“
„Ich verſtehe Sie nicht.“ Die Fürſtin verſtand ſie wirklich nicht.
„Ich weiß es, ich rede confus, ich verſtehe mich ja ſelbſt zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops war ſo gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor, er wußte nicht, daß er meiner war. Es ſind boshafte Menſchen dazwiſchen, die haben ihm das arme Thier
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ſie empfinde, die ſie und ihre Leiden verſtehe, ihr
Herz auszuſchütten.
Die Fürſtin wollte ſich mit ſich ſelbſt beſchäftigen,
und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen
Dingen, mit denen ſie ſich beſchäftigt, in dem Augen¬
blick die allergleichgültigſten. Das ſchien wenigſtens
der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Bruſt ſich
Luft machte, aber ſie drückte die Freundin mit ſanfter
Innigkeit an dieſe ſelbe Bruſt:
„Ach, glauben Sie mir, Leiden ſchickt der Him¬
mel denen, die er liebt.“
„Aber nicht ſolche, rief die Schluchzende, wie
mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's iſt
mir alles ſo klar wie was!“
„Was iſt Ihnen klar, Liebe?“
„Nichts, ſage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer
geſagt, als ein Mißverſtändniß. Mein Mops iſt mir
jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber
wer trennt ſich gleich von ſolchem Thier! Er hat
nun mal ſeinen Platz. 's iſt die Gewohnheit, ſagt
mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn ſie
ſingt —“
„Ich verſtehe Sie nicht.“ Die Fürſtin verſtand
ſie wirklich nicht.
„Ich weiß es, ich rede confus, ich verſtehe mich
ja ſelbſt zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops
war ſo gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor,
er wußte nicht, daß er meiner war. Es ſind boshafte
Menſchen dazwiſchen, die haben ihm das arme Thier
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/175>, abgerufen am 05.06.2023.
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